Keine Barunterhaltspflicht neben Eingliederungshilfe bei Deckung des Unterhaltsbedarfs
Entscheidungsgründe:
Der am 12.1972 geborene Kläger ist der Sohn des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Er ist seh- und lernbehindert, seine
Mutter ist für ihn als Betreuerin bestellt worden. Der Kläger lebt seit 1990 in der Dorfgemeinschaft E........ in K.......
und arbeitet in einer Werkstatt für Behinderte. Der L..........verband Rheinland leistet für ihn Eingliederungshilfe nach
den §§ 39 f. BSHG, die neben den Kosten für die Heimunterbringung und die Werkstatt auch die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt beinhaltet.
Daneben erhält er einen Barbetrag als Taschengeld in Höhe von 159,30 DM bis einschließlich Juni 1997 und 161,70 DM ab Juli
1997. Der L..........verband Rheinland hat den Beklagten nach Überprüfung seiner Einkommensverhältnisse nicht auf Zahlung
eines Unterhaltsbeitrages für den Kläger in Anspruch genommen.
Mit der Klage hat der Kläger vom Beklagten ab dem 12.7.1997 die Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 1.050 DM
bis Juni 1998, 1.100 DM von Juli 1998 bis Juni 1999 und 1.120 DM ab Juli 1999 verlangt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen
und ausgeführt, dass der Bedarf des Klägers durch die gewährte Eingliederungshilfe gedeckt sei. Einen zusätzlichen Bekleidungsbedarf
müsse er zunächst aus der ihm zustehenden Bekleidungsbeihilfe decken, die Fahrtkosten könne er selbst aus dem zur Verfügung
stehenden Barbetrag zahlen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er noch einen monatlichen Unterhalt von 400 DM geltend macht. Er
wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag und stützt einen zusätzlichen Bedarf von jedenfalls 400 DM auf seinen Bekleidungsbedarf
sowie die Kosten für Heimfahrten.
Die in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht
hat einen Unterhaltsanspruch des Klägers mit umfassender und zutreffender Begründung zu Recht versagt. Das Berufungsvorbringen
rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Kindesunterhalt nach den §§
1601 f.
BGB zu, weil sein Bedarf durch die geleistete Eingliederungshilfe gedeckt ist. Der Bedarf eines volljährigen, in einem Heim untergebrachten
Kindes richtet sich nach den tatsächlichen durch die Unterbringung entstehenden Kosten (BGH FamRZ 1986, 48, 49). Werden diese vom Träger der Sozialhilfe getragen und kann eine Erstattung vom an sich barunterhaltspflichtigen Elternteil
nicht verlangt werden, so ist der Unterhaltsbedarf des Kindes gedeckt (Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des
Unterhalts, 7. Aufl., Rn. 148; OLG Hamm, FamRZ 1987, 742). So liegt der Fall hier.
Der Kläger erhält Eingliederungshilfe nach den §§ 39 f. BSHG. In diesen Fällen ist der gesetzliche Forderungsübergang eines Unterhaltsanspruchs gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltsverpflichteten
gemäß § 91 Abs. 2 Satz 2 BSHG ausgeschlossen, wenn dies eine unbillige Härte bedeuten würde. Das Gesetz konkretisiert den Härtefall in Satz 2, 2. Halbsatz
der vorgenannten Vorschrift dahin gehend, dass ein solcher in der Regel bei unterhaltspflichtigen Eltern angenommen werden
muss, soweit der Sozialhilfeträger - wie hier - einem Behinderten, einem von einer Behinderung Bedrohten oder einem Pflegebedürftigen
nach Vollendung des 21. Lebensjahres Eingliederungshilfe für Behinderte (§§ 39 ff. BSHG) oder Hilfe zur Pflege (§§ 68 ff. BSHG) gewährt. Sinn und Zweck der konkretisierten Privilegierung von Eltern pflegebedürftiger Kinder ist es, diese durch die Behinderung
ihres erwachsenen Kindes ohnehin schwer getroffenen Eltern in solchen Fällen finanziell zu entlasten, in denen bei typisierender
Betrachtungsweise über den täglichen Lebensunterhalt hinaus durch Maßnahmen der Eingliederungshilfe oder erforderliche Pflegekosten
besonders hohe Kosten entstehen (Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, § 91 Rn. 134 f.; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, § 91 Nr. 82 f., 90 ff.; BVerwG 56, 220, 223; OLG Hamm, FamRZ 1999, 126, 127). Eine Inanspruchnahme unterhaltspflichtiger Eltern durch den Sozialhilfeträger kommt in einem solchen Fall nur ausnahmsweise
in Betracht, wenn der Einsatz öffentlicher Mittel nach dem Interesse und der Anschauung der Allgemeinheit unangemessen und
mit dem Anliegen der Sozialhilfe unvereinbar wäre. Dies ist, unabhängig vom Vorliegen sonstiger Voraussetzungen, nur dann
denkbar, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil in außerordentlich guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, was beim Beklagten
ersichtlich nicht bejaht werden kann. Scheidet mithin ein Rückgriff des Sozialhilfeträgers wegen Vorliegens einer besonderen
Härte aus, so ist die dem Kläger gewährte Eingliederungshilfe als eigenes Einkommen anzurechnen. Damit ist der Unterhaltsbedarf
des Klägers gedeckt.
Ein Anspruch in Höhe eines regelmäßigen Mehrbedarfs von 400 DM monatlich ergibt sich auch nicht im Hinblick auf den vom Kläger
behaupteten Bekleidungsbedarf und die Fahrtkosten.
Einen zusätzlichen Kleiderbedarf hat der Kläger schon nicht schlüssig dargelegt. Er hat nach eigenen Angaben einen Anspruch
auf Kleiderbeihilfe in Höhe von 700 DM alle zwei Jahre. Diesen Anspruch hat er seit seiner im Jahr 1990 erfolgten Aufnahme
in der Dorfgemeinschaft E........ jedoch nicht ausgeschöpft, sondern lediglich 1.445,35 DM bis Mitte September 2000, mithin
innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren, geltend gemacht. Unabhängig davon, dass der Kläger zu Recht darauf zu verweisen
ist, seinen Bedarf zunächst aus der ihm zustehenden Bekleidungsbeihilfe zu decken, weist seine geringe Inanspruchnahme darauf
hin, dass er keineswegs den behaupteten erheblichen Bekleidungsbedarf hat. Der Kläger benötigt infolge seiner Heimunterbringung
und der Beschäftigung in einer Behindertenwerkstatt nämlich weniger aufwendige Oberbekleidung, insbesondere Anzüge, als dies
bei einem gesunden Erwachsenen der Fall ist, der im Erwerbsleben steht und in anderem Umfang am täglichen Leben und an Freizeitaktivitäten
außerhalb eines Heimes teilnimmt. Darüber hinaus kann der Kläger, worauf das Amtsgericht ebenfalls bereits hingewiesen hat,
seinen Kleiderbedarf auch bei einer Körpergröße von 1,90 m durchaus zu normalen Preisen "von der Stange" decken, da heute
jedes größere Bekleidungsgeschäft über ein entsprechendes Angebot verfügt. Im Übrigen hat der Kläger nicht dargelegt, welchen
Bedarf er tatsächlich hat. Es fehlt jegliche Auflistung darüber, was im Einzelnen innerhalb eines Jahres zu welchem Preis
angeschafft worden ist und notwendig war sowie durch den Anspruch auf Kleiderbeihilfe nicht abgedeckt werden konnte.
Dem Kläger steht auch kein Anspruch im Hinblick auf einen regelmäßigen Mehrbedarf wegen der Heimfahrten zu seiner Mutter zu.
Das Amtsgericht hat zutreffend dargelegt, dass der Kläger diese Fahrtkosten aus dem vom L..........verband Rheinland monatlich
gezahlten Barbetrag von rund 160 DM tragen kann. Der als Taschengeld gezahlte Barbetrag dient zur Abdeckung persönlicher,
vom Heim nicht übernommener Bedürfnisse, wie persönliche Hygieneartikel, Süßigkeiten und Ähnliches. Hierfür hat der Kläger
aber auch dann noch ausreichende Mittel zur Verfügung, wenn er die Fahrtkosten aus dem Barbetrag zahlt. Nach dem Schreiben
der Dorfgemeinschaft E........ vom 17.1.2000 hat der Kläger seine Mutter in der Zeit von Dezember 1998 bis Dezember 1999 insgesamt
siebenmal besucht, wobei er teilweise von M..... nach D......... (einfache Fahrt 32 DM) und teilweise von B........ aus (einfache
Fahrt 25 DM) gefahren ist. Danach hat er auf den Monat umgelegte Fahrtkosten zwischen 35 und 40 DM, so dass ihm noch ein Taschengeld
von rund 120 DM für sonstige vom Heim nicht getragene Bedürfnisse verbleibt. Dies erscheint ausreichend, wie schon das Amtsgericht
dargelegt hat. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger vom L..........verband Rheinland auch die Erstattung der Fahrtkosten
für Heimfahrten verlangen könnte.
Nach § 40
BSHG kann einem im Heim oder einer gleichartigen Einrichtung untergebrachten Behinderten nämlich ein Anspruch auf Beihilfe für
Besuchsreisen zu Angehörigen zustehen, um den Kontakt mit diesem aufrechtzuerhalten (vgl. BVerwG 35, 99 f.; Fichtner, BSHG, 1999, § 40 Rn. 67 f.).
Die Berufung des Klägers ist deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
97
ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§
708 Nr. 10,
713
ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.800 DM festgesetzt.