Sozialhilferecht: Begriff des "alleinerziehenden" Elternteils in § 23 Abs. 2 BSHG
Gründe:
Der Antrag des Klägers ist nicht begründet.
Nach §
124 Abs.
2 VwGO (i.d.F. des 6.
VwGO-Änderungsgesetzes vom 1. November 1996, BGBl. I S. 1626) ist die Berufung nur zuzulassen,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats
der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem
die Entscheidung beruhen kann.
Im vorliegenden Verfahren liegt ein Zulassungsgrund nicht vor.
Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob in Fällen, in denen die gemeinsamen Kinder geschiedener Eheleute,
die zusammen Inhaber des Sorgerechts für die Kinder sind, sich jeweils für mehrere aufeinander folgende Tage der Woche bei
dem einen bzw. dem anderen Elternteil aufhalten, jeder Elternteil Anspruch auf die Gewährung eines Mehrbedarfszuschlags für
Alleinerziehende gem. § 23 Abs. 1 (pauschal 40 v.H. des Regelsatzes oder abweichende Festsetzung für den Einzelfall) hat.
Diese Frage rechtfertigt eine Zulassung der Berufung nicht. Sie läßt sich aus dem Gesetz und der hierzu bereits vorliegenden
Rechtsprechung des Senats ohne weiteres beantworten.
In seinem Beschluß vom 22. Juli 1988 (- 4 OVG B 227/88 -, FEVS 38, 209) hat der Senat im wesentlichen ausgeführt: In den Fällen, in denen die Familie unvollständig ist und nur
ein Elternteil für die Pflege und Erziehung der Kinder sorgt, sei der Mehrbedarfszuschlag nach § 23 Abs. 2 BSHG nur in eng begrenzten Ausnahmefällen nicht zu gewähren. Ein "alleinerziehender" Hilfeempfänger sorge nur dann nicht allein
für die Pflege und Erziehung, wenn ihn eine andere Person so nachhaltig bei der Pflege und Erziehung des Kindes unterstütze,
wie es sonst der andere Elternteil zu tun pflege. In seinen Beschlüssen vom 4. Januar 1994 (4 M 4730/93; V.n.b.) und 24. Oktober 1996 (4 M 4786/96; V.n.b.) hat der Senat ergänzend ausgeführt:
"Alleinerziehend" i.S. des § 23 Abs. 2 BSHG sei auch die / der Hilfesuchende, deren / dessen Partner/in sich so wenig an der Pflege und Erziehung der Kinder beteilige,
daß ihr / ihm diese Aufgaben praktisch alleine oblägen (vgl. BSHG-LPK, 4. Aufl. 1994, Anm. 18 zu § 23).
Daraus ergibt sich umgekehrt, daß dann, wenn beide (hier auch sorgeberechtigten) Elternteile die Betreuung der Kinder abwechselnd
tageweise übernehmen, die Voraussetzung des "Alleinerziehens" nicht vorliegt. Zu betrachten ist nicht etwa jeder Tag einzeln,
sondern die Zeit in ihrem Ablauf. Bei keinem der beiden Elternteile kann davon die Rede sein, daß ihm die Aufgabe, die Kinder
zu betreuen und zu erziehen, praktisch allein obläge. Vielmehr wird jeder Elternteil durch die von dem anderen übernommenen
Zeiten der Betreuung und Erziehung in erheblichem Umfang entlastet und kann sich an den "freien" Tagen allein eigenen Interessen
und Verpflichtungen widmen. Die bei einem Alleinerziehenden dauernd bestehenden und zum Teil Mehrkosten verursachenden Einschränkungen
in der Lebensführung, die durch die Gewährung des Mehrbedarfszuschlags ausgeglichen werden sollen, bestehen so nicht. Das
Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß sich eine solche Lebenssituation nicht von der "vollständiger Familien"
unterscheidet, in denen ein Elternteil etwa aus beruflichen Gründen mehrere Tage in der Woche oder die ganze Woche mit Ausnahme
des Wochenendes abwesend ist. Mit dem von dem Kläger genannten Fall der Entlastung eines allein Sorgeberechtigten während
der Zeiten, in denen der andere Elternteil das Besuchsrecht ausübt, ist diese Situation nicht vergleichbar. Denn zum einen
wird der allein Sorgeberechtigte während der Zeit, in der sich das Kind bei dem anderen Elternteil aufhält, nicht von seiner
Sorgepflicht entlastet. Zum anderen findet die Ausübung des Besuchsrechts in aller Regel an Wochenenden statt, während derer
der sorgeberechtigte Elternteil anderen Verpflichtungen auch nicht (z.B. Behördengänge, Arztbesuche) oder nur eingeschränkt
(z.B. Einkäufe) nachgehen kann.
Ist danach in Fällen der vorliegenden Art bereits das Merkmal des "Alleinerziehens" nicht erfüllt, kommt auch die von dem
Kläger erstrebte abweichende Berechnung seines Bedarfs gem. § 23 Abs. 2 BSHG ("soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht") nicht in Betracht, da diese ebenfalls ein "Alleinerziehen"
voraussetzt.
Da das Urteil des Verwaltungsgerichts mit den vorstehenden Erwägungen übereinstimmt, bestehen auch nicht eine Zulassung der
Berufung rechtfertigende "ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils". Sie ergeben sich insbesondere auch nicht daraus,
daß die geschiedene Ehefrau des Klägers von einem anderen (für sie örtlich zuständigen) Sozialhilfeträger einen (anteiligen)
Mehrbedarfszuschlag erhält. Der Gleichheitsgrundsatz des Art.
3 GG gäbe dem Kläger nur dann einen Anspruch darauf, entgegen der Rechtslage nach dem BSHG einen (anteiligen) Mehrbedarfszuschlag zu erhalten, wenn gerade der für ihn örtlich zuständige Sozialhilfeträger in gleichgelagerten
Fällen regelmäßig eine solche Leistung gewährte; das ist aber offensichtlich nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
154 Abs.
2,
188 Satz 2
VwGO.
Dieser Beschluß ist gem. §
124a Abs.
2 Satz 3,
152 Abs.
1 VwGO unanfechtbar.