Schlüssigkeit der Klage des Sozialhilfeträgers bei Anspruchsübergang
Tatbestand:
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung übergegangenen Kindesunterhalts in Anspruch.
Aus der Ehe des Beklagten sind die bei ihrer Mutter lebenden Töchter E......... (geboren am 7. Juli 1979) und C......... (geboren
am 9. Juli 1982) hervorgegangen. Vom 6. Juni 1995 bis 31. Dezember 1995 und vom 12. Juli 1996 bis 28. Februar 1997 hatte der
Kläger Sozialhilfeleistungen für die beiden Kinder erbracht. Die Leistungen für E........ sind seit dem 1. Oktober 1996, diejenigen
für C........ seit dem 1. März 1997 eingestellt worden.
Mit der Klage hatte der Kläger im ersten Rechtszug zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn
1. 4.050,60 DM nebst 4 % Zinsen aus 686,87 DM seit dem 8. Juni, aus 1.520,07 DM seit dem 1. Juli 1995, aus 2.026,20 DM seit
dem 1.August 1995, aus 2.532,30 DM seit dem 1. September 1995, aus 3.038,40 DM seit dem 1. Oktober 1995, aus 3.544,50 DM seit
dem 1. November 1995 und aus 4.050,60 DM seit dem 1. Dezember 1995 zu zahlen,
2. ab dem 12. Juli 1996 bis zu dem auf die mündliche Verhandlung folgenden Monatsersten monatlich im voraus bis spätestens
zum 3. eines jeden Monats einen Betrag i.H.v. 510,24 DM, wovon 159,14 DM auf das (seinerzeit, sc.) minderjährige Kind E...........
, geboren am 7. Juli 1979, und 351,10 DM auf das minderjährige Kind C............ , geboren am 9. Juli 1982, entfallen.
Der Beklagte hatte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Familiengericht hat den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den Kläger
a) für den Zeitraum Juni 1995 bis Dezember 1995 einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 3.113,27 DM nebst 4% Zinsen seit dem
15. November 1995 und
b) ab dem 12. Juli 1996 bis zum 1. Juli 1997 monatlich im voraus bis spätestens zum 3. eines jeden Monats einen Betrag i.H.v.
351,10 DM bezüglich des Kindes C............ , geboren am 9. Juli 1982, zu zahlen und
c) für das Kind E........... , geboren am 7. Juli 1979, monatlich im voraus bis spätestens zum 3. eines jeden Monats folgende
Unterhaltsbeiträge zu zahlen:
vom 12. Juli 1996 bis einschließlich Dezember 1996 monatlich 46 DM und
vom Monat Januar 1997 bis zum 1. Juli 1997 monatlich 36 DM.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung in tenorierter Höhe gemäß
den §§
1601 ff
BGB, 91
BSHG.
Die Kinder, für die der Kläger aus übergegangenem Recht Unterhaltsansprüche geltend mache, seien unstreitig bedürftig. Zur
Zahlung des Kindesunterhalts in tenorierter Höhe sei der Beklagte leistungsfähig. Dabei gehe das Gericht davon aus, daß der
Selbstbehalt des Beklagten nach der Düsseldorfer Tabelle höher sei als die Bedürftigkeit nach sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten,
so daß es insoweit gegen die Schlüssigkeit der Klage keine Bedenken gebe.
Im übrigen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§
543 Abs.
2 S. 2
ZPO).
Der Beklagte, dem nach vorheriger Gewährung von Prozeßkostenhilfe für seine beabsichtigte Berufung im Termin vom 19. Februar
1998 antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist bewilligt worden ist, begehrt
mit der Berufung, in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Saarlouis vom 24. Juni 1997 - 20 F 244/95 - die Klage abzuweisen.
Er rügt - wie bereits im ersten Rechtszug - das Fehlen einer öffentlich-rechtlichen Vergleichsberechnung nach Maßgabe von
§ 92 Abs. 2 Satz 2 BSHG. Sozialhilferechtlich solle verhindert werden, daß der Unterhaltsschuldner selbst gezwungen werde, Sozialhilfe zu beantragen,
um den Unterhaltsanspruch zu erfüllen. Entgegen der Annahme des Familiengerichts könne in diesem Zusammenhang unter sozialhilferechtlichen
Gesichtspunkten ein wesentlich höherer Wert zugunsten des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen sein als der (unterhaltsrechtliche)
Selbstbehalt (nach der Düsseldorfer Tabelle).
Da die Rechtswahrungsanzeige des Klägers erst am 7. Juni 1995 zugestellt worden sei, könne der angebliche Anspruch ohnehin
erst für den Zeitraum ab 8. Juni 1995 und nicht schon - wie erkannt - ab 1. Juni 1995 übergegangen sein.
Unabhängig hiervon stehe der Begründetheit der Klage seine Leistungsunfähigkeit entgegen, da er - über die von dem Familiengericht
in Ansatz gebrachten Belastungen hinaus - weitere berücksichtigungswürdige Schulden trage.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben,
1. daß der Beklagte eine Unterhaltszahlung für das Kind C............ , geboren am 9. Juli 1982, i.H.v. monatlich 351,10
DM für den Zeitraum vom 1. März 1997 bis zum 1. Juli 1997 nicht schuldet,
2. daß der Beklagte für das Kind E........... , geboren am 7. Juli 1979, ab dem 1. Oktober 1996 einen monatlichen Unterhaltsbetrag
i.H.v. 46 DM bis Dezember 1996 sowie 36 DM von Januar 1997 bis zum 1. Juli 1997 nicht schuldet.
Im übrigen beantragt der Kläger, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat um Erlaß eines Teilanerkenntnisurteils gebeten.
Im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien, die Ladungsverfügung vom 5. Januar 1998 und das Sitzungsprotokoll
vom 19. Februar 1998 Bezug genommen (§
543 Abs.
2 S. 2
ZPO).
Entscheidungsgründe:
Die nach gewährter Wiedereinsetzung zulässige Berufung des Beklagten ist begründet und führt zur Klageabweisung, wobei die
Entscheidung im Umfang des vor dem Senat abgegebenen Teilanerkenntnisses des Klägers auf dessen Anerkenntnis beruht (§
307
ZPO).
Unabhängig hiervon hat die Berufung Erfolg und führt zu der mit dem Rechtsmittel erstrebten Klageabweisung, weil keine schlüssige
Klage vorliegt.
Die Auffassung des Familiengerichts, gegen die Schlüssigkeit der Klage gebe es keine Bedenken, wird vom Senat nicht geteilt.
Daß der Selbstbehalt des Beklagten nach der Düsseldorfer Tabelle im Ergebnis unter Umständen höher sein mag als die Bedürftigkeit
nach sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten, macht die Vorlage der durch § 91
BSHG gesetzlich vorgeschriebenen (vgl. hierzu: Senatsurteil vom 18. September 1997 - 6 UF 15/97) Vergleichsberechnung nicht entbehrlich.
Die sozialhilferechtliche Vergleichsberechnung dient der Beachtung sozialhilferechtlicher Schutzvorschriften zugunsten des
Unterhaltsschuldners, der durch die Geltendmachung übergegangener Unterhaltsansprüche nicht seinerseits sozialhilfebedürftig
werden soll (vgl. hierzu ausführlich: Schellhorn/Jirasek/Seipp, Das Bundessozialhilfegesetz, 15. Aufl., § 91 Rz. 73 ff; Seetzen, Sozialhilfeleistungen im Unterhaltsprozeß, NJW 1994, 2505, 2508; Brudermüller, Anwendungsprobleme des § 91
BSHG, FuR 1995, 17 ff; Schellhorn, Vergleichsberechnung beim Übergang von Unterhaltsansprüchen nach § 91
BSHG, FuR 1995, 10 ff).
Für die Schlüssigkeit einer Klage, mit welcher der Träger der Sozialhilfe übergegangene Unterhaltsansprüche gemäß § 91
BSHG gegen den Unterhaltsschuldner geltend macht, ist daher nach Maßgabe der Rechtsprechung beider Familiensenate des Saarländischen
Oberlandesgerichts eine öffentlich-rechtliche Vergleichsberechnung vorausgesetzt (vgl.: Senatsbeschluß vom 20. November 1997
- 6 WF 63/97 - und Senatsurteil vom 29. Januar 1998 - 6 UF 84/97; 9. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts, Urteil vom 11. Februar 1998 - 9 UF 34/97; ferner: OLG Koblenz, FamRZ 1996, 1548; OLGR Koblenz 1997, 26; OLG Hamm, FamRZ 1997, 90).
Der mit der Terminsladung auf diese Rechtslage hingewiesene Kläger hat sich nicht geäußert.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
91
ZPO.
Soweit der Kläger eine Anwendung des §
93
ZPO zu seinen Gunsten erstrebt, konnte sein entsprechendes Begehren bereits deswegen keinen Erfolg haben, weil das Anerkenntnis
des Klägers nicht als "sofortiges Anerkenntnis" gewertet werden kann. Unbeschadet der ihm bekannten Einstellung der Sozialhilfeleistungen
hatte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 1997 vor dem Familiengericht auf Zuerkennung von Unterhalt bis
zu dem auf die mündliche Verhandlung folgenden Monatsersten angetragen. Selbst wenn der Kläger nunmehr erklärt, im Umfang
seines Anerkenntnisses aus dem Urteil nicht vollstrecken zu wollen, kann die insoweit erstrebte Korrektur des (durch den Kläger
verursachten) Fehlers dem Berufungskläger kostenrechtlich nicht zum Nachteil gereichen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§
708 Nr. 10,
711
ZPO.
Gemäß §§ 621d Abs. 1,
546 Abs.
1
ZPO läßt der Senat die Revision zu, weil er der Frage, ob für die Schlüssigkeit einer Klage des Sozialhilfeträgers aus übergegangenem
Recht eine Vergleichsberechnung vorausgesetzt ist, grundsätzliche Bedeutung zumißt.