Gründe:
Der Senat teilt die Auffassung des VG, dass der Antragsteller auch dann, wenn er behindert im Sinne der §§
2 Abs.
1 SGB IX, 64 BBiG sein sollte, nur bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG zur Abschlussprüfung zugelassen werden kann. Denn § 65 Abs. 2 Satz 2 BBiG sieht bei behinderten Menschen nur ein Absehen von den Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BBiG vor. Die Regelung in § 8 Abs. 2 der Prüfungsordnung der Antragsgegnerin (im Folgenden: PO), nach der körperlich, geistig oder seelisch Behinderte auch zur
Abschlussprüfung zuzulassen sind, wenn sie die Voraussetzungen des dem § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG entsprechenden § 8 Abs. 1 Nr. 1 PO nicht erfüllen, ist wegen Verstoßes gegen diese gesetzliche Bestimmung unwirksam.
Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass er die Voraussetzungen der §§ 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG, 8 Abs. 1 Nr. 1 PO erfüllt. Nach diesen Vorschriften ist zur Abschlussprüfung zuzulassen, wer die Ausbildungszeit zurückgelegt hat oder wessen
Ausbildungszeit nicht später als zwei Monate nach dem Prüfungstermin endet. Der Senat teilt die Auffassung des VG, dass nach
dem Sinn und Zweck der §§ 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG, 8 Abs. 1 Nr. 1 PO die Ausbildungszeit nur dann zurückgelegt ist, wenn der Auszubildende tatsächlich aktiv ausgebildet worden ist. Der bloße
kalendarische Ablauf der Ausbildungszeit rechtfertigt die Zulassung zur Abschlussprüfung nicht. Denn das Ziel der Berufsausbildung,
die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen
Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit, § 1 Abs. 3 Satz 1 BBiG) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln und den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrung zu ermöglichen (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BBiG), wird regelmäßig nur erreicht, wenn eine tatsächlich aktive Ausbildung erfolgt ist. Geringfügige Fehlzeiten stehen allerdings
einer Zulassung zur Abschlussprüfung nicht entgegen. Denn die Versagung der Zulassung zur Abschlussprüfung verstößt gegen
den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn die Fehlzeiten den Ausbildungserfolg nicht gefährden.
Ebenso VG Schwerin, Beschluss vom 17.6.1999 - 8 B 519/99 -, GewArch 2000, 288, Leinemann/Taubert, BBiG, 2002, § 39 Rdn. 9, m. w. N.; a. A.: VG Stuttgart, Beschluss vom 14.11.1994 - 10 K 4658/94 -, juris (nur Leitsatz).
Unter welchen Voraussetzungen Fehlzeiten als geringfügig anzusehen sind, ist normativ nicht geregelt. Entscheidend sind die
Umstände des Einzelfalls. Zahlenmäßig geringe oder hohe Fehlzeiten sind ein Indiz für geringfügige oder erhebliche Fehlzeiten.
Eine starre zeitliche Grenze etwa dergestalt, dass bei einer Fehlzeit von 10 % der Ausbildungszeit stets mehr als nur geringfügige
Fehlzeiten vorliegen, vgl. hierzu Leinemann/Taubert, a. a. O., m. w. N., gibt es jedoch nicht. Es kommt vielmehr darauf an,
ob die Fehlzeiten im konkreten Einzelfall das Erreichen des Ausbildungsziels gefährden. Zahlenmäßig geringe Fehlzeiten können
den Ausbildungserfolg gefährden, wenn sie wesentliche Ausbildungsabschnitte betreffen; zahlenmäßig hohe Fehlzeiten können
als noch geringfügig angesehen werden, wenn sie etwa auf den letzten Ausbildungsabschnitt entfallen und die für den Erwerb
der beruflichen Handlungsfähigkeit und die erforderliche Berufserfahrung wesentliche Ausbildung bereits in den vorhergehenden
Ausbildungsabschnitten erfolgt ist. Diese nicht nur auf die Zahl der Fehlstunden abstellende Wertung im Einzelfall entspricht
den in § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 BBiG, § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 PO enthaltenen Rechtsgedanken. Nach § 45 Abs. 1 BBiG, § 9 Abs. 1 PO können Auszubildende nach Anhörung der Ausbildenden und der Berufsschule vor Ablauf der Ausbildungszeit zur Abschlussprüfung
zugelassen werden, wenn ihre Leistungen dies rechtfertigen. Vom Nachweis der in § 45 Abs. 2 Satz 1 BBiG genannten Mindestzeit der beruflichen Tätigkeit, die eine Zulassung zur Abschlussprüfung ohne vorhergehende Ausbildung rechtfertigt,
kann gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 BBiG, § 9 Abs. 2 Satz 2 PO ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn durch Vorlage von Zeugnissen oder auf andere Weise glaubhaft gemacht
wird, dass der Bewerber oder die Bewerberin die berufliche Handlungsfähigkeit erworben hat, die die Zulassung zur Prüfung
rechtfertigt.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind die Fehlzeiten des Antragstellers mehr als geringfügig. Die Fehlzeiten sind zahlenmäßig
hoch und es ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller trotz der Fehlzeiten das Ausbildungsziel gemäß § 1 Abs. 3 BBiG erreicht hat.
Als Ausbildungszeit ist die in den Ausbildungsordnungen vorgesehene (Regel-) Ausbildungsdauer zugrundezulegen, es sei denn,
die Ausbildungszeit ist, was bei dem Antragsteller nicht der Fall ist, abgekürzt (§ 8 Abs. 1 BBiG) oder verlängert (§§ 8 Abs. 2, 21 Abs. 3 BBiG) worden. Zu berücksichtigen ist auch, dass nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG, § 8 Abs. 1 Nr. 1 PO die Prüfung vor Ablauf der Ausbildungszeit erfolgen kann, wenn die Ausbildungszeit mit dem Bestehen der Prüfung (§ 21 Abs. 2 BBiG) nicht später als zwei Monate nach dem Prüfungstermin endet. Danach sind die Fehlzeiten des Antragstellers, der nach dem
unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragsgegnerin seit dem 14.2.2005 krankheitsbedingt nicht mehr in der tatsächlichen
betrieblichen Ausbildung stand, nicht ins Verhältnis zu der nach § 2 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Binnenschiffer/zur
Binnenschifferin vorgeschriebenen Ausbildungsdauer von 3 Jahren zu setzen. Vielmehr sind als Bezugspunkt 34 Monate Ausbildung
zu berücksichtigen. Damit hätte der Kläger, wenn er auch nach dem 14.2.2005 betrieblich ausgebildet worden wäre, seine Ausbildung
bereits im Juli 2005 und damit nach 34 Monaten Ausbildung beenden können. Denn in der Zeit vom 19. bis 29.7.2005 war eine
Abschlussprüfung vorgesehen. Auf eine frühere Prüfung, insbesondere auf die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung
angesprochene Prüfung vom 27. bis 30.3.2005 kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. An diesem Prüfungstermin hätte der Antragsteller
nur im Wege der Zulassung nach § 45 BBiG teilnehmen können, dessen Voraussetzungen er nicht glaubhaft gemacht hat. Für den Antragsteller ergibt sich damit eine zahlenmäßig
hohe Fehlzeit, weil er bei Beginn des (frühesten) Prüfungstermins im Juli 2005 mehr als 5 Monate nicht mehr in der betrieblichen
Ausbildung stand. Seine Fehlzeit beträgt mithin etwa 15 % der 34 Monate Ausbildung, die er bis zum Prüfungstermin im Juli
2005 hätte absolvieren müssen.
Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass er bis zum 15.2.2005 die Ausbildungsziele zumindest im Wesentlichen
erreicht hatte. Über den damaligen Stand seiner Ausbildung hat er keine näheren Angaben gemacht. Zeugnisse oder andere Unterlagen,
die Auskunft über seinen damaligen Ausbildungsstand geben, hat er nicht vorgelegt. Anlass zur Vorlage derartiger Unterlagen
bestand schon deshalb, weil das VG in dem angefochtenen Beschluss im Zusammenhang mit der Prüfung eines Anspruches auf Zulassung
zur Abschlussprüfung gemäß § 45 Abs. 2 BBiG auf die Notwendigkeit, durch Zeugnisse oder andere Belege die erreichte berufliche Handlungsfähigkeit glaubhaft zu machen
(§ 45 Abs. 2 Satz 3 BBiG), hingewiesen hat. Dem ist der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht nachgekommen. Daraus folgt zugleich, dass
er einen Anspruch auf Zulassung zur Abschlussprüfung gemäß § 45 Abs. 1 oder Abs. 2 BBiG nicht glaubhaft gemacht hat.
Auch die schulische Ausbildung des Antragstellers am Schiffer-Berufskolleg in der Zeit von Januar bis Ende März 2007 rechtfertigt
keine andere Beurteilung. Dabei kann dahinstehen, ob einer Berücksichtigung der Ausbildung schon entgegensteht, dass der Antragsteller
nach den Feststellungen des VG mehr als ein Drittel der Unterrichtsstunden am Berufskolleg gefehlt hat. Eine Berücksichtigung
der Ausbildung am Berufskolleg kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Antragsteller zum konkreten Inhalt seiner dortigen
Ausbildung keine substantiierten Angaben gemacht hat. Der bloße Hinweis darauf, dass nachmittags (auch) praktische Übungen
stattfanden, ist aus sich nicht hinreichend aussagekräftig. Der Antragsteller hat zudem weder geltend gemacht noch belegt,
dass er sich am Berufskolleg erfolgreich Leistungskontrollen unterzogen oder an der Abschlussprüfung, die nach seinen Angaben
vom 27. bis 30.3.2007 stattfand, erfolgreich teilgenommen hat. Im Übrigen steht der Anrechnung der dreimonatigen Ausbildung
am Berufskolleg auf die Ausbildungszeit auch entgegen, dass lediglich eine Anrechnung vollzeitschulischer beruflicher Ausbildungsgänge
von mindestens einem Jahr in Betracht kommt (§ 7 Abs. 1 BBiG iVm § 1 der nordrhein-westfälischen Berufskollegsanrechnungs- und zulassungsverordnung vom 16.5.2006, GV. NRW. S. 217). Eine derartige
Ausbildung hat der Antragsteller am Berufskolleg nicht durchlaufen.