Beschränkung der einstweilige Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO in Unterhaltssachen
»1. Die einstweilige Verfügung nach §§
935,
940 ZPO in Unterhaltssachen (sog. Leistungsverfügung) ist auf Grund der Neuregelung in § 644
ZPO auf Fälle beschränkt, in welchen das gleichzeitige Anhängigmachen der Hauptsache nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Der
Antrag auf einstweilige Verfügung muß daher Ausführungen dazu enthalten, warum die Hauptsache noch nicht geltend gemacht werden
kann.«
2. Die Tatsache, daß ein Unterhaltsberechtigter unter Umständen Sozialhilfe beziehen könnte, beseitigt nicht den Verfügungsgrund
im Rahmen einer einstweiligen Verfügung. Unabhängig davon, daß Sozialhilfe nur subsidiär zu gewähren ist, liegt ein Verfügungsgrund
immer dann vor, wenn der Notbedarf nicht gedeckt ist.
3. § 644
ZPO in der Fassung des Kindschaftsreformgesetzes eröffnet eine einfachere Form des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn das Anhängigmachen
der Hauptsache möglich und zumutbar ist. In diesen Fällen entfällt die Berechtigung für die sogenannte Leistungsverfügung
des §
940 ZPO, welche eine Vorwegname der Hauptsache beinhaltet und daher auf Ausnahmefälle zu beschränken ist.
4. Das Verfahren der einstweiligen Verfügung ist nur mehr dann eröffnet, wenn der entsprechende Antrag Ausführungen dazu enthält,
warum nicht zeitgleich die Hauptsache anhängig gemacht werden kann.
Gründe:
I. Die Parteien sind seit 1.1.1998 getrenntlebende Eheleute. Die Antragstellerin ist mit dem am geborenen gemeinschaftlichen
Kind J aus der Ehewohnung ausgezogen und hat eine bis dahin ausgeübte Teilzeitbeschäftigung aufgegeben. Sie hat nun kein Einkommen.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung Unterhalt. Ihre Arbeit habe sie wegen der Betreuung des Kindes,
welche während des Zusammenlebens die im selben Haus wohnenden Eltern des Antragsgegners übernommen hätten, aufgegeben. Der
Ehemann habe laut vorgerichtlich erteilter Auskunft ein Nettoeinkommen von 3.200,- DM. Kindesunterhalt habe der Ehemann in
Höhe von 239,- DM anerkannt, die Zahlung von Ehegattenunterhalt jedoch verweigert.
Da sie über keinerlei Einkünfte aus Vermögen verfüge und ihr Antrag auf Bezug von Sozialhilfe wegen angeblicher Nichtbeibringung
von Unterlagen abgelehnt worden sei, begehrte ,die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Verfügung einen Trennungsunterhalt
von 1.313,- DM ab 1.7.1998 für die Dauer von sechs Monaten.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Regensburg hat mit Beschluß vom 2.7.1998 den Antrag der Antragstellerin auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und die für diesen Antrag begehrte Prozeßkostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht
verweigert.
Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, ein Verfügungsgrund sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Durch die Beibringung
der vom Sozialamt geforderten Unterlagen könne die Antragstellerin Sozialhilfe erhalten und damit ihre Notlage abwenden.
Gegen diesen Beschluß wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vom 13.7.1998 mit dem Antrag, die beantragte Prozeßkostenhilfe
zu bewilligen und die beantragte, einstweilige Verfügung zu erlassen.
Die Antragstellerin begründet das Rechtsmittel damit, daß das Amtsgericht den Verfügungsgrund zu Unrecht verneint habe.
Entscheidend sei, daß die Antragstellerin Sozialhilfe nicht erhalten habe. Im übrigen wird auf den Beschwerdeschriftsatz vom
13.7.1998 verwiesen.
II. Die gegen die Versagung von Prozeßkostenhilfe und die ablehnende Entscheidung über die beantragte einstweilige Verfügung
gerichteten Rechtsbehelfe sind als Beschwerde gemäß §
127 Abs.
2 Satz 2 und gemäß §
567
ZPO zulässig.
Die Beschwerde ist jedoch in der Sache nicht begründet.
Da der Antragstellerin Sozialhilfe verweigert wurde, konnte die Zulässigkeit der einstweiligen Verfügung wegen Fehlens eines
Verfügungsgrundes gemäß §
935,
940
ZPO nicht verneint werden (vgl. OLG Nürnberg, FamRZ 1995, S. 184; OLG Bamberg, FamRZ 1995, S. 623 m.w.Nachw.; Zöller-Vollkommer,
ZPO, 20. Auflage, 940 Rdnr. 8 Unterhaltsrechts c) Auch konnte der Erlaß der einstweiligen Verfügung nicht mit der vom Amtsgericht
gewählten Begründung versagt werden, daß die Antragstellerin die Möglichkeit habe, durch ein Nachreichen der von der Sozialbehörde
geforderten Angaben Sozialhilfe zu erhalten und deshalb ein Verfügungsgrund fehle, ob die Antragstellerin letztendlich Sozialhilfe
erhält, ist in dem Unterhaltsverfahren nicht überprüfbar. Der Verfügungsgrund der Notlage besteht jedoch, wenn der Unterhaltsbedarf
nicht gesichert ist. Der Verfügungsgrund kann daher, zumal Sozialhilfe nur subsidiär gewährt wird, wenn materiellrechtliche
Unterhaltsansprüche nicht bestehen oder beigetrieben werden können, nicht verneint werden, solange der Notbedarf nicht gedeckt
ist. Die einstweilige Verfügung ist jedoch infolge der Neuregelung des Kindschaftsreformgesetzes ab 1.7.1998 nicht mehr zulässig.
Dieses geänderte Verfahrensrecht ist auch auf den wenige Tage vor Inkrafttreten des Gesetzes gestellten Antrag anzuwenden
(vgl. Zöller-Vollkommer,
ZPO, 20. Auflage, Rn. 3).
§ 644
ZPO eröffnet eine einfachere Form des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn das Anhängigmachen der Hauptsache möglich und zumutbar
ist. In diesen Fällen entfällt die Berechtigung für die sog. Leistungsverfügung des §
940
ZPO, welche eine Vorwegnahme der Hauptsache beinhaltet und daher auf Ausnahmefälle zu beschränken ist (vgl. Knittel, Das neue
Kindesunterhaltsrecht, Der Amtsvormund 1998, S. 191, ferner Schumacher-Grün, Das neue Unterhaltsrecht minderjähriger Kinder,
FamRZ 1998, S. 795). Der Antrag nach §§
935,
940
ZPO in Form der sog. Leistungsverfügung wird daher nur mehr eröffnet sein, wenn der Antrag Ausführungen dazu enthält, warum nicht
zeitgleich die Hauptsache anhängig gemacht werden konnte. Da im vorliegenden Fall durch die von der Antragstellerin dargelegte
außergerichtliche Korrespondenz die für die gerichtliche Geltendmachung erforderlichen Auskünfte bereits vorliegen, ist das
Anhängigmachen der Hauptsache möglich und zumutbar. Der einstweilige Rechtsschutz kann dann daher zumutbar die einstweilige
Anordnung des § 644
ZPO erreicht werden.
Prozeßkostenhilfe war damit weiterhin mangels hinreichender Erfolgsaussicht zu verweigern, §
114
ZPO.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §
97
ZPO.