Anrechnung von Kindergeld im PKH-Verfahren bei der Bedürftigkeitsprüfung
Gründe:
Die gemäß §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - als sofortige Beschwerde zu behandelnde "Beschwerde" der Antragsstellerin
hat auch in der Sache Erfolg.
Zu Unrecht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsstellerin
derart geändert hätten, dass eine Ratenzahlungsanordnung gemäß §
120 Abs.
4
ZPO gerechtfertigt wäre.
Das Amtsgericht hat das zur Finanzierung des vorliegenden Rechtstreites zur Verfügung stehende Einkommen der Antragsstellerin
nicht zutreffend ermittelt. Zu Unrecht hat es den vom Kindesvater an die Kindesmutter (Antragsstellerin) gezahlten Kindesunterhalt
sowie das volle an die Antragstellerin ausgezahlte Kindergeld deren Einkommen zugerechnet.
Zunächst kann dem Einkommen der Antragsstellerin nicht der vom Kindesvater gezahlte Kindesunterhalt für die beiden gemeinsamen
Kinder zugerechnet werden, da Unterhaltszahlungen Einkommen des Kindes darstellen, welche nicht dem Vermögen des betreuenden
Elternteils zugerechnet werden können, sondern nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes (§
115 I 3 Nr. 2
ZPO) lediglich auf den Kindesfreibetrag anzurechnen sind.
Nach Auffassung des Senates ist aber bei der Bedürftigkeitsprüfung nach §
115
ZPO in den Fällen der Unterhaltszahlung an im Haushalt der Prozesskostenhilfe begehrenden Parteien lebende Kinder das Kindergeld
hälftig dem Einkommen der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei, die das volle Kindergeld erhält, hinzuzurechnen. Der Ansatz
des staatlichen Kindergeldes als Einkommen entspricht dem Sozialhilferecht, dem das System der Prozesskostenhilfe zuzurechnen
ist. Die Definition des Einkommens nach §
115 Abs.
1 Satz 2
ZPO entspricht derjenigen in § 76 Abs. 1
BSHG. Danach gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Das staatliche Kindergeld steht nicht den Kindern selbst
zu, sondern soll die Unterhaltslast der Eltern erleichtern. Der Unterhaltslast als solcher wird unabhängig vom Kindergeldbezug
dadurch Rechnung getragen, dass für sie Kinderfreibeträge angesetzt werden (so OLG Frankfurt/Main FamRZ 2002, 402 m. w. N.). Etwas anderes muss aber nach Auffassung des Senates dann gelten, wenn - wie hier - beide Elternteile durch Betreuung
bzw. Barunterhalt für die Kinder aufkommen. §
1612 b Abs.
1
BGB regelt in diesem Fall, dass das Kindergeld im Ergebnis beiden unterhaltspflichtigen Elternteilen hälftig zu Gute kommen soll.
Der Barunterhalt des Kindes wird um die Hälfte des Kindergeldes gekürzt. Das hat zur Folge, dass der vom barunterhaltspflichtigen
Elternteil gezahlte tatsächliche Unterhalt (Zahlbetrag) niedriger liegt als der tatsächlich geschuldete Tabellenunterhalt.
Würde dann das volle Kindergeld dem Einkommen des betreuenden Elternteils zugerechnet werden, stünde dem unterhaltsberechtigten
Kind ein geringerer, seinen tatsächlichen Bedarf nicht deckender Unterhaltsbetrag zur Verfügung. Damit kann aber dieser hälftige
Kindergeldbetrag nicht bei dem betreuenden Elternteil verbleiben, sondern ist an das Kind auszukehren, damit dieses einen
bedarfsdeckenden Unterhaltsbetrag erhält. Die Antragsstellerin kann danach nur über die Hälfte des Kindergeldes frei verfügen,
nur dieser Teil ist ihr demnach auch anzurechnen.
Danach ergeben sich folgende Einkommensverhältnisse der Antragsstellerin:
1.) Nettoeinkommen der Antragsstellerin von
monatsdurchschnittlich 2.600,00 DM = 1.329,36 Eur
2.) zusätzlich hälftiges Kindergeld für 2 Kinder 2 x 77,00 Eur = 154,00 Eur
Gesamteinkommen im Monatsdurchschnitt 1.483,36 Eur
3.) Abzüge wie Amtsgericht:
Miete 1.134,00 DM
Versicherung 12,00 DM
Sonstiges 885,00 DM
2.031,00 DM
Das ergibt in Eur 1.038,43 Eur
4.) Damit verbleibt bei der Klägerin ein Resteinkommen von 444,93 Eur
5.) Hiervon abzuziehen ist zunächst der Eigenbehalt
der Antragstellerin von 353,00 Eur
6.) Abzuziehen ist weiterhin der um die Unterhaltszahlungen verminderte Freibetrag für die Kinder wie folgt:
Kindesunterhalt gesamt: 894,00 DM (1.434,- DM ./. 540,- DM)
je Kind (: 2) = 447,00 DM = 228,55 Eur
Der Kindesfreibetrag beträgt 248,00 Eur je Kind.
Damit liegt der Kindesfreibetrag um 19,45 Eur je Kind höher als der tatsächlich gezahlte Kindesunterhalt. Damit sind 2 x
19,45 Eur Kindesfreibetrag noch in Abzug zu bringen, was 38,90 Eur
ausmacht.
7. Resteinkommen der Antragsstellerin somit: 53,03 Eur.
Aber auch dieses Resteinkommen braucht die Antragsstellerin nicht zur Finanzierung des Prozesses einzusetzen, da sie erwerbstätig
ist und ihren eigenem Selbstbehalt noch den Erwerbstätigenbonus zurechnen kann, der bei dem hier gegebenen Erwerbseinkommen
der Antragsstellerin jedenfalls höher liegt als 53,03 Eur. Der Höchstbetrag des Erwerbstätigenbonus liegt bei 143,68 Eur.
Selbst wenn man vorliegend nicht diesen vollen Betrag in Ansatz bringen würde, würde jedenfalls das Resteinkommen der Antragstellerin
bei dem anzusetzenden Betrag so vermindert, dass ihr kein zur Führung des Prozesses einzusetzendes Einkommen mehr verbliebe.
Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass die Beschwerde der Antragsstellerin Erfolg hat.
Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf §
127 Abs.
4
ZPO entbehrlich.