Pflegegeld als Einkommen i.S.d. § 115 Abs. 1 S. 1 ZPO
Entscheidungsgründe:
Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 11. Juni 2002 der Antragstellerin Prozesskostenhilfe bewilligt und
ihr auferlegt, Monatsraten von 95 EURO zu zahlen.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie hat ihr Rechtsmittel zwar erst am 23.
Oktober 2002 eingelegt; indessen wurde der angefochtene Beschluss nicht zugestellt, so dass die Notfrist von einem Monat -
§
127 Abs.
2 S. 3 i.V.m. §
569 Abs.
1 S. 1
ZPO - nicht zu laufen begonnen hat.
Das Rechtsmittel hat auch Erfolg.
1. Einkommen der Antragstellerin:
a) Monatsdurchschnittliches Nettoeinkommen 1.000,00 EURO
b) Kindergeld für drei Kinder 462,00 EURO
Die Kinder sind zwei eigene Kinder der Antragstellerin, der am 26. September 1980 geborene Sohn W., der zu 80 % schwerbehindert
ist und die am 07. August 1985 geborene Tochter A.. Außerdem bezieht die Antragstellerin Kindergeld für einen Pflegesohn,
den am 31. Oktober 1986 geborenen Ar.
Kindergeld in voller Höhe bei demjenigen als Einkommen anzurechnen, der es bezieht, entspricht der übereinstimmenden Rechtsprechung
der Karlsruher Familiensenate des Oberlandesgerichts Karlsruhe. Die Antragstellerin stellt dies auch nicht in Frage.
c) Die Antragstellerin erhält für das Pflegekind Ar. ein Pflegegeld von 768,50 EURO, das sich zusammensetzt aus Grundbedarfssatz
538 EURO; Kosten der Erziehung 269 EURO; abzüglich Kindergeldanteil 1/4 von 154 EURO = 38,50 EURO. Das Amtsgericht hat dieses
Pflegegeld in vollem Umfang als Einkommen der Antragstellerin angesetzt. Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde und
möchte das Pflegegeld mit höchstens 1/3 angesetzt sehen. Damit hat die sofortige Beschwerde im Ergebnis im Wesentlichen Erfolg.
Anzusetzen sind lediglich 269 EURO abzüglich anteilige Kindergeldanrechnung, also 269 EURO : (538 EURO + 269 EURO) x 768,50
EURO = rund 256 EURO.
Bei dem Pflegegeld handelt es sich ausweislich des Bescheides des Kinder- und Jugendamtes der Stadt Heidelberg vom 14. Dezember
2001 um eine laufende Leistung zum Unterhalt des Kindes Armin Fein nach § 39 SGB VIII. Die dort bestimmte Leistung gliedert sich auf in den notwendigen Unterhalt des Kindes (Grundbedarfssatz; hier: 538 EURO)
und die Kosten der Erziehung (hier: 269 EURO). Die Antragstellerin kommt für den Bar- und Betreuungsbedarf des Kindes Armin
Fein so auf, wie wenn dieses Kind ihr eigenes wäre. Die baren Aufwendungen können deshalb gem. §
115 Abs.
1 S. 3 Nr.
4 ZPO dadurch berücksichtigt werden, dass die Antragstellerin von ihrem Einkommen den für dieses Kind in §
115 Abs.
1 S. 3 Nr.
2 ZPO vorgesehenen Betrag absetzt (so wohl Zöller/Philippi,
ZPO, 23. Aufl., §
115 Rn. 34). Werden zur Sicherstellung des Barbedarfes eines Pflegekindes öffentliche Leistungen erbracht, hier also ein "Grundbedarfssatz"
von 538 EURO, sind diese, auch wenn auf sie, jedenfalls nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (FEVS 47, 433
= FamRZ 1997, 814; anderer Ansicht Coester, FamRZ 1991, 253, 256 Fußnote 25; Wiesner/Wiesner, SGB VIII, 2. Aufl., § 39 Rn. 16 a.E.) das Kind nicht selbst Anspruch hat, wegen ihrer eindeutigen Zweckbestimmung gleichwohl allenfalls entsprechend
§
115 Abs.
1 S. 3 Nr.
2 ZPO in der Weise zu berücksichtigen, dass sie den dort festgelegten Unterhaltsfreibetrag vermindern, im Übrigen aber nicht als
Einkommen der Pflegeperson anzusehen sind.
Kosten der Erziehung entstehen deshalb, weil nicht die Eltern des Minderjährigen diesen betreuen und erziehen und diese Aufgabe
deshalb Dritten (Pflegeeltern; Heimerzieher) gegen Entgelt anvertraut werden muss (vergl. Wiesner/Wiesner SGB VIII, 2. Aufl. 2000 § 39 Rn 14). Dabei macht es auch hier keinen Unterschied, ob der Minderjährige oder die Pflegeperson Anspruch auf die Hilfeleistung
hat; hat ihn die Pflegeperson, ist die Hilfeleistung das durch die öffentliche Hand erbrachte Entgelt für den mit Betreuung
und Erziehung verbundenen Arbeits- und Zeitaufwand; hat ihn der Minderjährige, läuft die Hilfeleistung über ihn als Entgelt
an die Pflegeperson. Diese Besonderheit dürfte das OVG Münster (FamRZ 1996, 900) übersehen, wenn es auch die der Pflegeperson zufließenden Kosten der Erziehung schon deswegen nicht im Sinne des § 77 Abs. 1 S. 1 BSHG als demselben Zweck wie die Sozialhilfe dienend ansehen will, weil der Erziehungsbeitrag "Bestandteil des Unterhaltsanspruches
des Kindes bzw. des Jugendlichen" sei. Richtig ist daran, dass der Anspruch auf Pflege und Erziehung, wie er in §§ 1610 Abs.
2 Halbs. 2 und 1606 Abs. 3 Satz 2 erwähnt ist, zum Unterhaltsanspruch gehört. Dieser kann aber bereits durch die Eltern dadurch
erfüllt werden, dass sie eine dritte Person mit der Pflege und Erziehung gegen Entgelt beauftragen. Das Entgelt ist so aber
Einkommen dieser dritten Person und bleibt es auch dann, wenn es von der öffentlichen Hand bezahlt wird.
d) Summe 1.718,00 EURO
2. Berechnung der
Raten:
Erwerbstätigenbonus 156,20 EURO
Einkommensfreibetrag 360,00 EURO
Unterhaltsfreibeträge
Sohn W. 253 EURO abzgl. dessen Einkommen 245 EURO 8,00 EURO
Mehraufwendungen 50,00 EURO
Tochter A 253,00 EURO
Pflegesohn 253 EURO abzgl.
Grundbedarfssatz -,00 EURO
Unterkunftskosten 784,00 EURO
Schuldenrückführung 130,00 EURO
Die Differenz liegt unter Null, so dass Raten nicht zu erbringen sind.