Sittenwidrigkeit eines Unterhaltsverzichts und Verwirkung wegen Ausbruchs aus intakter Ehe
Gründe:
Der Antrag des Beklagten, ihm zur Durchführung des Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, war zurückzuweisen,
da der Berufung die gemäß §
114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht fehlt.
Gemäß §
513 Abs.
1 ZPO (in der ab dem 01.01.2002 gültigen Fassung) kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer
Rechtsverletzung (§
546 ZPO) beruht oder nach §
529 ZPO zugrundezulegende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Als Berufungsgründe kommen damit in Betracht, dass das
Familiengericht entweder den erstinstanzlichen Tatsachenstoff falsch oder unvollständig festgestellt hat und dadurch zu einer
falschen Beurteilung der Rechtslage gekommen ist oder dass das Familiengericht den richtig festgestellten Sachverhalt falsch
gewertet hat und das angegriffene Urteil damit unter Rechtsfehlern leidet, die zu einer falschen Rechtsanwendung und damit
zu einem falschen Urteil geführt haben.
Mit der Berufung rügt der Beklagte zum einen, dass das Amtsgericht fälschlicherweise von einer Sittenwidrigkeit des Unterhaltsverzichtes,
welchen die Klägerin angeblich erklärt hat, ausgegangen sei, und weiter, dass das Amtsgericht zu Unrecht den Verwirkungsgrund
des § 1579 Nr. 6
ZPO nicht angenommen habe. In beiden Fällen wird seitens des Beklagten vorgebracht, dass das Amtsgericht den Tatsachenstoff der
1. Instanz nicht zutreffend gewürdigt habe und somit das Urteil unter Rechtsfehlern leide.
Nach Auffassung des Senats gehen beide Rügen des Beklagten fehl.
Zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die auf den 20.09.1999 datierte Erklärung der Klägerin, wenn sie als
Unterhaltsverzicht aufgefasst wird, was im Folgendem einmal unterstellt werden soll, jedenfalls sittenwidrig und damit richtig
ist. Dabei verkennt der Senat nicht, dass grundsätzlich nacheheliche Unterhaltsvereinbarungen formlos möglich sind und dass
wegen der grundsätzlich geltenden Vertragsfreiheit auch ein gänzlicher Unterhaltsverzicht für die Zukunft bei nachehelichem
Unterhalt zulässig ist. Die durch Art.
2 Abs.
1 GG gewährleistete Privatautonomie findet aber dort ihre Grenzen, wo sie gegen die guten Sitten verstößt. Dies ist vorliegend
der Fall. Es ist anerkannt, dass ein Unterhaltsverzicht gemäß §
138 BGB nichtig ist, wenn er seinem objektiven Gehalt nach zu Lasten des Sozialhilfeträgers geschlossen wurde (vgl. OLG Köln FamRZ
1999, 920 m. w. N.). So liegt der Fall hier. Eine Vereinbarung, in der ein bei Abschluss der Vereinbarung nicht erwerbsfähiger und
nicht vermögender Ehegatte auf Unterhalt verzichtet mit der Folge, dass er zwangsläufig auf Sozialhilfeleistung angewiesen
ist, verstößt auch dann gegen die guten Sitten und ist nichtig, wenn ihm eine Schädigungsabsicht zu Lasten des Trägers der
Sozialhilfe nicht zugrunde liegt. Die Vereinbarung der Parteien lief unter Bedachtnahme aller Umstände objektiv zwangsläufig
auf eine Belastung des Trägers der Sozialhilfe hinaus. Damit nahm der Beklagte im Zeitpunkt, als er die Verzichtserklärung
der Klägerin entgegennahm, bewusst in Kauf, dass der an sich von ihm geschuldete Unterhalt nunmehr durch den Sozialhilfeträger
zu leisten war.
Die Verzichtserklärung der Klägerin wurde am 20.09.1999 abgegeben. Zur damaligen Zeit war der gemeinsame Sohn der Parteien,
der am 02.01.1990 geboren wurde, noch keine zehn Jahre alt. Wie aus den Akten ersichtlich, hatte der gemeinsame Sohn zumindest
damals erhebliche schulische Schwierigkeiten. Derzeit ist er 12 Jahre alt und in diesem Sommer wohl erst in die sechste Klasse
der Hauptschule versetzt worden. Auch der Beklagte hat in vorliegendem Verfahren wie auch im Trennungsunterhaltsverfahren
(33 F 422/99 AG Brühl) schulische Schwierigkeiten des Sohnes nicht bestritten. Er behauptet allerdings in hiesigem Verfahren, dass sich
diese mittlerweile behoben haben. Ob dies tatsächlich der Fall ist, mag dahinstehen, jedenfalls führten die erheblichen schulischen
Schwierigkeiten des Sohnes im Jahre 1999 dazu, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt ersichtlich noch keine Erwerbsobliegenheit
traf. Gleichwohl verlangte er von der Klägerin am 20.09.1999 die Unterhaltsverzichtserklärung, wohlwissend, dass er in kurzer
zeitlicher Abfolge Scheidungsklage erheben werde. Damit war für den Beklagten klar, dass bei normalem Lauf des Scheidungsverfahrens
die Verzichtserklärung in relativ kurzer Zeit wirksam werden würde, was dann auch eingetreten ist. Die Trennung der Parteien
erfolgte im Sommer/Frühherbst 1999 durch den Auszug des Beklagten aus der ehelichen Wohnung. Das Scheidungsurteil erging bereits
am 29.11.2000 und wurde am 15.01.2001 rechtskräftig. Damit war bei Ausspruch des Scheidungsurteils das Trennungsjahr erst
relativ kurz abgelaufen.
Bei den gegebenen schulischen Schwierigkeiten und der Tatsache, dass die Klägerin das Recht hatte, sich im ersten Trennungsjahr
neu zu orientieren, konnte von der Klägerin jedenfalls im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung am 15.01.2001 nicht verlangt
werden, dass sie halbtags oder sogar vollschichtig tätig werden musste. Auch hiervon musste der Beklagte bei verständiger
Würdigung aller Umstände ausgehen. Der gemeinsame Sohn bedurfte der weitergehenden Betreuung. Darüber hinaus mußte der Beklagte
erkennen, dass die Klägerin während des gesamten Zusammenlebens nicht berufstätig war und keinen Beruf erlernt hatte, somit
auf relativ gering bezahlte Tätigkeiten angewiesen war. Dabei mag dahinstehen, ob die Klägerin zur Zeit in ausreichendem Umfang
tätig wird, jedenfalls kann derzeit von ihr noch keine solche berufliche Tätigkeit erwartet werden, die ihren und ihres Kindes
Unterhalt auch bzw. in Höhe des Mindestbedarfs decken könnte. All dies musste der Beklagte bei Entgegennahme der Verzichtserklärung
wissen.
Für die Sittenwidrigkeit der getroffenen Vereinbarung spricht im übrigen auch, dass gerade in Folge des Unterhaltsverzichtes
der Mindestfamilienunterhalt insgesamt gefährdet war. Die Klägerin pflegt und betreut den gemeinsamen minderjährigen Sohn.
Der von ihr zu beanspruchende Unterhalt trägt damit auch Bedarfsdeckung der Gesamtfamilie. Wird sie dagegen auf eine überobligatorische
Tätigkeit verwiesen, muss sie notwendigerweise die Pflege und Betreuung ihres minderjährigen Kindes vernachlässigen. Denn
anders könnte der Mindestbedarf der Familie nicht gedeckt werden. Auch dies wusste der Beklagte.
Dass die Klägerin auch tatsächlich Sozialhilfe bezieht, ergibt sich sowohl aus dem vorliegenden wie auch aus dem Akteninhalt
der Beiakte zum Trennungsunterhaltsverfahren. Aufgrund dieser konkreten Sachlage ist das einfache Bestreiten bzw. das Bestreiten
mit Nichtwissen des Beklagten unbeachtlich.
Der Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, der erklärte Unterhaltsverzicht sei angemessen dadurch ausgeglichen worden,
dass er, der Beklagte, die gemeinsamen Eheschulden übernommen habe. Diese waren bei Abgabe der Verzichtserklärung am 20.09.1999
nicht so hoch, dass sie einen generellen Unterhaltsverzicht zu Lasten des Sozialhilfeträgers rechtfertigen könnten. Sie beliefen
sich vor Abschluss des Umschuldungskredites am 22.09.1999 auf 15.151,00 DM nämlich 5.177,00 DM Verbindlichkeiten aus einem
Altkredit sowie 9.974,00 DM Schulden aus einem Überziehungskredit. Der Restbetrag des am 22.09.1999 auf genommenen Darlehens
diente wohl u.a. der Anschaffung neuer Möbel. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte bei Kreditaufnahme am 22.09.1999
nach Abgabe der Verzichtserklärung durch die Klägerin diese noch im Rahmen der aufgenommenen Umschuldungsverbindlichkeiten
mit haften ließ. Diese Entlassung aus der Mithaftung hatte er aber bereits zuvor zum Anlass genommen, die Verzichtserklärung
der Klägerin zu verlangen.
Auch wenn die Klägerin weitgehend den gesamten Hausrat behielt, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sie
deswegen eine hälftige Mithaftung an den neu aufgenommenen Verbindlichkeiten getroffen hätte. Hierbei handelte es sich nicht
mehr um aus der Ehe stammende und damit die Ehe prägende Altschulden. Vielmehr waren dies allenfalls trennungsbedingte Mehrkosten,
die der Beklagte möglicherweise bei Berechnung seiner Unterhaltsschuld von seinem Einkommen absetzen kann. Es kann auch nicht
davon ausgegangen werden, dass die Klägerin in etwa dem gleichen Wert, wie sich der Beklagte neu verschuldet hatte, Hausrat
übernommen hatte. Bei dem Hausrat handelte es sich im wesentlichen um gebrauchte Möbel und Elektrogeräte, die bekanntermaßen
sehr schnell an Wert verlieren. Dem Vortrag des Beklagten ist auch nicht zu entnehmen, in welcher Höhe trennungsbedingte Kosten
erforderlich geworden waren.
Der Unterhaltsanspruch der Klägerin ist auch nicht gemäß §
1579 Nr. 6
BGB verwirkt. Zu Unrecht rügt der Beklagte, das Amtsgericht habe seinen Sachvortrag zu diesem Verwirkungsgrund (Ausbruch aus
einer intakten Ehe) nicht zutreffend gewertet. Da die Verwirkung eine rechtsvernichtende Einwendung ist, hat der Beklagte
das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Verwirkungsgrundes darzulegen und zu beweisen. Ausreichende Tatsachen,
die die Annahme einer Verwirkung wegen einer schweren Eheverfehlung rechtfertigen könnten, sind nicht vorgetragen. Die Klägerin
stellt nicht in Abrede, dass sie zu einem anderen Mann im Sommer 1999 eine intime Beziehung gehabt hatte. Diese führte aber
nicht dazu, dass sie sich diesem Mann in neuer Partnerschaft zuwendete. Vielmehr hielt sie an der ehelichen Gemeinschaft fest.
Es war der Beklagte, der aus der gemeinsamen Ehewohnung auszog und schließlich Scheidungsklage zu einem Zeitpunkt einreichte,
als die relativ kurzfristige Beziehung zwischen der Klägerin und ihrem Bekannten schon nicht mehr bestand. Damit mag zwar
die Klägerin eine Eheverfehlung begangen haben, diese kann aber nicht als so schwerwiegend bezeichnet werden, dass sie zu
einem Ausschluss ihres Unterhaltsanspruches führen könnte. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass sie den gemeinsamen
minderjährigen Sohn zu betreuen hat.
Ist damit dem Amtsgericht in der Beurteilung des Sachverhaltes kein Rechtsfehler unterlaufen und hat es den Unterhaltsanspruch
der Klägerin zumindest in dieser Höhe zutreffend festgestellt, Gegenteiliges wird mit der Berufung nicht gerügt, muss das
Rechtsmittel des Beklagten mit der Folge erfolglos bleiben, dass ihm zu seiner Durchführung keine Prozesskostenhilfe gewährt
werden kann.
Der Klägerin war zur Abwehr der gegnerischen Berufung auf ihren Antrag hin ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe
unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. zu bewilligen (§
119 ZPO).
Über den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Anschlussberufung war vorliegend ebenfalls
noch nicht zu entscheiden, da erst abzuwarten ist, ob der Beklagte trotz der Verweigerung der Prozesskostenhilfe zur Durchführung
seines Berufungsverfahrens das Berufungsverfahren weiter betreiben wird. Anderenfalls verlöre die Anschlussberufung gemäß
§
524 Abs.
4 ZPO (in der Fassung vom 01.01.2002) ihre Wirkung.
Der Beklagte mag daher mitteilen, ob er die Berufung durchführen will. Anderenfalls erwägt der Senat gemäß §
522 Abs.
2 ZPO (in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung) zu verfahren.