Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung - SGB II-Leistungen als Einkommen im Sinne des § 115 ZPO?
Entscheidungsgründe:
1. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht der Antragstellerin für ein Verfahren zur Regelung der elterlichen
Sorge Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt. Gegen
diese Entscheidung hat der Bezirksrevisor beim Landgericht Ellwangen am 12.11.2007 Beschwerde eingelegt, mit der er das Ziel
verfolgt, dass der Antragstellerin die Zahlung monatlicher Raten in Höhe von 45,-- EUR auf die Prozesskosten auferlegt werde.
Er macht geltend, die Antragstellerin verfüge über Arbeitseinkommen in Höhe von 693,-- EUR monatlich, das Kindergeld in Höhe
von 154,-- EUR und über monatliche Leistungen des Job-Centers in Höhe von 483,-- EUR, so dass sich nach den zu berücksichtigenden
Abzügen gemäß §
115 Abs.
1 Satz 3
ZPO ein einzusetzendes Einkommen von 119,-- EUR ergebe.
Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Es ist der Auffassung, dass die SGB II-Leistungen als Grundsicherung
für den Arbeitssuchenden dazu dienen, seinen Lebensunterhalt zu sichern (§ 4 Abs. 1 Ziff. 2 SGB II) und nicht zur Zahlung
von Prozesskosten herangezogen werden können. Die Antragstellerin schließt sich dieser Rechtsauffassung an.
2. Gegen die ohne Ratenzahlungsanordnung erfolgte Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet gemäß §
127 Abs.
3 Satz 1
ZPO die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt. Sie ist fristgerecht eingelegt, nachdem der Beschluss vom 18.09.2007 der
Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt worden ist, und auch im übrigen zulässig, weil sie darauf gestützt wird, dass
die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Raten auf die Prozesskosten zu leisten hat (§
127 Abs.
3 Sätze 2-5
ZPO). In der Sache führt die sofortige Beschwerde zu einer Abänderung der Entscheidung dahingehend, dass die Antragstellerin
auf die Prozesskosten ab 01.04.2008 monatliche Raten von 45,-- EUR zu bezahlen hat.
3. Bei der Ermittlung, ob einer Partei Prozesskostenhilfe mit oder ohne Ratenzahlung zu bewilligen ist, ist von ihrem Einkommen
auszugehen, welches sie grundsätzlich einzusetzen hat; dabei gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert
(§
115 Abs.
1 Satz 1 und
2 ZPO). Nach den vorgelegten Bezügemitteilungen hat die Antragstellerin im Zeitraum 1/07 bis 6/07 monatliche Nettoeinkünfte von
592,-- EUR (gerundet) erzielt. Hinzu kommt das von ihr bezogene Kindergeld in Höhe von 154,-- EUR monatlich für den bei ihr
lebenden Sohn (§ 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII; BGH FamRZ 2005, 605). Darüber hinaus erhält die Antragstellerin über das Job-Center H. monatliche SGB II-Leistungen in Höhe von 483,-- EUR, die
sich zusammensetzen aus Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Antragstellerin in Höhe von 193,80 EUR und aus
Kosten für Unterkunft und Heizung für sie und das Kind in Höhe von 289,20 EUR (vgl. Bescheid vom 11.05.2007 im PKH-Heft).
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II sind als Einkommen im Sinne des §
115 Abs.
1 Satz 1
ZPO zu behandeln, auch wenn sie neben der Eingliederung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Arbeit zur Sicherung des Lebensunterhalts
dienen (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Soweit nach § 22 SGB II Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, sind diese
an die Stelle des früheren Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz getreten, welches grundsätzlich als Einkommen im Sinne des §
115 ZPO behandelt worden ist (h. M., Zöller/Philippi, 26. Aufl., §
115 ZPO, Rn. 15 mir Rechtsprechungsnachweisen). Der Senat ist der Auffassung, dass dies auch für die Regelleistung zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II gilt. Es kann nicht darauf ankommen, dass es sich hierbei um eine staatliche Leistung
handelt (so aber OLG Karlsruhe, FamRZ 2007, 155). Bliebe die SGB II-Leistung außer Betracht, würde die Partei deutlich besser gestellt als eine Partei, die als Arbeitnehmer
Einkünfte in gleicher Höhe beziehen würde. Anders als § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB XII, der ausdrücklich bestimmt, dass Leistungen
anderer Träger (z. B. des Justizfiskus) nicht deshalb versagt werden dürfen, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende
Leistungen vorgesehen sind, bestimmt § 5 Abs. 1 SGB II lediglich, dass (auf Rechtsvorschriften) beruhende Leistungen anderer
Träger durch die im SGB II vorgesehenen Leistungen nicht berührt werden. Hieraus kann ein Grundsatz, wonach nach dem SGB II
gewährte Leistungen im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht herangezogen werden dürften, nicht entnommen werden.
Die Leistungen der Antragstellerin nach SGB II sind daher neben ihrem Erwerbseinkommen zu berücksichtigen (so wie hier OLG
Koblenz, FamRZ 2007, 1824).
Hiernach ergibt sich folgende Berechnung:
Erwerbseinkommen: 592,00 EUR SGB II-Leistungen: 483,00 EUR Kindergeld: 154,00 EURSumme: 1.229,99 EUR ./. Freibetrag für Erwerbstätige
(§
115 Abs.
1 Satz 3 Nr.
1.b
ZPO): 174,00 EUR ./. Freibetrag für die Partei (§
115 Abs.
1 Satz 3 Nr.
2.a
ZPO): 382,00 EUR ./. Freibetrag für das Kind, gemindert um UVG-Leistungen (267,-- EUR - 127,-- EUR): 140,00 EUR ./. Wohnkosten: 400,00 EUR einzusetzendes Einkommen: 133,00 EUR
Aufgrund des einzusetzenden Einkommens sind gemäß §
115 Abs.
2 ZPO monatliche Raten von 45,-- EUR auf die Prozesskosten zu erbringen.
4.
Zur Frage der Behandlung der SGB II-Leistungen als Einkommen im Sinne des §
115 ZPO wird die Rechtsbeschwerde zugelassen (§
574 Abs.
3 i. V. m. Abs.
1 Ziff. 2 und Abs. 2
ZPO).