Zur Haftung für Heilbehandlungskosten aus einem wegen Verstoßes gegen die Unfallverhütungsvorschriften erlittenen Arbeitsunfall
- grobe Fahrlässigkeit; Mitverschulden des Geschädigten?
Entscheidungsgründe:
A.
Die Klägerin begehrt gemäß §
110 SGB VII Erstattung von ihr aufgewendeter - und im Wege des Feststellungsantrags zukünftiger - Heilbehandlungskosten aus einem Arbeitsunfall
des bei ihr versicherten Zeugen D3 vom 22.03.2000. Dieser war als Leiharbeiter im Betrieb der Beklagten zu 1 tätig und mit
der Folge der Amputation des rechten Fußes erheblich verletzt worden, als ein senkrecht stehender Stahlrahmen einer von der
Erstbeklagten in einer Ausstellungshalle der D2 als Kunstwerk zu errichtenden Trägerkonstruktion, nachfolgend als "Kubus"
bezeichnet, umstürzte.
Der Zeuge D3 war bei der Errichtung als Schlosser, der Beklagte zu 2 als ihm übergeordneter, vor Ort verantwortlicher Bauleiter
der Beklagten zu 1 eingesetzt. Jener hatte von dem Fachbauleiter (Meister) der Beklagten zu 1), dem Zeugen I2, mündliche Anweisungen
für die Durchführung der Montage erhalten, eine schriftliche Montageanleitung fertigte die Beklagte erst am 24.3.2000, zwei
Tage nach dem Unfall. Die etwa 3 m hohe Stahlkonstruktion konnte umkippen, weil sie entgegen den dem Beklagten von I2 erteilten
mündlichen Anweisungen nicht mit in das Betonfundament eingelassenen Bodenplatten verschweißt und entgegen anerkannten Regeln
der Bautechnik nicht diagonal ausgesteift war, bevor man versuchte, ein innen liegend waagerecht anzubringendes es Metallgitter
vermittels eines Kettenzuges anzuheben. Die Parteien haben darum gestritten, warum der Zweitbeklagte - auch entgegen entsprechenden
Vorhaltungen des Zeugen D3 - den Kubus in der geschehenen unsicheren Weise errichten ließ und welche Rolle dabei mündliche
Anweisungen des Streithelfers der Klägerin eine Rolle gespielt haben, der als bauüberwachender Architekt der Kunstwerksurheber,
nicht der Beklagten, mit der Konstruktion befasst war. Insbesondere geht der Streit darum, ob das Vorgehen bei der Errichtung
einen gemäß §
110 SGB VII für die Haftung vorausgesetzten grob fahrlässigen Verstoß der Beklagten gegen Sicherheitsvorschriften darstellt und ob insoweit
die für "Bauarbeiten" einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften BGV C 22, §§ 17 und 18 galten. § 17 BGV C 22 schreibt die
Erteilung einer schriftlichen Montageanleitung vor Baubeginn vor. Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen und sachverständig
beraten die Geltung der BGV C 22 und grobe Fahrlässigkeit beider Beklagter bejaht und mit dem angefochtenen Grundurteil die
Klageanträge für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz wird auf das angefochtene Urteil einschließlich
seiner Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie rügen die Bewertung des ihnen angelasteten
Verschuldens als grob fahrlässig und monieren insoweit insbesondere die Heranziehung der BGV C 22 durch das Landgericht, die
richtigerweise nicht einschlägig seien, weil der zu errichtende Kubus keine Bauarbeit im Sinne dieses Regelwerks sei. Mit
seiner gegenteiligen Auffassung habe das Landgericht sich ohne hinreichende eigene Beurteilungsgrundlage über die Ansicht
des in seinem Fachgebiet 'Statik und Stahlbaukonstruktion' erfahrenen Sachverständigen Dr. I hinweggesetzt. Aber selbst bei
Anwendung von § 17 BGV C 22 habe nach dessen S. 2 eine schriftliche Montageanleitung hier nicht vorliegen müssen, weil besondere
sicherheitstechnische Angaben für die hier verlangte "Bagatellkonstruktion" nicht erforderlich gewesen seien, diese vielmehr
anhand der Konstruktionszeichnung von jedem Monteur mit seinem allgemeinen sicherheitstechnischen Fachwissen habe bewältigt
werden können. Grobe Fahrlässigkeit könne der Beklagten zu 1 auch in subjektiver Hinsicht schon deshalb nicht vorgeworfen
werden, weil zum einen die bloße Verletzung einer UVV solches noch nicht ausreichend indiziere, und zum anderen ihr das Verkennen der Einschlägigkeit der Regelung und das Verlassen
auf die ausreichende übliche Montagepraxis eines erfahrenen Monteurs nicht vorzuwerfen sei, wenn sogar der für diesen Bereich
öffentlich bestellte Sachverständige Dr. I die BGV C 22 nicht für anwendbar und eine schriftliche Montageanleitung nicht für
gefordert halte.
Jedenfalls fehle es an der Kausalität der vermeintlichen Pflichtverletzung, denn nachgewiesenermaßen sei nicht das Fehlen
einer schriftlichen Montageanleitung, sondern die Intervention des Streithelfers durch dessen Anweisung, die Träger nicht
am Boden zu verschweißen, Auslöser für die schadensträchtige Vorgehensweise der Konstrukteure geworden. Diese Anweisung würde
er auch gegenüber einer schriftlichen anderslautenden Montageanleitung erteilt haben.
Dem Beklagten zu 2 sei seine - unterstellte - Fahrlässigkeit jedenfalls nicht als grob anzulasten, da er den Anweisungen eines
Architekten vertraut habe, als er von denen seines Fachbauleiters abgewichen sei.
Hilfsweise sei das - im Hinblick auf die Haftungsobergrenze gemäß §
110 I S. 1
SGB VII beachtliche - Mitverschulden des Verletzten D3 mit mindestens 50 % anspruchsmindernd zu berücksichtigen, denn dieser habe
in gleicher Weise wie der Zweitbeklagte um die Gefährlichkeit der konstruktiven Vorgehensweise gewusst. Bewerte man dessen
Versagen als grob fahrlässig, so könne das Verschulden des D3 nicht geringer gewichtet werden.
Schließlich sei die Gewährung eines zumindest teilweisen Haftungsverzichts durch die Klägerin gemäß §
110 II
SGB VII hier nach billigem, aber pflichtgemäßen Ermessen geboten, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Schadensursache primär
durch den Streithelfer der Klägerin gesetzt worden sei.
Die Zurückweisung der Berufung beantragende Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil, namentlich in der Anwendbarkeit der
BGV C 22, die die vorherige Erteilung einer schriftlichen Montageanweisung gemäß ihrem § 17 zwingend erfordert habe, sowie
in der Beurteilung der den Beklagten vorzuwerfenden Fahrlässigkeit als grobe. Deren Versagen und nicht das Eingreifen des
Streithelfers habe auch den Unfall entscheidend verursacht. Ein Mitverschulden des verletzten Arbeitnehmers sei nicht gegeben,
darüber hinaus unbeachtlich, weil es erstinstanzlich nicht eingewandt worden und nicht von Amts wegen zu berücksichtigen gewesen
sei.
Für einen im Ermessen des Sozialversicherungsträgers stehenden Haftungsverzicht nach §
110 II
SGB VII bestehe im Hinblick auf die hinter den Beklagten stehende Haftpflichtversicherung keine Veranlassung.
Auch der Streithelfer der Klägerin hält das landgerichtliche Urteil für zutreffend. Er hält speziell daran fest, dem Zweitbeklagten
keine Anweisungen für die unfallursächliche Abweichung von der Montageanleitung bzw. den Sicherheitsvorschriften gegeben zu
haben. Dies sei aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme festzustellen.
Der Senat hat den Beklagten zu 2 persönlich gehört. Wegen des Inhalts seiner Erklärungen wird auf den Berichterstattervermerk
zum Protokoll der Berufungsverhandlung vom 2.6.2006 verwiesen.
B.
I. Berufung der Beklagten zu 1:
Das Rechtsmittel der Beklagten zu 1 ist begründet, denn der Klägerin steht der vom Landgericht zuerkannte Klaganspruch aus
§
110 I S. 1
SGB VII nicht zu. Eine für den Unfall des Zeugen D3 ursächliche Pflichtverletzung dieser Beklagten ist jedenfalls nicht als grob
fahrlässig einzustufen.
a) Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der
im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und es muss dasjenige unbeachtet
geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt für
sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes personales Verschulden, nur weil ein solches häufig damit
einherzugehen pflegt. Vielmehr erscheint eine Inanspruchnahme des haftungsprivilegierten Schädigers im Wege des Rückgriffs
nur dann gerechtfertigt, wenn eine besonders krasse, auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt,
die das in §
276 Abs.
1 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet; vgl. BGH, Urteil vom 30.1.2001, VI ZR 49/00, in NJW 2001, 2092 = MDR 2001, 569 m. w. N.
b) Für die Beklagte zu 1 hat das Landgericht diese ( analog §
31 BGB zurechenbare ) grobe Fahrlässigkeit ihres Geschäftsführers darin gesehen, dass er nicht für die Aushändigung einer schriftlichen
Montageanleitung mit den erforderlichen sicherheitstechnischen Anweisungen an den Zweitbeklagten vor Beginn der Montage Sorge
getragen hat. Eine solche schriftliche Montageanleitung sei durch § 17 der Unfallverhütungsvorschrift (UVV) für Bauarbeiten, nämlich der BGV C 22 vorgeschrieben gewesen. 1. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sind die BGV C 22
auf die Errichtung der hier von den Beklagten zu erstellenden Stahlkonstruktion nicht anwendbar. Diese UVV gilt nach ausdrücklicher Bestimmung in ihrem § 1 Abs. 1 für "Bauarbeiten". Was in diesem Sinne Bauarbeiten sind, wird in den Begriffsbestimmungen des § 2 definiert, nämlich Arbeiten
zur Herstellung ... von "baulichen Anlagen" ... . Gemäß der weiteren Definition in Abs. 3 sind bauliche Anlagen, von den hier
nicht interessierenden Ausnahmen in S. 2 und S. 3 abgesehen, mit dem Erdboden fest verbunden. Daran fehlt es vorliegend, denn
der Kubus sollte nicht mit dem Erdboden fest verbunden werden, sondern mit dem Hallenboden innerhalb eines bereits bestehenden
Bauwerks. Dass eine solche nur mittelbare Verbindung mit dem Erdboden nicht ausreicht, ergibt sich aus dem Zweck der Begriffsbestimmung,
den Anwendungsbereich der Vorschrift einzugrenzen, denn mittelbar ist aufgrund der Schwerkraft zwangsläufig jede Anlage mit
dem Erdboden verbunden, solange sie nicht fliegt. Die Gesamtschau auch der Durchführungsanweisungen zu § 2 Abs. 1 erweist dagegen, dass diese UVV für alle Arbeiten an baulichen, d. h. mit dem Erdboden verbundenen Anlagen gelten sollen, nicht jedoch für separate Konstruktionen,
die innerhalb von Gebäuden ohne deren technische Veränderung errichtet und ggfs. eigenen Sicherheitsbestimmungen unterworfen
werden. Im vorliegenden Fall war der Kubus auf mit dem Gebäudeboden nur verschraubten Stahlplatten separat für sich zu erstellen,
vergleichbar beispielsweise der Errichtung eines Regals in einer bestehenden Lagerhalle oder einer Einbauküche in einem Wohnhaus.
Ein Umbau der bestehenden baulichen Anlage oder ein Anbau daran liegt bei natürlicher Betrachtung nicht vor.
2. Selbst wenn man die streitgegenständliche Konstruktion den BGV C 22 mit deren § 17 unterwerfen könnte, läge in dem Verstoß
gegen die Durchführungsanweisung dazu, die für Stahlbaumontagen "immer eine schriftliche Montageanweisung" vorschreibt, noch
keine grobe Fahrlässigkeit. Das Gleiche gilt für die von der Klägerin geltend gemachten Verstöße gegen die weiteren von ihr
in der Klageschrift angeführte Arbeitsschutznormen. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt betont, dass nicht jeder Verstoß
gegen die einschlägigen UVV schon als ein grob fahrlässiges Verhalten zu werten ist; vgl. nur BGH VersR 1989, 109 m. w. N. Vielmehr kommt es darauf an, ob es sich um eine UVV handelt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befasst und somit elementare Sicherungspflichten
zum Inhalt hat; so BGH NJW 2001, 2092 = MDR 2001, 569. Die generellen Anweisungen, Arbeitsplätze sicher zu gestalten, Material gegen unbeabsichtigte Verlagerung gesichert einzubauen
oder schriftliche Montageanweisungen zu erteilen, befassen sich aber gerade nicht spezifisch mit Vorrichtungen zum Schutz
vor konkreten tödlichen Gefahren und für diese bestehenden elementaren Sicherungspflichten.
3. Losgelöst von besonderen Vorschriften war die Beklagte zu 1 weder gehalten, dem Beklagten zu 2 eine schriftliche Montageanleitung
mit den erforderlichen Sicherheitsanweisungen zu erteilen noch zu überwachen, dass der Beklagte von den mündlich gegebenen
Anweisungen nicht sicherheitsgefährdend abwich. Dagegen spricht entscheidend, dass der Kubus auch nach Einschätzung des Sachverständigen
eine "Bagatellkonstruktion" darstellte, für die schriftliche Montageanleitungen in der Praxis unüblich sind. Der Sachverständige
erachtet auch die Konstruktionszeichnung für ausreichend; dass die Verbindung zwischen den Stahlträgern und den Bodenplatten
verschweißt werden musste, ist nach seinen Ausführungen im Termin vom 16.2.05 ohne ausdrücklichen Vermerk in der Konstruktionszeichnung
selbstverständlich. Das gehöre zum Kenntnisstand eines Monteurs. Die Anweisung, die Träger mit der Basiskonstruktion ( unter
Einschluss von Flachstahlplatten zum Niveauausgleich ) zu verschweißen, ist dem Beklagten von dem Fachbauleiter der Beklagten
zu 1, dem Zeugen I2, unstreitig mündlich gegeben worden. Dass dies auch ohne die vermisste diagonale Aussteifung zur Herstellung
der Kippsicherheit ausgereicht hätte, stellt der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausdrücklich fest. Die
diagonale Aussteifung stellte eine technisch gebotene Alternative erst für den Fall dar, dass nicht am Boden verschweißt wurde.
Sie musste daher nicht in die mündlichen Anweisungen eingeschlossen werden.
Damit, dass der Beklagte anweisungswidrig das Verschweißen unterlassen würde, musste die Beklagte nicht rechnen. Der Beklagte
hat nach eigenem Vorbringen im Verhandlungstermin vom 19. Mai 2004 (Bl. 164 GA) von dem Anschweißen erst abgesehen, als der
( arbeitsrechtlich ihm gegenüber nicht weisungsbefugte ) Architekt verlangt hatte, es müsse vor dem Schweißen vollflächig
unterfüttert werden und er, der Beklagte dafür nicht die passenden Flachstahlplatten "dabei hatte".
Jedenfalls war das Unterlassen einer Vorsorge durch die Beklagte dagegen, dass ihr verantwortlicher Monteur vor Ort nicht
weisungswidrig das unterließ, was nach seinem beruflichen Kenntnisstand als Stahlbaumonteur selbst ohne Weisung ohnehin geboten
war, nämlich den erforderlichen Halt durch das vorgegebene Anschweißen oder zumindest ersatzweise auf andere technisch erprobte
Weise herzustellen, nicht grob fahrlässig. Die Beklagte hat mit der Überlassung der nach den erteilten Vorgaben relativ einfachen
Montageausführung vor Ort in die Verantwortlichkeit des Beklagten zu 2 nicht etwas unbeachtet gelassen, was jedem als notwendig
eingeleuchtet hätte.
II. Berufung des Beklagten zu 2:
Das Rechtsmittel des Beklagten bleibt dagegen erfolglos, denn er ist der Klägerin zum Aufwendungsersatz gemäß §
110 I S. 1
SGB VII verpflichtet.
a) Ihn trifft der Vorwurf, den Unfall des Zeugen D3 grob fahrlässig herbeigeführt zu haben. Das schriftliche Sachverständigengutachten
bezeichnet seine Vorgehensweise als objektiv grob fehlerhaft. Entgegen der Auffassung des Gutachters und der darauf gestützten
Berufung rechtfertigt das auch den qualifizierten subjektiven Verschuldensvorwurf. Zutreffend hat das Landgericht diese rechtliche
Wertung als seine eigene Aufgabe erkannt. Die von dem Beklagten nach dem Unterlassen des Anschweißens der unteren Träger und
der Diagonalaussteifung einzig noch ergriffene Maßnahme zur Erhöhung der Kippsicherheit durch Auflegen von drei Kanthölzern,
die mit den oberen Rahmen nur durch Schraubzwingen verbunden werden, hat der technische Sachverständige im schriftlichen Gutachten
einleuchtend als ungeeignet verworfen. Der Gutachter hat zwar gemeint, der Beklagte habe nach seinem Kenntnis- und Erfahrungsstand
als Stahlbaumonteur ohne Hinzuziehung eines Statikers den Einsturz der Konstruktion nicht voraussehen müssen. Das entlastet
ihn jedoch nicht. Der Beklagte wich mit seinem Vorgehen von einer eindeutigen Vorgabe des Fachbauleiters I2 ab. Ihm war auch
aufgrund eigenen Wissens und des entsprechenden Vorhalts des Mitarbeiters D3 bewusst, dass die Sicherung gegen das Umkippen
durch Anschweißen der unteren Träger herzustellen war. Ebenso war ihm klar, dass er eine anderweitige Sicherung herstellen
musste, wenn er von dieser Vorgabe abwich, sei es, weil er das nötige Flachstahlmaterial nicht zur Hand hatte oder aus welchem
Grund auch immer. Eben deshalb hat er mit dem Streithelfer darüber gesprochen, die Rahmen durch Aufhängung an einen Deckenträger
in der Senkrechten zu halten. Nachdem der Architekt diese Möglichkeit verworfen hatte, um den Anstrich zu schonen, und an
die von dem gerichtlichen Sachverständigen diskutierte Möglichkeit der Diagonalaussteifung von vornherein nicht gedacht wurde
- nach Angaben des Beklagten vor dem Senat weil dafür kein Raum im Arbeitsbereich war -, durfte der Beklagte die Montage nicht
weiter führen. Die zu erwartenden Seitenkräfte mussten nicht erst mathematisch exakt berechnet werden, wie es der Sachverständige
S. 3 seines schriftlichen Gutachtens getan hat, um ihre Gefährlichkeit zu erkennen. Diese war dem Beklagten auch durchaus
bewusst, wie seine Erklärung in der Berufungsverhandlung erkennen lässt, er habe die Arbeit eigentlich an diesem Tag gar nicht
mehr fortführen wollen, weil es ihm zu gefährlich erschien, das innere Gitter ohne eine weitere Kippsicherung der Rahmen zwischen
diesen hochzuziehen. Er selbst hatte schon damals - auch in Vorausschau auf die bereits nach der mündlichen Montageanleitung
vorgesehenen Anbringung der Kanthölzer vermittels Schraubzwingen - gedacht: "Wenn ich das hochziehe, kippt das doch um, sobald
es sich nur ein kleines bisschen verkantet bzw. wakkelt". Indem er trotz dieser Erkenntnis die Montage fortführte, hat der
Beklagte nicht nur seine eigene bessere Einsicht, sondern auch dasjenige nicht beachtet, was in der gegebenen Situation jedem
als sicherheitsnotwendig einleuchten musste. Der damit begründete Vorwurf einer groben, schlechthin unentschuldbaren Pflichtverletzung
wird nicht dadurch in relevanter Weise gemildert, dass der Beklagte von dem Streithelfer unter Zeitdruck gesetzt worden wäre.
Dem hätte er angesichts der erkannten hohen Gefahr für Leib und Leben der beteiligten Monteure bei seiner Fortführung der
Montage standhalten müssen.
Ebenso kann die Einschätzung des Sachverständigen im Kammertermin vom 31.8.2005, in der Praxis sei es "üblich", bei der Errichtung
von Konstruktionen der streitgegenständlichen Art. nur unter Verwendung von Holzbalken und Schraubzwingen eine gewisse Standfestigkeit
anzustreben, den Beklagten im Ergebnis nicht von dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit entlasten. Das mag zutreffen, dem Beklagten
war die Unzulänglichkeit einer solchen Sicherung aber hier bewusst, wie seine dem Senat dazu geschilderten seinerzeitigen
Erwägungen belegen. Jedenfalls dann darf einem "Schlendrian" bei der Einhaltung elementarer Sicherungspflichten auf Baustellen
nicht durch übertrieben hohe Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal der groben Fahrlässigkeit im Rahmen des Rückgriffs nach
§
110 I
SGB VII Vorschub geleistet werden, wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil in VersR 1989, 109 im Hinblick auf den präventiven, erzieherischen Charakter dieses Regresses des Sozialversicherungsträgers betont. Das Argument
"Das machen wir immer so" steht danach dem Vorwurf auch grober Fahrlässigkeit nicht entgegen.
b) Der von dem Beklagten erhobene Einwand des Mitverschuldens des verletzten Versicherten der Klägerin ist unerheblich, ohne
dass die Frage beantwortet werden muss, ob es jenem als weisungsunterworfenen Arbeitnehmer überhaupt vorgeworfen werden kann,
an der Konstruktion weiter mitgearbeitet zu haben, nachdem er den Beklagten auf die Notwendigkeit des Anschweißens der Träger
hingewiesen hatte. §
110 SGB VII begründet nämlich einen originären Anspruch des Sozialversicherungsträgers, der nicht aus dem Anspruch des Geschädigten abgeleitet
ist. Die Höhe der dem Sozialversicherungsträger zu erstattenden Aufwendungen wird von einem etwaigen Mitverschulden des Verunglückten
nicht berührt. Dies hat der Bundesgerichtshof für § 640
RVO, den Vorgänger der jetzt geltenden Norm, entschieden ( vgl. BGH VersR 1973, 818 ) und dies war für die alte Regelung allgemein herrschende Ansicht. §
110 SGB VII hat dies im Prinzip nicht geändert, sondern nur die Höhe des - eigenen -Anspruchs des Sozialversicherungsträgers auf die
Gesamthöhe des - theoretischen - eigenen zivilrechtlichen Anspruchs des Verunglückten begrenzt; vgl. auch Geigel/Kolb, 24.
Aufl. Kap. 32, Rz. 24. Daraus folgt, dass nicht der Aufwendungsersatzanspruch des Sozialversicherungsträgers separat für sich
prozentual um eine eventuelle Mitverschuldensquote des Versicherten zu kürzen ist, sondern fiktiv dessen Gesamtanspruch, dessen
Höhe dann mit der Höhe des Anspruchs aus §
110 I
SGB VII zu vergleichen ist. Dies sieht Rolfs mit der in NJW 1996, 3181 vertretenen Auffassung, der Mitverschuldenseinwand ( bezüglich des Geschädigten ) könne nunmehr auch gegenüber der Rückgriffsforderung
nach §
110 SGB VII erhoben werden, nicht hinreichend differenziert. Es muss mithin nicht für jede Aufwendung des Sozialversicherungsträgers
einen kongruent entsprechenden zivilrechtlichen Anspruch des Geschädigten geben; so auch OLG Köln, RuS 2005, 306. Ob der Verzicht
auf die Kongruenz zwischen dem Aufwendungsersatzanspruch des Sozialversicherungsträgers und dem zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch
des Verunglückten so weit gehen darf, sogar den Schmerzensgeldanspruch des Letzteren zugunsten des Ersteren mit in die Vergleichsbetrachtung
nach §
110 I S. 1, 2. Hs.
SGB VII mit einzubeziehen, wie Lemcke in seiner Anmerkung zur vorgenannten Entscheidung des OLG Köln (RuS 2005, 307) bezweifelt,
bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich eine Entscheidung des Landgerichts
zum Grund des Anspruchs bzw. die Feststellung der grundsätzlichen Ersatzpflicht für künftige, in ihrer Höhe unbekannte Aufwendungen.
Erst wenn über die Bezifferung des Anspruchs der Klägerin aus §
110 SGB VII zu erkennen ist, könnte der eventuelle Einwand des Beklagten, die geltend gemachte Höhe übersteige die - von ihm als Schädiger
darzulegende! vgl. Kolb a. a. O. Rz. 29 - Höhe des theoretischen eigenen Anspruchs des Verletzten, systematisch überhaupt
Beachtung finden.
c) Erfolglos bleibt weiter der Einwand des Beklagten, die Klägerin habe ihr durch §
110 II
SGB VII eingeräumtes Ermessen pflichtgemäß mit dem Ergebnis eines zumindest teilweisen Forderungserlasses ausüben müssen. Wohl fällt
die Überprüfung dieser Ermessensausübung in die Zuständigkeit der mit dem Ersatzanspruch aus §
110 I
SGB VII befassten Zivilgerichte; BGH VersR 1071, 1167 zu § 640
RVO; OLG Nürnberg VersR 1993, 1425 zu §
110 II
SGB VII. Solange sich jedoch der Rechtsstreit über den Ersatzanspruch noch im Stadium der Grundentscheidung befindet, besteht regelmäßig
noch keine Entscheidungsgrundlage für die Ermessensausübung, weil dafür u. a. die noch unbekannte Höhe des Anspruchs gegen
den Schädiger, der durch die Rückerstattung nicht in seiner Existenz bedroht oder vernichtet werden soll (BGH VersR 1971,
1167) von maßgeblicher Bedeutung ist. Eine gleichzeitige Entscheidung des Gerichts über den Verzicht könnte daher im Rahmen des
Rückgriffsstreits nach §
110 I
SGB VII allenfalls gefordert werden, wenn sich schon jetzt die Versagung des Verzichts jedenfalls für eine bestimmte Anspruchsobergrenze
abschließend als Rechtsmissbrauch darstellen würde; BGH a. a. O.. Eine solche Ausnahme steht vorliegend indes schon deshalb
nicht in Rede, weil der Beklagte zu den für eine Ermessensbindung zu seinen Gunsten erforderlichen Voraussetzungen auf seiner
Seite überhaupt nichts vorgetragen hat. Vielmehr ist unstreitig, dass ein Berufshaftpflichtversicherer hinter ihm steht. Die
Frage des Versicherungsschutzes ist für die nach billigem Ermessen zu treffende Entschließung nicht ohne Bedeutung. Es ist
nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, die Frage des Deckungsschutzes bereits im Rechtsstreit über den Rückgriffsanspruch zu
klären, was ohnehin nicht mit Rechtskraftwirkung für den Haftpflichtversicherer geschehen könnte ( vgl. BGH a. a. O.). Gleiches
gilt für einen eventuellen arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch des Beklagten zu 2 gegen die Erstbeklagte. Bei der hier
gegebenen Sachlage ist jedenfalls die ernsthafte Möglichkeit eines Deckungsanspruchs nicht zu verneinen; schon deshalb liegt
es nicht außerhalb billigen Ermessens, dass die Kl. zunächst den Rückgriffsstreit durchführt, um sodann gegen den Versicherer
des Beklagten vorzugehen. Im übrigen kann der Beklagte auch auf die Möglichkeit verwiesen werden, ggf. einen solchen Einwand
mittels einer Vollstreckungsgegenklage, Abänderungsklage oder Feststellungsklage geltend zu machen, und zwar auch insoweit,
als die betreffenden Umstände schon im Zeitpunkt der Verurteilung vorgelegen haben (BGH a. a. O.).
d) Das angefochtene Urteil war allerdings insoweit richtig zu stellen, als das Landgericht auch über den Feststellungsantrag
durch Grundurteil entschieden hat. Es hat dabei verkannt, dass ein unbezifferter, demgemäß nicht nach dem "Betrag streitiger"
Feststellungsanspruch einem Grundurteil nach §
304 I
ZPO prinzipiell nicht zugänglich ist; feste BGH-Rechtsprechung, vgl. nur BGH NJW 2002, 302/4 m. w. N.. Konsequenterweise hätte
das Landgericht - neben der Grundentscheidung zum Zahlungsantrag - über den Feststellungsantrag durch Teilurteil entscheiden
müssen. Dieser prozessuale Mangel ist indes in der Berufungsinstanz ohne Verkürzung von Verfahrensrechten des Beklagten heilbar,
indem der Senat die beantragte Feststellung zu derselben - hier vollen - Haftungsquote, auf die dem Grunde nach zum Zahlungsanspruch
zu erkennen ist, ausspricht. Die sich aus §
110 I S. 1, letzter Satzteil
SGB VII ergebende Anspruchsbegrenzung war zur Klarstellung in die Entscheidungsformel aufzunehmen.
Die Klägerin hat das gemäß §
256 I
ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, weil unstreitig die Verletzungen des Verunglückten D3 noch nicht endgültig geheilt
sind und sie ihm weiterhin fortlaufend Zahlungen für die Unfallfolgen erbringt.
Die Kostenentscheidung beruht, soweit sie schon jetzt ergehen konnte, auf §§
91 ZPO. Im Übrigen ist sie der abschließenden Entscheidung vorzubehalten.
Das Urteil ist gemäß §§
708 Nr. 10,
711 ZPO vorläufig vollstreckbar. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß §
543 Abs.
2 ZPO liegen nicht vor.