Sozialhilferecht: Versagung von Sozialhilfe bei Anspruch nach BAföG
Gründe:
Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Nach §§
146 Abs.
4,
124 Abs.
2 VwGO (i.d.F. des 6.
VwGO-Änderungsgesetzes vom 1. November 1996, BGBl. I S. 1626) ist die Beschwerde nur zuzulassen,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn der angefochtene Beschluß von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen
Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf
dem die Entscheidung beruhen kann.
Gem. §§
146 Abs.
4,
124 a Abs.
1 Satz 4
VwGO sind in dem Antrag auf Zulassung der Beschwerde die Gründe, aus denen die Beschwerde zuzulassen ist, darzulegen.
Im vorliegenden Verfahren ist ein Zulassungsgrund nicht gegeben. Insbesondere hat der beschließende Senat nicht "ernstliche
Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses". Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag jedenfalls im Ergebnis zu
Recht stattgegeben. Es kann dahingestellt bleiben, ob der auf eine Anwendung des § 26 Abs. 2 Nr. 2 BSHG gestützten Begründung des Verwaltungsgerichts zu folgen ist, oder ob die dagegen vorgebrachten Bedenken der Antragsgegnerin
durchgreifen. Darauf kommt es nicht an, weil die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat, der sich
im wesentlichen aus der Anwendung des § 26 Abs. 2 Nr. 1 BSHG ergibt. Nach dieser Vorschrift findet § 26 Abs. 1 BSHG u.a. auf Auszubildende keine Anwendung, die auf Grund von §
2 Abs.
1 a BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben. Dies ist hier der Fall, und auch die weiteren Voraussetzungen für den Erlaß
der einstweiligen Anordnung liegen vor.
Da die Antragstellerin eine Ausbildungsstätte im Sinne des §
2 Abs.
1 Nr.
1 BAföG (eine Berufsfachschule) besucht und dabei nicht bei ihrer Mutter in Berlin wohnt (ihr Vater ist verstorben), kann sie Ausbildungsförderung
schon deshalb nicht erhalten, weil sie einen eigenen Haushalt führt, ohne dafür einen triftigen Grund im Sinne dieser Vorschrift
zu haben. Das von der Antragstellerin angeführte Zerwürfnis mit ihrer Mutter ist ein zureichender Grund im Sinne der genannten
Vorschrift nicht, da die nach §
2 Abs.
1 a Satz 2
BAföG mögliche Rechtsverordnung noch nicht erlassen worden ist, die vorsehen kann, daß Ausbildungsförderung auch in den Fällen
geleistet werden kann, in denen die Verweisung des Auszubildenden auf die Wohnung der Eltern aus schwerwiegenden sozialen
Gründen unzumutbar ist. Die Antragstellerin ist ledig und lebt nicht mit einem (eigenen) Kind zusammen (vgl. §
2 Abs.
1 a Satz 1 Nr.
2 und
3 BAföG). Deshalb könnte sie Ausbildungsförderung für den Besuch der Berufsfachschule nur erhalten, wenn sie im Sinne des §
2 Abs.
1 a Satz 1 Nr.
1 BAföG eine zumutbare Ausbildungsstätte nicht auch von der Wohnung ihrer Mutter in Berlin aus erreichen könnte. Sie hat jedoch gegenüber
der Antragsgegnerin erklärt, daß sie eine entsprechende Ausbildung auch in Berlin betreiben könnte. Dies ergibt sich aus einem
Vermerk der Antragsgegnerin vom 9. September 1997 (Blatt 22 des Verwaltungsvorgangs), der deshalb im übrigen auch die wesentlichen
Umstände für eine Anwendung des § 26 Abs. 2 Nr. 1 BSHG bekannt gewesen sind. Der Senat sieht wie die Antragsgegnerin einen Anlaß nicht, an der Richtigkeit der Angaben der Antragstellerin
zu zweifeln, zumal diese mit Blick auf die Infrastruktur Berlins ohne weiteres plausibel erscheinen.
Damit hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, daß sie auch die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 Nr. 1 BSHG erfüllt, ohne daß es darauf ankommt, ob sie auch aus anderen Gründen Ausbildungsförderung nicht erhalten könnte. Denn § 26 Abs. 2 Nr. 1 BSHG stellt der Sache nach klar, daß es sich bei den von dieser Vorschrift erfaßten Ausbildungen um solche handelt, für die generell
(ohne Rücksicht auf andere Umstände) Ausbildungsförderung gewissermaßen schon dem Grunde nach nicht geleistet wird. §
2 Abs.
1 a BAföG schließt eine (durch das Kriterium der nicht-notwendigen auswärtigen Unterbringung definierte) ganze Gruppe von Schülern
von der Ausbildungsförderung aus; insoweit geht es nicht um persönliche Förderungsvoraussetzungen, sondern um die Förderungsfähigkeit
der Ausbildung an den in §
2 Abs.
1 Nr.
1 genannten Schulen (Ramsauer/ Stallbaum,
BAföG, 3. Aufl., §
2 Rdnr. 43). Für diese Schüler (wie auch für die anderen von §
65 Abs.
3 Nr.
1 BAföG a.F. (jetzt § 26 Abs. 2 Nr. 1 BSHG) und vorher von § 68 Abs. 2
BAföG a.F. erfaßten Fallgruppen) hat der Senat schon unter Geltung der früheren Fassung des § 26 BSHG in ständiger Rechtsprechung (u.a. Beschluß v. 31. Januar 1989 - 4 OVG B 457/88 -; Beschluß v. 30. November 1989 - 4 M 96/89 -; V.n.b.) angenommen und ist auch im übrigen weitgehend unstreitig gewesen (vgl. Ramsauer/Stallbaum, aaO, § 65 Rdnr. 10
m.w.Nw., sowie § 68 Rdnr. 1), daß insoweit "schon dem Grunde nach" Ausbildungsförderung nicht geleistet wird. In der Begründung
des Regierungsentwurfs zum 12. BAföGÄndG (v. 4. Dezember 1989, BTDrs. 11/5961, S. 26) wird bezugnehmend auf die mit §
65 Abs.
3 Nr.
1 BAföG beabsichtigte Fassung des Gesetzes ausdrücklich hervorgehoben, daß sie sich auf die Gruppe von Auszubildenden bezieht, "die
sich nicht in einer ... dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung befinden". Dadurch, daß der Gesetzgeber mit Wirkung vom
1. August 1996 §
65 Abs.
3 BAföG (lediglich) aus Gründen systematischer Klarheit gestrichen und statt dessen § 26 Abs. 2 BSHG geschaffen hat, ist in der Sache eine Änderung dieser Rechtslage nicht eingetreten. Auch für § 26 Abs. 2 Nr. 1 BSHG kommt es deshalb nicht darauf an, ob in der Person des/der Auszubildenden Gründe vorliegen, derentwegen eine Ausbildungsförderung
nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz (ebenfalls) nicht geleistet werden würde. Die lediglich auf das Vorliegen persönlicher Ausschlußgründe gestützte Argumentation
der Antragsgegnerin greift gegenüber der hier gebotenen Anwendung des § 26 Abs. 2 Nr. 1 BSHG nicht durch.
Dem Anspruch der im Jahre 1968 geborenen Antragstellerin steht auch nicht entgegen, daß sie sich durch Einsatz ihrer Arbeitskraft
selbst helfen könnte (§§ 2 Abs. 1, 11 Abs. 1 Satz 1, 18 Abs. 1 BSHG). Das ist schon deshalb nicht der Fall, weil nicht ersichtlich ist, daß sie diese Möglichkeit konkret hätte, selbst wenn
sie die Ausbildung abbräche. Darüber hinaus ist es ihr nach der Auffassung des Senats nicht zuzumuten, ihre voraussichtlich
noch bis September 1999 dauernde Ausbildung als pharmazeutisch-technische Assistentin abzubrechen; dem steht ein wichtiger
Grund im Sinne des § 18 Abs. 3 Satz 1 BSHG entgegen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß der Wunsch eines Hilfesuchenden, erstmals eine Berufsausbildung
zu erreichen, regelmäßig zu respektieren ist, auch wenn das Alter, in dem solche Qualifikationen üblicherweise erlangt werden,
- wie hier - überschritten ist (Urt. vom 12. Dezember 1990 - 4 L 220/89 -; Beschluß v. 25. Juni 1991 - 4 M 1971/91 -; Beschluß v. 12. Januar 1991 - 4 O 123/90 -; Urt. v. 30. Mai 1990 - 4 L 144/89 -; Beschluß v. 13. März 1989 - 4 B 467/88 -). Dabei berücksichtigt der Senat, daß der Begriff des "wichtigen Grundes" in § 18 Abs. 3 Satz 1 BSHG aus dem Regelungszusammenhang des Gesetzes heraus unter Einbeziehung der Ziele der Vorschrift auszulegen ist, daß also insbesondere
dem Grundsatz der Obliegenheit zur Beschaffung des Lebensunterhalts durch Arbeit (§ 18 Abs. 1 BSHG) und dem Gewicht der ausdrücklich in Absatz 3 genannten Ausnahmen von diesem Grundsatz Rechnung zu tragen ist. Zwar ist "Ausbildungsförderung", auf die das Begehren der
Antragstellerin der Sache nach gerichtet ist, auch in dem Bereich, den § 26 Abs. 2 BSHG offenhält, nicht mehr eigentlich Aufgabe der Sozialhilfe, seitdem der Unterabschnitt 3 - Ausbildungshilfe - durch Art. 21
Nr. 10 des Zweiten Haushaltsstrukturgesetzes vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1523) aufgehoben worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 4. März 1993 - 5 C 13/89 -, BVerwGE 92, 163 = FEVS 44, 221). Entscheidendes Gewicht hat hier aber, daß die Absicht der Antragstellerin dem vom Gesetz geforderten Selbsthilfestreben
entspricht und die von ihr erstrebte (erste) Berufsausbildung unter den heutigen Arbeitsmarktbedingungen deutlich besser als
die Verweisung auf ungelernte Arbeit geeignet ist, sie auf Dauer von Sozialhilfe unabhängig zu machen und damit die Allgemeinheit
zu entlasten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§
154 Abs.
2,
188 Satz 2
VwGO.
Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe beruht auf §
166 VwGO i.V.m. §§
114 ff., 119 Satz 2, 121 Abs.
2 ZPO.
Dieser Beschluß ist gemäß §
152 Abs.
1 VwGO unanfechtbar.