Sozialhilferecht: Zeitaufwand bei der Abgrenzung der Pflegestufen nach § 69a Abs. 1 bis 3 BSHG
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des der Klägerin ab dem 1. Juli 1995 zu gewährenden Pflegegeldes.
Die am 26. April 1914 geborene Klägerin traf im Mai 1995 zusammen mit ihrem Ehemann und der Familie ihres Sohnes, von Rußland
kommend, in der Bundesrepublik Deutschland ein; sie erhielten Aufenthaltserlaubnisse. Die Klägerin ist nicht kranken- und
pflegeversichert und erhält vom Beklagten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Sie und ihr (ebenfalls pflegebedürftiger) Ehemann
lebten zusammen mit ihrem Sohn und dessen Ehefrau in einer Drei Zimmer-Wohnung.
Mit der Begründung, sie sei blind und habe bereits drei Schlaganfälle erlitten, beantragte die Klägerin unter dem 30. Juni
1995 beim Beklagten, ihr aus Sozialhilfemitteln (auch) ein Pflegegeld zu gewähren. Aufgrund der daraufhin durchgeführten Untersuchung
hielt der im Gesundheitsamt des Beklagten tätige Arzt für öffentliches Gesundheitswesen und Sozialmedizin Dr. F. in seinem
Gutachten vom 1. September 1995 fest, die Klägerin sei pflegebedürftig im Sinne der Pflegestufe I. Insbesondere nach zwei
Schlaganfällen und wegen ihrer Blindheit sei sie überwiegend so schwer beeinträchtigt, daß sie bei nahezu allen Verrichtungen
des täglichen Lebens fremde Hilfe im zeitlichen Umfang von etwa 110 Minuten pro Tag (Körperpflege 40 Minuten tägl., Ernährung
und Mobilität je 30 Minuten tägl., hauswirtschaftliche Versorgung 60 Minuten pro Woche) benötige. Wegen der Einzelheiten seiner
Feststellungen wird auf Bl. 82, 184 ff des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.
Im Hinblick darauf, daß die Pflege der Klägerin durch ihren Sohn und ihre Schwiegertochter gewährleistet wurde, bewilligte
der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 7. November 1995 das für erheblich Pflegebedürftige vorgesehene Pflegegeld nach
§ 69 a Abs. 1 BSHG in Höhe von 400 DM monatlich für die Monate Juli und August 1995. Gleichzeitig lehnte er den weitergehenden Antrag unter
Hinweis auf das der Klägerin ab September 1995 gewährte Landesblindengeld ab, da nach der von § 69c Abs. 1 BSHG vorgeschriebenen Anrechnung von 70 v.H. des Landesblindengeldes ein restlicher Zahlbetrag nicht bleibe.
Auf den von der Klägerin dagegen eingelegten Widerspruch gewährte der Beklagte durch Teilabhilfebescheid vom 12. Januar 1996
für die Zeit ab 01. Januar 1996 ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 8,60 DM, da das ihr gewährte Landesblindengeld gekürzt
worden war. Im übrigen wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 1996 zurück.
Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Hannover - 3. Kammer Hildesheim - durch Gerichtsbescheid vom 23. September
1996 abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe einen weitergehenden Anspruch nicht,
da sie nicht im Sinne der Pflegestufe II pflegebedürftig sei. Die amtsärztliche Feststellung zur Einstufung der Pflegebedürftigkeit
sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar zweifle die Kammer angesichts der bei der Klägerin diagnostizierten gesundheitlichen
Beeinträchtigungen (insbesondere des Zustande nach Apoplex im März 1994 und Mai 1995 sowie der Blindheit) und angesichts der
unter Punkt 4. erhobenen pflegebegründenden Befunde sowie des unter Punkt 5. "Bestimmung der Pflegebedürftigkeit" im einzelnen
festgestellten Hilfebedarfs, insbesondere zur Körperpflege (5.1) und Ernährung (5.2), daran, daß der dafür angenommene Zeitaufwand
von 40 bzw. 30 Minuten täglich ausreichend bemessen sei. Es sei jedoch weder vorgetragen noch sonst erkennbar, daß der für
die Pflege erforderliche Zeitaufwand im Tagesdurchschnitt die nach §§ 69 a Abs. 2, 68 Abs. 6 BSHG i.V.m. den Pflegebedürftigkeits-Richtlinien für eine Einstufung in die Pflegestufe II (mindestens) vorausgesetzten drei Stunden
erreiche. Vor diesem Hintergrund sehe die Kammer nicht Veranlassung, ein Sachverständigengutachten zur Klärung des Umfangs
der Pflegebedürftigkeit der Klägerin einzuholen. Die vorgelegte (privat-)ärztliche Stellungnahme des Dr. K. vom 7. September
1995 (Bl. 142 des Verwaltungsvorgangs) veranlasse dazu nicht. Sie enthalte substantiierte Aussagen nur zum Sehvermögen der
Klägerin und darüber hinaus (lediglich) die nicht nachvollziehbar bzw. nachprüfbar begründeten Angaben, daß eine Inkontinenz
der Blase bzw. des Darms bestehe, häufig Bettlägrigkeit vorliege und der "Grad der Pflegebedürftigkeit I-II" bestehe. Aus
denselben Erwägungen habe die Kammer auch davon abgesehen, den Sohn der Klägerin als Zeugen zu vernehmen, zumal es nicht allein
um die Frage gehe, in welchem Maße Familienangehörige tatsächlich die Klägerin betreut hätten, sondern darum, in welche Pflegestufe
die Klägerin aufgrund sachverständiger Feststellungen einzuordnen gewesen sei.
Gegen diesen am 18. Oktober 1996 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 21. Oktober 1996 Berufung eingelegt. Zu
deren Begründung macht sie im wesentlichen geltend: Ihr Sohn könne (auch mit Blick auf die unzutreffenden Feststellungen im
neuen Gutachten vom 16. Dezember 1996) bestätigen, daß die tägliche Pflege mindestens drei Stunden beanspruche. Wegen der
Einzelheiten dieses Vortrags der Klägerin wird auf den Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 24. April 1998 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und den Beklagten unter entsprechender Aufhebung seines Bescheides vom 7. November
1995 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 1996 zu verpflichten, ihr für die Zeit vom 1. Juli 1995 bis
zum 15. Mai 1996 unter Anrechnung der gewährten Leistungen Pflegegeld nach § 69 a Abs. 2 BSHG zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die ergangenen Entscheidungen und macht ergänzend geltend: Die neueste amtsärztliche Untersuchung vom 16. Dezember
1996 bestätige, daß sich die Pflegebedürftigkeit der Klägerin nicht erhöht habe. Der Gutachter habe eher eine Besserung angenommen,
da die Klägerin sich am Tage überwiegend allein mit ihrem Ehemann in der Wohnung aufhalte, während die Pflegepersonen außer
Hauses seien. Dies bestätige auch die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidungen. Die Pflegebedürftigkeit der Klägerin erreiche
allenfalls einen Umfang von täglich 142 Minuten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und den Verwaltungsvorgang verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die unstreitig erheblich
pflegebedürftige Klägerin hat weder hinreichend dargetan noch ist sonst ersichtlich, daß sie in dem zu beurteilenden Zeitraum
vom 1. Juli 1995 bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 1996 schwerpflegebedürftig gewesen ist. Der Beklagte
ist deshalb nicht verpflichtet, ihr für die zu beurteilende Zeit ein (höheres) Pflegegeld zu gewähren, das auf der Basis des
für Schwerpflegebedürftige vorgesehenen Betrages von 800 DM zu errechnen wäre.
Schwerpflegebedürftigkeit im Sinne des § 69 a Abs. 2 BSHG in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 23. März 1994 (BGBl. I S. 646, ber. S. 2975), die bis zum maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt durch das Agrarsozialreformgesetz 1995 vom 29. Juli 1994 (BGBl.
I S. 1890) geändert worden ist, liegt vor bei Pflegebedürftigen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für mehrere
Verrichtungen mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche
Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, daß diese Voraussetzungen erst erfüllt sind, wenn die erforderlichen Hilfestellungen
auch in zeitlicher Hinsicht einen bestimmten Umfang im Tagesdurchschnitt mindestens drei Stunden, bei eindeutigem Übergewicht
des pflegerischen gegenüber dem hauswirtschaftlichen Aufwand, erreicht haben. Der Senat kann letztlich dahingestellt lassen,
ob sich dies bereits unmittelbar aus den vom Gesetz in Bezug genommenen sonstigen Vorschriften, oder aus einer Gesamtschau
der gesetzlichen Vorschriften ergibt.
Nach dem Wortlaut des § 68 Abs. 6 BSHG i.V.m. Nr. 4.1.2 der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen über die Abgrenzung der Merkmale der Pflegebedürftigkeit und der
Pflegestufen sowie zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit (Pflegebedürftigkeits-Richtlinien -PflRi) vom 7.
November 1994 (NDV 1995, 34 ff), die nach §
17 SGB XI erlassen worden sind, muß der wöchentliche Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger, Nachbar oder eine andere nicht als Pflegekraft
ausgebildete Pflegeperson für alle für die Versorgung des Pflegebedürftigen nach Art und Schwere seiner Pflegebedürftigkeit
erforderlichen Leistungen der Grundpflege, hauswirtschaftlichen Versorgung und pflegeunterstützenden Maßnahmen benötigt, im
"Tagesdurchschnitt mindestens drei Stunden betragen, wobei der pflegerische Aufwand gegenüber dem hauswirtschaftlichen Aufwand
eindeutig das Übergewicht haben muß". Nach überwiegender Auffassung ist damit ein zeitlicher Mindestaufwand verbindlich definiert,
ohne den zumindest im Regelfall Schwerpflegebedürftigkeit im Sinne des § 69 a Abs. 2 BSHG nicht vorliegt (in diesem Sinne etwa: Schoch, Die Hilfe zur Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz unter besonderer Berücksichtigung der Neuregelung auch durch das Pflegeversicherungsgesetz - Eine Orientierung, ZfF 1995,
49, 52; Zeitler, Die Hilfe zur Pflege nach §§ 68 ff BSHG ab 1. April 1995, NDV 1995, 143, 144; Jürgens, Die Hilfe zur Pflege als Ergänzung und Erweiterung der Pflegeversicherung, ZfSH/SGB 1997, 24, 27; Schellhorn in Schellhorn/ Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl., § 68 Rdnr. 33, der auch auf die bislang weiterbestehenden "Merkwürdigkeiten der versuchten Synchronisierung zwischen BSHG und
SGB XI" hinweist, um die es hier geht).
Der gegenteiligen Auffassung von Zink (in Mergler/Zink, Bundessozialhilfegesetz, Kommentar, Stand September 1997, § 69 a BSHG Rdnr. 30, § 68 Rdnr. 79), wonach die von § 69 a BSHG vorgenommene Unterscheidung der verschiedenen Schweregrade der Pflegebedürftigkeit und die damit verbundene Differenzierung
der Höhe des Pflegegeldes allein an den im Normtext des § 69 a BSHG genannten Kriterien sowie nach den individuellen Verhältnissen unter Berücksichtigung des gesamten Bedarfs des Hilfesuchenden
zu erfolgen habe, nicht aber nach (für den zu beurteilenden Zeitraum lediglich in den o.g. Pflegebedürftigkeits- Richtlinien
ausdrücklich festgeschriebenen) zeitlichen Unterscheidungsmerkmalen, folgt der Senat nicht. Der Einwand, die von den Pflegebedürftigkeits-
Richtlinien festgeschriebenen zeitlichen Mindesterfordernisse würden gegen das verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungsrecht
der kommunalen Sozialhilfeträger verstoßen (Zink, aaO, § 68 Rdnr. 79), vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil die
Sozialhilfeträger von der dadurch regelmäßig bewirkten Einschränkung des Umfangs ihrer materiellen Leistungspflicht nicht
beschwert werden; sie waren im übrigen durch ihre Spitzenverbände auf Bundesebene auch am Entstehungsprozeß der Richtlinien
beteiligt (§
17 Abs.
1 Satz 2
SGB XI). Auch der von Zink (aaO, §
68 Rdnr. 79) angedeutete Einwand, durch Verwaltungsvorschriften der Pflegekassen könne "eine so weitgehend leistungsbegrenzende
und in die Rechtsposition der Anspruchsberechtigten eingreifende generelle Regelung" nicht getroffen werden, überzeugt nicht.
Um die Begrenzung einer vom Gesetzgeber weitergehend gewährten Rechtsposition geht es nach der Auffassung des Senats nicht.
Der Gesetzgeber hat neben § 69 a BSHG weitere Bestimmungen für die Abgrenzung der Pflegestufen für erforderlich und damit die Vorschriften des § 69 a BSHG erkennbar nicht für abschließend gehalten, wie er in § 68 Abs. 6 BSHG zum Ausdruck gebracht hat. Die nach der Auffassung von Zink eintretende deutliche Ausweitung des Leistungsumfangs wäre vom
Gesetzgeber ausweislich der Bestandsschutzvorschriften des Art. 51 PflegeVG und auch der Entstehungsgeschichte der Vorschriften (vgl. dazu BT- Drucks. 12/5262, S. 167 f) ersichtlich nicht gewollt gewesen.
Ob in der durch § 68 Abs. 6 BSHG bewirkten Delegation von Rechtssetzungsgewalt ein Verstoß gegen das parlamentarische Prinzip (Parlamentsvorbehalt) gesehen
werden muß (vgl. dazu etwa die Ausführungen von Udsching,
SGB XI, §
17 Rdnr. 5 und §
15 Rdnr. 12 zur ersten Fassung des §
15 Abs.
3 SGB XI; zwischenzeitlich ist §
15 Abs.
3 SGB XI entsprechend geändert worden), der auch mit Blick auf die föderale Ordnung des Grundgesetzes bedenklich ist (vgl. dazu die
Stellungnahme des Bundesrates zum 1.
SGB XI-ÄndG v. 3. Mai 1996 BT-Drucks. 13/4521, S. 4), braucht der Senat im vorliegenden Fall nicht zu beantworten, weil es darauf
entscheidungserheblich nicht ankommt. Der Senat ist auch mit Blick auf die Umstände des Einzelfalls überzeugt, daß der bei
einer förmlichen Unverbindlichkeit der Pflegebedürftigkeits-Richtlinien bestehenden planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes
durch eine (lückenfüllende) Gesetzesinterpretation zu begegnen ist, wonach Schwerpflegebedürftigkeit im Sinne des § 69 a Abs. 2 BSHG zumindest im Regelfall - wie vorliegend - nicht angenommen werden kann, wenn die Pflege in zeitlicher Hinsicht durchschnittlich
nicht zumindest drei Stunden täglich in Anspruch nimmt.
Daß das Bundessozialhilfegesetz neben den in § 69 a BSHG genannten Kriterien weitere Elemente zur Abgrenzung der verschiedenen Grade der Pflegebedürftigkeit gewollt hat, ergibt sich
bereits aus der Vorschrift des § 68 Abs. 6 BSHG selbst, die unabhängig von der problematischen Delegation von Rechtssetzungsgewalt auch klarstellt, daß die in § 69 a BSHG genannten Kriterien nicht abschließend sein sollen. Dieser gesetzgeberische Wille leitet sich auch aus der nach § 68 a BSHG vorgeschriebenen Bindungswirkung der Entscheidung der Pflegekasse und schließlich daraus ab, daß eine Reform ersichtlich
nicht beabsichtigt war, die den Umfang der (sozialhilferechtlichen) Leistungen so weitgehend ausdehnen sollte, wie es bei
Zugrundelegung der von Zink vertretenen Auffassung der Fall wäre. Der Senat hält den in den Pflegebedürftigkeits- Richtlinien
angenommene zeitliche Mindestumfang für die Annahme einer Pflegebedürftigkeit nach der Stufe II im übrigen mit Blick auch
auf den dabei berücksichtigten medizinischen Sachverstand für sachgerecht.
Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin im zu beurteilenden Zeitraum nicht schwerpflegebedürftig gewesen. Der Senat kann als
wahr unterstellen und braucht auch deshalb dem im übrigen nicht hinreichend substantiiert gestellten Beweisantrag der Klägerin
auf Vernehmung ihres Sohnes "über die Frage, ob der tägliche Pflegeaufwand (für sie) mindestens drei Stunden täglich betragen
hat", nicht nachzugehen, daß ihre im Schriftsatz vom 24. April 1998 enthaltenen Angaben über die ihr zuteil gewordene "Pflege"
richtig sind. Die Klägerin hat mit dem Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 24. April 1998 vorgetragen, sie benötige
tägliche Pflege im Umfang von mindestens 246 Minuten (mindestens 60 Minuten im Bereich der Körperpflege, 40 Minuten bei der
Ernährung, 21 Minuten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung und 125 Minuten im Bereich der Mobilität). Als Aussagen
über das maßgebliche Pflegeerfordernis sind diese Zeitangaben jedoch nur eingeschränkt erheblich. Denn auf die im Bereich
der Mobilität angenommenen 90 Minuten für den täglichen Spaziergang der Klägerin kommt es zur Bestimmung des Maßes der erforderlichen
Pflege aus Rechtsgründen nicht an. Nicht jede Fortbewegung, bei der ein Pflegbedürftiger Hilfe braucht, ist im Sinne des §
69 a Abs. 2 BSHG erforderlich.
Grundsätzlich können dazu nur solche Hilfen im Bereich der Mobilität der pflegebedürftigen Person herangezogen werden, die
im Zusammenhang mit den sonstigen Verrichtungen des täglichen Lebens stehen und die demgemäß regelmäßig innerhalb der Wohnung
stattfinden (in diesem Sinne auch Nr. 3.4.2 der Pflegebedürftigkeits- Richtlinien). Jedenfalls im Grundsatz folgerichtig stellen
die Pflegebedürftigkeits-Richtlinien (aaO) auch darauf ab, daß beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung nur solche Verrichtungen
außerhalb der Wohnung des Pflegebedürftigen zu berücksichtigen sind, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause
unumgänglich sind und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen erfordern; Hilfe, die z. B. bei Spaziergängen oder
zum Besuch kultureller Veranstaltungen geleistet wird, hat danach unberücksichtigt zu bleiben. Dies hat nach der Auffassung
des Senats im Grundsatz auch für § 69 a Abs. 2 BSHG zu gelten, da nur auf diese Weise das notwendige Maß der Pflegebedürftigkeit hinreichend sicher, von Wünschen der pflegebedürftigen
Person unabhängig, abgegrenzt werden kann. Ausnahmen sind in dem Maße zuzulassen, in dem die (weitere) Bewegung wegen der
jeweiligen Behinderung (medizinisch) geboten ist.
Im Falle der Klägerin sprechen keine Anzeichen dafür, daß ihre Spaziergänge wegen ihrer Behinderungen überhaupt erforderlich
gewesen sind. Selbst wenn zu ihren Gunsten angenommen würde, daß insoweit ein Pflegebedarf von 15 Minuten täglich anzuerkennen
wäre, wie wohl der Beklagte meint, könnte das ihrem Begehren nicht zum Erfolg verhelfen. Dann wäre -- die übrigen Angaben
der Klägerin als wahr unterstellt - nach ihrem eigenen Vortrag eine tägliche Pflege im Umfang von nicht mehr als 171 Minuten
erforderlich (bzw. von 176 Min., wenn sogar angenommen wird, daß die Klägerin zusätzlich zu den von ihr angegebenen 40 Minuten
täglichen Waschens nicht nur weitere 10, sondern weitere 15 Minuten für die tägliche Dusche benötigt). Demgemäß hat der Senat
auch keine Veranlassung gesehen, zur pflegerischen Erforderlichkeit ausgedehnterer Spaziergänge der Klägerin ihren dafür ohnehin
nicht sachkundigen Sohn als Zeugen zu vernehmen oder - wie von der Klägerin schriftsätzlich angeregt - dazu bzw. zum Umfang
ihrer Pflegebedürftigkeit insgesamt ein (weiteres) Sachverständigengutachten einzuholen sowie ihren Hausarzt Dr. K.) als Zeugen
zu vernehmen. Mit Blick auf die im Ergebnis überzeugenden Aussagen des Amtsarztes in seinen Gutachten vom 1. September 1995
und vom 16. Dezember 1996 - auf seine Zeitangaben im einzelnen kommt es, wie dargelegt, nicht entscheidungserheblich an -
hat sich dem Senat dies auch nicht wegen der bereits vom Verwaltungsgericht zutreffend gewürdigten privatärztlichen Stellungnahmen
aufgedrängt, die die Klägerin vorgelegt hat, zumal sie nicht hinreichend substantiiert vorgetragen hat, welche Kenntnisse
sie in das Zeugnis ihres Hausarztes stellt; allein dessen Stellungnahme vom 7. September 1995 (Bl. 142 des Verwaltungsvorgangs),
die er "zur Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung von Landesblindengeld" abgegeben hat, daß ein "Grad der Pflegebedürftigkeit
I - II" betrage, läßt nicht die Annahme zu, die amtsärztliche Stellungnahme sei im Ergebnis unzutreffend.
Schließlich ist der Beklagte nicht gehalten, der Klägerin ein höheres Pflegegeld zu gewähren, um der von ihr als unstimmig
empfundenen Kürzung ihres Landesblindengeldes, die wegen ihrer Pflegebedürftigkeit vorgenommen wurde, entgegenzuwirken. Soweit
die Klägerin meint, die Entscheidung über das Landesblindengeld sei unrichtig, ist ihr unbenommen, die dagegen möglichen Rechtsbehelfe,
über die der Senat nicht zu entscheiden hat, zu ergreifen.
Die Berufung ist demnach mit der Kostenfolge aus §§
188 Satz 2,
154 Abs.
2 VwGO zurückzuweisen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §
167 VwGO. Gründe für eine Zulassung der Revision (§
132 Abs.
2 VwGO) liegen nicht vor.