Wiedereinsetzung für die Anschlussberufung; Abänderungsklage bei Verbot der Schlechterstellung nach Aufhebung und Zurückverweisung
in einer Unterhaltssache; Anrechnung von zweckgerichteter Eingliederungshilfe und Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz
Tatbestand:
Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt (einschließlich Alters- und Krankenvorsorgeunterhalt). Sie sind seit dem
29. März 2000 rechtskräftig geschieden. Aus der Ehe sind die gemeinsamen Kinder S..., geb. am ..., und Sa..., geb. am ...,
hervorgegangen. Beide Kinder leben seit August 1998 beim Antragsgegner und absolvieren seit September 2001 bzw. September
2002 eine Lehre. Hierfür werden ihnen monatliche Ausbildungsvergütungen gezahlt.
Der Antragsgegner (geb. am 29. November 1958) ist bei der ... beschäftigt. Die Parteien bewohnten während der Ehe ein in ihrem
Miteigentum stehendes, kreditfinanziertes Haus. Der Antragsgegner hat den Miteigentumsanteil der Antragstellerin übernommen,
wofür diese am 22. Januar 1999 einen Betrag von 65 000,00 DM erhielt. Das Haus steht seit dem 17. März 2003 leer. Es soll
verkauft werden.
Die Antragstellerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie war nach der Heirat vorübergehend als Verwaltungsangestellte
tätig; sie hat diese Tätigkeit rd. ein Jahr nach Eheschließung aufgegeben, wobei die Gründe hierfür streitig sind. Anschließend
war sie Hausfrau und hat nach Geburt der Kinder bis zum Auszug aus der Ehewohnung am 1. November 1997 die Familie betreut
und versorgt (die Tochter Sa... bis August 1998). Nach der Trennung war die Antragstellerin im Mai/Juni 1998 vorübergehend
als Putzhilfe tätig, sodann war sie als Küchenhilfe beschäftigt, und zwar bis Mai 2000. In der Folgezeit erhielt sie Krankengeld
und Übergangsgeld. Außerdem bezieht sie seit dem 1. Mai 2001 eine Eingliederungshilfe nach dem BSHG in Form eines sog. persönlichen Budgets. Hierbei handelt es sich um Mittel des Landes Rheinland-Pfalz, die im Rahmen eines
Modellprojekts "Hilfe nach Maß für Behinderte "in Zusammenarbeit mit der Stadt ... und der Caritas vergeben werden, um Behinderten
zur Vermeidung einer Heimeinweisung ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Seit Dezember 2001 hat die Antragstellerin
Sozialhilfe bezogen. Diesbezüglich ist eine Rückübertragungserklärung vorgelegt. Seit dem 1. Januar 2003 erhält die Antragstellerin
befristet bis zum 30. Juni 2003 Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG) und ergänzende Sozialhilfe.
Die Antragstellerin macht Unterhalt gemäß §
1572 BGB geltend, weil sie schon ab 1993 psychisch krank und suizidgefährdet sei. Sie sei deshalb jedenfalls ab Rechtskraft der Scheidung
arbeitsunfähig.
Der Antragsgegner ist der Klage mit der Behauptung entgegengetreten, eine Erkrankung liege nicht vor; die Antragstellerin
wolle lediglich nicht arbeiten.
Das Amtsgericht hat zur Arbeitsfähigkeit der Antragstellerin ein medizinisches Gutachten eingeholt und den Antragsgegner zunächst
im Verbundurteil vom 6. Oktober 1999 ab Rechtskraft der Scheidung zu einem monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 756,00
DM = 386,54 EUR (einschließlich Altersvorsorgeunterhalt 139,00 DM; Krankenvorsorgeunterhalt 80,00 DM) verurteilt. Das Amtsgericht
ist dabei aufgrund des eingeholten Gutachtens davon ausgegangen, dass die Klägerin leichte Tätigkeiten etwa als Küchenhilfe
ausführen könne und hat ihr deshalb (ein fiktives) Einkommen in Höhe von 1 500,00 DM monatlich angerechnet.
Auf die Berufung des Antragsgegners hat der Senat mit Urteil vom 30. Juni 2000 - AZ 2 UF 299/99 - die vorgenannte Entscheidung aufgehoben und die Sache insoweit an das Familiengericht zurückverwiesen. Es sei unklar, ob
das Gutachten ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt worden sei, nachdem der Erstrichter zunächst einen anderen Gutachter
bestimmt gehabt und allein diesen in den Urteilsgründen erwähnt habe.
Nach Zurückverweisung der Sache hat das Familiengericht zur Frage einer psychischen Erkrankung der Antragstellerin ein weiteres
Sachverständigengutachten eingeholt, den Sachverständigen mündlich angehört und mit Urteil vom 17. Juli 2002 sodann den Antragsgegner
für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung zur Zahlung von nachehelichen Unterhalt verurteilt, und zwar zeitlich gestaffelt
auf Beträge zwischen 1 457,00 DM und 949,00 EUR. Das Amtsgericht folgt der Stellungnahme des Sachverständigen, wonach ab 1993
eine neurotische Entwicklung bei der Antragstellerin festzustellen sei. Sie sei deshalb in der Zeit nach Rechtskraft der Scheidung
nicht in der Lage gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Mit seiner Berufung bestreitet der Antragsgegner nach wie vor, dass die Antragstellerin bereits bei Rechtskraft der Scheidung
erkrankt gewesen sei. Im übrigen seien die nunmehr ab Januar 2003 bezogenen Leistungen nach dem GSiG auf den Bedarf anzurechnen. Außerdem bestehe kein Anspruch auf Krankenvorsorgeunterhalt. Hinsichtlich der Kinder verbleibe
zumindest für die noch minderjährige Sarah ein ungedeckter Bedarf, da die Antragstellerin keinen Kindesunterhalt leiste.
Im Wege der Anschlussberufung macht die Antragstellerin geltend, die Kinder gingen seit September 2001 bzw. September 2002
in die Lehre und erhielten Ausbildungsvergütung. Im Übrigen betrage der Krankenvorsorgeunterhalt zzgl. Pflegeversicherung
bei einem Einkommen (auch Unterhaltsleistung) über 793,33 EUR insgesamt 15,1 %, mindestens jedoch 119,78 EUR. Demnach berechne
sich in Anlehnung an die Unterhaltsberechnung des Amtsgerichts ab September 2002 eine Unterhaltsverpflichtung entsprechend
ihrem Antrag.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Rechtsmittel sind in verfahrensrechtlicher Hinsicht bedenkenfrei. Dem Antragsgegner war wegen Versäumung der Berufungs-
und Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, §§
233,
517,
520 ZPO. Er hat innerhalb der Berufungsfrist Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt und nach erfolgter Bewilligung
innerhalb der Frist des §
234 ZPO die versäumten Prozesshandlungen nachgeholt.
Auch der Antragstellerin war nach Ablehnung von Prozesskostenhilfe für die Anschlussberufung Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand zu gewähren. Zwar wird die von ihr zu wahrende Frist des §
524 Abs.
2 Satz 2
ZPO nicht als Notfrist bezeichnet. Ebenso wenig ist sie in §
233 ZPO aufgeführt. Es gibt aber nach Ansicht des Senats keinen Grund, in dieser Frage die Anschlussberufung anders als die Berufung
zu behandeln. Wenn - wie hier - eine Anschließungsfrist versäumt wird, sind die Wiedereinsetzungsvorschriften entsprechend
anzuwenden (ebenso ohne nähere Erörterung der Problematik OLG Düsseldorf NZV 2003, 94, 95 sowie MünchKomm./Rimmelspacher,
ZPO-Reform Aktualisierungsband 2. Aufl. 524 Rdnr. 35 unter Hinweis, auf die Rechtsprechung zu §
556 a. F.; Baumbach/ Hartmann,
ZPO 61. Aufl. §
233 Rdnr. 7 Stichwort: "Anschlussberufung"; Thomas/Putzo,
ZPO 25. Aufl. §
233 Rdnr. 5; für die Anschlussrevision Zöller/ Gummer,
ZPO 23. Aufl. §
554 Rdnr. 5; Musielak/Ball,
ZPO 3. Aufl., §
554 Rdnr. 9 a. E.; Baumbach/Albers aaO § 554 Rdnr. 7).
Die Frist des §
524 Abs.
2 Satz 2
ZPO ist auch schuldlos versäumt. Trotz der früheren Ablehnung von Prozesskostenhilfe musste die Antragstellerin nicht unbedingt
mit einer erneuten Verweigerung rechnen, wie der Antragsgegner einwendet. Denn sie hat als Entschuldigung auf ihre Erkrankung
hingewiesen und zusätzlich eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt. Schließlich ist nach Aktenlage davon auszugehen, dass
die Antragstellerin die erforderlichen Rechtshandlungen rechtzeitig innerhalb der Frist des §
234 ZPO nachgeholt hat. Zwar ist hinsichtlich des die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses vom 30. April 2003 kein Empfangsbekenntnis
zu den Akten gelangt. Nach Herausgabe des die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses am 5. Mai 2003 ist
aber der am 19. Mai 2003 eingegangene Wiedereinsetzungsantrag in jedem Fall rechtzeitig.
In der Sache haben sowohl die Berufung als auch die Anschlussberufung einen Teilerfolg.
Der Antragsgegner ist der Antragstellerin zur Zahlung der im Entscheidungssatz festgelegten Unterhaltsbeträge verpflichtet.
1. Die Antragstellerin hat - wie vom Familiengericht zutreffend festgestellt - einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt
gegen den Antragsgegner, da von ihr aufgrund ihrer Erkrankung die Aufnahme einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit (derzeit) nicht
erwartet werden kann, §
1572 Nr. 1
BGB.
a) ... wird ausgeführt
2. Die Berufung führt jedoch (teilweise) zum Erfolg, soweit das Erstgericht ohne weiteres über den im ursprünglichen Urteil
zuerkannten Unterhalt (756,00 DM = 386,50 EUR) hinausgehende Beträge zugesprochen hat. Damit hat das Familiengericht die Bindungswirkung
der - mangels Anfechtung durch die Antragstellerin - rechtskräftigen Klageabweisung im ursprünglichen Urteil nicht beachtet
(vgl. dazu Zöller/Gummer aaO §
538 Rdnr. 61; MünchKomm/Rimmelspacher,
ZPO 2. Aufl., §
536 Rdnr. 12 f). Da nur der Antragsgegner gegen das Ausgangsurteil Berufung eingelegt hatte, steht grundsätzlich auch bei Aufhebung
und Zurückverweisung des ganzen Rechtsstreits das Verbot seiner Schlechterstellung gegenüber der von ihm angegriffenen Entscheidung
(reformatio in peius) entgegen (vgl. BGH NJW-RR 1989, 1404; NJW 1994, 586, 588).
Der ursprüngliche Unterhaltstitel betrifft jedoch eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen
im Sinne des §
323 ZPO. Ähnlich wie im Fall eines Anerkenntnisurteils (vgl. grundlegend BGH NJW 1981, 2193, 2195; OLG Hamm FamRZ 1992, 1201 und FamRZ 1993, 78; OLG Bamberg NJW-RR 1993, 1219, 1221) müssen daher die Rechtskraft bzw. das Verbot der Schlechterstellung zurücktreten, soweit die Voraussetzungen einer
Abänderungsklage nach dieser Vorschrift vorliegen. Das ist hier der Fall, so dass die Klage ab Juli 2001 und die Anschlussberufung
ab September 2002 zu - zeitlich gestaffelten- höheren Unterhaltsbeträgen führen.
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für eine mögliche Abänderung nach §
323 ZPO ist wegen der Zeitschranke in Abs.
3 Satz 1 zunächst die letzte mündliche Verhandlung, die hier vor dem Senat im Verfahren 2 UF 299/99 am 2. Juni 2000 stattgefunden hat; bis zu diesem Zeitpunkt eingetretene Änderungen hätte die Antragstellerin im Wege der
- unselbständigen - Anschlussberufung in das Verfahren einführen können und müssen (vgl. BGHZ 96, 205 ff).
b) In der Zeit bis zum 1. Juli 2001 sind Änderungen der danach maßgeblichen Verhältnisse nicht geltend gemacht und auch nicht
erkennbar. Für den Zeitraum von April 2000 bis Juni 2001 verbleibt es deshalb bei den im ursprünglichen Urteil zuerkannten
monatlich 756,00 DM (= 386,50 EUR) und mithin beim vollen Erfolg der Berufung des Antragsgegners.
c) Etwas anderes gilt jedoch, soweit der Unterhaltszeitraum ab 1. Juli 2001 betroffen ist. Insoweit hat der Bundesgerichtshof
seine Rechtsprechung zur Anwendung der sog. Anrechnungsmethode geändert (Urteil vom 13. Juni 2001; veröffentlicht BGHZ 148,
105 ff = FamRZ 2001, 986 ff). Demzufolge errechnet sich der nach §
1578 BGB zu bemessende Unterhaltsbedarf eines Ehegatten, der seine Arbeitsfähigkeit während der Ehe ganz oder zum Teil in den Dienst
der Familie gestellt, den Haushalt geführt und gegebenenfalls Kinder erzogen hat, nicht nur nach dem in der Ehe zur Verfügung
stehenden Bareinkommen des Unterhaltspflichtigen. Vielmehr soll dieser Ehegatte auch nach der Scheidung an dem durch seine
Familienarbeit verbesserten ehelichen Lebensstandard teilhaben, weil seine in der Ehe durch Haushaltsführung und etwaige Kinderbetreuung
erbrachten Leistungen der Erwerbstätigkeit des verdienenden Ehegatten grundsätzlich gleichwertig sind und die ehelichen Lebensverhältnisse
mitgeprägt haben. Erwerbseinkommen, die der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Ehe erzielt bzw. (fiktiv) erzielen könnte,
sind daher als Surrogat des wirtschaftlichen Wertes seiner bisherigen Tätigkeit anzusehen und in die Bedarfsberechnung einzubeziehen
(vgl. zuletzt etwa: BGH NJW 2003, 1796,1797). Die geänderte Rechtslage erfasst auch zurückliegende Zeiträume ab der maßgebenden Entscheidung. Betroffen ist daher
hier der Unterhaltszeitraum ab 1. Juli 2001 (vgl. BGH FamRZ 2003, 518, 520). Dabei hat der Bundesgerichtshof nunmehr klargestellt, dass dies nicht nur für die Abänderung von Prozessvergleichen,
sondern schon aus Gründen der Rechtssicherheit auch in den Fällen - wie hier - einer Entscheidung durch Unterhaltsurteil gilt
(NJW 2003, 1796, 1798).
Das Ausgangsurteil vom 6. Oktober 1999 widerspricht der geänderten Rechtsprechung des BGH. Darin hat nämlich das Familiengericht
die Antragstellerin mangels hinreichender Bemühungen um einen entsprechenden Arbeitsplatz so behandelt, als erziele sie mindestens
1 500,00 DM netto monatlich, abzüglich der Mindestpauschale für berufsbedingte Aufwendungen 1 410,00 DM. Ihren Bedarf hat
es allein auf Grundlage des Einkommens des Antragsgegners errechnet und von der Quote nach der sog. Anrechnungsmethode das
fiktive Einkommen in Abzug gebracht.
3. Da die Klägerin für die Zeit ab Juli 2001 durchgehend höhere Unterhaltsbeträge als monatlich 756,00 DM (= 386,50 EUR) beansprucht,
kommt mithin aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unterhaltberechnung entsprechend §
323 ZPO eine Durchbrechung der Rechtskraft in Betracht. Dabei ist der Antragsgegner als Gegner der Abänderungsklage mit seinen Einwendungen
gegen die Unterhaltsberechnung nicht an die frühere Verurteilung gebunden.
Zu den Grundlagen für die danach vorzunehmende Neuberechnung gilt:
... wird ausgeführt
e) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sind die von der Antragstellerin bezogenen Leistungen "Hilfe nach Maß" und (ab
1. Januar 2003) nach dem GSiG nicht bedarfsmindernd anzusetzen.
(1) Die Antragstellerin erhält seit Mai 2001 von der Stadt ..... im Rahmen eines sogenannten Modellvorhabens "Hilfe nach Maß
für Behinderte". Dies ist eine Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (§ 39 Abs. 3 BSHG), wobei es sich um Leistungen zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft nach §
55 SGB IX handelt, § 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG. Dadurch soll dem Betroffenen ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden, um den Aufenthalt in einem Heim zu vermeiden.
Als Unterstützung wird ein "persönliches Budget" zur Verfügung gestellt, das als ambulante Eingliederungshilfe eine Teilnahme
am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen, unterstützen und fördern soll. Die Mittel sollen dem Betroffenen insbesondere in
die Lage setzen, bestehende Betreuungsangebote in Anspruch zu nehmen. Die Antragstellerin hat die ihr überlassenen Beträge
dazu verwandt, Leistungen eines Betreuers in Anspruch zu nehmen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Bewertung durch das
Familiengericht zu folgen wäre, wonach es sich um freiwillige Unterstützungsleistungen Dritter handelt, die außer Ansatz zu
bleiben haben. Jedenfalls werden die Leistungen ihrer Art. nach zweckbestimmt erbracht, um zusätzliche Bedürfnisse des Empfängers
abzudecken. Eine Entlastung des Unterhaltsschuldners ist mithin ersichtlich nicht bezweckt und gewollt.
(2) Ebenso wenig kommt eine Anrechnung auf den Unterhaltsbedarf der Antragstellerin in Betracht, soweit diese seit dem 1.
Januar 2003 Leistungen nach dem GSiG erhält. Das GSiG ist Bestandteil der Rentenreform und im Jahre 2001 als Art. 12 des Altersvermögensgesetzes vom 26.06.2001 eingeführt (BGBl. I, 2001, 1335). Die Grundsicherung wird nach § 1 Nr. 2 GSiG auch Personen gewährt, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und - dauerhaft - voll erwerbsgemindert im Sinne von §
43 Abs.
2 SGB VI sind. Es handelt sich dabei um eine eigenständige Sozialleistung, bei der im Unterschied zur Sozialhilfe ein Unterhaltsrückgriff
in den vom Gesetz nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GSiG privilegierten Unterhaltsverhältnissen entfällt. Bei sonstigen - nicht privilegierten - Unterhaltsverhältnissen ist hingegen
schon bei Gewährung der Leistungen ein etwaiger Unterhaltsanspruch zu berücksichtigen und die Grundsicherung deshalb nachrangig
(vgl. Klinkhammer FamRZ 2002, 997, 1002). Auch insoweit findet jedoch bei Gewährung der Grundsicherung im Gegensatz zur Sozialhilfe ein Anspruchsübergang auf
den Leistungsträger nicht statt. Es kommt allenfalls ein Rückforderungsanspruch gegenüber dem Antragsteller in Betracht (vgl.
Klinkhammer, aaO 1002).
Hier kann dahingestellt bleiben, ob im Fall der Unterhaltsleistungen des Antragsgegners ein solcher Rückforderungsanspruch
besteht. Ziel des Gesetzes und des Rückgriffsausschlusses ist jedenfalls nicht die Entlastung des Unterhaltspflichtigen, sondern
den grundlegenden Lebensbedarf alter und vollerwerbsgeminderter Menschen zu sichern (vgl. zu den Gesetzesgrundlagen Klinkhammer
aaO 997). Leistungen nach dem GSiG sind daher wie freiwillige Leistungen Dritter zu bewerten, die vom Unterhaltsbedarf nicht abgezogen werden, und zwar auch
dann nicht, wenn - wie hier möglicherweise geschehen - Grundsicherung gesetzeswidrig vorbehaltslos ohne Rücksicht auf einen
bestehenden Unterhaltsanspruch bewilligt wird (vgl. Klinkhammer aaO 1002). Insoweit ist die Sachlage vergleichbar mit der
Gewährung von Sozialhilfe in Fällen, in denen der Unterhaltsanspruch auf Berücksichtigung fiktiver Einkünfte des Unterhaltsschuldners
beruht und deshalb nicht auf den Träger der Sozialhilfe übergeht. Dazu hat der Bundesgerichtshof trotz des Erhalts von Sozialhilfe
einen Unterhaltsanspruch des Berechtigten bejaht, und zwar für den Zeitraum ab Zustellung der Klageschrift ohne jegliche Korrekturmöglichkeit
nach §
242 BGB (vgl. BGH NJW 1999, 2365, 2368 f). Zur Begründung wird ebenfalls auf die ähnlich gelagerten Fällen, in denen der Berechtigte freiwillige Leistungen
von Dritten erhält, abgestellt. Dementsprechend sind auch in den neuen Leitlinien Bezüge nach dem GSiG, wenn es um den Ehegattenunterhalt geht, unterhaltsrechtlich nicht als Einkommen bewertet (SüdL, Stand 01. Juli 2003, Nr.
2.9).
Die Klage auf Unterhalt ist hier bereits seit 1999 rechtshängig. Von diesem Zeitpunkt an ist es dem Antragsgegner verwehrt,
sich darauf zu berufen, dass die Antragstellerin ihren Unterhaltsbedarf mit Mitteln staatlicher Sozialleistungen befriedigt
und aus diesem Grund nicht auf Unterhaltsleistungen angewiesen sei.
f) Als weitere Änderung ist zu berücksichtigen, dass die beiden Kinder mittlerweile in Ausbildungsverhältnissen stehen, wobei
monatliche Ausbildungsvergütungen gezahlt werden. Der Sohn S... erhält seit September 2001 monatlich 469,62 EUR, die Tochter
Sa... seit 1. September 2002 monatlich 575,13 EUR. Mit Blick auf diese Beträge entfällt für den Antragsgegner eine Unterhaltsverpflichtung
für seine Kinder, so dass ab Beginn der eigenen Einkünfte die Tabellenbeträge für Kindesunterhalt nicht mehr in Abzug zu bringen
sind. Maßgeblicher Zeitpunkt einer Änderung ist der Beginn der Zahlungen, nicht hingegen erst der (spätere) Zeitpunkt, ab
dem mit der Anschlussberufung eine Erhöhung unter Hinweis auf diesen Gesichtspunkt geltend gemacht wird. Die Klage, mit der
ein höherer Betrag gefordert wird, ist - wie bereits ausgeführt - schon 1999 erhoben. Soweit der Senat unter entsprechender
Anwendung des §
323 ZPO eine Durchbrechung der Rechtskraft bejaht, setzt dies nur voraus, dass die Gründe, auf die trotz Klageabweisung eine Erhöhung
gestützt werden kann, nach der letzten mündlichen Verhandlung des Senats vom 2. Juli 2000 liegen. Das trifft nicht nur für
die geänderte Rechtsprechung zur Unterhaltberechnung, sondern auch für die Einkünfte der Kinder zu.
i) Der Elementarunterhaltsbedarf der Antragstellerin beläuft sich grundsätzlich auf die hälftige Differenz der prägenden Einkünfte
des Antragsgegners. Erwerbseinkommen ist jedoch zuvor um den Erwerbstätigenbonus zu bereinigen.
Nach bisheriger Rechtsprechung des Senats war dieser mit 1/7 zu bemessen (SüdL, Stand 01. Januar 2002 Nr. 16 b Fußn. 2); mit
Wirkung ab Juli 2003 wird der Senat - in Übereinstimmung mit den beiden anderen Senaten des Pfälzischen Oberlandesgerichts
- an dieser Rechtsprechung nicht mehr festhalten, sondern sich insoweit der von den übrigen Familiensenaten in Süddeutschland
bereits gehandhabten Berechnung - Abzug eines Erwerbstätigenbonus von 1/10 - anschließen (SüdL, Stand 01. Juli 2003 Nr. 15.2).
Für die Zeit bis zum 30. Juni 2003 sind daher die Erwerbseinkünfte des Antragsgegners mit 6/7, für die Zeit ab 1. Juli 2003
mit 9/10 in die Unterhaltsberechnung einzustellen.
4. ... wird ausgeführt
Die Kostenentscheidung folgt aus §
92 ZPO. Das Urteil ist gemäß §§
708 Nr. 10,
711, 713
ZPO, 26 Nr. 9 EGZPO vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern
(§
543 Abs.
2 ZPO); keine der Parteien hat die Zulassung begehrt oder sie möglicherweise rechtfertigende Gründe aufgezeigt.