Sozialhilferecht: Hilfsbedürftigkeit bei Halten eines PKW durch einen Sozialhilfeempfänger
Tatbestand:
Der Beklagte stellte die bisher gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt mit der Begründung ein, daß der Kläger nicht hilfebedürftig
sei, weil er nicht nachgewiesen habe, wie er die Anschaffungs- und Betriebskosten der auf seinen Namen zugelassenen Kraftfahrzeuge
aufgebracht habe. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist Hilfe zum Lebensunterhalt dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen
Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann. Diese Voraussetzungen lagen bei dem Kläger
nicht vor.
Dabei kann auf sich beruhen, ob der Kläger deshalb nicht hilfebedürftig war, weil er Eigentümer von Kraftfahrzeugen war, deren
Einsatz zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts ihm gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 iVm § 88 BSHG zuzumuten war.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.12.1997 - 5 C 7.96 -; OVG NW, Urteil vom 27.10.1992 - 24 A 655/92 -, FEVS 43, 338; OVG Rh-Pf, Beschluß vom 4.6.1996 - 12 B 10925/96 -, FEVS 47, 413.
Unabhängig hiervon hat der Kläger jedenfalls deshalb keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt, weil nicht zur Überzeugung
des Senats feststeht, daß er seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen oder (sonstigem) Vermögen aufbringen kann.
Das Nichtvorhandensein eigener Mittel gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist negatives Tatbestandsmerkmal für den Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Der Hilfesuchende trägt hierfür die materielle
Beweislast. Verbleiben nach Durchführung der im Einzelfall gebotenen Tatsachenfeststellung Zweifel daran, daß der Hilfesuchende
seinen notwendigen Lebensunterhalt tatsächlich nicht aus eigenen Mitteln beschaffen kann, geht dies zu Lasten des Hilfesuchenden
mit der Folge, daß kein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt besteht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 2.6.1965 - V C 63.64 -, BVerwGE 21, 208 = FEVS 13, 201, und Urteil vom 28.3.1974 - 5 C 27.73 -, BVerwGE 45, 131 = FEVS 22, 301, 303; OVG NW, Urteil vom 29.8.1996 - 8 A 90/94 - und Beschluß vom 18.6. 1997 - 8 B 2/97 -.
Dementsprechend trägt der Hilfesuchende auch die Darlegungslast. Es ist somit zunächst einmal seine Aufgabe, dem Sozialamt
die den Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt begründenden Umstände zur Kenntnis zu geben und auf Verlangen in geeigneter
Weise zu belegen. Das folgt auch aus §
60 Abs.
1 Nrn. 1 und 3
SGB I. Bestehen (im Einzelfall aus konkretem Anlaß) Zweifel daran, daß der Hilfesuchende tatsächlich hilfebedürftig iSv § 11 Abs. 1 BSHG ist, gehört es deshalb auch zu seinen Obliegenheiten, diese Zweifel durch Darlegung geeigneter Tatsachen auszuräumen. Fehlt
es bereits an einem ausreichenden Sachvortrag, ist es nicht Aufgabe des VG, den Anspruch durch eine Beweisaufnahme schlüssig
zu machen.
Die Anschaffung und das Halten eines Kraftfahrzeuges sind Umstände, die die Annahme von vom Hilfesuchenden auszuräumenden
Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit rechtfertigen können, sei es, daß ein solcher Vorgang auf das Vorhandensein verschwiegenen
Einkommens und/oder (sonstigen) Vermögens schließen läßt, sei es, daß das Kraftfahrzeug selbst einzusetzendes Vermögen ist,
dessen Verwertung die Hilfebedürftigkeit (zeitweise) zu beseitigen geeignet ist. Gegebenenfalls hat der Hilfesuchende die
bestehenden Zweifel auszuräumen.
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 23.10.1987 - 5 B 66.87 -; OVG NW, Beschluß vom 18.7.1985 - 8 B 995/85 -, FEVS 35, 69; OVG Hamburg, Beschluß vom 18.1.1993 - IV C 439/92 -, FEVS 43, 287; OVG Lüneburg, Beschluß vom 12.2.1997 - 4 M 282/97 -, FEVS 47, 559.
Der Hilfesuchende muß konkrete, ins einzelne gehende und nachprüfbare Angaben machen und belegen, welche Ausgaben im entscheidungserheblichen
Zeitraum durch den Betrieb und ggf. auch die Anschaffung des Kraftfahrzeuges entstanden sind und wie es ihm möglich war, diese
Ausgaben aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu bestreiten.
OVG NW, Beschluß vom 18.6.1985 - 8 B 995/85 -, a.a.O.; OVG Hamburg, Beschluß vom 18.1.1993 - IV C 439/92 -, a.a. O.; OVG Lüneburg, Beschluß vom 12.2.1997 - 4 M 282/97 -, a.a.O..
Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Klägers ergeben sich vorliegend aus dem Umstand, daß auf seinen Namen innerhalb des
streitbefangenen Zeitraums - wenn auch nicht immer zeitgleich - drei verschiedene Kraftfahrzeuge (Audi 80, Lada Wolga und
Ford Sierra) zugelassen waren. Das läßt es nach allgemeiner Lebenserfahrung zumindest als möglich, wenn nicht gar als überwiegend
wahrscheinlich erscheinen, daß er nicht nur die etwaigen Kaufpreise selbst gezahlt, sondern die Fahrzeuge auch selbst betrieben
und die damit verbundenen Kosten aufgebracht hat. Denn allein schon die Betriebskosten eines Kraftfahrzeuges wie die Aufwendungen
für Kraft- und Schmierstoffe, Reparaturen, Ersatzteile, Steuern und Versicherung können in der Regel aus den nur den notwendigen
Lebensunterhalt deckenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nicht abgezweigt werden.
Vgl. OVG NW, Beschluß vom 7.3.1997 - 8 B 34/97 -.
Insofern kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Kläger, dem in der genannten Zeit lediglich Regelsatzleistungen
gewährt wurden, tatsächlich nicht über Einkommen oder Vermögen verfügte, die er zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhaltes
hätte einsetzen können.
Die durch die Eintragung als Halter der genannten Kraftfahrzeuge begründeten Zweifel an der Hilfebedürftigkeit werden weder
durch nachvollziehbare, glaubhafte Angaben des Klägers noch durch die im ersten Rechtszug durchgeführte Beweisaufnahme ausgeräumt.
Der Senat ist bei Würdigung der Gesamtumstände nicht davon überzeugt, daß die Anschaffung und der Betrieb dieser Fahrzeuge
möglich waren, ohne daß der Kläger über Mittel verfügte, die er für seinen notwendigen Lebensunterhalt hätte einsetzen müssen
und die ihn von Hilfe zum Lebensunterhalt unabhängig gemacht hätten.
Seit dem ersten Tage der Bewilligung laufender Hilfe zum Lebensunterhalt war der Kläger unstreitig Eigentümer, Halter und
Nutzer des Kraftfahrzeuges Audi 80. Dies hat er schon in seinem Antrag auf Bewilligung von Sozialhilfe selbst angegeben und
anläßlich seiner Anhörung vor dem VG bestätigt.
Es ist nicht auszuschließen, daß dieser Zustand zumindest bis zum Ende des maßgeblichen Bewilligungszeitraumes fortbestanden
hat, denn der Audi 80 war ersichtlich noch bei der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf ihn zugelassen.
Wie lange der Kläger dieses Kraftfahrzeug genutzt hat, läßt sich seinen eigenen Angaben nicht eindeutig entnehmen, weil er
dazu während des Verfahrens unterschiedliche, z.T. widersprüchliche Angaben gemacht hat (wird ausgeführt).
Die unbestimmten und teilweise auch nicht miteinander in Einklang zu bringenden Angaben des Klägers legen im Ergebnis die
Annahme nahe, daß er bestrebt ist, zu verschleiern, daß er den Audi 80 tatsächlich während des gesamten Bewilligungszeitraumes
als Halter selbst genutzt und die Kosten getragen hat.
Der Kläger war des weiteren etwa drei Monate lang Eigentümer und Halter des Kraftfahrzeuges Lada Wolga. Die Eigentümerstellung
des Klägers ergibt sich aus der von ihm selbst vorgelegten schriftlichen Bestätigung, in der es heißt, daß das Fahrzeug Lada
Wolga dem Kläger geschenkt worden sei. Dieses Auto war nach einer vom Beklagten eingeholten Auskunft des Straßenverkehrsamtes
drei Monate auf den Kläger zugelassen. Auch der vom Kläger vorgelegte Steuerbescheid und der Versicherungsschein, die für
dieses Auto ergangen bzw. ausgestellt worden sind, lauten auf seinen Namen.
Der Kläger hat dieses Kraftfahrzeug in dieser Zeit genutzt. Dies hat er selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem VG angegeben.
Seine als Zeugin vernommene Mutter hat dies bestätigt.
Dies spricht dafür, daß der Kläger auch die mit dem Betrieb des Autos verbundenen laufenden Kosten getragen hat. Sein Vorbringen,
daß ihm für das in seinem Eigentum stehende Kraftfahrzeug Lada Wolga während der Nutzung keine Kosten entstanden seien, weil
er das Auto geschenkt bekommen habe und die laufenden Betriebskosten von seinem Bruder aufgebracht worden seien, ist nicht
glaubhaft. Selbst wenn der Senat zugunsten des Klägers davon ausgeht, daß ihm keine Anschaffungskosten entstanden sind, weil
er das Fahrzeug geschenkt bekommen hat, steht nicht fest, daß die Nutzung des Kraftfahrzeuges durch den Kläger ihm selbst
keine Kosten verursacht hat. Vielmehr bestehen nach wie vor Zweifel daran, die zu seinen Lasten gehen. Nach den eigenen Angaben
des Klägers hat sich sein Bruder dazu bereit erklärt, die Steuern und Versicherungen für drei Monate zu übernehmen. In diesem
Sinne hatte sich der Kläger auch schon in der Klagebegründung eingelassen. Angaben darüber, wie die Benzinkosten und etwaige
Reparaturkosten aufgebracht worden sind, hat der Kläger selbst weder schriftlich noch mündlich gemacht. Auch der als Zeuge
vernommene Bruger hat nur bekundet, daß er die Steuern und Versicherungen für das Fahrzeug übernommen habe, indem er die entsprechenden
Beträge dem Kläger bar übergeben habe. Der Zeuge hat anläßlich seiner Vernehmung nichts darüber ausgesagt, auch die Benzinkosten
und weitere Kosten getragen zu haben. Außerdem hat der Kläger keine Belege darüber vorgelegt, wann und in welcher Höhe er
die Steuern und Versicherungsbeiträge gezahlt hat. Wenn die Angaben des Zeugen anläßlich seiner Zeugenvernehmung zutreffen
sollten, daß der Kläger die Beträge für die Steuern und Versicherungen in bar erhalten hat, hätte es nahegelegen, Zahlungsbelege
dafür einzureichen, daß und zu welchem Zeitpunkt diese Barbeträge an das Finanzamt bzw. an die Versicherungsgesellschaft gezahlt
worden sind.
Davon abgesehen erscheint die Aussage des Zeugen M. D. auch nicht glaubhaft (wird ausgeführt). Nicht zuletzt haben weder der
Kläger noch der Zeuge ein Motiv für die Übernahme der Steuern und Versicherungen genannt, so daß auch nicht die Möglichkeit
auszuschließen ist, daß es sich bei dieser und den übrigen von dem Zeugen bestätigten Zuwendungen um Teile einer Vergütung
für eine etwaige Mitarbeit des Klägers, der von Beruf selbst Kraftfahrzeugmechaniker ist, in dem Kraftfahrzeuggeschäft des
Zeugen handelte.
Der Kläger war schließlich auch Halter des Kraftfahrzeuges Ford Sierra. Der Kläger hat die vom Beklagten eingeholte Auskunft
des Straßenverkehrsamtes, daß dieses Kraftfahrzeug sieben Monate auf seinen Namen angemeldet war, nicht bestritten. Vielmehr
hat er diese Auskunft dadurch bestätigt, daß er selbst den auf seinen Namen für das Fahrzeug ausgestellten Steuerbescheid
und den ebenfalls auf seinen Namen ausgestellten Versicherungsschein vorgelegt hat.
Die Behauptung des Klägers, er habe dieses Kraftfahrzeug im streitgegenständlichen Zeitraum nicht genutzt und keine Betriebskosten
getragen, ist nicht erwiesen. Der Kläger hat zwar wiederholt vorgetragen, der Ford Sierra sei von seinem Sohn zu dessen Eigentum
erworben worden, dieser habe auch die Steuern und die Versicherungsbeiträge sowie die Unterhaltungskosten gezahlt. Der Senat
hält dies aber nicht für glaubhaft.
Zwar ist in dem vom Kläger vorgelegten Kaufvertrag über dieses Auto als Käufer der Sohn des Klägers aufgeführt. Der Senat
hat jedoch Zweifel, ob der Kaufvertrag insoweit die Vertragsparteien wahrheitsgemäß benennt oder ob der Sohn nicht als Strohmann
für den Kläger aufgetreten ist. Immerhin konnte für den Kläger deshalb Veranlassung bestehen, den eigenen Erwerb des Kraftfahrzeuges
zu verschleiern, weil er inzwischen wegen des Besitzes des Kraftfahrzeuges Audi 80 die Erfahrung mit dem Sozialamt des Beklagten
gemacht hatte, daß der Erwerb und der Besitz eines Autos ein Hindernis für die Gewährung von Sozialhilfe sein könnte.
Dafür, daß in dem Kaufvertrag unrichtige Angaben über den Käufer des Kraftfahrzeuges enthalten sind, spricht zunächst einmal
der Umstand, daß der Kläger und nicht sein Sohn bei der Kraftfahrzeug-Zulassungsstelle als Halter dieses Autos benannt und
eingetragen worden ist. Dies kann zwar auch seinen Grund darin haben, daß sein Sohn auf diese Weise in den Genuß eines günstigeren
Versicherungstarifs gelangen wollte als ihm als Führerscheinneuling zugestanden hätte. Angesichts dessen, daß entweder die
Angaben zur Haltereigenschaft gegenüber der Kraftfahrzeug-Zulassungsstelle (und damit letztlich auch gegenüber dem Finanzamt)
oder gegenüber dem Sozialamt unrichtig sein müssen, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß gerade die dem
Sozialamt gegenüber erklärte Version die richtige ist. Vielmehr ist die Annahme gerechtfertigt, daß der Kläger gegenüber dem
Finanzamt, gegenüber der Kraftfahrzeug-Zulassungsstelle, gegenüber der Versicherungsgesellschaft und gegenüber dem Sozialamt
des Beklagten die Angaben gemacht hat, die die jeweils für ihn und für seinen Sohn günstigste Rechtsfolge herbeiführten.
Im übrigen bestehen deshalb Bedenken gegen die Richtigkeit des Vortrages, daß der Sohn Käufer des Kraftfahrzeuges sei und
die gesamten Kosten getragen habe, weil dieser das Fahrzeug nicht oder nur selten benutzt hat. Dies hat die Vernehmung des
Sohnes und der Mutter des Klägers als Zeugin ergeben (wird ausgeführt).
Ebensowenig kann festgestellt werden, daß das Geld zur Bezahlung der Steuern und Versicherungen dem Kläger von seinem Sohn
bar übergeben worden ist. Schließlich kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß der Kläger für die sonstigen Betriebskosten,
also für Benzin- und etwaige Reparaturkosten aufgekommen ist. Zwar hat der Kläger vorgetragen, daß die laufenden Unterhaltungskosten
für das Fahrzeug von seinem Sohn aufgebracht worden seien. Diese umfassende Kostenübernahme hat der Sohn als Zeuge nicht bestätigt.
Vielmehr hat er anläßlich seiner Vernehmung lediglich ausgeführt, daß er dem Kläger das Geld für Versicherung und Steuern
in bar übergeben habe. Dagegen hat er keine Angaben über weitere Betriebskosten, insbesondere über Benzinkosten und etwaige
Reparaturkosten gemacht.
Da nach alledem nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Kläger über Einkünfte verfügte und auch nicht aufgeklärt werden
kann, in welcher Höhe dem Kläger Einkünfte zur Verfügung gestanden haben, kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß diese
Einkünfte nicht höher sind, als die (fiktiven) Kosten, die durch den Erwerb und den Betrieb seiner mindestens drei verschiedenen
Kraftfahrzeuge verursacht wurden. Deshalb bedarf es auch keiner Feststellungen dazu, welche Kosten die Anschaffung und der
Betrieb der Fahrzeuge tatsächlich verursacht haben und ob bei Unterstellung eines Einkommens nur in dieser Höhe ein ungedeckter
Restbedarf an Hilfe zum Lebensunterhalt verbleibt.