OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.07.1985 - 16 WF 127/85
a-b. Keine Annahme eines Unvermögens zur Aufbringung der Prozeßführungskosten bei grob fahrlässiger Vermögensminderung
(b) im Falle eines Antragstellers, der vor dem beabsichtigten Scheidungsverfahren für seinen neuen Hausstand mit gespartem
Geld Einrichtungsgegenstände anschafft, statt vorhandenen Hausrat im Wege der Hausratsteilung für sich inanspruch zu nehmen.
Fundstellen: DRsp IV(409)226a-b, MDR 1986, 151
Normenkette: BSHG § 25 Abs.2 Nr.1, § 88 Abs.2 Nr.8, § 92 a Abs.1 S.1
,
(a) »Von einer Leistungsunfähigkeit der AntrSt. kann nicht ausgegangen werden, weil sie infolge ihres wirtschaftlich unvernünftigen
Verhaltens weiterhin als vermögend anzusehen ist. Zwar wird in Rechtspr. und Literatur vertreten, auch ein verschuldet herbeigeführtes
wirtschaftliches Unvermögen hindere die Bewilligung der PKH [Prozeßkostenhilfe] nicht (OLG Frankfurt, FamRZ 1982, 4 16 [hier: IV (409) 200 b]). Das OLG Köln (FamRZ 1983, 635) geht sogar davon aus, daß einer Partei nur dann die PKH versagt werden könne, wenn sie sich in der Absicht, Kostenbefreiung
für den Prozeß zu erlangen, böswillig arm gemacht habe. Da nämlich die Leistungsfähigkeit einer Partei in Anlehnung an die
Regeln des BSHG zu beurteilen sei, müsse der in § 25 Abs. 2 Nr. 1
BSHG enthaltene Grundsatz berücksichtigt werden, daß die Sozialhilfe nur dann eingeschränkt werden könne, wenn der Hilfesuchende
bei seiner Vermögensminderung in der Absicht gehandelt habe, die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe herbeizuführen.
Nach Ansicht des Senats ist die Bezugnahme auf § 25 Abs. 2 Nr. 1
BSHG nicht zulässig, da Ä als lex specialis Ä § 2 Abs. 2 DVO zu § 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG Anwendung findet. Danach kann der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a oder b maßgebende kleinere Barbetrag angemessen herabgesetzt werden, wenn die Voraussetzungen des § 92 a Abs. 1 Satz 1 BSHG vorliegen. Nach dieser Vorschrift ist derjenige zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet, der die Voraussetzungen
für die Gewährung der Sozialhilfe durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt hat. Das bedeutet, daß
bei der Frage der Vermögenslosigkeit i. S. des §
115 Abs.
2
ZPO nicht das für eine PKH-Bewilligung freundliche Kriterium der absichtlichen Vermögensverschlechterung, sondern das engere
der grob fahrlässigen Vermögensminderung maßgebend ist. Nur bei dieser Rechtsanwendung wird dem Prinzip Rechnung getragen,
daß die »staatliche Transferleistung« der PKH unter dem Gebot der Sparsamkeit und der Subsidiarität steht .. .«
(b) Die Partei habe für ihren neuen Hausstand Einrichtungsgegenstände (Einbauküche, Elektrogeräte, Radio) angeschafft und
hierfür 4450 DM eines Sparguthabens von 7500 DM verwendet, statt im Wege der Hausratsteilung einen Teil des vorhandenen Hausrates
für sich inanspruch zu nehmen. »[Dieses] wirtschaftliche Verhalten kann bei objektiver Betrachtungsweise nur als grob fahrlässig
i. S. des § 92a Abs. 1 Satz 1 BSHG gewertet werden. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt im Rechtsleben in besonders schwerem Maße
verletzt und jede einfachste, ganz naheliegende Überlegung nicht angestellt und das nicht beachtet worden ist, was im gegebenen
Fall jedem einleuchten müßte. Diese Maßstäbe treffen auf das Verhalten der AntrSt. zu. Sie hätte bei vernünftigem Handeln
im Wege der Hausratsteilung einen Großteil ihrer Ausgaben ersparen und dann dieses ersparte Geld zur Führung ihres Scheidungsverfahrens
verwenden können. Diese Sparsamkeit hätte schon deswegen nahegelegen, weil sie Ä nach einem Jahr Getrenntleben Ä ihre erheblichen
Ausgaben zu einem Moment getätigt hat, da ihr Scheidungsantrag bereits bei Gericht eingereicht und ihr somit klar war, in
absehbarer Zeit mit entsprechenden Prozeßkosten beansprucht zu werden. Vermindert in einer solchen Situation eine Partei in
derartigem Umfang ihre Ersparnisse, obwohl eine kostensparende Hausratsteilung möglich gewesen wäre, dann kann dieses Verhalten
nur als grob fahrlässig i. S. des § 92 Abs. 1 Satz 1 BSHG gewertet werden. Die AntrSt. war daher weiterhin als vermögend genug anzusehen, aus ihrem Bankguthaben die anfallenden Kosten
für das Scheidungsverfahren selbst zu tragen.«