Rundfunkrecht: Rundfunkgebühren; Rundfunkgebührenpflicht; Befreiung; Befreiungsanspruch; Arbeitslosengeld II; Zuschlag; Härte;
besondere Härte; Härtefall
Gründe:
Die Beschwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg (§
166 VwGO iVm §
114 ZPO) bietet.
Es spricht nichts für einen Klageerfolg.
Für den streitbefangenen Monat November 2005 fehlt es an einem Befreiungsgrund. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RundfGebStV - nur
dieser Befreiungstatbestand aus dem Katalog des § 6 Abs. 1 Satz 1 RundfGebStV kommt hier in Betracht -, hilft der Klägerin
nicht weiter, da diese Bestimmung auf Empfänger von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II ohne Zuschläge nach § 24 SGB II beschränkt
ist. Die Klägerin hat indessen im November 2005 - und im Übrigen auch nachfolgend - zu dem ihr gewährten Arbeitslosengeld
II auch einen Zuschlag nach § 24 SGB II erhalten. Da § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RundfGebStV nicht nach der Höhe des Zuschlags
differenziert, fehlt es an einem positiven Ansatzpunkt für ein Normverständnis, nach welchem lediglich Zuschläge oberhalb
des monatlich aufzubringenden Betrages für die Rundfunk- und Fernsehgebühr von derzeit 17,03 Euro zum Ausschluss dieses Befreiungstatbestandes
führen.
Der generelle Ausschluss einer Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für Bezieher eines Zuschlags zu den Grundleistungen
nach dem SGB II wirft auch keine verfassungsrechtlichen Zweifel von einem Gewicht auf, denen nur im Rahmen des Hauptsacheverfahrens
nachgegangen werden könnte. Insbesondere war der Normgeber ersichtlich nicht im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz
nach Art.
3 Abs.
1 GG am Erlass der getroffenen Regelung gehindert. Art.
3 Abs.
1 GG verbietet eine rechtliche Unterscheidung, die nicht in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze findet. Speziell
bei der Ordnung von Massenerscheinungen - wie vorliegend - muss der Normgeber indessen nicht um die differenzierte Berücksichtigung
aller denkbaren Fälle bemüht sein, sondern darf auch zu generalisierenden, typisierenden und pauschalierenden Regelungen greifen,
ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten und Ungerechtigkeiten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz
zu verstoßen. Die Typisierung setzt aber voraus, dass die durch sie eintretenden Härten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl
von Personen betreffen und der Verstoß nicht sehr intensiv ist; auch praktische Erfordernisse der Verwaltung sind insoweit
von Gewicht.
Vgl. BVerfG, Urteil vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 -, BVerfGE 87, 234 = NJW 1993, 643.
Die in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RundfGebStV getroffene Differenzierung zwischen Beziehern von Arbeitslosengeld II mit oder
ohne Zuschlag nach § 24 SGB II rechtfertigt sich ohne Weiteres daraus, dass sich durch den Zuschlag, der für Alleinstehende
bis zu 160 Euro monatlich betragen kann (§ 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II), generell die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Empfänger
erhöht. Der Umstand, dass dies unter Miteinbeziehung der Rundfunkgebührenpflicht für Bezieher sehr geringer Zuschläge (unter
17,03 Euro monatlich) anders ist, indem diese schlechter als Personen ohne Zuschlagsberechtigung gestellt werden, musste den
Normgeber nicht dazu veranlassen, statt der gewählten pauschalierenden Regelung eine nach der Höhe des Zuschlags differenzierende
Befreiungsbestimmung zu treffen. Vielmehr durfte bei der insgesamt auf eine Verwaltungsvereinfachung abzielenden Neuregelung
des Rechts der Rundfunkgebührenbefreiung aus sozialen bzw. persönlichen Gründen durch den Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag
vom 8. bis 15.10.2004 (GV. NRW. 2005, 192, 196 f.) insoweit berücksichtigt werden, dass die Zahl der Empfänger sehr geringer
Zuschläge nach § 24 SGB II voraussichtlich nicht besonders groß und zudem die Benachteiligung bezogen auf den Einzelnen nur
von vergleichsweise kurzer Dauer sein würde; denn die Zulagenberechtigung nach dem vormaligen Erhalt bestimmter anderer Sozialleistungen
beschränkt sich auf die beiden ersten Jahre des Bezuges des Arbeitslosengeldes II (§ 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II).
Vgl. auch OVG Schl.-H., Beschluss vom 23.7.2007 - 2 O 8/07 -, Juris.
Abgesehen davon hätte eine Differenzierung zwischen den Rundfunkteilnehmern, deren Zuschlag nach § 24 SGB II den Betrag der
monatlichen Rundfunk- und Fernsehgebühr übersteigt, und denjenigen mit einem Zuschlag bis zu einem Betrag von 17,02 Euro notwendigerweise
bedeutet, dass der Schnitt zwischen den schon Begünstigten und den noch nicht Begünstigten an einer anderen Stelle angesetzt
wird, so dass insbesondere für die Bezieher eines Zuschlags von 17,03 Euro oder geringfügig mehr eine relative Schlechterstellung
gegenüber den Beziehern eines noch geringeren Zuschlags eingetreten wäre.
Vgl. dazu Nds. OVG, Beschluss vom 23.4.2007 - 4 PA 101/07 -, Juris.
Eine gleitende Regelung, die - je nach der Höhe des Zuschlags - eine teilweise Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vorgesehen
hätte, wäre demgegenüber mit einer unverhältnismäßigen Komplizierung des Festsetzungs- und Einziehungsverfahrens einhergegangen,
zumal der Zuschlag nach § 24 SGB II innerhalb des bis zu zweijährigen Bezugszeitraums in unterschiedlicher Höhe gewährt wird
(§ 24 Abs. 1 Satz 2 SGB II) und daher eine zwischenzeitliche Anpassung notwendig würde.
Bei alledem ist schließlich noch zu berücksichtigen, dass auch ein Teil der sonstigen Befreiungstatbestände nach § 6 Abs.
1 Satz 1 RundfGebStV bzw. die Berechtigung zum (ergänzenden) Bezug von bescheidmäßigen Leistungen im Sinne der genannten Bestimmung
vom Erreichen einer bestimmten Leistungs- bzw. Einkommensgrenze abhängt, so dass auch in Anwendung dieser sonstigen Tatbestände
notwendigerweise das Überschreiten der jeweiligen Grenze zum vollständigen Verlust der Befreiungsmöglichkeit führt.
Vgl. OVG Schl.-H., Beschluss vom 23.7.2007 - 2 O 8/07 -, a.a.O.
Die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RundfGebStV verstößt auch nicht gegen das aus dem Sozialstaatsprinzip (Art.
20 Abs.
1 GG) herzuleitende Gebot der Schonung des Existenzminimums. Soweit das Bundesverfassungsgericht für die Grenzziehung im Hinblick
auf das einkommensteuerliche Existenzminimum auf das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum abgestellt hat, vgl.
BVerfG, Beschlüsse vom 10.11.1998 - 2 BvL 42.93 -, BVerfGE 99, 246 = NJW 1999, 561, - 2 BvR 1220/93 -, BVerfGE 99, 268 = NJW 1999,565, und - 2 BvR 1852/97, 2 BvR 1853/97 -, BVerfGE 99, 273 = NJW 1999, 564, ist vorliegend ausschlaggebend, dass es nicht um die direkte Besteuerung von (geringen) Einkommen, sondern um die nicht
mit entsprechenden Anforderungen verbundene Erhebung von Entgelten für die Nutzung öffentlich-rechtlicher Einrichtungen geht.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.9.1999 - 11 BN 2.99 -, NJW 2000, 1129 = DVBl. 2000, 633 = NWVBl. 2000, 179.
Die Regelsätze für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII umfassen - wie auch vordem die Regelsätze nach
dem BSHG - außer den Anteilen zur Deckung elementarer Lebensbedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft auch einen Anteil für die Deckung
persönlicher Bedürfnisse, und dieser Teil der Leistung kann je nach Ausrichtung der individuellen Bedürfnisse in unterschiedlicher
Weise eingesetzt werden, beispielsweise für die Nutzung schriftlicher oder elektronischer Informations- und Unterhaltungsmedien.
Somit handelt es sich bei den Rundfunkgebühren im Ausgangspunkt um einen Teil der Aufwendungen, die durch die Gewährleistung
des Existenzminimums in Gestalt von Sozialleistungen - etwa - iSv § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RundfGebStV ermöglicht werden sollen.
Vgl. im Ergebnis auch Nds. OVG, Beschluss vom 23.4.2007 - 4 PA 101/07 -, aaO.; anders VG Berlin, Beschluss vom 14.6.2007 -
27 A 216.06 -, Juris.
Die Klägerin kann einen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht auch nicht auf § 6 Abs. 3 RundfGebStV stützen,
weil eine besondere Härte nicht ersichtlich ist. Schon aus dem Katalog der Befreiungstatbestände des § 6 Abs. 1 Satz 1 RundfGebStV
geht, wie aufgezeigt, eindeutig hervor, dass Zuschläge nach § 24 SGB II in jedweder Höhe dem Anspruch auf Befreiung von der
Rundfunkgebührenpflicht entgegenstehen. Es spricht nichts dafür, dass die undifferenzierte Berücksichtigung des Zuschlages
eine planwidrige, vom Normgeber nicht gesehene Lückenhaftigkeit des betreffenden Befreiungstatbestandes darstellt. Da sich
die Höhe des Zuschlags nach dem Unterschiedsbetrag zwischen zuletzt bezogenen und den nunmehr zu beanspruchenden Leistungen
bemisst, wobei im ersten Jahr zwei Drittel (§ 24 Abs. 2 SGB II) und im Folgejahr ein Drittel (§ 24 Abs. 1 Satz 2 SGB II) dieses
Unterschiedsbetrages berücksichtigt werden, war für den Normgeber erkennbar, dass die Zuschläge - etwa für Alleinstehende
- in der ganzen Bandbreite zwischen 0 und dem Höchstbetrag von 160 Euro festgesetzt würden. Es hätte daher nahegelegen, den
Bezug eines Zuschlages von weniger als 17,03 Euro im Hinblick auf den Anspruch auf Rundfunkgebührenbefreiung für unschädlich
zu erklären. Dass der Normgeber - letztlich die Landesparlamente - diese zusätzliche Differenzierung weder beim Abschluss
des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vorgesehen noch dies im Rahmen des Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom
31.7. bis 10.10.2006 (GV. NRW. 2007 S. 107, 112) nachgeholt hat, durch den mit Wirkung vom 1.3.2007 weitere Befreiungstatbestände
in den als lückenhaft erkannten Katalog des § 6 Abs. 1 Satz 1 RundfGebStV aufgenommen wurden, kann nur damit erklärt werden,
dass eine solche Differenzierung auch nicht gewollt war. Mithin liefe die Anerkennung eines besonderen Härtefalles iSv § 6
Abs. 3 RundfGebStV für die Fallgruppe der Bezieher von niedrigen - unter der monatlichen Rundfunk- und Fernsehgebühr liegenden
- Zuschlägen nach § 24 SGB II auf eine unzulässige Korrektur des Normgebers hinaus.
Vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 6.11.2006 - 2 S 1528/06 -, VBlBW 2007, 195, und Juris; Nds. OVG , Beschluss vom 23.4.2007 - 4 PA 101/07 - und OVG Schl.-H., Beschluss vom 23.7.2007 - 2 O 8/07 -, jeweils a.a.O.