Zur Leistungsfähigkeit des zum Kindesunterhalt Verpflichteten nach Aufgabe einer Vollerwerbstätigkeit
1. Gibt ein unterhaltsverpflichteter Vater eine unbefristete Vollerwerbstätigkeit als Helfer in einer Demontagefirma, bei
deren Vergütung er nach Abzug des Selbstbeghalts unzweifelhaft in der Lage gewesen wäre, den geltend gemachten Kindesunterhalt
zu zahlen, wegen unzumutbarer Bedingungen auf, ohne dies näher zu erläutern, so ist ihm ein Einkommen in Höhe der vorherigen
Tätigkeit fiktiv zuzurechnen; denn angesichts der ihm obliegenden gesteigerten Unterhaltspflicht seinem Kind gegenüber ist
er gehalten, seine Arbeitskraft bestmöglich einzusetzen, und durch die vorgenannte Tätigkeit hat er gezeigt, dass ihm die
Beschaffung einer für die Leistung des Mindestkindesunterhalts ausreichend dotierten Stelle möglich ist.
2. Zur Zumutbarkeit der Erzielung eines teilschichtigen Einkommens, das neben einem Leistungsbezug nach SGB II zur Erfüllung
der Mindestunterhaltspflichten ausreicht.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg (§
114 ZPO).
Der Beklagte ist als fähig anzusehen, den von der Klägerin geltend gemachten Kindesunterhalt in Höhe von 199,00 EUR zu leisten
(§
1603 BGB). Der Beweis des Gegenteils (vgl. insoweit zur Darlegungs- und Beweislast BGH, FamRZ 1996, 345, 346) dürfte ihm nicht gelingen.
I.
Der Beklagte hat sich aus eigener Anstrengung heraus - ohne dass ihn insoweit seine angeblich mangelnden Deutschkenntnisse
gehindert hätten - eine unbefristete Vollerwerbstätigkeit als Helfer in einer Demontagefirma verschafft, die bereits mit 9,58
EUR/Stunde dotiert war, d.h. bei werktäglich 8 Stunden hätte er monatlich - ohne Überstunden - ein Bruttogehalt von rund 1.660,53
EUR (8 x 5 x 52 : 12 x 9,58 EUR) erzielt, d.h. bei Steuerklasse I und einem Kinderfreibetrag von 0,5 rund 1.144,82 EUR netto,
sodass er nach Abzug des Selbstbehalts von 890,00 bzw. (seit 01.07.2007) 900,00 EUR unzweifelhaft in der Lage gewesen wäre,
den von der Klägerin geltend gemachten Kindesunterhalt von 199,00 EUR zu zahlen (1.144,82 EUR - 890,00 EUR = 254,82 EUR; 1.144,82
EUR - 900,00 EUR = 244,82 EUR). Diese Stelle hat er angeblich wegen unzumutbarer Bedingungen aufgegeben, ohne dies jedoch
näher zu erläutern. Da er angesichts der ihm obliegenden gesteigerten Unterhaltspflicht seinem Sohn C gegenüber gehalten ist,
seine Arbeitskraft bestmöglich einzusetzen und durch die Aufnahme der vorgenannten Tätigkeit gerade gezeigt hat, dass ihm
die Beschaffung einer für die Leistung des Mindestkindesunterhalts ausreichend dotierten Stelle möglich ist, ist ihm ein Einkommen
in dieser Höhe fiktiv zuzurechnen.
II.
Selbst wenn der Senat von der Zurechnung eines vollschichtigen Einkommens absehen würde, wäre es dem Beklagten - wie auch
der von ihm selbst vorgelegte Arbeitsvertrag mit der Firma E zeigt - jedenfalls möglich, zumindest ein teilschichtiges Einkommen
zu erzielen, durch das er seinen Unterhaltspflichten nachkommen könnte. Insoweit wäre neben dem derzeitigen Leistungsbezug
nach SGB II in Höhe von 771,69 EUR bzw. 714,15 EUR ab November 2007 ein Einkommen von (maximal) 320,00 EUR bereits ausreichend,
um zum einen den dem Beklagten zu belassenden notwendigen Selbstbehalt, den der Senat für eine Geringverdienertätigkeit mit
einem Mittelwert des notwendigen Selbstbehalts für Erwerbstätige und Nichterwerbstätige (890 bzw. ab 01.07.2007 900/770),
mithin in Höhe von 830 EUR bzw. 835 EUR ansetzt, und zum anderen den Mindestunterhalt von C in Höhe von 199,00 EUR zu decken.
Ein Einkommen in dieser Höhe wäre auch von Anrechnungen nach dem SGB II gänzlich ausgenommen: So ist ein Betrag von 100,00
EUR bei der Ermittlung des sozialrechtlich relevanten Einkommens per se anrechnungsfrei (§ 30 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II); darüber
hinaus sind weitere 20 % gemäß § 30 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II absetzungsfähig, d.h. von den rund 320 EUR weitere 44,00 EUR
(220 x 20 %), mithin 144 EUR, die bereits ausreichen, um dem Beklagten in jedem Falle den ihm zu belassenden notwendigen Selbstbehalt
zu gewährleisten. Der Mindestkindesunterhalt von 199,00 EUR wäre gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 7 SGB II von einer Einkommensanrechnung
ausgenommen, nachdem die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten durch Urteil des Amtsgerichts vom 22.03.2007 bereits für die
Zukunft, d.h. ab 01.06.2007 tituliert ist.