OVG Niedersachsen, Urteil vom 09.12.1996 - 12 L 2486/96, FEVS 47, 461
Sozialhilferecht: Anwendbarkeit des Anspreuchsausschlusses auf zurückkehrende Asylbewerber
»Der Anspruchsausschluß des § 120 BSHG ist auf Asylberechtigte auch dann nicht anzuwenden, wenn sich diese im Ausland aufgehalten haben, sofern sie innerhalb der
ihnen eingeräumten Rückkehrfrist in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren.«
Fundstellen: FEVS 47, 461, InfAuslR 1997, 464, NVwZ 1997, Beil. 6, 45, NdsRpfl 1997, 91, OVGE (M/L) 46, 494, info also 1998, 42
Vorinstanzen: VG Göttingen 29.02.1996 2 A 2509/93
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Gewährung ungekürzter Hilfe zum Lebensunterhalt.
Der Kläger zu 2), ein im Jahre 1961 geborener iranischer Staatsangehöriger, reiste im Jahre 1986 in die Bundesrepublik Deutschland
ein und beantragte, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erkannte
den Kläger zu 2) mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 26. September 1988 als Asylberechtigten an. Die Stadt G erteilte ihm
eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis sowie einen Reiseausweis für Flüchtlinge; der dem Kläger von der Stadt G unter dem
12. Juni 1991 erteilte Reiseausweis - ein zuvor erteilter Reiseausweis war in Verlust geraten - gestattete dem Kläger zu 2)
die Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland bis zum 11. Juni 1993 (Gültigkeitsdauer des unter den 12. Juni 1991 ausgestellten
Ausweises). Der Reiseausweis nebst entsprechender Rückkehrberechtigung - wurde am 1. Juni 1993 bis zum 11. Juni 1995 verlängert.
Die 1959 geborene Klägerin zu 1) - eine iranische Staatsangehörige - reiste am 22. August 1986 mit einem bis zum 16. September
1986 gültigen Visum der Deutschen Botschaft in Teheran in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nachdem ihr Antrag, ihr eine
(befristete) Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, abgelehnt worden war, heiratete sie am 14. Juli 1989 den Kläger zu 2). Daraufhin
wurden ihr Aufenthaltserlaubnisse von der Stadt erteilt, wie dem am 31. März 1990 in Göttingen geborenen Kläger zu 3), dem
gemeinsamen Sohn der Kläger zu 1) und 2).
Die Kläger, die seit dem Jahre 1986 bzw. 1990 von der für den Beklagten handelnden Stadt G Sozialhilfeleistungen, und zwar
u.a. Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen hatten, begaben sich Mitte des Jahres 1992 in die Vereinigten Staaten von Amerika.
Im Jahre 1993 kehrten sie nach Deutschland zurück und stellten am 9. August 1993 (erneut) einen Antrag auf Gewährung von laufender
Hilfe zum Lebensunterhalt. In ergänzenden Schreiben vom 19. und 23. August 1993 sowie in einer Erklärung vom 20. August 1993
gegenüber dem Sozialamt der Stadt G gab der Kläger zu 2) an, die Kläger seien, nachdem sie im Staate Missouri infolge einer
Hochwasserkatastrophe ihre gesamte Habe verloren hätten, nach G zurückgekehrt, weil sie hier bereits zuvor sechs Jahre lang
gelebt hätten und zudem der Bruder der Klägerin zu 1) in G wohne. Er - der Kläger zu 2) - sei nach Deutschland zurückgekehrt,
"um solange Sozialhilfe zu beanspruchen, bis ich einen Ausbildungsplatz als Medizinisch-Technischer Radiologieassistent erhalten
werde". Er - der Kläger zu 2) - habe in den Vereinigten Staaten bei seinem Bruder gearbeitet, auch habe er sich bemüht, selbständig
zu werden. Infolge der im Frühjahr 1993 eingetretenen Überschwemmungen im Bundesstaat M habe sein Bruder "alles verloren".
Da sein Bruder ihnen nicht mehr habe helfen können und da sie selbst mangels amerikanischer Staatsbürgerschaft von den Behörden
der Vereinigten Staaten keinerlei Unterstützung erhalten hätten, hätten sie vor dem Nichts gestanden. Sein Bruder habe nur
für sie - die Kläger - das Geld für die Flugtickets nach Deutschland dadurch beschaffen können, daß er sich das Geld hierfür
bei Freunden geliehen habe. Sie seien nach Deutschland zurückgekehrt, weil sie sich keinen anderen Rat gewußt hätten und sie
nirgendwo anders Hilfe hätten erwarten können.
Mit Bescheid vom 13. September 1993 gewährte die Stadt G den Klägern ab dem 9. August 1993 Hilfe zum Lebensunterhalt, allerdings
wurden die Regelsatzleistungen um 30 % bzw. um 10 % gekürzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Kläger seien in die Bundesrepublik
Deutschland zurückgekehrt, um hier Sozialhilfeleistungen zu erlangen. Mithin bestehe nach § 120 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs., Satz 2 BSHG ein Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfeleistungen nicht. Allerdings könne im Einzelfall Hilfe geleistet werden. Es sei
daher gerechtfertigt, bei den Klägern zu 1) und 2) lediglich 70 % des maßgebenden Regelsatzes und bei dem Kläger zu 3), bei
dem ein alters- und entwicklungsbedingter Bedarf bestehe, 90 % des maßgebenden Regelsatzes zu berücksichtigen. Der Widerspruch
bliebt erfolglos (Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 28. Oktober 1993).
Die Kläger haben am 15. November 1993 Klage erhoben und zur Begründung ihrer Klage vorgetragen:
Entgegen der Einschätzung der Stadt G und des Beklagten seien sie in die Bundesrepublik Deutschland nicht wieder zurückgekehrt,
um dort Sozialhilfeleistungen zu erlangen. Vielmehr seien sie zurückgekehrt, weil es ihnen unmöglich gewesen sei, sich in
den Vereinigten Staaten von Amerika eine neue Existenz aufzubauen; sie hätten dort keine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis
erhalten. Sie hätten daher die Vereinigten Staaten verlassen, um ihrer Abschiebung zu entgehen. Im übrigen habe der Beklagte
nicht berücksichtigt, daß der Kläger zu 2) als Asylberechtigter zur Rückkehr nach Deutschland berechtigt gewesen sei.
Die Kläger haben beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Stadt vom 13. September 1993 und seines Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober
1993 zu verpflichten, ihnen für die Zeit vom 9. August bis zum 28. Oktober 1993 Hilfe zum Lebensunterhalt ungekürzt zu bewilligen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat erwidert:
Der Kläger zu 2) habe bei seiner Vorsprache am 20. August 1993 beim Sozialamt der Stadt G aber auch in seinen schriftlichen
Erklärungen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er mit seiner Familie nur zur Erlangung von Sozialhilfeleistungen
wieder in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt sei. Andererseits sei der Aufenthalt der Kläger in den Vereinigten
Staaten auf Dauer angelegt gewesen, auch hätten die Kläger dort ohne weiteres bleiben können, wie ihr einjähriger Aufenthalt
in den USA deutlich mache. Hieraus sei aber zu folgern, daß der Kläger zu 2) seine Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland
als Asylland bewußt und endgültig abgebrochen hatte, als er in die Vereinigten Staaten von Amerika weiter wanderte. Habe damit
der Kläger zu 2) aber auf seine Asylberechtigung in der Bundesrepublik Deutschland verzichtet, so müsse hierauf die Bestimmung
des § 120 Abs. 1 BSHG Anwendung finden. Es könne nicht angehen, daß etwa ein Asylberechtigter, der vor vielleicht 20 Jahren Deutschland verlassen
und seitdem in einem Drittland gelebt habe, nach Deutschland zurückkehren und hier Sozialhilfeleistungen erhalten könne. In
diesem Fall müsse der Asylberechtigte auf die Bestimmung des § 120 Abs. 1 BSHG verwiesen werden; denn andernfalls ergebe sich aus der Asylberechtigung eine lebenslange Alterssicherung. Die Kläger zu 2)
und 3) könnten auf keinen Fall beanspruchen, sozialhilferechtlich mit deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt zu werden;
denn diese beiden Kläger verfügten lediglich über befristete Aufenthaltserlaubnisse. Dies gelte auch, sofern man für den Kläger
zu 2) einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen bejahen wollte; denn die Verfassungsbestimmung des Art. 6 GG schütze nur vor Ausweisung, hieraus könne nicht das Recht abgeleitet werden, die Kläger zu 2) und 3) als Asylberechtigte
im Sinne des § 120 Abs. 1 Satz 3 BSHG anzusehen. Schließlich müsse auch berücksichtigt werden, daß der Beklagte den Klägern lediglich gekürzte Hilfe zum Lebensunterhalt
währt habe.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 29. Februar 1996 den Beklagten unter entsprechender Aufhebung der angefochtenen
Bescheide vom 13. September und 28. Oktober 1993 verpflichtet, dem Kläger zu 2) für die Zeit vom 9. August bis 28. Oktober
1993 Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Vornahme einer Regelsatzkürzung zu gewähren sowie die Kläger zu 1) und 3) bezüglich der
Frage einer Regelsatzkürzung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu bescheiden; im übrigen hat es die
Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, auf den Kläger zu 2), der anerkannter Asylberechtigter sei, sei der
Anspruchsausschluß des § 120 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BSHG a.F. - da die Neufassung des § 120 BSHG durch das Asylbewerberleistungsgesetz erst zum 1. November 1993 und damit nach Erlaß des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 1993 in Kraft getreten sei, sei
für die rechtliche Beurteilung hier noch die alte Fassung des § 120 BSHG zugrunde zu legen - nicht anzuwenden. Würde nämlich einem als asylberechtigt anerkannten Ausländer bei einer Wiedereinreise
nach möglicherweise nur kurzfristiger Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland der Sozialhilfeanspruch entzogen, so würde
hierdurch das mit Verfassungsrang ausgestaltete Asylrecht als Bleiberecht in seiner Substanz ausgehöhlt; denn der Anspruchsausschluß
könnte dazu führen, daß ein Verbleiben des Asylberechtigten im Bundesgebiet aus wirtschaftlichen Gründen unmöglich würde.
Im übrigen sei dem Kläger zu 2) aufgrund seiner Stellung als Asylberechtigter im Jahre 1988 und (erneut) im Jahre 1991 ein
Reiseausweis für Flüchtlinge ausgestellt worden, der jeweils vor Ablauf der Gültigkeit verlängert worden sei und mit dem dem
Kläger zu 2) (zuletzt) eine Rückkehr nach Deutschland bis zum 11. Juni 1995 gestattet worden sei.
Abgesehen davon sei der Anspruchsausschluß des § 120 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BSHG a.F. auch bereits deshalb nicht auf den Kläger zu 2) anzuwenden, weil dessen Wiedereinreise nicht als Einreise im Sinne der
genannten Vorschrift zu verstehen sei. Für die Frage der Aus- und Wiedereinreise sei nämlich an ausländerrechtliche Bewertungen
dieser Vorgänge anzuknüpfen. Der Kläger zu 2) sei aber bei der Aus- und Wiedereinreise im Besitz eines gültigen Reiseausweises
für Flüchtlinge gewesen, so daß seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (§ 68 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) nicht erloschen sei (§ 69 Abs. 1 AsylVfG). Aus diesem Grunde sei der Kläger zu 2) nicht im Sinne des § 120 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BSHG a.F. in das Bundesgebiet eingereist.
Etwas anderes gelte für die Kläger zu 1) und 3). Da sie sich länger als sechs Monate außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten
hätten, sei die ihnen erteilten und im April 1992 bis zum 14. Juni 1995 verlängerten Aufenthaltserlaubnisse seinerzeit nach
§ 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG erloschen, so daß ihre Wiedereinreise als Einreise im Sinne der genannten Vorschrift des § 120 Abs. 1 BSHG a.F. zu werten sei. Die Kläger zu 1) und 3) seien auch in das Bundesgebiet (wieder) eingereist, um Sozialhilfeleistungen
zu erlangen (anders verhalte es sich beim Kläger zu 2), weil bei Asylberechtigten zu vermuten sei, daß sie wieder eingereist
seien, um den Schutz der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch zu nehmen, wobei der Umstand des Sozialhilfebezuges regelmäßig
eine nur untergeordnete Rolle spiele). Bei den Klägern zu 1) und 3) sei die Inanspruchnahme von Sozialhilfe für ihren Einreiseentschluß
von prägender Bedeutung gewesen. Da diese Kläger erklärt hätten, sie seien nach dem Verlust ihrer gesamten Habe in den Vereinigten
Staaten von Amerika nach G zurückgekehrt, um dort so lange Sozialhilfe zu beanspruchen, bis der Kläger zu 2) einen Ausbildungsplatz
erhalten habe, und da die Kläger vor ihrer Ausreise in die Vereinigten Staaten von Amerika in G bereits über einen längeren
Zeitraum Sozialhilfeleistungen bezogen hätten, sie deren Bezug nach ihrer Einreise auch sogleich wieder beantragt hätten,
müsse aus diesen Umständen darauf geschlossen werden, daß die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen für die Kläger zu
1) und 3) von prägender Bedeutung gewesen sei. Allerdings führe der Anspruchsausschluß nach § 120 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BSHG a.F. nicht automatisch zu einer vollständigen Versagung von Leistungen. Der Sozialhilfeträger sei vielmehr verpflichtet,
hinsichtlich der Gewährung weiterer Hilfe Ermessen auszuüben. Hier habe die für den Beklagten handelnde Stadt G dieses Ermessen
nicht ordnungsgemäß betätigt. Die Stadt G hätte nämlich in ihre Erwägungen einstellen müssen, daß der Kläger zu 2) als Ehemann
und Vater der Kläger zu 1) und 3) als Asylberechtigter befugt gewesen sei, in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren.
Damit hätte die Stadt G die Frage prüfen müssen, ob eine Kürzung der Sozialhilfeleistungen bei Familienangehörigen eines Asylberechtigten,
die in die Bundesrepublik eingereist seien, um Sozialhilfeleistungen zu erhalten, im Hinblick auf den grundrechtlich garantierten
Bestand von Ehe und Familie überhaupt erfolgen könne, und wenn ja, in welchem Umfang dies geschehen sollte. Da dieser Umstand
in die Ermessenserwägungen der Stadt G nicht eingestellt worden sei, liege eine Ermessensunterschreitung vor, so daß der Beklagte
zur Neubescheidung verpflichtet werden müsse.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 20. März 1996 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichtes am 16. April 1996 die vom Verwaltungsgericht
wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt, die er wie folgt begründet:
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes sei die Bestimmung des § 120 BSHG a.F. und dort der Anspruchsausschluß des § 120 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BSHG a.F. auch auf anerkannte Asylberechtigte anwendbar. Zwar habe sich die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 23 der Genfer
Konvention verpflichtet, Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Staatsgebiet aufhielten, auf dem Gebiet der öffentlichen
Fürsorge die gleiche Behandlung wie eigenen Staatsangehörigen zu gewähren. Die Genfer Konvention enthalte aber keine Regelungen
zu der Frage, wie Flüchtlinge zu behandeln seien, die sich - wie hier die Kläger - primär aus wirtschaftlichen Gründen und
weniger zum Zwecke des Schutzes vor Verfolgung in ein Asylland zurückbegeben hätten. Stünden aber wirtschaftliche Interesse
bei einer Rückkehr im Vordergrund, so müsse der Anspruchsausschluß des § 120 BSHG a.F. greifen. Das Asylrecht diene nämlich nur dazu, den Berechtigten vor Verfolgung zu schützen, solle ihm aber nicht eine
lebenslange finanzielle Absicherung vermitteln. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes könne hier auch nicht vermutet
werden, der Kläger zu 2) sei als Asylberechtigter nicht aus wirtschaftlichen Gründen, d.h. zum Bezug von Sozialhilfeleistungen,
im Sommer 1993 wieder eingereist. Vielmehr sei eine entsprechende Vermutung aufgrund der eindeutigen Erklärungen des Klägers
zu 2) widerlegt. Es könne hier auch keine Rede davon sein, daß bei einer Anwendung des § 120 BSHG a.F. das Grundrecht auf Asyl ausgehöhlt werde; denn der Beklagte habe den Klägern durchaus Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt,
allerdings nur in Höhe des zum Lebensunterhalt Unerläßlichen. Schließlich werde der Bestand von Ehe und Familie dadurch nicht
betroffen, daß den Klägern 70 bzw. 90 % des maßgeblichen Regelsatzes gewährt worden sei.
Der Beklagte beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils vom 29. Februar 1996 die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und weisen ergänzend darauf hin, daß sie nicht in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt
seien, um dort Sozialhilfeleistungen zu erlangen, sondern weil ihnen in keinem anderen Land ein Aufenthaltsrecht zugestanden
habe, auch sei es ihnen als anerkannten Asylberechtigten bzw. Familienangehörigen eines anerkannten Asylberechtigten nicht
zuzumuten gewesen, in ihre persische Heimat zurückzukehren.
Zur weiteren Sachdarstellung und zur Darstellung des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die Gerichtsakte und
die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Stadt Göttingen (Beiakten A bis G) Bezug genommen. Diese Akten sind Gegenstand der
Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet; denn das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 29.
Februar 1996 zu Recht der Klage des Klägers zu 2) stattgegeben und im übrigen, d.h. hinsichtlich der Kläger zu 1) und 3),
den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet.
Die Bestimmung des § 120 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. Bundessozialhilfegesetz (i.d.F. der Bekanntmachung vom 10.1.1991, BGBl. I S. 94, 808, geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 23.6.1993, BGBl. I S. 994 - BSHG a.F. -) iVm § 120 Abs. 1 Satz 2 BSHG a.F. führt beim Kläger zu 2) nicht zum Anspruchsausschluß bzw. zu den von der Stadt G vorgenommenen Kürzungen.
Für den Kläger zu 2) ist die Bestimmung des § 120 Abs. 1 BSHG a.F. (und damit die Regelung über den Anspruchsausschluß nach § 120 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BSHG a.F. bzw. über eine Teilgewährung nach Ermessen gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. iVm Satz 2 BSHG a.F.) nicht anzuwenden. "Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sind", sind nämlich
nicht solche Ausländer, die anerkannte Asylberechtigte sind und die - wie hier der Kläger zu 2) - zwar Deutschland verlassen,
aber noch innerhalb der ihnen von der Bundesrepublik Deutschland eingeräumten Rückkehrmöglichkeit wieder in die Bundesrepublik
Deutschland zurückgekehrt sind (im Ergebnis ebenso Birk, LPK-BSHG, 4. Aufl. 1994, RdNrn. 7 f. zu § 120 - unter Berufung auf die Vorbehaltsregelung des § 120 Abs. 1 Satz 3 BSHG). Daß diese (einschränkende) Auslegung des Regelungsgehalts des § 120 BSHG a.F. keine Anwendung auf anerkannte Asylberechtigte findet, (die innerhalb der ihnen eingeräumten Rückkehrmöglichkeit wieder
zurückgekehrt sind) folgt daraus, daß sich die Bundesrepublik Deutschland durch Beitritt zu der Genfer Flüchtlingskonvention (Zustimmungsgesetz v. 1.9.1953, BGBl. II S. 599 - GK -) verpflichtet hat, "Flüchtlingen" (anerkannten Asylberechtigten, s. § 2 Abs. 1 AsylVfG) "auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge", d.h. auch im Sozialhilferecht die gleiche Rechtsstellung wie deutschen Staatsangehörigen
einzuräumen (Art. 23, 24 Nr. 1 b GK). Daher haben anerkannte Asylberechtigte wie deutsche Staatsangehörige, denen sie insoweit
gleichgestellt sind (vgl. Renner, in Kanein/Renner, Ausländerrecht, 6. Aufl. 1993, RdNrn. 25 u. 27 zu § 2 AsylVfG), einen uneingeschränkten Anspruch auf Sozialhilfeleistungen (so auch Marx, AsylVfG, 3. Aufl. 1995, RdNr. 24 zu § 2), und zwar u.a. nach den §§ 11, 12 BSHG a.F. und der aufgrund des § 22 BSHG a.F. erlassenen Regelsatzverordnung einen Anspruch auf (ungekürzte) laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Gekürzt werden kann dieser Anspruch nur - wie bei deutschen
Staatsangehörigen - aufgrund von Bestimmungen außerhalb des § 120 BSHG a.F. wie etwa des § 25 BSHG a.F..
Soweit der Beklagte meint, der Anspruch auf (ungekürzte) Hilfe zum Lebensunterhalt könne nicht von solchen (anerkannten) Asylberechtigten
geltend gemacht werden, die in ein Drittland weitergewandert seien und sich dort längere Zeit aufgehalten hätten, weil diese
Asylberechtigten damit auf ihr Asylrecht in der Bundesrepublik Deutschland verzichtet hätten, verkennt er, daß der Verlust
der Rechtsstellung als Asylberechtigter nach dem Asylverfahrensgesetz (§§ 72 und 73 AsylVfG) an besondere Voraussetzungen geknüpft ist. Zwar sieht das Asylverfahrensgesetz in § 72 Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG auch den freiwilligen Verzicht des Asylberechtigten auf seine Rechtsstellung vor, ein derartiger Verzicht kann aber schon
wegen der weitreichenden Wirkungen für den Berechtigten nicht bereits darin gesehen werden, daß sich der Betreffende ggf.
auch längere Zeit, wie hier der Kläger zu 2), in einem Drittland aufhält. Zumindest kann von einem (konkludenten) Verzicht
auf die Rechtsstellung als Asylberechtigter dann nicht gesprochen werden, wenn der Asylberechtigte - wie hier der Kläger zu
2) - noch über einen seine Rückkehr bis zu einem bestimmten Datum zulassenden internationalen Reiseausweis verfügt und der
anerkannte Asylberechtigte innerhalb dieser Frist in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehrt. Solange aber der anerkannte
Asylberechtigte auf seine Rechtsstellung nicht wirksam verzichtet hat und die Berechtigung auch nicht durch das Bundesamt
widerrufen und zurückgenommen oder auf andere Weise wie etwa den Erwerb der Staatsangehörigkeit eines Drittlandes nebst Schutzgewährung
(vgl. § 72 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG) erloschen ist, steht einem Anspruchsausschluß nach § 120 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BSHG a.F. oder einer Teilgewährung gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 BSHG a.F. die sich für die Bundesrepublik aus der Genfer Konvention ergebende Verpflichtung (Artikel 23, 24 GK) entgegen, mag
sich der anerkannte Asylberechtigte auch zwischenzeitlich in einem Drittland aufgehalten haben (vgl. HessVGH, Beschluß v.
31.8.1983 - 9 TG 4/83 -, FEVS 33, 189 (191)).
Das Verwaltungsgericht hat daher im angefochtenen Urteil zu Recht entschieden, daß der Kläger zu 2) im maßgeblichen Zeitraum
(9. August bis 28. Oktober 1993) Anspruch auf ungekürzte Hilfe zum Lebensunterhalt hat.
Soweit das Verwaltungsgericht im Urteil vom 29. Februar 1996 den Beklagten hinsichtlich der Kläger zu 1) und 3) gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zur Neubescheidung verpflichtet hat, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar können sich diese Kläger nicht mit Erfolg
auf die Rechtsstellung als anerkannte Asylberechtigte berufen, auch war ihr Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland
aufgrund des (längeren Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten von Amerika bei ihrer Wiedereinreise im Sommer 1993 erloschen,
wie dies das Verwaltungsgericht zutreffend im angefochtenen Urteil bereits festgestellt hat, die für den Beklagten handelnde
Stadt Göttingen hätte aber - ebenso wie der Beklagte in der Widerspruchsentscheidung - bei ihrer Ermessensentscheidung nach
§ 120 Abs. 1 Satz 1., 2. Halbs. BSHG a.F. - dem Verwaltungsgericht ist insoweit beizutreten, daß bei den Klägern zu 1) und 3) die Erlangung von Sozialhilfeleistungen
bei ihrer Wiedereinreise im Sommer 1993 von prägender Bedeutung gewesen ist, weil der Zufluchtsgedanke mangels Asylanerkennung
bei diesen Klägern keine Rolle bei ihrer Wiedereinreise gespielt haben kann - in ihre Ermessenserwägungen einstellen müssen,
daß der Ehemann und Vater der Kläger zu 1) und 3), der Kläger zu 2), im Sozialhilfebezug als Asylberechtigter einem deutschen
Staatsangehörigen gleichgestellt ist. Auch hätte berücksichtigt werden müssen, daß der Kläger zu 2) als anerkannter Asylberechtigter
berechtigt ist, sich auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten, und daß den Klägern zu 1) und 3) als dessen
Familienangehörigen ein Bleiberecht auf Dauer zustehen könnte. Mithin hätte die Stadt G bzw. hätte der Beklagte erwägen müssen
- wird bei der Neubescheidung zu erwägen sein -, ob ein Kürzung der Sozialhilfeleistungen bei den Klägern zu 1) und 3) angesichts
ihres somit - jetzt wieder - auf Dauer angelegten Aufenthalts ermessensgericht i.S. des § 120 Abs. 1 Satz 2 BSHG a.F. ist.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO; die weitere Nebenentscheidung folgt aus § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 11 ZPO. Gründe, die Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor, insbesondere kommt eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht in Betracht,
weil sich die vom Beklagten aufgeworfenen Rechtsfragen, wie dargelegt, unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lassen.
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