Sozialhilferecht: Notwendiger Unterkunftsbedarf eines Ehepaares mit einem Säugling
Gründe:
I. Der Antragstellerin ist gemäß §
166 VwGO i.V.m. §§
114,
119 Satz 2,
121 Abs.
2 Satz 1
ZPO Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und ihr Prozeßbevollmächtigter zur Vertretung beizuordnen.
II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob -wie die Antragsgegnerin geltend macht- ihr Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs
dadurch verletzt worden ist, daß der Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin vom 10. Juli 1996 ihr erst
mit dem angefochtenen Beschluß übersandt worden ist. Denn ein möglicher Verstoß wäre durch die Möglichkeit zur Stellungnahme
im Beschwerdeverfahren geheilt worden.
Die Antragstellerin hat einen Anspruch darauf, ihr eine Mietübernahmeerklärung in Höhe der gesamten Mietkosten ihrer neu angemieteten
Wohnung auszustellen, nicht glaubhaft machen können. Nur in Höhe eines Teils der Mietkosten sind die Voraussetzungen für den
Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung gegeben (§
123 Abs.
1 und
3 VwGO, §
920 Abs.
2 ZPO).
Die Antragstellerin kann schon deshalb eine Mietübernahmeerklärung für die gesamte Miete nicht beanspruchen, weil ihr individueller
Anspruch auf Hilfe für die Kosten der Unterkunft - wozu vorwirkend auch eine Mietübernahmeerklärung gehört - nur in Höhe ihres
Kopfteils an den Mietkosten bestehen kann (BVerwG, Urt. v. 21. 1. 1988, NJW 1989 S. 313). Da der anwaltlich gestellte Antrag allein die Antragstellerin betrifft, kann nur ihr Bedarf an Hilfe zugrundegelegt werden,
während ein entsprechender Bedarf des im März 1996 geborenen Kindes und des Ehemannes der Antragstellerin allenfalls mittelbar
von Bedeutung ist. Daher kann es auch offenbleiben, ob der Ehemann der Antragstellerin nicht von vornherein durch § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG i.d.F. des Art. 1 Nr. 13 des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1088) vom Bezug von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen ist.
Der Teil-Anspruch der Antragstellerin bestimmt sich nach folgenden Maßstäben: Die Antragstellerin kann eine Mietübernahmeerklärung
nur in dem Umfang beanspruchen, in dem sie nunmehr einen Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für die zum 1. September
1996 angemietete Unterkunft nach § 3 Abs. 1 Regelsatz VO i.d.F. des Art. 11 des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts
vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1088 - RegelsatzVO n.F. -) -vorausschauend- besitzt. Es kommt mithin zunächst darauf an, ob die Aufwendungen für die angemietete
Wohnung angemessen im Sinne von § 3 Abs. 1 RegelsatzVO sind. Dabei sind - soweit es um die Angemessenheit der Wohnung als
Bedarfsgegenstand geht - die Verhältnisse für einen Drei-Personen-Haushalt zugrundezulegen, da der auf die Unterkunft bezogene
Bedarf ein gemeinsamer ist (vgl. Schmidt, NVwZ 1995 S. 1041, 1042); nur die Kosten der Unterkunft sind sozialhilferechtlich nach dem Grundsatz der Individualität der Hilfe nach Kopfteilen
aufzuteilen und gegebenenfalls gesondert zu behandeln.
Die für die Frage der Angemessenheit von Kosten der Unterkunft maßgeblichen Gesichtspunkte hat der beschließende Senat in
rechtsgrundsätzlicher Weise in seinen Beschlüssen vom 30. April 1996 -OVG Bs IV 120/96- und vom 27. Juni 1996 -OVG Bs IV 185/96- dargelegt. An ihnen wird nach erneuter Überprüfung festgehalten. Danach geben die von der Antragsgegnerin durch Verwaltungsvorschrift
festgelegten Richtwerte und Bandbreiten zur Feststellung der Angemessenheit der Unterkunft (Stand Mai 1995) gleichsam nur
einen Hinweis auf eine abstrakte Spanne des sozialhilferechtlich Angemessenen; die festgelegten Daten können indes nicht abschließend
in jedem Einzelfall Geltung beanspruchen. Das im Einzelfall konkret Angemessene muß letztlich stets anhand einer Einzelfallprüfung
ermittelt werden, weil andernfalls die Möglichkeiten, die der Wohnungsmarkt dem Hilfesuchenden eröffnet, ohne Not ausgeblendet
würden. Vor diesem Hintergrund ergibt sich hier folgendes:
Als sozialhilferechtlich anzuerkennenden notwendigen Unterkunftsbedarf für zwei Erwachsene und einen Säugling nimmt das Gericht
regelmäßig eine 2-Zimmer-Wohnung an. Vorliegend gilt nichts anderes. Eine derartige Wohnung ist in Hamburg nach den Feststellungen
des Gerichts, die es in den erwähnten Verfahren getroffen hat, für 800,- DM anzumieten. Der Wunsch der Antragstellerin, eine
größere und kostenaufwendigere Wohnung anzumieten, braucht nicht berücksichtigt zu werden, da dieser Wunsch mit unverhältnismäßigen
Mehrkosten verbunden wäre (§ 3 Abs. 2 Satz 3 BSHG). Die angemietete Wohnung ist um 142,55 DM (= etwa 17%) teurer. Das ist unverhältnismäßig viel. Insoweit kommt es allerdings
nicht nur auf einen rein rechnerischen Vergleich an, sondern es ist eine wertende Betrachtungsweise anzustellen, bei der die
Gründe für den Wunsch des Hilfesuchenden mit den Mehrkosten in Beziehung zu setzen sind. Für den vorliegenden Fall bedeutet
dies, daß die Gründe in den Blick zu nehmen sind, die die Antragstellerin dafür anführen kann, die Wohnung in der B -Straße
beziehen zu wollen, statt eine preiswertere Wohnung anzumieten. Die Gründe, aus denen sie ihre Wohnung in der S traße aufgegeben
hat, sind demgegenüber ohne Bedeutung, denn diese Wohnung steht als kostengünstigere Alternative nicht mehr zur Verfügung.
Daher ist es unerheblich, daß diese Wohnung möglicherweise den Unterkunftsbedarf der Antragstellerin (und ihrer Familie) nicht
ausreichend gedeckt hat; sollte dies zutreffen, rechtfertigte dies dennoch nicht, daraufhin eine unverhältnismäßig teure Wohnung
anzumieten. Als Vergleichswohnung ist vielmehr eine Wohnung aus dem Kreis der anmietbaren Wohnungen zu einem Preis von 800,-
DM zu betrachten. Im Hinblick auf eine solche Wohnung hat die Antragstellerin keine durchgreifenden Gesichtspunkte dargelegt,
die gegen eine solche Wohnung sprechen könnten und statt dessen ihren Wunsch rechtfertigten, die (Neubau-) Wohnung in der
B -Straße anzumieten.
Bezogen auf eine Unterkunft mit Mietkosten von 800,- DM kann die Antragstellerin ihren individuellen Teil-Anspruch mit Erfolg
geltend machen. Dabei repräsentiert der Basiswert von 800,- DM seinerseits - bezogen auf die tatsächliche Miethöhe von 942,55
DM - nur einen Teilwert. Indessen können - entgegen der bisherigen Rechtslage (vgl. z.B. BVerwG, Urt. vom 21.1.1993, DVBl.
1993 S. 794) - nach neuem Recht (jedenfalls) in Umzugsfällen jetzt derartige Teilkosten beansprucht werden. Denn nach § 3 Abs. 1 Satz
3 RegelsatzVO n.F. ist, wenn der Hilfeempfänger - wie hier - vor dem Abschluß des Vertrages über eine Unterkunft den Träger
der Sozialhilfe über die nach Satz 2 der Vorschrift den Wohnungsbedarf kennzeichnenden Umstände informiert hat, der Hilfeträger
nunmehr zur Übernahme der angemessenen Aufwendungen verpflichtet, wenn die Kosten für die neue Unterkunft unangemessen hoch
sind. An diese Entscheidung des Gesetzgebers sind die Gerichte vorerst gebunden, mag sich die damit jetzt zulässige Teilkostenübernahme
auch in einer untergesetzlichen Norm befinden (vgl. zu der Problematik Art. 16 Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts und
ferner Schneider, Gesetzgebung, 2. Aufl. Rdnr. 664; Jekewitz NVwZ 1994 S. 956 ff; Conradi NVwZ 1994 S. 977 ff; Studenroth DÖV 1995 S. 525).
Ein Drittel der nach § 3 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbs. RegelsatzVO n.F. zu berücksichtigenden (abstrakten) angemessenen Aufwendungen
für die Unterkunft machen den Betrag von 266,67 DM aus. Hinsichtlich der Heizkostenvorauszahlung (vgl. § 3 Abs. 2 RegelsatzVO)
hat das Gericht davon abgesehen, den Basiswert relativ herabzusetzen; stattdessen wird ein Drittel der tatsächlichen Kosten
zugrundegelegt, da die Heizkostenvorauszahlung in jedem Fall angemessen erscheint.
Der Hilfsantrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Umzug zuzustimmen, stellt - lediglich in einem anderen Gewand -
dasselbe Begehren dar wie die mit dem Hauptantrag verfolgte Mietkostenübernahmeerklärung. Daher ist dieser Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§
155 Abs.
1 Satz 1,
188 VwGO.