Begrenzung des nachehelichen Unterhalts durch den Selbstbehalt
Gründe:
Die in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, während der Anschlussberufung ein
Teilerfolg beschieden ist.
Für den Zeitraum bis einschließlich 12. September 2001 ist die Anschlussberufung bereits deshalb begründet, weil das Urteil
des 11. Zivilsenates des OLG Koblenz vom 07. April 1987 gemäß §
323 Abs.
3 ZPO nur für die Zeit nach Erhebung der Klage abgeändert werden darf. Erhoben war die Klage mit Zustellung an die erstinstanzlichen
Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 13. September 2001 (§
261 Abs.
1 ZPO). Gemäß §
536 ZPO a.F. ist die Änderung des Urteils des Familiengerichts allerdings auf den in der Anschlussberufung genannten Betrag beschränkt.
Ab 13. September 2001 führt die Klage zu einer Herabsetzung des im Urteil vom 07. April 1987 auf 490 DM festgesetzten Unterhalts,
weil die für die Verurteilung maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse sich wesentlich geändert haben (§
323 Abs.
1 ZPO). Da jedoch diese Änderung der Verhältnisse keine Herabsetzung auf den vom Familiengericht angenommenen Betrag von 200 DM
rechtfertigt, hat die Anschlussberufung auch insoweit in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg.
Im Urteil vom 07. April 1987 war der Beklagten ein Aufstockungsunterhalt gemäß §
1573 Abs.
2 BGB zugesprochen worden. An dessen Stelle ist nunmehr ein Anspruch auf Altersunterhalt (§
1571 BGB) getreten, nachdem der Beklagten seit Eintritt in das Rentenalter am 30. Mai 2001 eine Erwerbstätigkeit nicht mehr zugemutet
werden kann. Außerdem haben sich die für die Unterhaltsbemessung maßgebenden Lebensverhältnisse (§
1578 BGB) im Hinblick darauf geändert, dass beide Parteien nunmehr anstelle des früheren Erwerbseinkommens Renten beziehen.
Der Senat stellt die Renteneinkünfte der Beklagten in die Differenzmethode ein. Soweit es sich hierbei um die aus einer früheren
Erwerbstätigkeit erwirtschaftete Rente handelt, folgt dies bereits daraus, dass es sich insoweit um die normale Fortentwicklung
der Ehe prägenden Verhältnisse handelt; auch im Urteil vom 07. April 1987 war das (allerdings fiktive) Erwerbseinkommen der
Beklagten im Wege der Differenzmethode in die Berechnung einbezogen worden. Soweit die Rente der Beklagten auf dem bei Ehescheidung
durchgeführten Versorgungsausgleich beruht, handelt es sich nach der neueren Rechtsprechung des BGH gleichsam um ein Surrogat
für ihre Haushaltsführung in der Ehe und ist daher ebenfalls als Ehe prägendes Einkommen in die Bedarfsbemessung einzubeziehen
(BGH, Urteil vom 31. Oktober 2001, NJW 2002, 436 ff.; so auch schon der erkennende Senat im Urteil vom 26. September 2001, 9 UF 535/00).
Im Wege der Anrechnungsmethode sind bedarfsdeckend - fiktive - Zinseinkünfte aus der nach dem unwidersprochenen Vorbringen
des Klägers der Beklagten Ende 2000 zugefallenen Erbschaft von rund 20.000 DM zu berücksichtigen. Der Senat geht davon aus,
dass die Beklagte bei einer langfristigen Anlage dieses Kapitals Zinsen in Höhe von 3,5% p.a. erzielen könnte, das sind jährlich
700 DM (rund 360 EUR). Soweit der Kläger die Beklagte darauf verweisen will, auch den Stamm dieses Vermögens für ihren Unterhalt
zu verwerten, hält der Senat dies für unbillig (§
1577 Abs.
3 BGB). Bei den geringen Geldmitteln, die der Beklagten zur Deckung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung stehen, ist dieser eine
Rücklage in Höhe der Erbschaft für Not- und Krankheitsfälle zuzugestehen.
Das Renteneinkommen des Klägers ist um krankheitsbedingte Mehrkosten in Höhe von 44,74 EUR (87,50 DM) monatlich zu kürzen.
Er leidet an einer Vielzahl behandlungsbedürftiger Erkrankungen (insbesondere Diabetes mellitus mit Folgeerkrankungen und
korronare Herzkrankheit) und hat durch die Bescheinigung seiner Apotheke vom 05. Februar 2002 (Bl. 96 ff. d.A.) belegt, dass
er im Zeitraum August 2001 bis März 2002 (acht Monate) Arzneikosten von 357,97 EUR tragen musste; das sind monatlich umrechnet
44,74 EUR (87,50 DM).
Kreditkosten für die Anschaffung eines Neufahrzeugs im Jahr 2000 können nicht als krankheitsbedingte Mehrkosten anerkannt
werden. Zwar wurde dem Kläger ärztlich bescheinigt, dass er wegen seiner Gehbehinderung auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist
(Bl. 42 und 54 d.A.). Jedoch hätte er in Anbetracht seiner beengten finanziellen Verhältnisse mit Hilfe der Rentennachzahlung
von 16.600 DM ein angemessenes Gebrauchtfahrzeug erwerben können. Dass ein Fahrzeug mit Automatikgetriebe zu diesem Preis
nicht zu finden war, vermag er dem Senat nicht zu vermitteln. Ein Blick in die Anzeigenseiten der Tageszeitungen zeigt, dass
eine Vielzahl von Automatikfahrzeugen in diesem Preissegment auf dem Gebrauchtwagenmarkt angeboten wird.
Die Leistungsfähigkeit des Klägers ist gemäß §
1581 BGB durch den sogenannten "billigen" Selbstbehalt begrenzt, den der Senat im konkreten Fall für das Jahr 2001 mit 1.800 DM und
ab Januar 2002 mit 920 EUR ansetzt. Nach dieser Vorschrift braucht der Verpflichtete, der nach seinen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen
unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts
dem Berechtigten Unterhalt zu gewähren, nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die
Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht. In diesem Fall schlägt der Unterhaltsanspruch
des Berechtigten in einen Billigkeitsanspruch um, dessen Umfang das Gericht unter Abwägung der beiden Eheleuten zur Verfügung
stehenden Mittel sowie der beiderseits zu befriedigenden Bedürfnisse nach individuellen Gesichtspunkten zu bestimmen hat (BGH
FamRZ 1990, 260). Dieser ist i.d.R. nach unten begrenzt durch den für die Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern maßgebenden
"notwendigen" Unterhalt und nach oben durch den gegenüber volljährigen Kindern geltenden "angemessenen" Unterhalt (BGH aaO.)
und beläuft sich nach der Rechtsprechung des Senates regelmäßig auf den Mittelbetrag zwischen notwendigem und angemessenem
Selbstbehalt eines Erwerbstätigen (so auch OLG Koblenz, 11. Zivilsenat, FamRZ 1997, 426). Die von der Beklagten gewünschte Herabsetzung auf den notwendigen Selbstbehalt kommt nach der Rechtsprechung des BGH (aaO.)
nur in Betracht, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte ähnlich hilflos ist wie ein minderjähriges Kind, was dann anzunehmen
ist, wenn der Unterhaltsberechtigte wegen Betreuung eines minderjährigen Kindes an einer eigenen Erwerbstätigkeit gehindert
ist, oder wenn der Eigenbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen den notwendigen Selbstbehalt nicht übersteigt (vgl.
Wendl/Gutdeutsch, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 5 Rdn. 188). Dies ist hier nicht der
Fall. Die Beklagte verfügt, anders als ein minderjähriges Kind, über eigene Einkünfte. Zwar bleibt der am beiderseitigen Einkommen
bemessene Bedarf, wie weiter unten noch aufzuzeigen ist, leicht hinter dem notwendigen Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen
(ab Juli 2001: 1425 DM, ab Januar 2002: 730 EUR) zurück. Jedoch ist der Selbstbehalt des Klägers bereits wegen des Zusammenlebens
mit der Zeugin T... angemessen herabzusetzen. Eine weitere Verminderung im Hinblick auf die beengten wirtschaftlichen Verhältnisse
würde den Rahmen der Billigkeit überschreiten.
Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme geht der Senat davon aus, dass der Kläger Ersparnisse in seiner Lebensführung
hat durch gemeinsames Wirtschaften mit der Zeugin T.... Diese hat bekundet, seit 1985 mit dem Kläger zusammenzuleben. Zur
Miete habe sie nichts beigetragen, sie habe aber die Lebensmittel und was sonst im Haushalt benötigt wurde, von ihrem Geld
gekauft. Damit hat die Zeugin einen erheblichen Teil der aus dem Selbstbehalt aufzubringenden Kosten der Lebensführung getragen.
Die hierdurch eingetretene Ersparnis (vgl. hierzu BGHZ 95, 343, 344; OLG Hamm FamRZ 2000, 311) bemisst der Senat, ebenso wie die Beklagte mit mindestens 150 EUR (bis Ende 2001 293,37 DM) monatlich. Dass die Zeugin,
wie sie weiter bekundet hat, am 01. Mai 2002 zu ihrer Tochter gezogen ist, kann insoweit keine Berücksichtigung finden. Es
handelt sich um ein allein prozessbedingtes Verhalten, nachdem der Kläger - offensichtlich als Reaktion auf den Prozesskostenhilfebeschluss
des Senates vom 23. April 2002 - einen Mietbeitrag von der Zeugin verlangt hatte. Nach wie vor versorgt die Zeugin dem Kläger,
mit dem sie weiterhin befreundet ist, den Haushalt und besorgt ihm Lebensmittel von ihrem Geld. Hiernach geht der Senat, auch
wenn dies nach den weiteren Worten der Zeugin "noch in den Sternen" steht, davon aus, dass diese nach Ende des vorliegenden
Prozesses wieder zu dem Kläger zurückkehren wird.
Der Senat ist nicht durch die Bindungswirkung des Urteils vom 07. April 1987 an einer Berücksichtigung dieser Ersparnis in
der Lebensführung gehindert. Zwar lebte der Kläger bereits damals mit der Zeugin zusammen. Jedoch ist der ab März 1987 zugesprochene
laufende Unterhalt nicht durch den Selbstbehalt des Klägers eingeschränkt.
Hiernach errechnet sich der konkret zu zahlende Unterhalt wie folgt:
Juli 2001 bis Dezember 2001
Renten des Klägers (LVA und ZVK) 1.823,63 DM
abzüglich krankheitsbedingte Mehrkosten 87,50 DM
1.736,13 DM
LVA-Rente der Beklagten 1.116,40 DM
ZVK-Rente der Beklagten (PKH-Heft) 21,54 DM
1.137,94 DM
abzüglich Kranken- und Pflegeversicherung (PKH-Heft) 153,32 DM
984,62 DM.
Soweit die Beklagte darüber hinaus Zahlungen für eine Krankenhaustagegeldversicherung in Abzug bringen will, kann dies im
Hinblick auf die beengten Einkommensverhältnisse unterhaltsrechtlich nicht anerkannt werden.
Summe der prägenden Einkünfte (1.736,13 DM + 984, 62 DM) 2.720,75 DM
Bedarf der Beklagten (50%) 1.360,38 DM
Bedarfsdeckung durch eigenes Renteneinkommen 984,62 DM
und Zinsen aus Erbschaft 58,00 DM
verbleibender Anspruch 317,76 DM.
Der Kläger ist jedoch nicht ausreichend leistungsfähig, diesen Unterhalt an die Beklagte zu zahlen. Von seinem Ehe prägenden
Renteneinkommen von 1.736,13 DM
verbleibt unter Berücksichtigung des Selbstbehalts von 1.506,63 DM
(1.800 DM - 293,37 DM; s.o.). lediglich ein freier Restbetrag von 229,50 DM.
Ab Januar 2002
LVA-Rente des Klägers 811,63 EUR
ZVK-Rente des Klägers 120,41 EUR
abzüglich krankheitsbedingte Mehrkosten 44,74 EUR
887,30 EUR
LVA-Rente der Beklagten 570,80 EUR
ZVK-Rente der Beklagten (PKH-Heft) 11,01 EUR
abzüglich Kranken- und Pflegeversicherung (PKH-Heft) 81,06 EUR
500,75 EUR.
Summe der prägenden Einkünfte 1.388,05 EUR
Bedarf der Beklagten (50%) 694,03 EUR
Bedarfsdeckung durch eigenes Renteneinkommen 500,75 EUR
und Zinsen aus Erbschaft rund 30,00 EUR
verbleibender Anspruch 163,28 EUR.
Leistungsfähigkeit des Klägers:
Ehe prägendes Renteneinkommen 887,30 EUR
Selbstbehalt (920 EUR - 150 EUR; s.o.) 770,00 EUR
117,30 EUR.
Eine Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung
des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§
543 Abs.
2 ZPO).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.580,96 EUR festgesetzt (Berufung 14 x 200 DM, Anschlussberufung 14 x
[398,64 DM - 200 DM]). Dem entspricht auch der Wert der der Beklagten bewilligten Prozesskostenhilfe.