Ausnahmsweise Einsatz fiktiven Einkommens im Elternunterhalt
Tatbestand:
Der Kläger nimmt den Beklagten als Sohn der am 31.7.1907 geborenen A.G., die in einem Heim des Klägers versorgt wird, auf
Unterhalt aus übergegangenem Recht in Anspruch.
Das Amtsgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der wie in erster Instanz Unterhaltsrückstände für die Zeit vom 1.7.1999 bis
31.7.2000 in Höhe von 5720,- DM und ab 1.8.2000 laufenden monatlichen Unterhalt von 463,68 DM geltend macht.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird im Übrigen gem. §
543 I
ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise - für die Vergangenheit bis 31.1.2001 - begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.
1) Der Kläger ist seiner am 31.7.1907 geborenen Mutter, die seit 1.1.1999 in einem Heim des Klägers versorgt wird, gem. §§
1601,
1602
BGB unterhaltspflichtig.
Die Mutter ist bedürftig, da die Pflegekosten ihre Rente nebst den Zahlungen der Pflegeversicherung übersteigen, wie der klagende
Kreis im Einzelnen dargelegt hat. Auf diese Darlegung wird Bezug genommen.
Der Anspruch ist gem. § 91
BSHG auf den Kläger übergegangen.
Der Beklagte haftet zusammen mit seinen Geschwistern gem. §
1606 III
BGB anteilig nach den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Geschwister.
Zwei der Geschwister sind leistungsunfähig, wie der Kläger unwidersprochen dargelegt hat. Die Schwester M.T. zahlt monatlich
480,- DM. Es bleibt ein offener Betrag in Höhe des von dem Kläger verlangten Unterhalts, wie die Aufstellungen des Klägers
vom 23.9.1999 und 29.3.2001, auf die Bezug genommen wird, ergeben. Zu bemerken ist dazu aber, dass die von den Kindern eingeforderten
Beträge die ungedeckten Restkosten nahezu decken.
Der Kläger kann vom Beklagten nach dessen Leistungsfähigkeit für die Zeit vom 1.7.1999 bis 31.1.2001 (19 Monate) aber nur
3.678,22 DM verlangen, für die Zeit ab 1.2.2001 besteht dagegen mangels Leistungsfähigkeit des Beklagten kein Unterhaltsanspruch.
2) Das Einkommen des Beklagten ist nur mit den tatsächlich erzielten oder ohne weiteres erzielbaren Erträgen anzusetzen. Mit
den Parteien geht der Senat davon aus, daß der Wohnwert der selbstgenutzten Wohnung bei jedem der Ehepartner zur Hälfte anzusetzen
ist, obwohl das Haus im Alleineigentum der Ehefrau steht. Da es aber den ehelichen Lebensverhältnissen entspricht und nur
der Beklagte über Erwerbs (Renten)- Einkommen verfügt, sind die mit dem Einkommen des Beklagten getragenen Belastungen zu
berücksichtigen. Dies rechtfertigt es, den Wohnwert zur Hälfte beim Beklagten zu berücksichtigen, da die Ehefrau ihm diesen
zum Ausgleich für die getragenen Belastungen zuwendet. Steuererstattungen, die auf Verlusten aus Vermietung und Verpachtung
beruhen, sind dem Einkommen hinzuzurechen. Sie sind aber nicht zu berücksichtigen, soweit sie auf einmaligen Reparaturaufwendungen
beruhen, die ihrerseits nicht vom Einkommen abgezogen werden.
Das Renteneinkommen des Beklagten des Beklagten beträgt einschließlich der Weihnachtsgratifikation und der anteiligen Steuererstattung
5258,- DM, wie die vorgelegten Belege ergeben. Da sich das Einkommen nur unwesentlich verändert hat, kann von diesem Einkommen
für 1999 und 2000 ausgegangen werden. Das Einkommen für das Jahr 2001 ist mit ca. 5300 DM anzusetzen. Der Wohnwert der selbstgenutzten
Wohnung von 118 qm ist mit 1000,- DM anzusetzen, auf den Beklagten entfallen also 500,- DM, so dass sich das Gesamteinkommen
auf 5758,- DM und für 2001 auf 5800,- DM beläuft.
3) Von diesem Einkommen sind abzuziehen:
a) Der dem Beklagten gegenüber dem Unterhaltsanspruch seiner Mutter zustehende Selbstbehalt beträgt bis 30.6.2001 mindestens
monatlich 2250,- DM und ab 1.7.2001 mindestens monatlich 2450,- DM. Diese Beträge der Düsseldorfer Tabelle (FamRZ 2001, Heft
11, S. IX) wendet der Senat in ständiger Rechtsprechung an (vgl. Kölner Leitlinien Nr. 47) und diese Sätze stimmen mit der
einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs überein, der hervorgehoben hat, das gegenüber den Unterhaltsansprüchen
nachrangig Berechtigter ein Selbstbehalt gewährt werden muss, der deutlich über dem angemessenen Selbstbehalt liegt, der gegenüber
volljährigen Kindern gilt (BGH FamRZ 1992, 795; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl. (2000), Rn. 48, 188a m.w.N.). Das Wohnen
im Haus der Ehefrau ist nicht vom Selbstbehalt abzuziehen, da der anteilige Wohnwert beim Eigeneinkommen berücksichtigt ist.
b) Außer diesen Selbstbehaltsbeträgen, die dem Beklagten für die eigene Lebensführung verbleiben müssen, sind vom Einkommen
vorab die Unterhaltsansprüche vorrangig Berechtigter, hier der Ehefrau des Beklagten, vom Einkommen abzuziehen. Auch insoweit
wendet der Senat die in der Düsseldorfer Tabelle vorgeschlagenen Beträge für den angemessenen Unterhalt des mit dem Unterhaltspflichtigen
zusammenlebenden Ehegatten an (Kölner Leitlinien Nr. 47), was für die Ehefrau bis zum 30.6.2001 einen Betrag von 1750 DM ergibt,
ab 1.7.2001 einen Betrag von 1860 DM (Düsseldorfer Tabelle aaO.).
Von diesen Beträgen abzuziehen ist das Eigeneinkommen der Ehefrau, da sie insoweit nicht unterhaltsbedürftig ist. Ihr Wohnvorteil
ist mit monatlich 500 DM anzusetzen, ferner sind bis zum 31.1.2001 Mieterträge aus Vermietung mit 600, - DM ansetzen.Bis zum
31.1. 2001 beträgt Unterhaltsbedarf daher 650 DM, ab 1.2.2001 1250 DM und ab 1.7.2001 1360 DM als vorrangiger Bedarf der Ehefrau.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist nicht ein hypothetischer angemessener Bedarf ohne Berücksichtigung der Unterhaltsansprüche
der Mutter als 1/2-Anteil vom Gesamteinkommen des Beklagten anzusetzen, andernfalls könnte der Unterhaltsanspruch der Ehefrau
über dem dem Beklagten selbst verbleibenden Betrag liegen.
Entgegen der Auffassung des Klägers können insbesondere Hauserträge, die tatsächlich nicht erzielt werden, grundsätzlich nicht
berücksichtigt werden. So ist es hier mit den Mieteinnahmen aus der vermieteten Wohnung, die nur bis zum 31.1.2001 erzielt
wurden. Dem Vortrag des Beklagten, dass der Mieter seitdem nicht mehr zahlt und ein Räumungsstreit anhängig ist, ist der Kläger
nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten. Es können auch keine fiktiven Einkünfte angesetzt werden. Ein fiktives Einkommen
ist im abgeschwächten Unterhaltsverhältnis nicht zu berücksichtigen (vgl. OLG Köln OLG-Report 2000, 67 m.w.N.). Aus diesem
Grunde sind auch weitere möglicherweise erzielbaren Mieterträge nicht zu berücksichtigen, denn bei der von den Ballungszentren
weit entfernten Lage des Hauses kann nicht davon ausgegangen werden, das solche nachhaltig ohne besondere Bemühung und ohne
persönliche Beeinträchtigung zu erzielen wären.
c) Vom Einkommen des Beklagten vorweg abzuziehen sind weiter die - im Wesentlichen unstreitigen - Belastungen, die die Lebensstellung
schon vor der Inanspruchnahme geprägt haben (Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl.
(2000), § 2 Rn. 616 ff.).
Das sind im Einzelnen:
- Krankenversicherung 634,75 DM
- Hausratversicherung 29,05 DM
- Haftpflichtversicherungen 70, 88 DM
- Rechtsschutzversicherung 44, 69
Die Wohngebäudeversicherung ist bei den Hausunkosten mit berücksichtigt.
d) Ferner sind Hauslasten und Rücklagen für die Instandsetzung des Hauses in Höhe von 1469,- DM monatlich zu berücksichtigen.
Dieser Betrag setzt sich zusammen aus: 295,- DM Bausparverträge; 424,- DM Immobiliardarlehn; 350,- DM Instandhaltungsrücklage
sowie 400,- DM Nebenkosten. Wie das Amtsgericht hält der Senat die Berücksichtigung angesichts des Alters und der Lage des
Hauses für angemessen, begrenzt sie allerdings auf 1469,- DM, da die Rücklagen für Reparaturen gestreckt werden müssen. Das
Vorbringen des Klägers zu Verminderungsmöglichkeiten berücksichtigt nicht hinreichend, dass im abgeschwächten Unterhaltsrechtsverhältnis
alle angemessenen tatsächlichen Lasten berücksichtigt werden müssen. Nach Auffassung des Senats bewegen sich die Aufwendungen
und Rücklagen bei der anerkannten Höhe im Bereich des Angemessenen.
e) Weiter sind Schulden und sonstige Lasten, die die Lebensstellung geprägt haben, zu berücksichtigen. Das sind die Kreditrate
von 269,- DM und die monatlichen Aufwendungen von ca. 150,- DM für den Besuch der Mutter im Altenheim. Auch wenn damit der
Unterhaltsbedarf der Mutter nicht gedeckt wird, ist doch die persönliche Zuwendung durch ihre Kinder von großer Bedeutung.
Solche Kosten sind bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Es wäre nach Auffassung des Senats in hohem
Maße unangemessen, von den Kindern notfalls die Einstellung der Besuche der Mutter zu verlangen oder sie auf die Inanspruchnahme
des Selbstbehalts zu verweisen.
Die Raten auf die Lebensversicherungen mit 78,- DM + 121,17 DM = 199,17 DM werden dagegen nicht berücksichtigt, da es einer
weiteren Alterssicherung nicht bedarf und Rücklagen für Reparaturen des Hauses bereits berücksichtigt sind.
f) Unterhaltsaufwendungen für die Enkelin, die der Mutter des Beklagten gem. §
1609
BGB vorrangig ist, da die Abkömmlinge den Verwandten der aufsteigenden Linie vorgehen (vgl. nur Palandt/Diederichsen,
BGB, 60. Aufl. (2001), §
1609 Rn. 12), werden im zweiten Rechtszug nicht mehr geltend gemacht.
4) Für die Zeit vom 1.7.1999 - 31.12.2000 stehen daher zur Verfügung:
5728 - 2250 (Selbstbehalt Bekl.) - 650 (Bedarf Ehefrau) - 634 - 29,05 - 70, 88 - 44, 69 - 1469 - 269 - 150 = 191, 38 DM.
Für Januar 2001 erhöht sich der Betrag auf 233, 38 DM. Ab Februar verbleibt kein Betrag für den Elternunterhalt, da das Mieteinkommen
der Ehefrau weggefallen ist und ihr Bedarf entsprechend steigt. Das gilt auch für die Zeit ab 1.7.2001, zumal nun höhere Selbstbehaltssätze
anzusetzen sind.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die dem Beklagten verbleibenden Selbstbehaltsbeträge nur die Untergrenze ("mindestens")
darstellen, sie können nach den Umständen des Einzelfalls also erhöht werden (OLG Hamm FamRZ 1999, 1533). Darauf kommt es im Streitfall aber nicht an und für die Vergangenheit wäre es angesichts der berücksichtigten Belastungen
nicht angemessen.
Der Senat sah keinen Anlass zur Revisionszulassung, da es sich letztlich um eine Entscheidung aufgrund der Einzelfallumstände
handelt.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§
91,
92,
97,
708 Nr. 10
ZPO.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 11284,16 DM.