Verlängerung der Förderungsdauer nach § 15 Abs. 3 BAföG
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Ausbildungsförderung für ihr Medizinstudium nach Ablauf der Förderungshöchstdauer. Sie nahm ihr Studium
im Wintersemester 1994/95 auf und erhielt Ausbildungsförderung bis Dezember 2000. Die Klägerin beantragte im Oktober 2000
für die Fortsetzung ihres Studiums weitere Ausbildungsförderung und führte zur Begründung an, sie habe ihr Studium aus gesundheitlichen
Gründen nicht in der Regelstudienzeit abschließen können. Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin ab, weil feststehe,
dass die Klägerin die Ausbildung innerhalb der verlängerten Förderungszeit nicht berufsqualifizierend abschließen könne. Der
dagegen erhobene Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos. Das VG gab der daraufhin erhobenen Klage statt. Auf die Berufung
des Beklagten wies das OVG die Klage ab.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer ihres Medizinstudiums hinaus. Die
Voraussetzungen für eine weitere Gewährung von Ausbildungsförderung nach §
15 Abs.
3 Nr.
1 BAföG liegen nicht vor. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin und mit ihr das VG zu Recht der Auffassung sind, dass ein schwerwiegender
Grund für die Überschreitung der Höchstdauer für vier Semester vorliegt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG ist die Verlängerung der Förderungsdauer nach §
15 Abs.
3 BAföG als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal von der Prognose abhängig, dass der Studierende den Leistungsrückstand aufholt und
das Studium in der als angemessen angesehenen Nachholzeit berufsqualifizierend abschließen kann.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.11.1978 - 5 C 34.77 -, BVerwGE 57, 75.
Dabei ist für Förderungsanträge, über die erst nach Ablauf der beantragten Verlängerungszeit entschieden wird, nicht rückwirkend
auf eine Prognose, sondern auf die tatsächliche Entwicklung abzustellen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.10.1988 - 5 C 35.85 -BVerwGE 80, 290 m.w.N.
Diese Rechtsprechung hat das BVerwG auch nach Einführung der Studienabschlussförderung in §
15 Abs.
3 a BAföG bestätigt.
BVerwG, Urteil vom 25. 10.1995 - 11 C 9.94 -, FamRZ 1995, 767; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 18.12.2003 - 1 BvR 1371/03 -, juris.
Im Hinblick auf diese Neuregelung war die Rechtsprechung allerdings dahin zu modifizieren, dass in die Prognose über den voraussichtlichen
weiteren Ausbildungsverlauf und Ausbildungsabschluss die Möglichkeit der Studienabschlussförderung einzubeziehen ist und sie
nicht mehr auf die angemessene Förderungsdauer nach §
15 Abs.
3 BAföG beschränkt ist, weil sonst der Auszubildende, der nach §
15 Abs.
3 BAföG begünstigt werden soll, von der Inanspruchnahme der Studienabschlussförderung ausgeschlossen und damit erheblich benachteiligt
würde.
Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 26.6.1992 -16 B 2398/92 -, FamRZ 1993, 370.
Die Regelung des §
15 Abs.
3 a Satz 1
BAföG in der damaligen Fassung lautete: "Auszubildenden an Hochschulen, die sich in einem in sich selbstständigen Studiengang befinden,
wird für höchstens 12 Monate Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer oder die Förderungsdauer nach Abs. 3 Nr.
1, 3 oder 5 hinaus geleistet, wenn der Auszubildende innerhalb dieser Förderungszeiten zur Abschlussprüfung zugelassen worden
ist und die Prüfungsstelle bescheinigt, dass er die Ausbildung innerhalb der verlängerten Förderungsdauer abschließen kann."
Für die Prognose im Rahmen des §
15 Abs.
3 BAföG kam es nach der vorgenannten Regelung darauf an, ob der Zeitraum, für den Gründe im Sinne von §
15 Abs.
3 BAföG anzuerkennen waren, bis zu dem Zeitpunkt reichte, ab dem die Studienabschlussförderung nach §
15 Abs.
3 a BAföG eingriff. Der Auszubildende musste demgemäß spätestens im letzten Monat des Zeitraums, für den Gründe im Sinne von §
15 Abs.
3 BAföG anzuerkennen waren, zur Abschlussprüfung zugelassen werden (und innerhalb des Förderungszeitraums nach §
15 Abs.
3 a BAföG die Ausbildung abschließen können), um sich erfolgreich auf einen schwerwiegenden Grund im Sinne von §
15 Abs.
3 BAföG berufen zu können.
Vgl. auch Hess. VGH, Urteil vom 26.2.2003 - 5 UE 467/02 -.
Die Neufassung des §
15 Abs.
3 a BAföG durch das Gesetz zur Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung - Ausbildungsförderungsreformgesetz - AföRG - vom 19.3.2001
(BGBl. I S. 390) hat daran nichts geändert (vgl. auch
BAföG-VwV Tz. 15.3.2). Die an die Stelle der Studienabschlussförderung getretene Hilfe zum Studienabschluss wird nach Satz 1 dieser
Norm für die Dauer von bis zu zwölf Monaten nach dem Ende der Förderungshöchstdauer oder der Förderungsdauer nach Abs. 3 Nr.
1, 3 oder 5 geleistet, wenn der Auszubildende spätestens innerhalb von vier Semestern nach diesem Zeitpunkt zur Abschlussprüfung
zugelassen worden ist und die Prüfungsstelle bescheinigt, dass er die Ausbildung innerhalb der Abschlusshilfedauer abschließen
kann. Aus dieser Neuregelung folgt weder, dass auf die vom BVerwG geforderte Prognose im Rahmen des §
15 Abs.
3 BAföG nunmehr verzichtet werden kann, so aber Ramsauer/Stallbaum/Sternal,
BAföG, 4. Aufl. §
15 Rdn. 15, noch - wie das VG meint -, ebenso: VG Hamburg, Beschluss vom 1.8.2005 - 2 E 1759/05 -, dass der in §
15 Abs.
3 a Satz 1
BAföG n. F. normierte Karenzzeitraum von vier Semestern in die Prognose über den weiteren Studienverlauf einzustellen wäre.
Der Einsatz zusätzlicher Fördermittel aus öffentlichen Kassen nach Ablauf der Förderungshöchstdauer rechtfertigt sich nach
der unveränderten Regelung des §
15 Abs.
3 BAföG nur dann, wenn die Gewährung der Gelder mit der berechtigten Erwartung verknüpft ist, dass damit der erfolgreiche Abschluss
der Ausbildung gewährleistet ist. Eine solche Erwartung würde aber bei Einbeziehung des in §
15 Abs.
3 a Satz 1
BAföG n. F. normierten Karenzzeitraums und erst Recht bei einem Verzicht auf eine Prognose des weiteren Studienverlaufs keine hinreichende
Grundlage finden. Eine Studienerfolgsprognose, die sich wie hier etwa über einen Zeitraum von zehn Semestern (vier Semester
Verlängerungszeit plus vier Semester Karenzzeit plus zwei Semester Abschlussphase) erstrecken würde, kann in genügend verlässlicher
Weise kaum gestellt werden.
Die Unsicherheit einer solchen Prognose beruht dabei nicht nur auf der Länge des Prognosezeitraums, sondern auch darauf, dass
mit der viersemestrigen Karenzzeit ein Zeitraum einbezogen würde, in dem der Auszubildende keine Ausbildungsförderung erhält
und deshalb regelmäßig selbst für seinen Unterhalt sorgen muss mit der Folge, dass Studiumverlauf und -erfolg besonders schwer
vorherzusagen sind.
Ist die Karenzzeit von vier Semestern bei der Prognose über den weiteren Studienverlauf deshalb nicht einzustellen, führt
dies nicht zu einer dem Gleichheitssatz (Art.
3 Abs.
1 GG) widersprechenden Benachteiligung jener Studenten, deren Ausbildung sich durch schwerwiegende Gründe im Sinne von §
15 Abs.
3 Nr.
1 BAföG verzögert hat. Es erscheint nämlich unter dem Gesichtspunkt einer effektiven und sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel
durchaus als sachgerecht, wenn der Gesetzgeber Verzögerungen, die auf anerkennenswerten Gründen beruhen, zwar durch die Gewährung
zusätzlicher Ausbildungsförderung ausgleicht, dann aber mit dieser zusätzlichen Investition in die Ausbildung eine besondere
Gewähr für den erfolgreichen Abschluss des Studiums verbunden sehen will.
Nach Maßgabe dieser Erwägungen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Ausbildungsförderung nach §
15 Abs.
3 Nr.
1 BAföG. Denn sie war nicht in der Lage, die Zulassung zur Abschlussprüfung innerhalb des in Betracht zu ziehenden Verlängerungszeitraums
von maximal vier Semestern, der mit Ablauf des Jahres 2002 endete, zu erreichen. Diese Zulassung konnte sie nach den Feststellungen
des Beklagten erst im letzten Tertial des praktischen Jahres, also im Jahre 2003, erlangen. Dass die Klägerin die Abschlussprüfung
tatsächlich innerhalb von zwölf Monaten nach Ende des allenfalls zuzubilligenden Verlängerungszeitraums, nämlich im November
2003, abgelegt hat, ist demgegenüber - entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin - nicht hinreichend.
Denn die Abschlussförderung nach §
15 Abs.
3 a BAföG setzt die vorherige Zulassung zur Abschlussprüfung voraus mit der Folge, dass der Klägerin Hilfe zum Studienabschluss nach
dieser Vorschrift nach Ende des Verlängerungszeitraums nicht hätte gewährt werden können. (...)