Tagespflege während der ausbildungsbedingten Abwesenheit der Mutter - Berufsausbildung; Tagespflege
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet.
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Übernahme der Kosten, die durch die Betreuung ihrer beiden jüngsten Kinder Jan
(geb. am 30. 1. 1999) und Lennart (geb. am 25. 8. 1997) durch eine Tagespflegeperson entstehen, glaubhaft gemacht. Nach ständiger
Rechtsprechung des Senats steht die Gewährung von Tagespflege zwar im Ermessen des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe,
da das Land Niedersachsen von dem Vorbehalt in § 26 SGB VIII, das Nähere über Inhalt und Umfang der Tagespflege nach § 23 SGB VIII zu regeln, nicht Gebrauch gemacht hat (Senat, Beschl. v. 11. 12. 1992 - 4 M 5204/92 - OVGE 43, 345 = dng 1993, 130; Urt. v. 11. 1. 1995 - 4 L 3850/94 - NdsRpfl. 1996, 64; Urt. v. 23. 8. 1995 - 4 L 5875/94 -; Beschl. v. 9. 10. 1997 - 4 L 5579/96 -). Der Senat verpflichtet aber dann im Wege der einstweiligen Anordnung zu laufenden Leistungen der Sozial- oder Jugendhilfe,
wenn anzunehmen ist, der Hilfeträger werde die Leistung bei sachgerechter Ausübung seines Ermessens erbringen. Das ist hier
der Fall.
Der Senat teilt die Auffassung, die das Verwaltungsgericht anklingen lässt, dass die Tagespflege hier deshalb erforderlich
im Sinne des § 23 Abs. 3 SGB VIII ist, weil die im Jahre 1975 geborene Antragstellerin, in deren Haushalt auch ihre zwei älteren Kinder aus erster Ehe leben
(Mario, geb. im Jahre 1993, und Hendrik, geb. im Jahre 1994), mit der am 1. August 2001 begonnenen, vom Arbeitsamt geförderten
zweijährigen Umschulung zur Köchin ihre erste Berufsausbildung anstrebt und während ihrer ausbildungsbedingten Abwesenheit
ihre beiden jüngsten Kinder nicht betreuen kann. Diesen Berufswunsch muss sie nicht im Hinblick darauf aufgeben oder bis zur
Einschulung der beiden jüngsten Kinder zurückstellen, dass ihr Ehemann voll erwerbstätig ist und für sie und die beiden gemeinsamen
Kinder sorgen kann. Zum einen ist ihr Wunsch, nach der Geburt und Versorgung von vier Kindern in nicht zu weit fortgeschrittenem
Alter einen Beruf zu erlernen, angemessen und zu respektieren, zum anderen hat sie glaubhaft dargelegt, dass ihre große Familie
in sehr beengten finanziellen Verhältnissen leben müsste, wenn auf Dauer, insbesondere zur Tilgung der Hauslasten für das
Eigenheim, nur das Einkommen ihres Ehemannes zur Verfügung stünde und sie nicht durch eigene Berufstätigkeit zur Sicherung
der wirtschaftlichen Grundlage der Familie beitragen könnte. Die Förderung der Entwicklung von Kindern in Tagespflege ist
nicht auf Fälle beschränkt, in denen ein alleinerziehender Elternteil eine Berufsausbildung absolviert oder erwerbstätig ist
oder die Familie ohne die (zusätzliche) Erwerbstätigkeit sozialhilfebedürftig würde. Förderungswürdig ist vielmehr auch das
Bestreben einer vollständigen, kinderreichen Familie, sich durch Berufstätigkeit beider Elternteile eine wirtschaftliche Grundlage
oberhalb des Sozialhilfeniveaus zu schaffen und zu sichern.
Tagespflege konnte und kann hier auch nicht durch die Inanspruchnahme von Kindergartenplätzen für Jan und Lennart überflüssig
gemacht werden. Die Betreuung in den vom Antragsgegner im Schriftsatz vom 16. September 2002 genannten Kindergärten beginnt
um 7.30 Uhr. Der Ehemann der Antragstellerin fährt regelmäßig vor 5.30 Uhr zur Arbeit. Die Antragstellerin muss immer dann,
wenn sie in ihrem Ausbildungsbetrieb Frühdienst hat (von 6.30 Uhr bis 14.00 Uhr), die Kinder schon vor 5.30 Uhr, also zwei
Stunden vor Öffnung des Kindergartens, zur Tagespflegeperson bringen. Mit Nachmittagsplätzen, die nach Angaben des Antragsgegners
auf jeden Fall zur Verfügung gestanden hätten, wäre der Antragstellerin für ihre beiden Kinder nicht gedient (gewesen).
Die nach § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII erforderliche Eignung der von der Antragstellerin selbst beschafften Tagespflegeperson, einer gelernten Erzieherin, wird
vom Antragsgegner nicht in Frage gestellt. Dasselbe gilt für den hier vereinbarten Stundensatz von 6,-- DM bzw. 3,20 EUR je
Kind und Stunde. Das Hauptargument des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass an fünf
Tagen in der Woche jeweils 9 Betreuungsstunden erforderlich seien, trägt die ablehnende Entscheidung nicht. Die von der Antragstellerin
mit der Beschwerdeschrift vom 5. August 2002 vorgelegten Listen der Betreuungszeiten vom 6. August 2001 bis zum 19. Juli 2002
zeigen, dass die Tagesmutter die Kinder nicht an jedem Werktag und an den Betreuungstagen unterschiedlich lang (zwischen 4
und 9 Stunden) betreut hat, nämlich jeweils angepasst an den Schichtdienst der Antragstellerin. Der Antragsgegner hat - von
dem schon erörterten Einwand, die Kinder hätten jedenfalls zeitweise auch im Kindergarten betreut werden können, abgesehen
- die Notwendigkeit dieser Betreuungszeiten nicht in Frage gestellt.
In diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sieht der Senat davon ab, im einzelnen zu prüfen, in welchem Umfang der
Antragstellerin und ihrem Ehemann nach den §§ 91 Abs. 2, 92 Abs. 1, 93 SGB VIII die Aufbringung der Mittel für die Tagespflege zuzumuten ist. Der Antragsgegner hat diese Frage noch nicht im einzelnen geprüft
und vollständige Unterlagen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse noch nicht angefordert, da er den Antrag schon
dem Grunde nach abgelehnt hat. Diese Prüfung kann dem Hauptsacheverfahren, das beim Verwaltungsgericht anhängig ist (4 A 304/01), vorbehalten bleiben. In diesem Verfahren unterstellt der Senat, dass sich die Antragstellerin und ihr Ehemann - wie sie
es seit August 2001 getan haben - mit 800,-- DM bzw. 410,-- EUR monatlich an den Kosten beteiligen können. Den darüber hinaus
gehenden monatlichen Betrag muss der Antragsgegner aufgrund dieser einstweiligen Anordnung übernehmen. Er kann ihn ab Januar
2003 monatlich nach Vorlage der von der Tagespflegeperson bescheinigten Betreuungszeiten an diese leisten.
In der Regel spricht der Senat laufende Leistungen der Sozial- und Jugendhilfe im Wege der einstweiligen Anordnung erst ab
dem Ersten des Monats seiner Entscheidung zu und verweist wegen der geltend gemachten Ansprüche für zurückliegende Zeiträume
auf das Hauptsacheverfahren. Hier besteht jedoch begründeter Anlass, von dieser Regel eine Ausnahme zu machen und die Leistung
ab Beginn der Kinderbetreuung im August 2001 zuzusprechen. Denn die Tagespflegeperson hat schon in erheblichem Umfang Vorleistungen
erbracht, ohne hierzu rechtlich oder sittlich verpflichtet zu sein. Es ist ihr nicht zuzumuten, die Tagespflege fortzusetzen
und hinsichtlich der in eineinhalb Jahren aufgelaufenen Rückstände den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Würde
sie darauf verwiesen, wäre die Fortsetzung der erforderlichen Tagespflege nach Überzeugung des Senats ernsthaft gefährdet.
Er versteht dabei die Erklärungen der Tagespflegeperson in den Rechnungen vom 30. April und 22. Juli 2002, sie stunde die
Restforderungen bis zur Klärung der Kostenübernahme durch das Jugendamt, so, dass damit die Klärung in diesem Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes und nicht etwa erst - unter Umständen nach Jahren - im Hauptsacheverfahren gemeint ist. Die Begrenzung
der vorläufigen Leistungsverpflichtung auf die Zeit bis zum 31. Juli 2003 folgt daraus, dass die Ausbildung der Antragstellerin
voraussichtlich zu diesem Zeitpunkt endet.