Soziahilferecht; Sozialhilfe für Konventionsflüchtlinge; Freizügigkeit
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsteller ist begründet. Die Antragstellerin zu 1. und ihre beiden erwachsenen Kinder, die Antragsteller
zu 2. und 3., die aus dem Irak stammen und sich derzeit im Gebiet des Antragsgegners aufhalten, um mit zwei weiteren Kindern
der Antragstellerin zu 1. zusammenzuleben, haben einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund im Sinne des §
123
VwGO glaubhaft gemacht. Nach der in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung von Fragen
der Auslegung und Anwendung völkerrechtlicher Vorschriften und vorbehaltlich einer abschließenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren
können die Antragsteller als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention vom Antragsgegner verlangen, ihnen ab dem 1. Mai 1998
vorläufig laufende Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren (nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können im Verfahren
des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich - wie hier - laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nur ab dem ersten Tag des
Monats seiner Entscheidung zugesprochen werden und weitergehende Leistungen haben die Antragsteller auch nicht beantragt).
Das Verwaltungsgericht und der Antragsgegner meinen zu Unrecht, die Antragsteller müßten sich auf die ihnen vom Landkreis
S. im Freistaat Sachsen angebotene Hilfe zum Lebensunterhalt verweisen lassen, weil dieser Landkreis ihnen räumlich nicht
beschränkte Aufenthaltsbefugnisse ausgestellt habe, die vorläufig bis März 1999 gültig seien (der Senat entnimmt dem vom Antragsgegner
nicht bestrittenen Vortrag der Antragsteller, daß dies auch für den Antragsteller zu 3. zutrifft, für den entsprechende Unterlagen
nicht vorgelegt worden sind).
Die Antragsteller haben glaubhaft gemacht und der Antragsgegner ist dem insoweit nicht entgegengetreten, daß sie die Voraussetzungen
für die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG erfüllen, weil sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen können. Für die Gewährung
dieser Hilfe ist nach § 97 Abs. 1
BSHG der Antragsgegner örtlich zuständig. Der Anspruch der Antragsteller ist nicht gemäß §
120 Abs.
5 Satz 2
VwGO auf das Gebiet des Freistaates Sachsen beschränkt, da Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) vom 11. Dezember 1953 (BGBl II 1956 S. 564) und Art. 1 und 2 des Zusatzprotokolls
zu diesem Abkommen vom 11. Dezember 1953 (BGBl. 1956 II S. 578) die Anwendung des § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG auf Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention - wie die Antragsteller - ausschließen.
Das Europäische Fürsorgeabkommen begründet Verpflichtungen nicht nur zwischen den vertragschließenden Staaten, sondern es
begründet Rechte und Pflichten des Einzelnen. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu in seinem Urteil vom 14. März 1985 -
BVerwG 5 C 185.83 - (BVerwGE 71, 139 = FEVS Bd. 34 S. 221 = DVBI. 1986 S. 105 = NVwZ 1986 S. 48) ausgeführt:
"Der Bundestag hat mit dem mit Zustimmung des Bundesrats beschlossenen Gesetz vom 15. Mai 1956 (BGBl II S. 563) dem Europäischen
Fürsorgeabkommen zugestimmt (s. Art.
59 Abs.
2 Satz 2
GG) und dadurch dessen Inhalt insoweit in innerstaatlich anwendbares, Rechte und Pflichten des Einzelnen begründendes Recht
transformiert, als die Vertragsbestimmungen nach Wortlaut, Zweck und Inhalt wie innerstaatliche Gesetzesvorschriften rechtliche
Wirkungen auszulösen geeignet sind (vgl. BVerfGE Bd. 29 S. 348, 360; BVerwGE Bd. 44, S. 156, 160). Wie auch das Abkommen zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege ... treffen diese Voraussetzungen
auch auf das Europäische Fürsorgeabkommen deshalb zu, weil es ein Vertrag ist, dessen Zweck darin liegt, auf den Gebieten
der sozialen und der Gesundheitsfürsorge den Angehörigen der Vertragsstaaten Gleichbehandlung mit den Inländern einzuräumen.
Dieser Zweck läßt sich nur erreichen, wenn die Staatsangehörigen der Vertragsstaaten die Gleichbehandlung nach Maßgabe der
im Anhang 1 des Abkommens genannten nationalen Gesetze unmittelbar geltend machen können; der Anhang 1 ist nach Art. 19 EFA
Bestandteil des Abkommens (s. auch die Begründung zu § 113 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für ein Bundessozialhilfegesetz - BT-Drucks. 3/1799 S. 60 ff.)....
Auch Gründe der Systematik des § 120
BSHG stehen der Anwendbarkeit des Europäischen Fürsorgeabkommens nicht entgegen...."
Nach Art. 1 EFA verpflichtet sich jeder der Vertragschließenden, "den Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden, die
sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende
Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen
der sozialen und Gesundheitsfürsorge (...) zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen
sind".
Die Anwendung des Art. 1 EFA im Fall der Antragsteller scheitert nicht daran, daß diese Staatsangehörige des Irak sind und
damit aus einem Staat stammen, der dieses Abkommen nicht unterzeichnet hat. Denn nach Art. 2 des Zusatzprotokolls zu dem Europäischen
Fürsorgeabkommen finden die Vorschriften des Teils 1 des Fürsorgeabkommens - dazu gehört auch dessen Art. 1 - auf "die Flüchtlinge"
unter den gleichen Voraussetzungen Anwendung wie auf die Staatsangehörigen der Vertragschließenden. Art. 1 des Zusatzprotokolls
bestimmt, daß dem Ausdruck "Flüchtling" grundsätzlich (einschränkende Erklärungen hat die Bundesrepublik Deutschland nicht
abgegeben) die Bedeutung zukommt, die ihm in Art. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951
(Genfer Konvention - GK -, BGBl. 1953 II S. 559) gegeben wird. Danach ist "Flüchtling" jede Person, die sich "aus der begründeten
Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen
ihrer politischen Überzeugung außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses
Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will".
Die Antragsteller sind Flüchtlinge in diesem Sinne. Nach §
3
Asylverfahrensgesetz -
AsylVfG - ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention, wenn das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
oder ein Gericht unanfechtbar festgestellt hat, daß ihm in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, die in § 51 Abs. 1
Ausländergesetz vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Mai 1997 (BGBl. I S. 1330) - AuslG 90 - (gleichbedeutend wie in Art. 1 GK) bezeichneten Gefahren drohen. Nach Aktenlage ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge im Falle aller drei Antragsteller entsprechende Feststellungen getroffen hat, sie also aus den genannten
Gründen nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden dürfen.
Ein Leistungsanspruch der Antragsteller als Flüchtlinge setzt nach Art. 1 EFA - ebenso wie für Staatsangehörige der (anderen)
vertragschließenden Staaten - ferner voraus, daß ihr Aufenthalt "erlaubt" ist. Nach Art. 11 Abs. a Satz 1 EFA gilt der Aufenthalt
eines Ausländers im Gebiet eines der Vertragschließenden solange als erlaubt, als der Beteiligte im Besitz einer gültigen
Aufenthaltserlaubnis oder einer anderen in den Rechtsvorschriften des betreffenden Staates vorgesehenen Erlaubnis ist, aufgrund
welcher ihm der Aufenthalt in diesem Gebiet gestattet ist. Die Urkunden, die als Nachweis des Aufenthalts im Sinne des Art.
11 des Abkommens anerkannt werden, ergeben sich aus dem Anhang III zum Europäischen Fürsorgeabkommen (Anhang I bis III jeweils
in der ab 1. Februar 1991 gültigen Fassung der Bekanntmachung vom 8. Mai 1991 [BGBl. II S. 686]), der gemäß Art. 19 EFA ebenso
wie die Anhänge I und II Bestandteil des Abkommens ist. Für die Bundesrepublik Deutschland sind dort genannt:
- Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 des Ausländergesetzes vom 9. Juli 1990, auf besonderem Blatt erteilt oder im Ausweis eingetragen,
- Aufenthaltserlaubnis für Angehörige eines Mitgliedsstaates der EWG,
- Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis, nachgewiesen durch eine entsprechende Bescheinigung oder durch Eintragung im Ausweis:
"Ausländerbehördlich erfaßt".
Im Sinne dieser Erklärung liegt eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 des Ausländergesetzes vom 9. Juli 1990 auch dann vor,
wenn - wie vorliegend den Antragstellern - eine Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1
AsylVfG erteilt worden ist. Dem steht nicht entgegen, daß § 5
AuslG, der zu den verschiedenen Arten von Aufenthaltsgenehmigungen auch die "Aufenthaltsbefugnis (§
30)" zählt, nicht ausdrücklich auch auf § 70
AsylVfG verweist. Da es insoweit aus den nachfolgend genannten Gründen allein auf die Tatsache der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis
ankommt, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob § 70 Abs. 1
AsylVfG ungeachtet seiner spezielleren Ausprägung (vgl. GK-
AsylVfG, Stand: Dezember 1997, Anm. 22 zu § 70
AsylVfG; Marx, Komm. z.
AsylVfG, Aufl. 1995, Anm. 16 zu § 70) der Sache nach auch eine Aufenthaltsbefugnis im Sinne der §§ 5, 30
AuslG 90 darstellt. Es ist nach Auffassung des Senats geboten, die Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1
AsylVfG als Nachweis des erlaubten Aufenthalts im Sinne des Art. 11 EFA anzuerkennen.
Dies ergibt sich ohne weiteres, wenn angenommen wird, daß Anhang III zum Europäischen Fürsorgeabkommen mit der Bezugnahme
auf die Aufenthaltsgenehmigung nach "§ 5 des Ausländergesetzes vom 9. Juli 1990" nicht auf das Ausländergesetz in der jeweils aktuellen Fassung verweist, sondern auf den Rechtszustand abstellt, der am 1. Februar 1991 gegolten hat. §
30 Abs. 5
AuslG 90, auf den in § 5
AuslG 90 verwiesen wird, lautete damals: "Einem Ausländer, bei dem das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
unanfechtbar die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 festgestellt hat, ist eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen, wenn seine Abschiebung
aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Im übrigen darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar
abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, eine Aufenthaltsbefugnis nur nach Maßgabe der Absätze
3 und 4 erteilt werden." Der hier zitierte § 30 Abs. 5 Satz 1 AuslG 90 ist durch Gesetz vom 26. Juni 1992 (BGBl. I S. 1126) aus dem AuslG 90 gestrichen und gleichzeitig - ergänzt vor allem um die Worte "nicht nur vorübergehend" - als § 70 Abs. 1 in das damals neu gefaßte
AsylVfG eingefügt worden.
Aber auch dann, wenn auf das Ausländergesetz in seiner jeweils gültigen Fassung verwiesen worden wäre, könnte nicht angenommen werden, daß mit der Schaffung des § 70 Abs. 1
AsylVfG beabsichtigt gewesen wäre, die Gruppe der nach dem Europäischen Fürsorgeabkommen begünstigten Ausländer wesentlich zu ändern
und die vom Zusatzprotokoll erfaßten Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention auszuschließen. Die Schaffung des Art. 70 Abs. 1
AsylVfG im Jahre 1992 hat nicht den Zweck gehabt, den Status der betroffenen Ausländer in ausländerrechtlicher oder gar fürsorgerechtlicher
Hinsicht zu ändern. Die Gesetzesänderung beruhte vielmehr darauf, daß mit der Neufassung des
AsylVfG im Jahre 1992 die Zuständigkeiten für die Entscheidung über das Asylbegehren nach Art.
16
GG a. F. und das Vorliegen Von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1
AuslG 90 bei dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zusammengefaßt und ausschließlich im
AsylVfG geregelt wurden, weshalb auch die Regelungen über den Aufenthalt nach Abschluß des Asylverfahrens in das
AsylVfG verlagert wurden. Eine sachliche Änderung sollte damit nicht verbunden sein. So heißt es auch in der Begründung zu dem Entwurf
des Gesetzes zur Neuregelung des Asylverfahrens zu § 68 des Entwurfs (entspricht § 70 des Gesetzes) lediglich: "Abs. 1 übernimmt die Vorschrift des § 30 Abs. 5 Satz 1 AuslG in das
AsylVfG mit der Klarstellung, daß die Abschiebung nicht vorübergehend unmöglich sein muß" (BT-Drucks. 12/2062 S. 39). Zu der entsprechenden
Änderung des § 30 Abs. 5
AuslG heißt es dort (a.a.O. S.43): "Die Vorschrift enthält keine sachliche, sondern lediglich eine notwendige, rein redaktionelle
Folgeänderung daraus, daß der bisherige § 30 Abs. 5 Satz 1 AuslG nunmehr als § 68 Abs. 1 des Entwurfs in das
Asylverfahrensgesetz übernommen worden ist".
Für die Behandlung der Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1
AsylVfG als Nachweis des erlaubten Aufenthalts im Sinne des EFA spricht eine weitere Erwägung: Die Bundesrepublik Deutschland hat
gegenüber den anderen vertragschließenden Staaten nach Inkrafttreten des AuslG 90 mitgeteilt, daß es die Aufenthaltsgenehmigung nach § 5
AuslG 90 (in ihren verschiedenen Formen) als Nachweis des erlaubten Aufenthaltes eines Ausländers anerkennt. Daß der Inhalt der
Anlagen I bis III und damit letztlich auch der Inhalt des Abkommens nicht zur beliebigen Disposition der Vertragsparteien
durch Änderung einfachen nationalen Rechts steht, ergibt sich zum einen daraus, daß Art. 24 EFA detaillierte Regelungen über
die Geltungsdauer des Abkommens und Kündigungsmöglichkeiten enthält und darüber hinaus Art. 16 Abs. 2 a EFA ausdrücklich vorsieht,
daß die Vertragschließenden den Generalsekretär des Europarates über jede Änderung ihrer Gesetzgebung zu unterrichten haben,
die den Inhalt von Anhang I und III berührt. Diese Regelungen des Europäischen Fürsorgeabkommens müssen im Zusammenhang damit
gesehen werden, daß dieses Abkommen eine Gleichbehandlung der Staatsangehörigen der vertragschließenden Staaten "auf Gegenseitigkeit"
und auch eine vergleichbare Behandlung von Flüchtlingen im Sinne der Genfer Konvention verbürgt. Das schließt es aus, sozusagen
stillschweigend durch eine Änderung des nationalen Rechts eine ganze Gruppe von Flüchtlingen aus dem Geltungsbereich des Europäischen
Fürsorgeabkommens herauszunehmen und damit den Anwendungsbereich des Zusatzprotokolls wesentlich zu verändern.
Da die Antragsteller sich nach alledem "erlaubt" im Sinne des Art. 1 EFA im Bundesgebiet aufhalten - die Bundesrepublik Deutschland
hat den räumlichen Geltungsbereich des Art. 1 EFA nicht beschränkt (Art. 2 Buchst. a (II) Satz 1 EFA) sind ihnen mit Ausnahme
der hier nicht streitigen Leistungen nach §§ 30, 72
BSHG, für die die Bundesrepublik Deutschland nach Anhang II zum Europäischen Fürsorgeabkommen eine Verpflichtung nicht übernommen
hat, "in gleicher Weise" und außerdem "unter den gleichen Bedingungen" die Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge
zu gewähren wie Deutschen. Zu den Leistungen der sozialen Fürsorge im Sinne des Art. 1 EFA gehören in Deutschland nach Anhang 1 zum Europäischen Fürsorgeabkommen u.a. die im "Bundessozialhilfegesetz (in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Januar 1987 (BGBl. I S. 401, 494), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes
vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1394)" vorgesehenen Leistungen. Der damit begründete Anspruch auf die gleichen Leistungen der
Sozialhilfe schließt es aus, die betroffenen Flüchtlinge für die Gültigkeitsdauer ihrer jeweiligen, regelmäßig für zwei Jahre
ausgestellten Aufenthaltsbefugnis an einen Träger der Sozialhilfe allein in dem Bundesland zu verweisen, in dem die Aufenthaltsbefugnis
erteilt worden ist. Denn vergleichbaren Einschränkungen ihrer sozialhilferechtlichen Ansprüche unterliegen Deutsche als Sozialhilfeempfänger
nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetz nicht. Auf die nach § 3a Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler (WoZuG) getroffene Sonderregelung
für Spätaussiedler kann es demgegenüber nicht ankommen, da sich der Gleichbehandlungsanspruch nach der insoweit allein maßgeblichen
Anlage I zum Europäischen Fürsorgeabkommen auf dieses Gesetz nicht erstreckt.
Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn angenommen wird, daß Art. 1 EFA i.V.m. Art. 1, 2 des Zusatzprotokolls zu diesem
Abkommen zumindest für Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention weitergehenden Ansprüche nicht gewähren wollte, als die
Genfer Konvention. Diese sieht (ohne daß der Senat in diesem Verfahren abschließend dazu Stellung nehmen müßte, in welchem
Verhältnis die danach begründeten Ansprüche zueinander stehen) auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge (ebenfalls) einen
Anspruch auf "die gleiche Behandlung" wie Inländer vor (Art. 23 GK), läßt aber auch Vorschriften zu, die die Freizügigkeit
von Ausländern einschränken, sofern es sich um Bestimmungen handelt, "die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen
Anwendung finden" (Art. 26 GK). Die mit § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG bezweckte faktische Einschränkung der Freizügigkeit beruht indessen schon deshalb nicht auf einer allgemeinen Vorschrift
in diesem Sinne, weil sie nicht auch für Ausländer mit anderen Aufenthaltsgenehmigungen im Sinne des § 5
AuslG 90, sondern lediglich für Ausländer gilt, die eine Aufenthaltsbefugnis besitzen und im übrigen nur solche Ausländer betrifft,
die auf Sozialhilfe angewiesen sind.
Soweit der Senat (mit Blick auf Art. 23 GK) die Anwendung des § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG auf Flüchtlinge mit dem Argument gebilligt hat, daß "auch Inländer ... im Einzelfall bei eingetretener bzw. unmittelbar bevorstehender
Hilfebedürftigkeit nach dem Selbsthilfegebot des § 2 Abs. 1
BSHG gehalten sein (können), einen bestimmten Wohnsitz nicht aufzugeben bzw. wieder aufzusuchen, an dem sie entweder den notwendigen
Lebensunterhalt für sich und gegebenenfalls ihre Angehörigen selbst beschaffen können oder zumindest eine Wohnung haben" (Beschl.
v. 9. Januar 1996 - 4 M 6156/95 -, FEVS 47, 18, 20), hält er daran für die vorliegende Fallgestaltung nicht fest. Denn der Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1
BSHG betrifft Deutsche und Ausländer gleichermaßen.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners und des Verwaltungsgerichts steht dem Anspruch der Antragsteller § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber vom 30. Juni 1993 (BGBl. I S. 1074; gleichlautend
schon § 120 Abs. 4 Satz 2 BSHG in der Fassung von Art. 7 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990, BGBl. I S. 1354) nicht entgegen. Danach darf einem Ausländer,
der eine räumlich nicht beschränkte Aufenthaltsbefugnis besitzt, nur die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe geleistet
werden, wenn der Ausländer sich außerhalb des (Bundes-)Landes aufhält, in dem die Aufenthaltsbefugnis erteilt worden ist.
§ 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG ist nach der Auffassung des Senats, der auch insoweit seine frühere Rechtsprechung (Beschl. v. 9. Januar 1996 - 4 M 6156/95 FEVS 47, 18; Beschl. v. 23. Juni 1997 - 4 M 2827/97 -) nicht fortsetzt, einschränkend auszulegen und auf die von Art. 1 EFA i.V.m. Art. 1, 2 des Zusatzprotokolls zu diesem Abkommen
erfaßten Ansprüche nicht anwendbar; diese Vorschriften gehen dem § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG als "speziellere Regelungen" vor. Denn während § 120 Abs. 5
BSHG für alle Ausländer gilt, die - aus welchen Gründen auch immer - eine räumlich nicht beschränkte Aufenthaltsbefugnis erhalten
haben, treffen das Europäische Fürsorgeabkommen (für Staatsangehörige der vertragschließenden Staaten) und das Zusatzprotokoll
(für Konventionsflüchtlinge) besondere Regelungen, die - insbesondere bezogen auf Konventionsflüchtlinge - nur für eine Teilgruppe
der Ausländer gelten, auf die sich der Wortlaut des § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG bezieht (ebenso BayVGH, Beschl. v. 1. Juli 1997 - 12 CE 96.2856 -, FEVS Bd. 48, 74 = InfAusIR 1997, 410 = NVwZ-Beilage 1/98
S. 5; vgl. auch - zu Art. 23 GK - VGH BaWü., Beschl. v. 18. Dezember 1996 - 7 S 2948/96 -, NDV-RD 1997, 135; zustimmend auch Deiseroth, Genfer Flüchtlingskonvention und Sozialhilfe, DVBl 1998, 116 ff; im Ergebnis - bezogen auf Art. 23, 26 GK - a. A. etwa: OVG Hbg., Beschl. v. 30. Januar 1994 - Bs IV 56/94 -, FEVS 45, 209 und v. 25. April 1996 - Bs IV152 und 153/96 -, FEVS 47, 21, OVG Berlin, Beschl. v. 31. Oktober 1996 - 6 S
241.96 -, FEVS 47, 225; vgl. nunmehr auch OVG NW, Beschl. v. 20. April 1998 - 24 B 3094/97 -, das die Frage offengelassen, aber den Anordnungsgrund verneint hat; vgl. auch Nds. OVG, 12. Senat, Beschl. v. 26. März
1998 - 12 M 998/98 -, mit weiteren Nachweisen zum Streitstand).
Der jetzt vom Senat für richtig gehaltenen Auffassung steht nicht entgegen, daß das Bundesverfassungsgericht in dem einen
Konventionsflüchtling betreffenden Beschluß vom 16. Juni 1997 1 BvR 236/97 -, NVwZ 1997, Beilage Nr. 10, S. 73) die vom OVG Berlin vorgenommene Auslegung des § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG nicht beanstandet hat. Mit dieser Entscheidung hat das BVerfG es lediglich abgelehnt, eine Verfassungsbeschwerde u.a. wegen
der Verletzung von Grundrechten des Beschwerdeführers (§ 93a Abs. 2 Buchst. b BVerfGG) anzunehmen. Wie sich der Begründung dieser Entscheidung entnehmen läßt, hat die entscheidende 2. Kammer des 1. Senats dabei
die rechtlichen Auswirkungen insbesondere des Art. 23 GK auf § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG als eine Frage der Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzesrechts nicht näher geprüft und lediglich festgestellt, daß
Verstöße gegen die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Grundrechte nicht bestehen; damit hat sie die Verantwortung für
die "richtige" Anwendung des Gesetzesrechts und der einschlägigen Normen des Völkerrechts beim Fachgericht belassen, so daß
dieser Entscheidung (wie auch dem Beschluß des BVerfG vom 17. September 1997 - 1 BvR 1401/97 -, FamRZ 1997, 1469) eine Bindungswirkung nach § 31
BVerfGG nicht zukommt (ebenso Nds. OVG, 12. Senat, Beschl. v. 26. März 1998 - 12 M 998/98 -, S. 4 des Umdrucks; Deiseroth, a.a.O., S. 123 in Fn. 52; vgl. nunmehr auch BVerfG, Beschl. v. 12. März 1998 - 1 BvR 93/98 -, mit dem das Bundesverfassungsgericht in einem bezogen auf § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG vergleichbaren Fall zugunsten von Konventionsflüchtlingen eine einstweilige Anordnung erlassen hat, die auf eine Folgenabwägung
gestützt ist).
§ 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG hat den Anwendungsbereich des Europäischen Fürsorgeabkommens, das für die Bundesrepublik Deutschland am 1. September 1956
in Kraft getreten ist (Bekanntmachung vom 8. Januar 1959, BGBl. II S.18), im übrigen auch nicht als das "jüngere Gesetz" verändern
wollen. Zwar gilt im Verhältnis von völkerrechtlichem Vertragsrecht (im Range eines Bundesgesetzes) und innerstaatlichem Gesetzesrecht
grundsätzlich die Regel, daß späteres Gesetzesrecht auch früheres Vertragsrecht in seiner innerstaatlichen Geltungskraft verdrängen
kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist jedoch davon auszugehen, daß innerstaatliche Gesetze im Einklang
mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland auszulegen und anzuwenden (sind), selbst wenn sie
zeitlich später erlassen worden sind als ein geltender völkerrechtlicher Vertrag; denn es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber,
sofern er dies nicht klar bekundet hat, von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland abweichen oder
die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will" (BVerfG, Beschl. v. 26. März 1987 - 2 BvR 589/89 u.a. -, BVerfGE 74, 358, 370; vgl. dazu auch BVerfG, Beschl. v. 23. Juni 1981 - 2 BvR 1107, 1124/77 und 195/79 -, BVerfGE 58, 1, 34, und Beschl. v. 10. November 1981 - 2 BvR 1058/79 -, BVerfGE 59, 63, 89; zustimmend Deiseroth, Genfer Flüchtlingskonvention und Sozialhilfe, DVBI. 1998, 116, 121 m.w.Nw. in Fn. 37).
Dem im Zuge der Reform des Ausländerrechts zum 1. Januar 1991 in Kraft gesetzten § 120 Abs. 4 Satz 2 jetzt Abs. 5 Satz 2) BSHG lassen sich Anhaltspunkte nicht entnehmen, daß der Gesetzgeber damit von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik
Deutschland abrücken wollte. Eher im Gegenteil sprechen gewichtige Anhaltspunkte aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift
dafür, daß der Gesetzgeber dies nicht wollte. In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung heißt es insoweit allgemein: "Für die
Regelung des Ausländerrechts ist ferner das Völkervertragsrecht von Bedeutung, soweit es Vorschriften über die Behandlung
fremder Staatsangehöriger enthält... Die ausländergesetzliche Regelung muß sicherstellen, daß derartige völkerrechtliche Verpflichtungen
uneingeschränkt eingehalten werden können" (BT-Drs. 11/6321, S. 43). Auch der besonderen Begründung zu § 120 Abs. 4 Satz 2 (jetzt Abs. 5 Satz 2) BSHG läßt sich ein gegenteiliges Bestreben nicht entnehmen. Der Regierungsentwurf nennt insoweit als Ziel der Neuregelung (lediglich)
zu gewährleisten, daß die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen ohne räumliche Beschränkung nicht zu einer Verlagerung von
Sozialhilfelasten in andere Länder führen könne (BT-Drs. 11/632 1, S. 90). Dieser Zweck erfordert es nicht anzunehmen, daß
damit auch die (spezieller geregelten) Ansprüche nach Art. 1 EFA geschmälert werden sollten (ebenso BayVGH, Beschl. v. 1.
Juli 1997 - 12 CE 96.2856 -, FEVS Bd. 48, 74, 78; in diesem Sinne auch Deiseroth, a.a.O., S. 122, für die vergleichbare Problematik
zum Anwendungsbereich des Art. 23 der Genfer Flüchtlingskonvention; vgl. dazu ferner VGH BaWü., Beschl. v. 18. Dezember 1996, a.a.O., 137).
Vor diesem Hintergrund kann auch die Tatsache, daß die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 2 b, 16 Abs. 1 EFA zu Anlage
1 die durch Art. 7 des Gesetzes vom 9. Juli 1990 eingetretene Änderung des BSHG mitgeteilt hat, nicht als Hinweis darauf verstanden werden, sie wolle damit von ihren früheren Verpflichtungen abrücken und
namentlich auch Leistungen an anerkannte Konventionsflüchtlinge nunmehr allein nach Maßgabe des § 120 Abs. 4 Satz 2 (jetzt Abs. 5 Satz 2) BSHG leisten. Das bedeutet auch, daß den Antragstellern nicht (in einem Zirkelschluß) entgegengehalten werden dürfte, die nach
Art. 1 EFA geschuldete Fürsorge sei durch § 120 Abs. 5 Satz 2 (vormals Abs. 4 Satz 2) BSHG eingeschränkt worden, weil diese Vorschrift zu den im Anhang I zum Europäischen Fürsorgeabkommen genannten Bestimmungen zählt.
Der von Art. 1 EFA für die Staatsangehörigen der vertragschließenden Staaten und durch Art. 1, 2 des Zusatzprotokolls zu diesem
Abkommen auch für Konventionsflüchtlinge gewährleiste Anspruch auf Gleichbehandlung mit Deutschen kann dadurch im übrigen
schon deshalb nicht eingeschränkt worden sein, weil § 120 Abs. 5 Satz 2 (vormals Abs. 4 Satz 2) BSHG sich allein auf bestimmte Ausländer bezieht und demgemäß keine Aussage über den Umfang der nach den völkerrechtlichen Bestimmungen
gebotenen Gleichbehandlung mit Deutschen trifft.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§
154 Abs.
2,
188 Satz 2
VwGO.
Dieser Beschluß ist gemäß §
152 Abs.
1
VwGO unanfechtbar.