Sozialhilferecht: Kosten für den Umbau eines Fahrzeugs als Maßnahme der Eingliederungshilfe
Tatbestand:
Die Klägerin leidet an einer Querschnittslähmung unterhalb des 4. Halswirbels. Sie begehrt die Erstattung der Kosten für den
behindertengerechten Umbau eines Kraftfahrzeuges, das im Eigentum ihres (früheren) Pflegers steht. Die nach erfolglosem Vorverfahren
erhobene Klage hatte in beiden Rechtszügen keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe:
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Kosten für den Umbau des Busses nicht zu.
Dabei braucht hier nicht entschieden zu werden, ob die Klägerin wegen der Art und Schwere ihrer Behinderung zum Zwecke ihrer
Eingliederung auf die (regelmäßige) Benutzung eines (umgebauten) Kraftfahrzeuges "angewiesen" war, vgl. dazu u.a. OVG NW,
Urteil vom 4.8.1994 - 8 A 2341/92 -; Urteil vom 17.10.1995 - 8 A 3075/93 -.
Denn jedenfalls scheitert das Begehren der Klägerin im vorliegenden Fall daran, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die
beantragte Hilfemaßnahme gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG nicht vorliegen. Die beanspruchte Hilfe stellt ihrer Art nach keine geeignete Maßnahme der Eingliederungshilfe nach der allein
in Betracht kommenden Vorschrift des § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG dar.
Diese Vorschrift sieht als Maßnahme der Eingliederungshilfe die Versorgung mit Körperersatzstücken sowie mit orthopädischen
oder anderen Hilfsmitteln vor, die erforderlich und geeignet sind, die in § 39 Abs. 3 BSHG bezeichnete Aufgabe zu erfüllen. Zwar ist davon auszugehen, daß ein behindertengerecht ausgestattetes Kraftfahrzeug der Art
nach zu den "anderen Hilfsmitteln" im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG zählt. Dies wird in § 8 Abs. 1 VO zu § 47 BSHG ausdrücklich klargestellt, wo es heißt, daß die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges als Hilfe im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG gilt. Um eine "Versorgung" mit einem solchen Hilfsmittel handelt es sich jedoch nur dann, wenn durch die Bewilligung der
beantragten Maßnahme das Ziel der Eingliederungshilfe mit hinreichender Sicherheit erreicht wird. Dies ergibt sich sowohl
aus dem in § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG verwendeten Begriff der "Versorgung" (mit dem betreffenden Hilfsmittel) als auch aus dem Regelungszusammenhang und dem daraus
abzuleitenden Regelungsziel der Vorschrift.
Bereits die Formulierung "Versorgung mit anderen Hilfsmitteln" legt nahe, daß es darum geht sicherzustellen, daß das Ziel
der Maßnahme auch erreicht wird; es muß ein Zustand hergestellt werden, in dem die "Sicherung des Daseins", vgl. dazu u.a.
Mackensen, Deutsches Wörterbuch, 4. Auflage 1962, Stichwort "Versorgung"; Hermann Paul, Deutsches Wörterbuch, 6. Auflage 1966,
Stichwort "versorgen", S. 744,
des Hilfesuchenden im Hinblick auf das Regelungsziel gewährleistet wird. Die Versorgung eines Hilfesuchenden mit einem anderen
Hilfsmittel im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG dient, wie auch das BVerwG entschieden hat, vgl. Urteil vom 27.10.1977 - V C 15.77 -, FEVS 26, 89 (93),
dem Ziel sicherzustellen, daß das Hilfsmittel dem Behinderten wirklich zur Verfügung steht, daß mit diesem Hilfsmittel in
der Person des Behinderten der Behinderung im Sinne des Zwecks der Eingliederungshilfe entgegenwirkt und daß das Hilfsmittel
nicht zweckentfremdet wird, vgl. BVerwG, Urteil vom 27.10.1977 - V C 15.77 -, a.a.O., S. 93.
Gemäß § 39 Abs. 3 BSHG ist es Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den
Behinderten in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört vor allem, dem Behinderten die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft
zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihm die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit
zu ermöglichen oder ihn soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Die Erreichung dieser Ziele kann nur sichergestellt
werden, wenn der Behinderte aufgrund der beantragten Maßnahme auf Dauer eine rechtlich gesicherte Möglichkeit erhält, seinen
behinderungsbedingten Bedarf mit dem von ihm beantragten Mittel der Eingliederungshilfe zu decken. Wird dem Hilfesuchenden
trotz einer Gewährung der beantragten Hilfemaßnahme keine rechtlich gesicherte Möglichkeit zur Deckung seines behinderungsbedingten
Bedarfs mit Hilfe des beantragten Mittels eingeräumt, kann von einer "Versorgung" im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG und damit von einer geeigneten Maßnahme der Eingliederungshilfe im gesetzlichen Sinne nicht gesprochen werden.
So liegt der Fall hier. Denn es war angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalles nicht gewährleistet, daß das beantragte
Hilfsmittel der Klägerin rechtlich gesichert wirklich zur Verfügung stand, daß mit dem Hilfsmittel die Ziele der Eingliederungshilfe
in hinreichendem Maße erreicht und daß das Hilfsmittel nicht zweckentfremdet wurde(n).
Der Klägerin stand keine rechtlich gesicherte Nutzungsbefugnis bezüglich des Kraftfahrzeuges, für dessen Umbau die Hilfegewährung
beansprucht wurde, zu. Nach ihrem eigenen Vorbringen wurde das Kraftfahrzeug von ihrem damaligen Pfleger und jetzigen Prozeßbevollmächtigten
für den Verein W. und für den olympischen Klub B. angeschafft. Die Vereine sollten das Fahrzeug nutzen können und machten
hiervon auch Gebrauch. Die Realisierung der ihr in Aussicht gestellten Nutzungsmöglichkeit war damit zunächst einmal davon
abhängig, daß die beiden Vereine das Fahrzeug jeweils nicht benötigten. Für Konkurrenzsituationen fehlte es an einer einschlägigen
Regelung. Die Entscheidungsbefugnis über die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit im Einzelfall lag damit letztlich beim Eigentümer
und Verfügungsberechtigten ..., der sich ausweislich des Antragsschreibens bereiterklärte, den von ihm angeschafften Bus nach
einem erfolgten Umbau der Klägerin "zur Verfügung" zu stellen, ohne sich insoweit jedoch gegenüber der Klägerin rechtlich
zu binden. Der Klägerin sollte damit lediglich eine faktische, hinsichtlich der näheren Modalitäten jedoch nicht näher konkretisierte
Möglichkeit zur Mit-Benutzung des Kraftfahrzeuges eingeräumt werden. Weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren
haben die Klägerin und ihr Prozeßbevollmächtigten Gegenteiliges vorgetragen. Auch nachdem der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid
ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, daß das Fahrzeug nicht allein der Klägerin zur Verfügung stehen werde, sondern auch
von anderen Personen, insbesondere für Vereinszwecke, benutzt werde, haben die Klägerin und ihr Prozeßbevollmächtigter keine
Veranlassung gesehen, diese Feststellung in Zweifel zu ziehen. Angesichts dessen geht auch der Senat davon aus, daß zwischen
der Klägerin und ihrem seinerzeitigen Pfleger bzw. jetzigen Prozeßbevollmächtigten keine rechtswirksamen Vereinbarungen dahingehend
getroffen worden sind, die der Klägerin für den Fall der Gewährung der Eingliederungshilfe auf Dauer eine rechtlich gesicherte
Möglichkeit verschafften, ihren geltend gemachten behinderungsbedingten Bedarf in dem erforderlichen Umfange mit Hilfe des
Kraftfahrzeuges zu decken, für dessen Umbau die hier in Rede stehenden Mittel beantragt worden sind. Insoweit ist außerdem
zu berücksichtigen, daß das Pflegschafts- und Betreuungsverhältnis und damit auch die rechtliche Verantwortung des Pflegers
bzw. Betreuers gegenüber der Klägerin befristet war. Außerdem hing die Nutzungsmöglichkeit davon ab, ob ein Fahrer oder eine
Fahrerin jeweils zur Verfügung stand, der das Fahrzeug auf Wunsch der Klägerin fahren konnte, da sie selbst hierzu schon aufgrund
ihrer Behinderung nicht in der Lage war. Eine hinreichende rechtliche Sicherung der in Aussicht gestellten Nutzungsmöglichkeit
war damit ersichtlich nicht gegeben. Fehlt es aber an einer hinreichenden rechtlichen Sicherung der Nutzungsmöglichkeiten
der Klägerin an dem zwischenzeitlich umgebauten Kraftfahrzeug, scheidet die Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Beklagten
gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG aus.
Auch nach anderen Vorschriften kommt die Gewährung der beantragten Hilfemaßnahme im vorliegenden Falle nicht in Betracht.
Die übrigen in § 40 Abs. 1 Nrn. 1 bis 8 BSHG aufgeführten Maßnahmearten sind insoweit nicht einschlägig. Dabei ist davon auszugehen, daß in allen Fällen der Eingliederungshilfe
durch Beschaffung eines (behindertengerechten) Kraftfahrzeuges § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG i.V.m. § 8 VO zu § 47 BSHG die (alleinige) rechtliche Grundlage ("lex specialis") bildet. Mittelbar ergibt sich dies auch aus § 17 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VO zu § 47 BSHG, der (für den Bereich der Eingliederung in das Arbeitsleben) ausdrücklich vorschreibt, daß für die Hilfe zur Beschaffung
eines Kraftfahrzeuges § 8 VO zu § 47 BSHG maßgebend ist. Ginge man davon aus, die Gewährung von Eingliederungshilfe in der Form der Versorgung mit einem (behindertengerechten)
Kraftfahrzeug käme auch im Falle des Nichtvorliegens der spezialgesetzlichen Regelung des § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG iVm § 8 VO zu § 47 BSHG in Betracht, würde der spezifische Regelungscharakter der genannten Regelungen mit ihren spezifischen Voraussetzungen für
das Hilfsmittel "Kfz" verkannt.