Zur Verwirkung von nachehelichem Unterhalt wegen versuchten Prozeßbetrug
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §
543 Abs.
1 erster Halbsatz
ZPO abgesehen
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, an sich statthafte sowie frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§
511, 511 a, 516, 518, 519
ZPO) hat auch in sachlicher Hinsicht Erfolg; sie führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Klageabweisung.
Der Kläger ist durch Urteil des Familiengerichts Wermelskirchen vom 12.01.1999 - 5 F 15/98 - unter anderem zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in monatlicher Höhe von 996,00 DM ab 01.03.1998 an die Beklagte verurteilt
worden. Dieses Urteil ist rechtskräftig, nachdem die Beklagte die seinerzeit von ihr eingelegte Berufung - 25 UF 38/99 OLG Köln - zurückgenommen hat, Bl. 398 BA.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger im Wege der Abänderungsklage den Wegfall seiner titulierten Unterhaltsverpflichtung
mit Wirkung ab dem Eintritt der Rechtshängigkeit verlangt. Das Familiengericht hat der Klage für die Zeit ab 10.10.1999 stattgegeben.
Das hält der Überprüfung durch den Senat nicht Stand. Die Abänderungsklage ist zulässig, aber unbegründet und musste deshalb
auf die Berufung abgewiesen werden.
Der Kläger stützt seine Klage ausschließlich darauf, dass die Beklagte ihre nachehelichen Unterhaltsansprüche verwirkt habe.
Das ergibt sich aus seinem gesamten schriftsätzlichen Vorbringen und seiner ausdrücklichen, im Termin zur mündlichen Verhandlung
vom 30.03.2001 protokollierten und nach Vorspielen genehmigten Erklärung. Wenn es dort heißt, die "Berufung" werde ausschließlich
auf den Verwirkungseinwand gestützt, ist das nichts weiter als ein unschädliches Versprechen, hat doch nicht der Kläger, sondern
die Beklagte Berufung eingelegt, so dass diese Äußerung des Klägers nicht der Berufung, sondern seiner Klage zuzuordnen ist.
Den Einwand der Verwirkung der nachehelichen Unterhaltsansprüche macht der Kläger zulässiger Weise im Wege der Abänderungsklage
geltend, wie schon das Familiengericht zutreffend ausgeführt hat. Eine Vollstreckungsgegenklage gemäß §
767
ZPO kommt nicht in Betracht. Diese Klage wäre nur statthaft, wenn die Verwirkung, falls sie durchdringt, die Unterhaltsansprüche
der Beklagten auf Dauer ausschließen würde. Dann handelte es sich um einen rechtsvernichtenden Einwand gegen den titulierten
Anspruch, der nicht mit Abänderungsklage, sondern mit Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen ist (BGH FamRZ 1991, 1175; Hoffmann/Stephan, EheG, 2. Auflage, § 66 Rz. 7 jeweils für den Fall der Verwirkung nach § 66
EheG). Demgegenüber kann der Einwand des Klägers, wie nachstehend darzulegen sein wird, nur in §
1579 Nr. 2, Nr. 6
BGB seine Stütze finden. Diese sog. negative Härteklausel des Unterhaltsrechts erfordert aber gemäß ihrem verbindlichen Wortlaut
in sämtlichen Anwendungsfällen eine umfassende, an den beiderseitigen Belangen der geschiedenen Ehegatten unter Bedachtnahme
auf das Wohl eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinsamen Kindes orientierte Billigkeitsprüfung,
wobei je nach Lage des Streitfalles ein zeitlich begrenzter Ausschluss oder eine zeitlich begrenzte Herabsetzung des nachehelichen
Unterhaltsanspruchs in Betracht kommen kann. Diese Besonderheiten gegenüber einem auf Dauer wirkenden rechtsvernichtenden
Einwand lassen es gerechtfertigt erscheinen, die prozessuale Geltendmachung der Verwirkung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches
nach §
1579
BGB, die im Falle ihres Durchgreifens ein späteres Wiederaufleben des Anspruchs nicht prinzipiell ausschließt, der Abänderungsklage
zuzuordnen (Göppinger/Wax/Vogel, Unterhaltsrecht, 7. Auflage, Rz. 2444; Thomas-Putzo,
ZPO, 22. Auflage, §
323 Rz. 2; Palandt-Brudermüller,
BGB, 60. Auflage, §
1579 Rz. 51, jeweils m.N. aus der Rechtsprechung).
Die zulässige Abänderungsklage ist unbegründet.
Die Beklagte als Unterhaltsberechtigte hat sich zwar eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegenüber dem Kläger als Unterhaltsverpflichteten
schuldig gemacht, was aber im Rahmen der umfassenden Billigkeitsprüfung nicht zum Wegfall oder auch nur zur Herabsetzung ihrer
im Vorprozess titulierten nachehelichen Unterhaltsansprüche führt.
Die Beklagte hat im Vorprozess im Termin zur mündlichen Verhandlung, der am 17.08.1999 vor dem Senat stattgefunden hatte,
einen versuchten Prozessbetrug zum Nachteil des Klägers begangen. Das Familiengericht hatte ihr, teilweise im Wege fiktiver
Berechnung, durch halbtätige Erwerbstätigkeit erzielbare Nettoeinkünfte in monatlicher Höhe von insgesamt 1.372,00 DM zugeordnet,
während die Beklagte mit ihrer damaligen Berufung geltend machte, mehr als 800,00 DM monatlich, die sie sich - als eheprägendes,
also nach der Differenzmethode zu behandelndes Einkommen - anrechnen lasse, erziele sie nicht und könne sie auch nicht erzielen.
In der besagten mündlichen Verhandlung ist sie eingehend richterlich dazu befragt worden, wie es sich mit ihren Einkünften
aus dem Flechten von Rasta-Zöpfen verhalte. Auf diese Frage hat sie ausweislich des Protokolls wörtlich erklärt:
"Ich habe im Schnitt gerechnet etwa einmal im Monat einen Rasta-Zopf geflochten und dadurch eine Nettoeinnahme von 150,00
DM (Honorar 200,00 DM - 50,00 DM Unkosten) erzielt. Das ist aber nur bis zur Trennung gewesen. Seit dem Jahre 1996 - nach
der Trennung - habe ich keinen einzigen Rasta-Zopf mehr geflochten".
Diese an Klarheit und Eindeutigkeit schlechterdings nicht mehr zu überbietende Aussage ergibt - ohne jedes Wenn und Aber -,
dass die Beklagte bezogen auf das Datum ihrer damaligen Anhörung seit Jahr und Tag, aus welchen Gründen auch immer, nicht
einen einzigen Pfennig mit dem Flechten von Rasta-Zöpfen verdient hatte, weil selbiges nicht mehr stattgefunden hatte. Dabei
handelt es sich um eine faustdicke, plumpe Lüge, wie der vom Kläger in jenem Termin im Anschluss daran sogleich überreichte,
mit Fotografien dokumentierte Bericht der von ihm beauftragten Detektei augenblicklich offenbarte. Denn gemäß diesem Bericht
hatte die Beklagte, durch etliche Fotos belegt, am 12. und am 13.06.1999 durch das Flechten je eines Rasta-Zopfes an beiden
Tagen je 350,00 DM kassiert. Durch ihr Lügen, womit sie keinen Erfolg hatte, so dass der Betrug im Versuchsstadium stecken
blieb, wollte sie das Gericht und den Kläger Glauben machen, so wenig zu verdienen - und verdienen zu können -, dass ihr auf
ihre Berufung hin mehr Unterhalt als gemäß dem damaligen erstinstanzlichen Urteil zugesprochen werden müsse, eine ganz bewusst
auf die Schädigung der Vermögensinteressen des Klägers angelegte Aktion in der Absicht rechtswidriger Bereicherung. Denn jedes
Einkommen, das durch Flechten von Rasta-Zöpfen erzielt wurde, führte zwangsläufig zur Erhöhung des von der Beklagten mit monatlich
800,00 DM eingeräumten Einkommenslimits, das sie dem mit ihrer damaligen Berufung geforderten Unterhalt zugrunde gelegt hatte.
Das jetzige Bemühen der Beklagten um Entkräftung des Vorwurfs des versuchten Betruges - "Entschuldigung" mit Aufgeregtheit
und mangelnder Beherrschung der deutschen Sprache - ist angesichts der ungemein einfachen, damaligen Fragestellung des Gerichts
und der damaligen glasklaren Antwort der Beklagten unbeachtlich. Der versuchte Prozessbetrug ist durch nichts aus der Welt
zu schaffen. Bewusstes Verschweigen oder gar bewusstes Ableugnen von Einkünften mit dem Ziel der Erlangung unrechtmäßigen
Unterhalts kann durchaus gemäß §
1579 Nr. 2 (und Nr. 6)
BGB die Sanktion der Aberkennung jeglichen Unterhaltsanspruchs auslösen (OLG Karlsruhe FamRZ 1995, 1488; OLG Koblenz OLG-Report 1997, 245). Während es sich in den vorstehend entschiedenen Fällen um einen jeweils besonders schweren,
vollendeten Prozessbetrug handelte, ist das betrügerische Verhalten der Beklagten sogleich aufgedeckt worden und deshalb erfolglos
geblieben; die für die Berufung nachgesuchte Prozesskostenhilfe wurde verweigert und etliche Zeit danach wurde die Berufung
zurückgenommen. Das allein vermöchte der jetzigen Berufung allerdings nicht zum sachlichen Erfolg zu verhelfen, ist es doch
ganz gewiss nicht das Verdienst der Beklagten, damals "erfolglos" geblieben zu sein. Die unabweisbar erforderliche umfassende
Billigkeitsprüfung führt aber dazu, dass der Verwirkungseinwand gegenüber dem im Vorprozess in monatlicher Höhe von 996,00
DM zuerkannten nachehelichen Unterhalt nicht durchgreift. Der Kläger beruft sich, wie schon erwähnt, ausschließlich auf Verwirkung,
macht also nicht geltend, seine finanziellen Verhältnisse hätten sich inzwischen verschlechtert. Deshalb ist davon auszugehen,
dass er - nach Abzug des Kindesunterhalts - über ein bereinigtes durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe von
rund 4.000,00 DM (4.267,00 DM gemäß dem abzuändernden Urteil) verfügt. Damit ist er leistungsfähig. Das Familiengericht hat,
wie schon erwähnt, im abzuändernden Urteil das erzielbare Einkommen der Beklagten mit monatlich 1.372,00 DM angenommen, wobei
es sich teilweise um eine fiktive Berechnung handelt. Im damaligen Berufungsverfahren wollte die Beklagte mit betrügerischen
Mitteln lediglich erreichen, dass diese teilweise fiktive Anrechnung erzielbaren Einkommens in Wegfall geriet, was ihr strafrechtlich
relevantes Verhalten zwar keineswegs ungeschehen macht, aber doch in einem milderen Licht erscheinen lässt. Dabei ist der
Senat davon überzeugt, dass die Beklagte diejenigen Einkünfte, die das Familiengericht im Vorprozess auf ihrer Seite angesetzt
hat, bis auf den heutigen Tag zu keiner Zeit erzielt und auch nicht erzielen kann, so dass es ohnehin nur im Rückgriff auf
§
1579
BGB, wie noch darzulegen sein wird, bei dem vom Familiengericht angesetzten Einkommen bleiben kann. Damit aber muss es sein Bewenden
haben, während für einen Ausschluss oder eine Herabsetzung des im Ausgangsverfahren titulierten Unterhalts kein Raum ist.
Gemäß den zu den Akten überreichten Bescheiden war die Beklagte bis einschließlich Juni 2000 auf ergänzende Leistungen der
Sozialhilfe angewiesen, was übrigens im Rahmen der Billigkeitsprüfung gemäß §
1579
BGB ebenfalls und zwar zu ihren Gunsten zu berücksichtigen ist. Durch Aushilfstätigkeit in einem Sportstudio und durch Tätigkeit
als Raumpflegerin verdiente sie, was sie urkundlich belegt hat, im monatlichen Durchschnitt insgesamt rund 800,00 DM netto.
Ihre berufsbedingten Fahrtkosten und die Kosten ihrer Krankenversicherung, die sie decken muss, schlagen gegenwärtig mit monatlich
insgesamt 321,00 DM zu Buche, so dass selbst bei unterstellten Einkünften aus dem Flechten des einen oder anderen Rasta-Zopfes
eine erhebliche Lücke zu den Einkünften klafft, die das Familiengericht im Vorprozess veranschlagt hat.
Seit Juli 2000 hat sich die finanzielle Situation der Beklagten allerdings insofern verändert, als sie durch eine selbständige
Tätigkeit in der Sparte der medizinischen Fußpflege über die Runden zu kommen sucht. Dadurch erzielt sie, wenn sie auch ihre
bisherigen Tätigkeiten weiterhin ausübt, naturgemäß zusätzliche Einkünfte, wodurch aber das vom Familiengericht im Vorprozess
angesetzte Einkommen zur Zeit ebenfalls noch nicht erreicht wird. Des weiteren ist zum einen zu berücksichtigen, dass die
Beklagte als Unternehmerin kurz über lang steuerpflichtig werden und weitere Betriebskosten haben wird. Zum anderen und insbesondere
kommen an dieser Stelle die Belange der zur Zeit 13jährigen Tochter I. der Parteien ins Spiel, die in der Obhut der sorgeberechtigten
Beklagten lebt. Die schutzwürdigen Interessen dieses minderjährigen gemeinsamen Kindes der Parteien sind letztlich von ausschlaggebender
Bedeutung dafür, dass der Abänderungsklage kein sachlicher Erfolg beschieden ist; sie sind in ganz besonderer Weise im Rahmen
der Billigkeitsprüfung nach §
1579
BGB zu berücksichtigen und lassen für die im angefochtenen Urteil bejahte Verwirkung keinen Raum: Solange ein gemeinsames Kind
das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist der betreuende Elternteil nach allgemeinen unterhaltsrechtlichen Grundsätzen
maximal zur Aufnahme und Durchführung einer Halbtagstätigkeit verpflichtet (Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe
des Unterhalts, 7. Auflage, Rz. 403 m. zahlreichen N. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung). Wird ein solches Arbeitspensum
zu Lasten der Beklagten veranschlagt, so liegt sie mit ihrem dadurch erzielbaren Einkommen zur Überzeugung des Senats jedenfalls
zur Zeit weit unterhalb dessen, was das Familiengericht im Vorprozess angesetzt hat. Die Differenz mag infolge des damaligen
versuchten Prozessbetruges hingenommen werden, wird auch mit der jetzigen Berufung nicht angegriffen. Auf keinen Fall aber
geht es an, die Beklagte auf eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zu verweisen, wie das Familiengericht meint. Denn der Leidtragende
wäre dabei nicht etwa die Beklagte, sondern das Kind, das in diesem Falle zwangsläufig zum ganz überwiegenden Teil der Versorgung,
Beaufsichtigung und Betreuung durch seine leibliche Mutter als seine hauptsächliche Bezugsperson ermangeln würde, was auch
im Rahmen des §
1579
BGB schlechterdings nicht akzeptiert werden kann.
Nach alledem konnte der Berufung sachlicher Erfolg nicht versagt bleiben.
Die zivilprozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§
91,
708 Nr. 10,
711
ZPO.
Streitwert für die Berufungsinstanz: 11.952,00 DM