Versorgungsausgleich - "Versorgungsguthaben" bei Deutscher Telekom AG aufgrund Direktzusage - sonstiges Endvermögen
Gründe:
I. Der am 00.04.1956 geborene Antragsteller und die am 00.08.1960 geborene Antragsgegnerin haben am 00.10.1983 die Ehe geschlossen,
die durch das (insoweit nicht) angefochtene Scheidungsverbundurteil auf den am 00.03.1999 zugestellten Scheidungsantrag des
Ehemannes geschieden wurde.
Im Verbund mit der Scheidung hat das Familiengericht den Versorgungsausgleich geregelt, und zwar durch Rentensplitting zu
Gunsten der Antragsgegnerin gem. § 1587 b Abs. 1
BGB in Höhe von monatlich 355,40 DM und analoges Quasisplitting gem. § 1 Abs. 3
VAHRG, ebenfalls zu Gunsten der Antragsgegnerin, in Höhe von monatlich 21,11 DM (alle Angaben bezogen auf das nach §
1587 Abs.
2
BGB maßgebliche Ende der Ehezeit am 28.02.1999).
Dabei ist es unangefochten von folgenden ehezeitbezogenen Anwartschaften der Parteien ausgegangen:
Die Antragsgegnerin hat auszugleichende Anwartschaften lediglich in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben; der Ehezeitanteil
beläuft sich auf monatlich 246,67 DM.
Der Ehemann hat in der gesetzlichen Rentenversicherung ehezeitbezogene Anwartschaften von monatlich 957,46 DM erworben. Er
war seit 01.04.1973 als Arbeiter bei der Deutschen Bundespost beschäftigt und ist nach deren Privatisierung von der Telekom
AG weiter beschäftigt worden. Im Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses hat er Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung
erworben, die angesichts der langen Betriebszugehörigkeit unverfallbar sind, und zwar gegenüber der Versorgungsanstalt der
Deutschen Bundespost (VAP) eine Anwartschaft auf die statische Versicherungsrente nach § 41 a der Satzung der VAP, deren Ehezeitanteil
sich auf monatlich 318,17 DM beläuft, und ein "Versorgungsguthaben" aufgrund einer Direktzusage der Deutschen Telekom AG,
das sich zum Ende der Ehezeit auf 50.013,00 DM belief (Auskunft der Deutschen Telekom vom 28.02.2000). Diese Zusage basiert
auf einem Tarifvertrag vom 20.03.1997 und der als Anlage hierzu errichteten Versorgungsordnung der Deutschen Telekom AG (Arbeitgeber).
Hiernach errichtete der Arbeitgeber für den Ehemann ein Versorgungskonto und stellte ihm hierauf den Barwert der bis 30.09.1997
in der VAP erdienten Rentenanwartschaft als Initialgutschrift zur Verfügung (Ziff. 10.3 der Versorgungsordnung), ferner an
jedem darauffolgenden 30.09. in der Beitragszeit einen Beitrag in Höhe von 2,5 % der anzurechnenden (jährlichen) Bezüge (Ziff.
1.1 der Versorgungsordnung). Jeder Beitrag wird in eine Versicherungssumme umgerechnet und dem Versorgungskonto zum Zeitpunkt
der Bereitstellung des Beitrags gutgeschrieben; die Versicherungssumme ergibt sich durch Multiplikation des Beitrags mit dem
für das Kalenderjahr der Bereitstellung des Beitrags maßgebenden Altersfaktor. Ab dem Jahr, indem der Arbeitnehmer das 61.
Lebensjahr vollendet, wird dem Versorgungskonto an jedem 30.09. vor dem Versorgungsfall sowie letztmalig bei Eintritt des
Versorgungsfalls eine Bonussumme gutgeschrieben, die 6 % p.a. des am jeweils vorangegangenen 30.09. erreichten Stands des
Versorgungskontos beträgt (Ziff. 2 der Versorgungsordnung). Der Stand des Versorgungskontos bei Eintritt des Versorgungsfalls
wird als Versorgungsguthaben bezeichnet. Es steht dem Arbeitnehmer im Erlebensfall zu, wenn das Arbeitsverhältnis mit oder
nach Vollendung des 65. Lebensjahres endet, wenn es vor Erreichen der festen Altersgrenze endet und von da an Vollrente wegen
Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch genommen wird oder wenn das Arbeitsverhältnis vor Erreichen der
festen Altersgrenze endet und von da an Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung
besteht (Ziff. 3 der Versorgungsordnung). Bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers bleibt die Anwartschaft (nur) erhalten,
wenn die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen nach §
1 Abs.
1
BetrAVG erfüllt sind, wobei die bei der Deutschen Bundespost zurückgelegte Wartezeit mit berücksichtigt wird. Die Höhe des Anspruchs
bei Eintritt des Versorgungsfalls richtet sich nach dem beim Ende des Arbeitsverhältnisses erreichten Stand des Versorgungskontos
zuzüglich etwaiger nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses noch gutgeschriebener Bonussummen (Ziff. 6.2.2 der Versorgungsordnung).
Der Arbeitgeber kann das Versorgungsguthaben als Einmalkapital oder in Raten auszahlen oder das Versorgungsguthaben ganz oder
teilweise, mit oder ohne Hinterbliebenenversorgung, verrenten. Hierbei hat er auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.
Die Verrentung des Versorgungsguthabens ist gegen den Widerspruch des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen nur zulässig,
wenn das Interesse des Arbeitgebers durch Ratenzahlung nicht ausreichend gewahrt ist (Ziff. 4.1 der Versorgungsordnung). Ab
Eintritt des Versorgungsfalles wird das Versorgungsguthaben, gleich in welcher Form es ausbezahlt wird, bis zur Auszahlung
mit 6 % p.a. verzinst. Bei einer Verrentung wird die Rente, auf Antrag des Arbeitnehmers einschließlich einer Anwartschaft
auf 60 % Witwen- bzw. Witwerrente, so festgesetzt, daß ihr Barwert im Zeitpunkt des Versorgungsfalles unter Berücksichtigung
der Dynamisierung der Rente (die jährlich um 3 % p.a. angehoben wird) dem Versorgungsguthaben bzw. - bei teilweiser Verrentung
- dem zu verrentenden Teil des Versorgungsguthabens entspricht.
Das Familiengericht hat es im Anschluß an einen Beschluß des OLG Celle vom 27.04.1999, 18 UF 35/99, abgelehnt, die Anwartschaft aus der Direktzusage der Deutschen Telekom AG im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich
zu berücksichtigen. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer rechtzeitig eingelegten und sogleich begründeten Beschwerde.
Sie beantragt, sachdienlich gefaßt,
die Entscheidung des Familiengerichts abzuändern und über den Versorgungsausgleich unter Einbeziehung des Anrechts des Antragstellers
gegenüber der Deutschen Telekom AG neu zu befinden.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die übrigen Beteiligten haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II. Die gem. § 621 e Abs. 1 und 3
ZPO zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Der Ausgleich der beiderseitigen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der Ausgleich der Anwartschaft
des Ehemannes gegenüber der VAP werden mit der Beschwerde nicht angegriffen und lassen auch keinen Fehler zu Lasten der Beschwerdeführerin
erkennen.
2. Die Anwartschaft des Ehemannes aus der Versorgungszusage der Deutschen Telekom AG hat das Familiengericht zu Recht nicht
im Versorgungsausgleich berücksichtigt. Zwar handelt es sich um eine durch Arbeit erdiente Anwartschaft, die die Versorgung
des Berechtigten im Alter oder im Falle der Invalidität sicherstellen bzw. verbessern soll. Sie richtet sich jedoch nicht
- jedenfalls nicht primär - auf wiederkehrende Leistungen. Das Versorgungsguthaben soll dem Arbeitnehmer im Versorgungsfall
regelmäßig als Einmalkapital oder in Raten zugutekommen. Eine Verrentung gegen den Widerspruch des Arbeitnehmers ist, wie
es in Ziff. 4.1.2 der Versorgungsordnung heißt, nur zulässig, wenn das Interesse des Arbeitgebers durch Ratenzahlung nicht
ausreichend gewahrt ist. Welches Interesse des Arbeitgebers gewahrt werden soll, ist aus dem Wortlaut nicht ersichtlich; offensichtlich
ist die Klausel dazu gedacht, künftigen Liquiditätsschwierigkeiten vorzubeugen. Ob die Deutsche Telekom AG sich im Jahr 2021,
wenn der Ehemann das 65. Lebensjahr vollendet, solchen Schwierigkeiten gegenübersieht, ist rein spekulativ.
Der Senat vermag keinen wesentlichen Unterschied zu den Fällen zu erkennen, in denen im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung
für den Arbeitnehmer eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen wird, die nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1984, 156), der der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt, auch dann nicht in den Versorgungsausgleich fällt, wenn dem Arbeitnehmer
ein Rentenwahlrecht zugestanden wird, welches er aber bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages nicht ausgeübt hat.
Ein Ausgleich einer derartigen Anwartschaft kann nur güterrechtlich erfolgen (BGHZ 117, 70 ff. = FamRZ 1992, 411). Dies muß auch in einem Fall gelten, in dem das Wahlrecht hinsichtlich der Art der Versorgung nicht vom Arbeitnehmer, sondern
vom Arbeitgeber ausgeübt werden kann.
Mögliche Bedenken gegen die Zuordnung der Anwartschaft zum ehelichen Güterrecht hat der Senat geprüft, erachtet sie aber als
nicht durchgreifend.
a) Mit den meisten, denkbaren Gegenargumenten hat sich der BGH in seiner Entscheidung FamRZ 1992, 411 ff. bereits zutreffend auseinandergesetzt. Dies betrifft zum einen die Frage, ob die Rechtsposition des anwartschaftsberechtigten
Arbeitnehmers hinreichend gesichert erscheint, um einen gegenwärtigen Vermögenswert annehmen zu können; dies ist zu bejahen,
wenn die Voraussetzungen der Unverfallbarkeit nach dem
BetrAVG vorliegen (insoweit ergibt sich ein Gleichlauf mit der Berücksichtigung im Versorgungsausgleich). Die fehlende Vererblichkeit
und Übertragbarkeit ist ebenfalls kein Grund, das Anrecht vom Zugewinnausgleich auszunehmen. Das Risiko, daß der Anwartschaftsberechtigte
den Versorgungsfall möglicherweise gar nicht erlebt, also einen Vermögenswert ausgleichen muß, von dem er nie profitiert,
ist beachtlich, kann aber nicht dazu führen, daß die Anwartschaft im Zugewinnausgleich völlig außer Betracht bleibt, sondern
nötigt nur zu einem entsprechenden Risikoabschlag (BGH a.a.O. S. 414 unter II. 2.). Der Schutz des (gegenwärtig vielleicht
illiquiden) Ausgleichsschuldners, dem zugemutet wird, Vermögenswerte auszugleichen, auf die er erst nach Jahren oder gar Jahrzehnten
zurückgreifen kann, kann durch Stundung der Ausgleichsforderung gem. §
1382
BGB verwirklicht werden.
b) Für den Ausgleichsgläubiger entsteht in diesem Fall zwar das zusätzliche Risiko, daß Drittgläubiger im Wege der Pfändung
auf das Versorgungsguthaben zugreifen, bevor die (gestundete) Ausgleichsforderung fällig wird. Dieses Risiko träfe ihn freilich
auch bei gedachter Fortsetzung der Ehe; allerdings hätte er in diesem Fall wohl Möglichkeiten, auf den Ehegatten einzuwirken,
damit dieser sich nicht im Übermaß verschuldet, die dem geschiedenen Ehegatten nicht mehr zu Gebote stehen. Der geschiedene
Ehegatte, dessen Ausgleichsforderung gestundet ist, müßte allerdings einer solchen Entwicklung nicht tatenlos zusehen, sondern
könnte gem. §
1382 Abs.
6
BGB auf eine Abänderung der Stundungsentscheidung hinwirken.
c) Daß der Versorgungsausgleich dem Ausgleichsberechtigten eine eigene Sicherung unabhängig davon verschafft, wie die Vermögenslage
des Verpflichteten im übrigen aussieht und wie die güterrechtlichen Beziehungen der Parteien geregelt sind, ist zutreffend,
aber kein entscheidendes Argument für oder gegen die Zuordnung einer Versorgungsanwartschaft zum einen oder anderen Ausgleichssystem.
Liegt, wie hier, eine Versorgungsanwartschaft vor, die nicht auf Gewährung fortlaufender Einkünfte (Arbeitseinkommen gem.
§
850 Abs.
2
ZPO), sondern (auch oder sogar in erster Linie) auf Einmalzahlung gerichtet ist, also dem Pfändungsschutz gem. §§
850 a ff.
ZPO nicht oder nur in geringem Umfang unterfällt, so fragt sich, wieso der Berechtigte im Wege des Ausgleichs eine bessere Alterssicherung
erhalten soll, als sie das auszugleichende Anrecht dem Verpflichteten bietet. Im übrigen hält sich die mögliche Absicherung
des Berechtigten auf diese Weise ohnehin im Rahmen, weil eine Berücksichtigung im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich
nur nach Maßgabe des § 3 b
VAHRG und folglich nur bis zu dem dort vorgesehenen Höchstbetrag erfolgen könnte, der sich für das Kalenderjahr des Endes der Ehezeit
auf 88,20 DM monatlich und damit nur auf rund 1/6 der Regelsätze nach § 22
BSHG beläuft.
d) Probleme der Bewertung der Anwartschaft stellen sich unabhängig davon, ob man sie güterrechtlich oder versorgungsausgleichsrechtlich
ausgleichen will. Geht man von der Verrentung des Versorgungsguthabens als Zukunftsprognose aus (nur dann läßt sich die Zuordnung
zum Versorgungsausgleich rechtfertigen), muß man das Risiko bewerten, daß eine Rente unter Einbeziehung einer Hinterbliebenenversorgung
gewährt wird; dieses Risiko ist auch bei der güterrechtlichen Bewertung zu berücksichtigen. Bei ihr kommt als zusätzlicher
Risikofaktor lediglich hinzu, daß das Risiko des vorzeitigen Versterbens des Anwartschaftsberechtigten bedacht werden muß,
welches im Versorgungsausgleich keine Rolle spielt. Hierzu kann indes auf die zuletzt zitierte Entscheidung des BGH Bezug
genommen werden.
e) Soweit sich Unbilligkeiten daraus ergeben könnten, daß die Parteien bereits ehevertragliche oder scheidungserleichternde
Vereinbarungen über den güterrechtlichen Ausgleich einerseits oder den Versorgungsausgleich andererseits getroffen haben und
hierbei davon ausgegangen sind, daß das umstrittene Anrecht dem Versorgungsausgleich zuzuordnen ist, kann dem nur, aber immerhin
durch Anwendung der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage begegnet werden. Im vorliegenden Fall ist hierfür allerdings
nichts vorgetragen.
Es bleibt daher bei der vom Familiengericht zutreffend angenommenen Bewertung, daß das Anrecht des Ehemannes gegenüber der
Deutschen Telekom AG im Versorgungsausgleich nicht zu berücksichtigen ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1
ZPO, die Festsetzung des Beschwerdewerts auf § 17 a
GKG, wobei der Senat davon ausgegangen ist, daß eine Berücksichtigung des umstrittenen Anrechts im Versorgungsausgleich lediglich
dazu hätte führen können, daß für die Ehefrau im Wege des analogen Splittings oder (teilweise) Quasisplittings weitere Anwartschaften
bis zum Höchstbetrag von 88,20 DM gem. § 3 b Abs. 1 Nr. 1
VAHRG hätten begründet werden können; ihre Beschwer beläuft sich auf das 12-fache dieses Betrages.
Versorgungszusagen der vorliegenden Art kommen häufiger in Gebrauch; eine höchstrichterliche Entscheidung dazu, ob sie im
Versorgungsausgleich zu berücksichtigen sind oder nicht (bzw. wo sonst), steht, soweit ersichtlich, noch aus. Dies gebietet
die Zulassung der weiteren Beschwerde (und, dies sei ergänzend hinzugefügt, auch die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für
die Ehefrau, deren Begehren nicht als schlechthin aussichtslos gesehen werden kann).