Streitwert für Ehescheidungsverfahren von ALG-II-Empfängern
Entscheidungsgründe:
I. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht in einem Scheidungsverfahren im Hinblick darauf, dass beide Parteien
bei Anhängigkeit der Scheidungsklage ALG II - Empfänger gewesen sind, den Streitwert für das Ehescheidungsverfahren auf 2.000 Euro festgesetzt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin, die unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 23.08.2005 (FamRZ 2006,24 f.) die Ansicht vertritt, maßgeblich für die Bestimmung des Streitwertes sei der dreifache Betrag
der Summe der Bezüge der Parteien aus dem ALG II.
II. Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG i.V.m § 32 Abs. 2 RVG zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Zu Recht ist der Streitwert der Ehesache im Hinblick auf die schlechten Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien
mit 2.000 Euro festgesetzt worden (§ 48 Abs. 3 Satz 2 GKG). Gemäß § 48 Abs. 2 und 3 GKG bestimmen im Wesentlichen die Einkommens- und Vermögens- verhältnissen der Parteien den Streitwert der Ehescheidung. Damit
hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass deren individuelle Belastbarkeit für die Festsetzung maßgeblich ist. Aus dem
Bezug von ALG II folgt, dass die Parteien nicht individuell belastbar sind. Gemäß §§ 19, 20 SGB II wird ALG II gewährt, um sie in die Lage zu versetzen, ihren Lebensunterhalt zu sichern (vgl auch: OLG Celle FamRZ 2006,1690, 1691 li. Sp.; OLG Dresden Beschluss vom 12.01.2007, Az.: 20 WF 1026/06).
Die Entscheidung des Familiengerichts verletzt nicht die Rechte der Beschwerdeführerin aus Art.
12 Abs.
1 GG (Recht auf Berufsfreiheit). Dieses folgt nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.08.2005. Die genannte
Entscheidung setzt sich mit der Frage auseinander, ob das Recht des Rechtsanwalts auf Berufsfreiheit verletzt ist, wenn der
Streitwert einer Ehesache mit 2.000 Euro festgesetzt wird, weil beiden Parteien Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Dieser
Fall liegt nicht vor. Gemäß Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.02.2006 (FamRZ 2006,841) hat das Gericht vielmehr
die Verfassungsbeschwerde bei einem mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren Fall nicht zur Entscheidung angenommen,
weil keine Nichtbeachtung von Grundrechten vorliege. Die Auslegung des § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG dahingehend, dass Arbeitslosengeld II nicht zum Einkommen zähle, begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der Senat folgt nicht der Ansicht des OLG Hamm (FamRZ 2006, 632), dass ALG II aufgrund des Wortlauts des § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG "Einkommen" sei. Eine Definition, der Begriffs "Einkommen" enthält die genannte Vorschrift nicht.
Auch nach den Leitlinien der OLGs ist ALG II nicht grundsätzlich Einkommen. Beim Berechtigten wird es nur als Einkommen gewertet, wenn rückständiger Unterhalt im Streit
ist. Dieses sowie die Wertung des Bezuges als Einkommen beim Pflichtigen findet seine Rechtfertigung ausschließlich in der
besonderen Schutzbedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten. Eine grundsätzliche Wertung, dass ALG II Einkommen ist, ist hiermit nicht verbunden.