Bestattungsrecht: Kostenerstattung bei Ersatzvornahme einer Bestattung
Tatbestand:
Da der Beklagte nach dem Tode des Vaters der Kläger beisetzungswillige Angehörige zunächst nicht ermitteln konnte, beauftragte
er ein Bestattungsunternehmen mit der Durchführung der Beisetzung. Später stellte er jedem der vier Kläger durch Leistungsbescheid
ein Viertel der Beerdigungskosten in Rechnung. Der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage der Kläger gab das VG insoweit
statt, als es die Leistungsbescheide aufhob, soweit darin die Kosten für ein Kreuz, ein Grabkreuz mit Schrift und Blumen sowie
Kirchengebühren und Gebühren für die Benutzung der Friedhofskapelle einschließlich Dekoration enthalten waren. Die dagegen
eingelegte Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe:
Das VG hat die Leistungsbescheide des Beklagten zu Recht jeweils in Höhe von 155,25 DM aufgehoben, denn die Bescheide sind
in dieser Höhe rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§
113 Abs.
1 S. 1
VwGO).
Zwar werden nach § 77 Abs. 1 S. 1
VwVG NW für Amtshandlungen nach diesem Gesetz nach näherer Bestimmung einer Kostenordnung von dem Vollstreckungsschuldner oder dem Pflichtigen Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben. Zu den Auslagen gehören gemäß
§ 11 Abs. 2 S 2 Nr. 7 KostO NW die Beträge, die ua bei der Ersatzvornahme an Beauftragte oder Hilfspersonen zu zahlen sind sowie Kosten, die der Vollzugsbehörde
durch die Ersatzvornahme entstehen.
Der Beklagte hat - als Ordnungs- und Vollzugsbehörde - die Bestattung des verstorbenen Vaters der Kläger auch im Wege der
Ersatzvornahme durch einen Bestatter ausführen lassen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen von §§ 55 Abs. 2, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1 S 3, 64 S 2
VwVG NW für die Ersatzvornahme im Wege des Sofortvollzugs lagen vor, da die Kläger als Angehörige ihres verstorbenen Vaters entgegen
§ 2 Abs. 1 der Ordnungsbehördlichen Verordnung über das Leichenwesen vom 7.8.1980 (GV NW S 756), zuletzt geändert durch Verordnung
vom 6.11.1984 (GV NW S 670) - VOL - dessen Bestattung nicht besorgt haben und die Bestattung im Wege der Ersatzvornahme zur
Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr - vgl § 4 VOL - notwendig war.
Wie das VG im Anschluß an die Rechtsprechung des erkennenden Senats
vgl. Beschluß vom 29.8.1995 - 19 E 617/95 -
zutreffend dargelegt hat, ist die Erhebung von Kosten in Höhe von insgesamt 621,-- DM, die in der Bestatterrechnung enthalten
sind und die der Beklagte in jedem der vier angefochtenen Leistungsbescheide in Höhe von 155,25 DM geltend gemacht hat, durch
§ 14 Abs. 1 KostO NW ausgeschlossen, wonach Kosten, die durch unrichtige Behandlung der Sache entstanden sind, nicht erhoben werden.
Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 14 Abs. 1 KostO NW, die zur Verursachung der in den Leistungsbescheiden geltend gemachten Kosten geführt hat, liegt dann vor, wenn der Beklagte
bei der Durchsetzung der ordnungsbehördlichen Bestattungspflicht mit dem Zwangsmittel der Ersatzvornahme offensichtlich gegen
den in § 58 Abs. 1 S 2
VwVG NW und § 15 Abs. 1 OBG NW normierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat, wonach von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen bei
der Zwangsmittelanwendung diejenige zu bestimmen ist, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt.
Ein solcher Verstoß des Beklagten liegt hier in dem vom VG bezeichneten Umfang vor, in dem der seitens des Beklagten geforderte,
von dem Bestattungsunternehmer in Rechnung gestellte Betrag mindestens über die notwendigen Mindestkosten der Bestattung hinausgeht.
Es handelt sich dabei um die Kosten von - 41,-- DM für ein Kreuz, - 150,-- DM für ein Grabkreuz mit Schrift, - 120,-- DM
für Blumen, - 50,-- DM für Kirchengebühren, - 260,-- DM für die Benutzung der Friedhofshalle einschließlich Dekoration.
Angesichts dessen, daß keiner der Angehörigen bestattungswillig und bereit war, den bezeichneten Aufwand zu bezahlen, erscheint
es unangemessen und unverhältnismäßig, diesen für eine den rechtlichen Vorschriften genügende Bestattung nicht notwendigen
Aufwand als Kosten der Ersatzvornahme den nicht bestattungswilligen Angehörigen aufzubürden.
Dies gilt nach der Senatsrechtsprechung
vgl Beschluß vom 29.8.1995 aaO.
unabhängig davon, ob der bezeichnete Aufwand zu den im Sinne von § 15 BSHG "erforderlichen" Kosten einer Bestattung zählt, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und der Nähe der Beziehung des
Anspruchsberechtigten zum Verstorbenen zu bemessen sind.
Vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG-Kommentar, § 15 Rdnr 7 mwN; Knopp/ Fichtner, BSHG-Kommentar, 6. Aufl, § 15 Rdnr 3.
In diesem Sinne "erforderlich" mag auch ein den Wünschen beisetzungswilliger, ihre Bestattungspflicht anerkennender, aber
nicht kostentragungsfähiger Angehöriger entsprechender Aufwand sein, der letztlich von der Sozialhilfe getragen wird, wohingegen
im Falle einer Bestattung im Wege der Ersatzvornahme beisetzungswillige Angehörige, die ihre Bestattungspflicht anerkennen,
gerade nicht vorhanden sind und ihnen daher nur ein notwendiger Mindestaufwand in Rechnung gestellt werden kann, der sie kostenmäßig
"am wenigsten beeinträchtigt" (vgl § 15 Abs. 1 OBG NW, § 58 Abs. 1 S 2
VwVG NW). Daß der notwendige, den Bestattungspflichtigen kostenmäßig am wenigsten beeinträchtigende Mindestaufwand nicht mit dem
Begriff "erforderliche Kosten der Bestattung" übereinstimmt, ergibt sich bereits daraus, daß § 15 BSHG gegenüber der bis dahin geltenden Regelung in § 6 Abs. 1 S 2 der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge vom 4.12.1924 (RGBl 1924 I S 765), wonach
der Bestattungsaufwand "nötigenfalls" aus Fürsorgemitteln zu bestreiten war, und sich daher auf den notwendigen Mindestaufwand
für ein einfaches Begräbnis ohne Beerdigungsfeierlichkeiten beschränkte,
vgl BVerwG, Urteil vom 6.10.1959 - V C 316.58 -, DVBl 1960, 246 f,
eine erweiternde Regelung darstellt.
Vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz, aaO, § 15 Rdnr 1; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG-Kommentar, 12. Aufl, § 15 Rdnr 2.
Entgegen der Ansicht des Beklagten verstößt ein solches einfaches Begräbnis mit einem Mindestaufwand ohne Beerdigungsfeierlichkeiten
nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze,
vgl BVerwG aaO.
Durch die Nichtveranlassung religiöser Beerdigungsfeierlichkeiten bzw die Nichtausstattung von Sarg und Grab mit religiösen
Symbolen seitens der die Ersatzvornahme anordnenden Ordnungsbehörde werden derartige Aufwendungen nicht verhindert und damit
weder die Religionsfreiheit noch die Gebote der Frömmigkeit und Ehrfurcht verletzt. Dem BVerwG, aaO, zufolge bleibt es vielmehr
den Angehörigen oder der Religionsgemeinschaft des Verstorbenen überlassen, religiöse Beerdigungsfeierlichkeiten, die sie
für erforderlich halten, ohne behördliche Beauftragung auf eigene Kosten durchzuführen. Insofern gibt es den vom Beklagten
befürchteten Konflikt weder mit den Religionsgemeinschaften, die an der Ausübung religiöser Handlungen nicht gehindert werden,
noch mit den - nicht bestattungs- und kostentragungswilligen - Angehörigen. Hier kommt hinzu, daß sich aus den Akten des Beklagten
nicht ergibt, daß der Verstorbene oder seine Angehörigen eine religiöse Bestattung gewünscht haben.
Da es Rechtsvorschriften, die den hier im Streit stehenden Aufwand als notwendig bezeichnen, nicht gibt und die Kläger, wenn
sie die Bestattung des Verstorbenen pflichtgemäß durchgeführt hätten, nicht gehindert gewesen wären, ein Begräbnis ohne diesen
Aufwand zu veranlassen, war auch der Beklagte daran nicht gehindert. Sind die Angehörigen nicht bestattungswillig, so kann
die Ordnungs- und Vollstreckungsbehörde von ihnen keine Kosten für eine Bestattung im Wege der Ersatzvornahme fordern, die
über den notwendigen Mindestaufwand für eine den Rechtsvorschriften genügende Bestattung hinausgehen.