Inanspruchnahme auf Zahlung von Unterhalt für die Mutter des Unterhaltsverpflichteten; Auskunftserteilung über Einkünfte der
Ehefrau zwecks Unterhaltsbemessung; Anrechnung eines Selbstbehaltes auf eine Unterhaltszahlung gegenüber einem Elternteil
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Zahlung eines Unterhaltsbeitrages für seine am 20. März 1923
geborene Mutter in Anspruch. Die Klägerin leistet ihr regelmäßig Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG. Sie verlangt von dem Beklagten einen Beitrag von 156,00 DM monatlich. Die Mutter des Beklagten war viermal verheiratet.
Die letzte Ehe wurde 1976 nach Vereinbarung eines Unterhaltsverzichts rechtskräftig geschieden. Die Mutter hat außer dem Beklagten
noch einen Sohn und eine Tochter aus den früheren Ehen.
Der Beklagte ist bei der Bundeswehr beschäftigt mit einer Vergütung nach Lohngruppe 5 a, Lohnstufe 8. Er ist kinderlos verheiratet
und seine Ehefrau ist berufstätig.
Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte verdiene monatlich im Schnitt 2.388,54 DM netto. Für berufsbedingte notwendige
Fahrtkosten seien 215,60 DM einkommensmindernd zu berücksichtigen. Sein Selbstbehalt sei mit Rücksicht auf eigene Einkünfte
der Ehefrau auf 1.750,00 DM herabzusetzen, so daß von der Leistungsfähigkeit des Beklagten auszugehen sei. Der Beklagte verweigere
grundlos Angaben zum Einkommen seiner Ehefrau, der er nicht zum Unterhalt verpflichtet sei. Aus dem Steuerbescheid für 1998
ergebe sich, daß die Ehefrau mehr als der Beklagte verdiene.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, beginnend mit dem 01.10.2000 einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 156,00 DM jeweils
bis zum 5. eines jeden Monats im voraus zu zahlen und einen rückständigen Betrag in Höhe von 780,00 DM für die Zeit vom 01.05.2000
bis 30.09.2000 nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, die Bedürftigkeit der Mutter und die Unterhaltsverpflichtung als solche werde grundsätzlich nicht bestritten.
Er sei außer Stande über die Einkünfte seiner Ehefrau Auskunft zu erteilen. Sein eigenes monatliches Nettoeinkommen in der
hier maßgeblichen Zeit betrage im Schnitt 2.282,45 DM einschließlich einer geringfügigen Steuererstattung von 9,93 DM und
nach Abzug von 215,60 DM als Fahrtkosten. Er, der Beklagte, habe gegenüber seiner Mutter den erhöhten Selbstbehalt von 2.250,00
DM. Das ergebe sich aus der Düsseldorfer Tabelle, so daß er nicht leistungsfähig sei. Eine Herabsetzung des Selbstbehalts
auf 1.750,00 DM sei nicht angemessen. Seine Ehefrau sei seiner Mutter nicht unterhaltspflichtig, durch eine Herabsetzung des
Selbstbehalts würde die Ehefrau indirekt zum Unterhalt herangezogen.
Das Familiengericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Beklagte sei außerstande
seiner Mutter Unterhalt zu gewähren ohne den eigenen angemessenen Unterhalt zu gefährden.
Auf die Wiedergabe der Begründung des Urteils im einzelnen wird wegen der allen Beteiligten vorliegenden schriftlichen Urteilsgründe
verzichtet.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die sie wie folgt begründet:
Das dem Beklagten zurechenbare Einkommen liege oberhalb des angemessenen Selbstbehalts, abgesehen davon sei zu berücksichtigen,
daß der Beklagte verheiratet ist und seine Ehefrau mindestens soviel verdiene wie er. Ein Unterhaltsanspruch gegen den letzten
geschiedenen Ehemann der Mutter des Beklagten bestehe nicht. Der seinerzeit vereinbarte Unterhaltsverzicht sei rechtswirksam
und unter keinem Gewichtspunkt zu beanstanden. Der Beklagte sei leistungsfähig. Im Jahre 1999 habe der Beklagte nach Abzug
notwendiger Fahrtkosten monatlich im Schnitt 2.352,33 DM netto verdient. Auch wenn ein Selbstbehalt von 2.250,00 DM anzunehmen
wäre, bleiben für Unterhaltszwecke 100,00 DM aber es sei der Tatsache Rechnung zu tragen, daß der Beklagte verheiratet sei
und seine Frau gleich hohe Einkünfte erziele. Wenn der Familienbedarf mit 4.000,00 DM (2.250,00 DM + 1.750,00 DM) angesetzt
und der vom Beklagten geschuldete Anteil mit 2.000,00 DM bestimmt werde, bestünde mit verbleibenden 352,00 DM ausreichende
Leistungsfähigkeit. Die Einkünfte der Halbgeschwister des Beklagten ... und Frau ... seien regelmäßig überprüft worden, es
habe Leistungsfähigkeit nicht festgestellt werden können.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, beginnend mit dem 01.10.2000 einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 156,00 DM jeweils
bis zum 5. eines jeden Monats im voraus zu zahlen und einen rückständigen Betrag in Höhe von 780,00 DM für die Zeit vom 01.05.2000
bis 30.09.2000 nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält sich nicht für leistungsfähig. Sein monatlicher Nettolohn betrage nur 2.058,40 DM. Sein Selbstbehalt sei mit 2.250,00
DM anzusetzen. Eine Absenkung wegen der Einkünfte der Ehefrau sei unzumutbar und mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
unvereinbar. Im übrigen bestehe ein Unterhaltsanspruch gegen den letzten Ehemann, der Verzicht auf Unterhalt vom 26.04.1976
sei nicht wirksam und zu Lasten nachrangiger Angehöriger abgeschlossen. Die Klägerin habe ohne Grund die Halbgeschwister nicht
in Anspruch genommen, obwohl sie leistungsfähig wären.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils:
Der Beklagte ist in dem in Rede stehenden Zeitraum ab Mai 2000 seiner unterhaltsbedürftigen Mutter im Umfange des von der
Klägerin geltend gemachten Klageanspruchs unterhaltspflichtig (§§
1601,
1603 Abs.
1 BGB). Die Unterhaltsbedürftigkeit der Mutter ist dem Grunde nach außer Streit.
Indessen kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf mangelnde Leistungsfähigkeit berufen.
Nach der vorgelegten Lohnsteuerbescheinigung und dem Steuerbescheid für 2000 ist dem Beklagten wenigstens das von der Klägerin
ermittelte Einkommen in Höhe von 2.352,00 DM monatlich im Schnitt zurechenbar (53.876,18 DM brutto pro Jahr und nach Abzug
aller Sozialversicherungsbeiträge sowie der Steuern 31.642,14 DM netto). In dem von der Klägerin errechneten monatlich verfügbaren
Nettoeinkommen ist eine geringfügige Steuererstattung (9,93 DM) enthalten sowie ein Abzug für berufsbedingte Fahrtkosten in
Höhe von 215,60 DM einkommensmindernd berücksichtigt.
Entsprechend der regelmäßigen Handhabung des Bundesgerichtshofs und der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ist ein sogenannter
pauschalierter Selbstbehaltssatz (Nr. 49 HLL) zu bestimmen. Dieser ist bei Unterhaltsansprüchen von Eltern gegen ihre volljährigen
Kinder im Jahre 2000 mit 2.250,00 DM anzusetzen.
Davon ist grundsätzlich auch vorliegend auszugehen, jedoch ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß der Beklagte nicht alleine
lebt, sondern verheiratet ist. Seine Partnerin ist nicht unterhaltsbedürftig, weil sie eigene Einkünfte erwirtschaftet. Der
Beklagte muß sich entgegenhalten lassen, daß sein konkreter Lebensbedarf durch das Zusammenleben mit seiner Partnerin in den
notwendigen alltäglichen Bedürfnissen der allgemeinen Lebensführung kostengünstiger ist als in einem Einzelhaushalt. Wenn
nur auf die Tatsache des Zusammenlebens - gleichgültig ob ehelich oder nichtehelich - abgestellt wird, ergeben sich nach allgemeiner
Lebenserfahrung bei den notwendigen alltäglichen laufenden Ausgaben (Miete, Strom, Heizung, Telefon, Fernsehen pp.) Einsparungen,
die zumindest bei Einkünften wie im vorliegenden Verfahren mit 10 % des üblichen Selbstbehalts zu veranschlagen sind. Demnach
ist ein Selbstbehalt für den Beklagten von 2.025,00 DM (10 % von 2.250,00 DM = 225,00 DM) zugrundezulegen. Auf diese Weise
wird dem berechtigten Einwand Rechnung getragen, daß die Partnerin des Beklagten seiner Mutter nicht unterhaltspflichtig ist
und ihr Einkommen auch nicht indirekt über die Ermittlung eines sogenannten Familienbedarfs und eines für die Partnerin -
trotz fehlender Unterhaltsverpflichtung - anzusetzenden Selbstbehalts doch indirekt mitberücksichtigt wird. Berücksichtigt
werden bei dieser Rechnung ausschließlich Kosteneinsparungen, die beim Beklagten selbst anfallen.
Von einem Selbstbehalt in Höhe von 2.025,00 DM, der bei den konkreten ehelichen Lebensverhältnissen und dem Zusammenleben
mit einer Partnerin angemessen ist, kann der Beklagte noch seine berechtigten eigenen Bedürfnisse auf Grund der tatsächlich
vorhandenen Eigeneinkünfte sicherstellen, auch wenn er nur den Unterhaltsbeitrag von 156,00 DM für seine Mutter aufbringt.
Der Hinweis auf die gleichrangig unterhaltsverpflichteten Halbgeschwister ... und ... gemäß §
1606 Abs. III
BGB stellt die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten nicht in Frage. Die Klägerin hat beide Personen über die familiären Einkommens-
und Vermögensverhältnisse angehört und nähere Angaben schriftlich geprüft. Beide Personen haben ihre Angaben nach bestem Wissen
und Gewissen gemacht. Es ist davon auszugehen daß Frau ... seit März 1999 Altersrente von 595,95 DM bezieht und auf Unterhalt
ihres Ehemannes, der auch Rentner ist, angewiesen ist. Herr ... bezieht Witwerrente von 677,27 DM und Arbeitslosenhilfe von
517,36 DM jeweils pro Monat. Beide Halbgeschwister des Beklagten haben erklärt, andere erhebliche Vermögenswerte seien nicht
vorhanden, abgesehen von einem Bankguthaben in Höhe von 1.150,00 DM bei Frau ... Der Senat ist davon überzeugt, daß diese
Angaben der Halbgeschwister gegenüber einer Behörde der Wahrheit entsprechen. Sie sind nach Belehrung abgegeben worden. Konkrete
Anhaltspunkte dafür, daß falsche Einkünfte vorgetragen oder wesentliche Umstände verschwiegen worden sind - etwa ein aufwendiger
Lebensstil oder wiederholt teure Reiseunternehmen - haben sich nicht ergeben. Das hat nach entsprechender Erörterung auch
der Beklagte über seine Prozeßbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Eine erneute Vernehmung der Zeugen
... und ... war unter diesen Umständen prozessual nicht geboten.
Schließlich bleibt darauf hinzuweisen, daß der 1976 vereinbarte gerichtliche Unterhaltsverzicht bedenkenfrei ist. Seinerzeit
entsprach es üblicher und anerkannter Handhabung, daß bei sogenannten konventionellen Scheidungen bei Übernahme der Schuld
durch den Ehemann ein gegenseitiger Unterhaltsverzicht erklärt wurde, zumal die geschiedene Ehefrau seinerzeit berufstätig
war.
Ab Juli 2001 erhöht sich der Selbstbehalt des Beklagten auf 2.450,00 DM. Abzüglich 10 % errechnet sich sodann vorliegend ein
Selbstbehalt von 2.205,00 DM. Die Leistungsfähigkeit des Beklagten, dessen Einkommen gegenüber 2.000,00 DM jedenfalls nicht
gesunken sein dürfte, ist auch bei dieser Sachlage nach wie vor gegeben.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§
91,
708 Ziffer 10, 713
ZPO.