Anspruchsverfolgung durch den Hilfebedürftigen im Unterhaltsrecht
Gründe:
Das gemäß §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel ist begründet. Der Antragstellerin ist für die beabsichtigte Geltendmachung
von Unterhaltsrückständen für die Zeit seit Oktober 1999 ebenfalls Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Denn die gesetzlichen
Voraussetzungen des §
114
ZPO sind auch insoweit gegeben. Die Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und der Stadt H. vom 9. Januar 2001 (Bl. 29 f.
der Unterakte 45 a F 377/01 EA/UE), durch die die nach § 91 Abs. 1 Satz 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in Höhe der erbrachten Sozialhilfeleistungen auf den Träger der Sozialhilfe übergegangenen Unterhaltsansprüche der Antragstellerin
sowie des Kindes N. C. zum Zwecke gerichtlicher Geltendmachung gemäss § 91 Abs. 4
BSHG treuhänderisch auf die Antragstellerin zurückübertragen worden sind, steht dem nicht entgegen. Für die Monate Oktober und
November 1999 folgt das allein schon daraus, dass die vorgenannte Rückübertragungsvereinbarung ohnehin nur den Zeitraum ab
dem 1. Dezember 1999 erfasst. Aber auch im übrigen kann die Vereinbarung weder unter dem Gesichtspunkt fehlender Bedürftigkeit
der Antragstellerin noch - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts in dem angefochtenen Beschluss - dem der Mutwilligkeit
der beabsichtigten Rechtsverfolgung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe entgegen stehen.
Gemäss dem am 1. August 1996 in Kraft getretenen § 91 Abs. 4 Satz 1 BSHG (i. d. F. des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996, BGBl. I S. 1088) kann der Träger der Sozialhilfe
den auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruch im Einvernehmen mit dem Hilfeempfänger auf diesen zur gerichtlichen Geltendmachung
rückübertragen und sich den geltend gemachten Unterhaltsanspruch abtreten lassen. Nach Satz 2 dieser Bestimmung sind Kosten,
mit denen der Hilfeempfänger dadurch selbst belastet wird, zu übernehmen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung sowie im
Schrifttum ist umstritten, ob und ggfls. unter welchen Voraussetzungen dem Hilfeempfänger, der den zurückübertragenen Anspruch
gerichtlich geltend macht, Prozesskostenhilfe zu gewähren ist (vgl. zum Streitstand Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG §
91 Rdn. 173b; Musielak/Fischer,
ZPO 2. Aufl. §
114 Rdn. 35; Wendl/Staudigl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 5. Aufl. § 6 Rdn. 558; Künkel FamRZ
1996, 1509, 1513, jeweils mit zahlreichen w. N.). Dabei wird auf der einen Seite die Auffassung vertreten, die Bewilligung der Prozesskostenhilfe
scheitere in Fällen der vorliegenden Art schon an der fehlenden "Prozesskostenarmut" des Hilfebedürftigen, der vom Träger
der Sozialhilfe einen Prozesskostenvorschuss verlangen könne, wobei wiederum im einzelnen streitig ist, ob dieser Vorschussanspruch
sich bereits unmittelbar aus § 91 Abs. 4 Satz 2 BSHG (so OLG Koblenz FamRZ 1997, 1086) oder zumindest in direkter bzw. entsprechender Anwendung von §
669
BGB aus dem materiellen Recht (so OLG Celle FamRZ 1999, 1284) ergeben soll. Auf der anderen Seite haben sowohl der 14. Zivilsenat als auch, ihm folgend, der 25. Zivilsenat des Oberlandesgerichts
Köln die Ansicht vertreten, die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers aus § 91 Abs. 4 Satz 2 BSHG begründe für den Hilfebedürftigen keinen Prozesskostenvorschussanspruch, sondern lediglich einen - für die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe unschädlichen - Übernahme- bzw. Freistellungsanspruch für den Fall, dass der Hilfebedürftige durch die
Geltendmachung selbst mit Kosten belastet werde (vgl. OLG Köln - 14. ZS - FamRZ 1997, 297, 298; OLG Köln - 25. ZS - FamRZ 1998, 175, 177; ebenso OLG Nürnberg FamRZ 1999, 1284, 1285; Musielak/Fischer aaO.; Wendl/Staudigl/Scholz aaO.). Der erkennende Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung
an:
Bereits der Wortlaut des § 91 Abs. 4 Satz 2 BSHG ("Kosten, mit denen der Hilfeempfänger...belastet wird") spricht eher für einen bloßen Freistellungsanspruch des Hilfebedürftigen,
der erst dann eingreift, wenn diesem - am Ende des Prozesses bei Erstattungsansprüchen des Prozessgegners - Kosten auferlegt
werden (vgl. OLG Nürnberg aaO.). Dieses Verständnis steht auch in Einklang mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, wonach
die Formulierung, dass der Unterhaltsberechtigte nicht selbst mit Kosten belastet werden soll, der Klarstellung dienen sollte,
dass die Prozesskostenhilfe vorrangig zur Deckung der Prozesskosten heranzuziehen ist (vgl. Wendl/Staudigl/Scholz aaO. m.
w. N.). Dem entspricht es, dass die Prozeßkostenhilfe als eine Art "Sozialhilfe" im Bereich der Rechtspflege nach dem in §
2
BSHG verankerten Subsidiaritätsprinzip den im BSHG getroffenen Regelungen vorgehen, die §§
114 ff.
ZPO also nach dem Willen des Gesetzgebers die Kostentragung im Prozessfalle bei Bedürftigkeit grundsätzlich abschließend regeln
(vgl. OLG Stuttgart FamRZ 1994, 384, 385; OLG Nürnberg aaO.). Bei dieser gesetzgeberischen Wertentscheidung ist entgegen der Auffassung des OLG Celle (aaO.)
neben § 91 Abs. 4 Satz 2 BSHG für einen Rückgriff auf die Vorschrift des §
669
BGB schon im Ansatz kein Raum.
Kann hiernach der Antragstellerin die beantragte Prozesskostenhilfe nicht wegen fehlender Bedürftigkeit versagt werden, so
ist des weiteren die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung hinsichtlich der Unterhaltsrückstände auch weder rechtsmissbräuchlich
noch mutwillig im Sinne von §
114
ZPO.
Angesichts der ausdrücklichen gesetzlichen Zulassung der Rückübertragung durch § 91 Abs. 4 Satz 1 BSHG kann von einem Rechtsmissbrauch durch Vorschieben des Hilfebedürftigen allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmesituationen,
für die hier nichts ersichtlich ist, die Rede sein (vgl. OLG Köln FamRZ 1997, 297, 298; OLG Stuttgart FamRZ 1994, 384, 385; FamRZ 1996, 1019, 1020). Darüber hinaus erscheint schon im Ausgangspunkt zweifelhaft, ob und ggfls. unter welchen näheren Umständen die Verfolgung
eigener (Unterhalts-)Ansprüche, mag es sich auch um rückübertragene handeln, angesichts der gesetzlichen Subsidiarität der
Sozialhilfe überhaupt als mutwillig angesehen werden kann (vgl. OLG Köln FamRZ 1997, 297, 298; OLG Stuttgart FamRZ 1996, 1019, 1020; FamRZ 1994, 384, 385; vgl. hierzu auch OLG Hamm FamRZ 1994, 1530, 1531). Letztlich bedarf diese Frage vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls dann, wenn - wie hier - zugleich
der laufende Unterhalt geltend gemacht wird, sprechen nach allgemeiner Auffassung Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit dafür,
dass die Unterhaltsansprüche insgesamt, d. h. also auch hinsichtlich des Rückstands, in einem einzigen Rechtsstreit und von
einer Partei geltend gemacht werden dürfen (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 1996, 1019, 1020; OLG Hamm FamRZ 1994, 1530, 1531; Oestreicher/Schelter/Kunz aaO.). Das muss umso mehr gelten, als es gerade Sinn der gesetzlichen Neuregelung in § 91 Abs. 4
BSHG war, die einheitliche Prozessführung in bezug auf übergegangene, weitgehende eigene Ansprüche für die Vergangenheit und in
bezug auf zukünftige Ansprüche zu ermöglichen (vgl. OLG Köln FamRZ 1997, 297, 298; zur Maßgeblichkeit des Gesichtspunkts der Prozeßökonomie in diesem Zusammenhang vgl. auch schon OLG Köln - 14. ZS -
FamRZ 1994, 970, 971; OLG Köln - 27. ZS - FamRZ 1995, 179, 180).
Der Senat verkennt dabei nicht, daß jedenfalls die Geltendmachung sog. "echter" Unterhaltsrückständen, also solchen aus der
Zeit vor Anhängigkeit der Unterhaltsklage, gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 GKG zu einer unter Umständen Erhöhung des (Gesamt-) Streitwerts führen kann. Dabei ist allerdings gleichfalls zu berücksichtigen,
dass die Aufteilung des laufenden Unterhalts einerseits und der Rückstände andererseits auf zwei Prozesse (mit unterschiedlichen
Klägern) sich wegen der grundsätzlich degressiven Struktur der allgemeinen Gebühren wie auch der besonderen Struktur der PKH-Gebühren
(§ 123
BRAGO) im Ergebnis nicht zwangsläufig nachteilig für den Prozessgegner des Hilfebedürftigen auswirken muss. Das gilt umso mehr,
als auch der Sozialhilfeträger, würde er wegen der Rückstände selbst klagen, sich zumindest hinsichtlich der Gerichtskosten
auf seine Privilegierung durch § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X berufen könnte (vgl. Künkel FamRZ 1996, 1506, 1515). Ob vor diesem Hintergrund die Gewährung von Prozesskostenhilfe hinsichtlich der Geltendmachung rückabgetretener Unterhaltsrückstände
unter dem Aspekt der Mutwilligkeit in der Regel zumindest dann ausscheiden muss, wenn ausschließlich oder aber im wesentlichen
übergegangene und zurückübertragene Unterhaltsrückstände eingeklagt werden sollen (vgl. OLG Nürnberg aaO.; Hinweise des OLG
Hamm zu § 91
BSHG und § 7
UVG, FamRZ 1997, 275; Wendl/Staudigl/Scholz aaO.) und dies auch nur im Umfang der geleisteten Sozialhilfe geschieht (vgl. Musielak/Fischer aaO.;
s. hierzu schon OLG Köln FamRZ 1995, 820), bedarf für den Streitfall keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls dann, wenn die erbrachten Sozialhilfeleistungen
in nennenswertem Umfang unter der nach dem Vorbringen des Hilfeempfängers in Betracht kommenden Unterhaltsforderung liegen,
erscheint der Weg einer einheitlichen Geltendmachung der Ansprüche durch den Hilfeempfänger grundsätzlich sinnvoll und prozeßökonomisch.
Von dieser Voraussetzung ist aber vorliegend nach der durch die bisherigen Ausführungen des Antragsgegners nicht substantiell
in Zweifel gezogenen Darstellung der Antragstellerin auszugehen. Soweit demgegenüber das Amtsgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung
vom 6. Dezember 2001 ergänzend zur Begründung des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, es könne derzeit hinsichtlich
der Unterhaltsrückstände nicht von einem über der gewährten Sozialhilfe liegenden Unterhaltsanspruch ausgegangen werden, findet
diese Einschätzung im bisherigen Sachvortrag der Parteien keine hinreichende Stütze. Nach der Berechnung der Antragstellerin
in der Beschwerdeschrift belief sich der durchschnittliche Sozialhilfebezug in der Zeit von Dezember 1999 bis einschließlich
September 2001 auf monatlich 845,96 DM. Dagegen betrug das bereinigte Nettoeinkommen des Antragsgegners in den Jahren 1996
bis 1998 nach der von der Antragstellerin im Verfahren über ihren Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung vorgelegten
Berechnung der Stadt H. (Bl. 28 der Unterakte) monatlich durchschnittlich 3.529,99 DM. Ob sich daraus - wovon die Antragstellerin
ausweislich ihrer Beschwerdebegründung offenbar ausgeht - nicht nur für den laufenden Unterhalt, sondern auch für die Rückstände
aus der Zeit ab Dezember 1999 ein monatlicher Unterhaltsanspruch in Höhe von 2.000,00 DM ermittelt, bedarf an dieser Stelle
keiner abschließenden Beurteilung. Jedenfalls gestattet die im wesentlichen pauschal gehaltene und insgesamt unzureichende
bisherige Erwiderung des Antragsgegners nicht den Schluss, der geschuldete Unterhalt habe in der Vergangenheit nicht bzw.
allenfalls unerheblich über 845,96 DM gelegen. Bei dieser Sachlage kann vorliegend der Umstand allein, dass die Unterhaltsrückstände
einen nicht unerheblichen Zeitraum betreffen, die Versagung von Prozesskostenhilfe nicht rechtfertigen (vgl. auch OLG Stuttgart
FamRZ 1996, 1019). Denn unabhängig vom zeitlichen Umfang der Rückstände kann die der Antragstellerin nach ihrer Darstellung zustehende Unterhaltsspitze
nicht losgelöst von der Höhe des übergegangenen Anspruchsteils festgestellt werden. Es wäre daher mit den Geboten prozesswirtschaftlicher
Verfahrensweise nicht zu vereinbaren, wenn über zwei Teile desselben Anspruchs für denselben Zeitraum gleichwohl in zwei getrennten
Prozessen entschieden werden müsste. Vielmehr entspricht es in einem solchen Fall dem legitimen Bedürfnis des Hilfebedürftigen,
die Rechtsverfolgung koordiniert in seiner Hand zu behalten (vgl. bereits OLG Köln FamRZ 1994, 970, 971).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
127 Abs.
4
ZPO a. F.