Sozialhilferecht: Erstattungsanspruch des Nothelfers, Voraussetzungen für eine erweiterte Hilfe nach § 29 BSHG
Tatbestand:
Der Kläger verlangt vom beklagten Sozialhilfeträger die Übernahme der Kosten, die ihm als Träger der Universitätsklinik in
B. durch die Behandlung eines als "Notfall" eingelieferten Patienten entstanden sind. Die Klage hatte auch in der Berufungsinstanz
keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger kann von der Beklagten nicht den Ersatz der noch offenstehenden Kosten für die Behandlung des Herrn M. beanspruchen.
Als Anspruchsnorm für das Begehren des Klägers kommt allein § 121 BSHG in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind jedoch nicht erfüllt. Nach § 121 BSHG sind demjenigen, der in einem Eilfall einem anderen Hilfe gewährt (hat), die der Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger
Kenntnis nach diesem Gesetz gewährt haben würde, auf Antrag die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie
nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat (Satz 1). Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nur,
wenn der "Nothelfer" den Antrag innerhalb angemessener Frist stellt.
Vorliegend fehlt es im hier maßgeblichen Zeitraum bereits an einem Eilfall im Sinne des § 121 Satz 1 BSHG.
Ein Eilfall im Sinne der Bestimmung setzt voraus, daß in einer plötzlich auftretenden Notlage sofort gehandelt und durch den
Nothelfer sofort geholfen werden muß. Dabei ist ausschlaggebend, daß der dem Nothelfer bekannte Sachverhalt bei objektiver
Beurteilung so gelagert ist, daß er, der Nothelfer, berechtigterweise davon ausgehen konnte, sofort Hilfe leisten zu müssen.
Vgl. OVG NW, Urteil vom 27.3.1990 - 8 A 327/88 -, FEVS 41, 76; Urteil vom 12.3.1997 - 8 A 1357/94 -; OVG Rh.-PF. Urteil vom 4.3.1983 - 8 A 67/81 -, FEVS 34, 257; VGH Bad.-Württ.), Urteil vom 3.9.1986 - 6 S 1530/85 -, FEVS 36, 139; Hess.VGH, Urteil vom 15.12.1992 - 9 UE 1694/87 -, FEVS 44, 247 (249).
Eine solche Sachlage ist dann gegeben, wenn die Hilfeleistung durch den Sozialhilfeträger zu spät kommen würde, wenn also
mit der erforderlichen Hilfe nicht bis zur Einschaltung des Sozialhilfeträgers gewartet werden kann.
Erfordert die gesundheitliche Situation eines Hilfesuchenden aus medizinischen Gründen eine unverzügliche Behandlung in einem
Krankenhaus, liegt ein Eilfall im Sinne des § 121 Satz 1 BSHG nur dann vor, wenn und solange es nicht möglich oder nicht zumutbar ist, den Träger der Sozialhilfe von der Notlage in Kenntnis
zu setzen. Maßgeblich ist insoweit die Situation im jeweiligen für die Behördenentscheidung relevanten Leistungsabschnitt.
Die Beurteilung hat sich an der tatsächlichen, unter Umständen ständig wandelnden Lage auszurichten. Der Sozialhilfefall ist
gleichsam täglich erneut regelungsbedürftig, wobei sich Änderungen nicht nur in bezug auf die Notlage (den Bedarf) als solche,
sondern auch auf die Möglichkeit, den Bedarf durch Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens zu decken, ergeben können.
Vgl. dazu allgemein BVerwG, Urteil vom 30.11.1966 - V C 29.66 -, FEVS 14, 243 (244); Urteil vom 29.9.1971 - V C 110.70 -, FEVS 19, 81; Urteil vom 18.1.1979 - 5 C 4.78 -, FEVS 27, 229; Urteil vom 26.9.1991 - 5 C 14.87 -, FEVS 43, 1; OVG NW, Urteil vom 19.11.1993 - 8 A 278/92 -, FEVS 45, 58 (64 f.).
An dem Charakter der Sozialhilfe als Notlagenhilfe ändert sich selbst dann nichts, wenn die Notlage über einen längeren Zeitraum
andauert. Auch in derartigen Fällen bleibt die Gewährung von Sozialhilfe Notlagenhilfe, die grundsätzlich nur für die nächstliegende
Zeit, mit anderen Worten zeitabschnittsweise gewährt wird. Da diese zeitabschnittsweise Prüfung gerade auch dazu dienen soll,
der sich unter Umständen ständig wechselnden Notlage Rechnung zu tragen, ist bei ihr auf die tatsächliche Lage des Hilfesuchenden
in dem jeweiligen Zeitabschnitt abzustellen.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 30.11.1966 und vom 18.1.1979, aaO.; OVG NW, Urteil vom 19.11.1993, a.a.O., S. 65.
Angesichts dessen reicht es im Falle einer längeren stationären Krankenhausbehandlung eines Hilfesuchenden zur Bejahung eines
Eilfalles im Sinne des § 121 Satz 1 BSHG nicht aus, wenn die gesundheitliche Situation des Hilfesuchenden am Tage der Aufnahme in das Krankenhaus eine sofortige Hilfeleistung
ohne vorherige Einschaltung des Sozialhilfeträgers erforderlich machte. Vielmehr liegt auch dann ein Eilfall im Sinne des
§ 121 Satz 1 BSHG nur solange vor, wie die stationäre Krankenhausbehandlung zur Genesung oder zur Linderung der Krankheitsfolgen erforderlich
und eine Unterrichtung des Sozialhilfeträgers über den Hilfefall nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
In der Rechtsprechung ist diese Rechtsfrage zwar umstritten. Teilweise wird insoweit die Auffassung vertreten, für die Beurteilung
eines Eilfalles im Sinne des § 121 Satz 1 BSHG sei bei der Krankenhilfe nach § 37 BSHG im Hinblick auf die Dauer der Krankenhausbehandlung allein maßgeblich, ob die ununterbrochene Fortführung der eingeleiteten
ärztlichen Maßnahmen bis zum Ende der Krankenhausbehandlung aus medizinischer Sicht erforderlich war; es komme hingegen nicht
darauf an, ob es (dem Krankenhausbetreiber oder dem Hilfebedürftigen) möglich und zumutbar war, den Sozialhilfeträger noch
vor einem möglichen Entlassungszeitpunkt von der Notlage in Kenntnis zu setzen.
Vgl. etwa OVG NW, Urteil vom 22.9.1995 - 24 A 2777/92 - unter Berufung auf OVG NW, Urteil vom 11.10.1982 - 8 A 115/81 -.
Demgegenüber geht der Senat davon aus, daß die Voraussetzungen eines Eilfalles im Sinne der genannten Bestimmung nur solange
erfüllt sind, wie es dem in der Notlage Befindlichen (oder unter Umständen auch dem Nothelfer) nicht möglich ist, den Träger
der Sozialhilfe von der Notlage zu unterrichten, so daß dieser den Hilfefall prüfen und über die erforderliche Hilfegewährung
entscheiden kann.
Vgl. dazu auch OVG NW, Urteil vom 12.3.1997 - 8 A 1357/94 -; Hess. VGH, Urteil vom 4.10.1994 - 9 UE 1570/92 -, ZfF 1995, 226 (227).
Dies ergibt sich letztlich sowohl aus der Systematik als auch aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, deren Wortlaut
- ebenso wie ihre Entstehungsgeschichte - insoweit allerdings keinen hinreichenden Aufschluß über den Begriffsinhalt gibt.
Bei der Bestimmung des Begriffsinhaltes eines "Eilfalles" im Sinne des § 121 Satz 1 BSHG muß von dem gesetzessystematischen Regel-Ausnahme-Verhältnis ausgegangen werden, wonach eine Hilfeleistung durch den "Nothelfer"
anstelle des an sich zuständigen Sozialhilfeträgers nur dann in Betracht kommt, wenn und solange der Träger der Sozialhilfe
von der Notlage noch keine Kenntnis hat und die Unterrichtung des Sozialhilfeträgers über die Notlage aufgrund der Besonderheiten
des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
Denn Anspruch auf Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz hat grundsätzlich der Hilfebedürftige selbst. Das Sozialrechtsverhältnis, innerhalb dessen es um die Verwirklichung dieses
Anspruchs geht, wird nicht durch das Stellen eines Antrages im materiellen konstitutiven Sinne begründet, sondern dadurch,
daß dem Träger der Sozialhilfe (oder einer von ihm beauftragten Stelle) bekannt wird, daß die Voraussetzungen für die Gewährung
der Hilfe vorliegen. Im Verhältnis dazu ist in § 121 Satz 1 BSHG eine Ausnahme insofern geregelt, als unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen die Gewährung der Hilfe schon zu einem
Zeitpunkt einsetzt, in dem der Träger der Sozialhilfe von der Notlage noch keine Kenntnis hat.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 1.8.1983 - BVerwG 5 B 81.83 -; Urteil vom 2.4.1987 - BVerwG 5 C 67.84 -, BVerwGE 77, 181 (186) m.w.N..
Daraus folgt zwingend, daß von einer Lage, auf die die Ausnahmeregelung des § 121 Satz 1 BSHG zutrifft, nicht (mehr) die Rede sein kann, sobald zwischen dem (möglicherweise) Hilfebedürftigen und dem Träger der Sozialhilfe
das Sozialrechtsverhältnis mit der Folge entsteht, daß allein der Hilfebedürftige seinen Anspruch geltend zu machen berechtigt
und allein der Träger der Sozialhilfe zur Regelung des Sozialhilfefalles nach Maßgabe der im Bundessozialhilfegesetz bestimmten sachlichen und örtlichen Zuständigkeiten verpflichtet ist. Da diese Regelungskompetenz des Sozialhilfeträgers
eine ausschließliche ist, ist für eine gleichzeitige, konkurrierende Kompetenz eines "Jemand" im Sinne des § 121 Satz 1 BSHG kein Raum; anderenfalls bestünde, wie das BVerwG mehrfach entschieden hat, bezogen auf die Hilfegewährung für einen Zeitabschnitt,
gegen den Träger der Sozialhilfe eine Mehrheit von Ansprüchen, was das Gesetz aber nicht vorsieht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 2.4.1987, a.a.O., S. 186 m.w.N..
Als Ausnahmebestimmung ist die Regelung des § 121 Satz 1 BSHG einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis darf nicht in Zweifel gezogen werden. Dies erfordert
eine restriktive Interpretation des Begriffs des "Eilfalles".
Auch nach dem erkennbaren gesetzlichen Regelungsziel darf die Vorschrift des § 121 Satz 1 BSHG nicht in der Weise ausgelegt und angewendet werden, daß die regelmäßig nach § 5 BSHG erforderliche Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers über eine sozialhilferechtliche Notlage länger unterbleibt,
als dies die konkreten Umstände des Einzelfalles zwingend erfordern. Denn grundsätzlich setzt, wie sich aus § 5 Abs. 1 BSHG ergibt, die Sozialhilfe (erst) ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird,
daß die Voraussetzungen für die Gewährung vorliegen. Für Zeiträume vor der Kenntnis des Sozialhilfeträgers von dem Hilfefall
sind damit grundsätzlich Leistungen des Sozialhilfeträgers nach dem Bundessozialhilfegesetz nicht vorgesehen. Nach Kenntnisnahme von dem Hilfefall hat der Sozialhilfeträger dann gemäß § 20 SGB X den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und dabei alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen. Er
kann sich dabei - anders als der Nothelfer im Sinne des § 121 Satz 1 BSHG - aller Beweismittel bedienen, die er nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
So kann er gemäß § 21 Abs. 1 SGB X insbesondere Auskünfte jeder Art einholen, Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche
Äußerung von beteiligten Sachverständigen und Zeugen einholen sowie u.a. auch Urkunden und Akten beiziehen. Verweigern Zeugen
oder Sachverständige ohne Vorliegen eines der in den §§
376,
383 bis
385 und
408 ZPO bezeichneten Gründe die Aussage oder die Erstattung des Gutachtens, kann der Sozialhilfeträger gemäß § 22 Abs. 1 SGB X das zuständige Gericht um die Vernehmung ersuchen. Diese weitgehenden Ermittlungsmöglichkeiten und -befugnisse stehen dem
Nothelfer im Sinne des § 121 Satz 1 BSHG nicht in gleicher Weise zur Verfügung. Unterbleibt mithin die nach § 5 BSHG erforderliche Unterrichtung des Sozialhilfeträgers länger, als dies die konkreten Umstände des Einzelfalles zwingend erfordern,
wird damit die Gefahr begründet, daß die Ermittlung der für den Einzelfall hinsichtlich der Leistungsvoraussetzungen und der
Hilfeleistung bedeutsamen Umstände erschwert oder gegebenenfalls sogar verhindert wird.
Dies zeigt gerade auch der vorliegende Fall. Da die Beklagte erst nach der Entlassung des hilfesuchenden Patienten aus der
Universitätsklinik von dem Hilfefall Kenntnis erhielt und da der Hilfesuchende offenbar unmittelbar nach seiner Entlassung
aus der Universitätsklinik die Bundesrepublik Deutschland verließ und seitdem unbekannten Aufenthaltes ist, konnte die Beklagte
die erforderlichen Ermittlungen zur Klärung der Hilfebedürftigkeit des Patienten nicht (mehr) im erforderlichen Maße durchführen.
Namentlich war die Beklagte gehindert, etwa durch Vernehmung des Patienten oder seines Bruders aufzuklären, welche Mittel
dem Patienten im hier maßgeblichen Zeitraum zur Verfügung standen, um die Krankenhauskosten zu bezahlen.
Weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik und der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung ergibt sich, daß nach
dem gesetzlichen Regelungsziel ein Eilfall im Sinne des § 121 Satz 1 BSHG auch dann noch vorliegt, wenn bei fortbestehender Notwendigkeit einer weiteren stationären Krankenhausbehandlung der Unterrichtung
des Sozialhilfeträgers über die sozialhilferechtliche Notlage keine Hindernisse (mehr) entgegenstehen. Dadurch, daß der Sozialhilfeträger
von dem Notfall, sei es durch den Patienten, sei es durch den Krankenhausbetreiber, in Kenntnis gesetzt wird, wird die erforderliche
medizinische Hilfe nicht in Frage gestellt. Vielmehr wird der Sozialhilfeträger dadurch in die Lage versetzt, den Hilfefall
umfassend zu prüfen und über die Gewährung der im Bundessozialhilfegesetz für den Hilfefall vorgesehenen Leistungen zu entscheiden. Würde man dagegen davon ausgehen, daß für das Vorliegen eines Eilfalles
im Sinne des § 121 Satz 1 BSHG allein die gesundheitliche Situation bei der Aufnahme des Hilfesuchenden in das Krankenhaus maßgeblich ist, bestünde die
Gefahr, daß der Träger der Sozialhilfe in die Stellung eines bloßen Ausfallbürgen gedrängt würde. Die gleiche Situation bestünde,
nähme man einen Eilfall, der bei der Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus bestand, auch in der Folgezeit - ungeachtet
der Möglichkeit einer Unterrichtung des Sozialhilfeträgers - solange weiterhin an, wie die stationäre Krankenhausbehandlung
zur Genesung oder zur Linderung der Krankheitsfolgen aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Der Nothelfer wäre dann zwar
in die Lage versetzt, die medizinisch notwendige Hilfe zu leisten. Dem Sozialhilfeträger wäre jedoch mangels Kenntnis von
dem Hilfefall bis zum Zeitpunkt des Einganges eines Antrages nach § 121 Satz 2 BSHG jede Möglichkeit genommen, die ihm nach dem Bundessozialhilfegesetz übertragenen Aufgaben und Befugnisse zur Ermittlung aller für den Einzelfall bedeutsamen Umstände wahrzunehmen und über die
Hilfegewährung zeitnah zu entscheiden. Bis zum Eingang eines Erstattungsantrages des Nothelfers nach § 121 Satz 2 BSHG würde es damit dem Sozialhilfeträger versagt, seine gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse wahrzunehmen, obwohl eine Unterrichtung
des Sozialhilfeträgers nicht unmöglich und nicht unzumutbar gewesen wäre. Dies würde der dargelegten Regelungsstruktur des
Bundessozialhilfegesetzes widersprechen, die eine Hilfeleistung durch den Nothelfer anstelle des an sich zuständigen Sozialhilfeträgers
eben nur für den (Ausnahme-)Fall vorsieht, daß mit der erforderlichen Hilfeleistung im jeweiligen Bedarfsabschnitt aufgrund
der Besonderheiten des Einzelfalles nicht bis zur Einschaltung des Sozialhilfeträgers gewartet werden kann.
Die dargelegten gesetzlichen Voraussetzungen eines Eilfalles im Sinne des § 121 Satz 1 BSHG sind in Bezug auf den vorliegend streitigen Erstattungsanspruch nicht erfüllt (wird ausgeführt) ...
Davon abgesehen sind auch die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für den vom Kläger gegen die Beklagte geltend gemachten
Anspruch nicht erfüllt.
Zu ersetzen sind nämlich nur die Aufwendungen, die der Träger der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz bei rechtzeitiger Kenntnis, also dann geleistet haben würde, wäre er von Anfang an in der Lage gewesen zu prüfen und zu entscheiden,
ob Sozialhilfe zu gewähren ist. Damit sind in bezug auf die Erstattung materiell alle Hilfearten, auch die Hilfe in besonderer
Lebenslage, aber auch alle Formen der Hilfe (Muß-, Soll- oder Kannleistung) angesprochen. Im vorliegenden Falle hätte die
Beklagte als zuständige Trägerin der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis vom Hilfefall die hier in Rede stehende Hilfe
nicht geleistet. Dies gilt sowohl für eine Hilfe nach § 37 BSHG i.V.m. § 28 Abs. 1 BSHG als auch für die sogenannte erweiterte Hilfe nach § 37 BSHG i.V.m. § 29 Satz 1 BSHG.
Eine Hilfeleistung nach § 37 BSHG i.V.m. § 28 BSHG wäre hier deshalb ausgeschieden, weil sich nicht mit der für eine Verpflichtung der Beklagten erforderlichen an Sicherheit
grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen läßt, daß es dem Patienten M. und ggf. seinen von § 28 Abs. 1 BSHG erfaßten Angehörigen nach Maßgabe des Abschnitts 4 des Bundessozialhilfegesetzes nicht zumutbar war, die geltend gemachten
Kosten der Krankenhausbehandlung zu tragen. Denn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Patienten und des nach § 28 Abs. 1 BSHG maßgeblichen Personenkreises lassen sich nicht (mehr) aufklären. Dies geht zu Lasten des Klägers.
Aus der in § 121 Satz 1 BSHG enthaltenen Verweisung ("nach diesem Gesetz") ergibt sich, daß der vom Nothelfer um die Erstattung angegangene Träger der
Sozialhilfe - wie jede Behörde vor Erlaß eines Verwaltungsaktes - den Sachverhalt von Amts wegen sorgfältig aufzuklären hat
und daß er dabei den Antragsteller zur Mitwirkung heranziehen kann.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.3.1974 - V C 27.73 -, FEVS 22, 301 (302).
Dies schließt ein, daß der Träger der Sozialhilfe sich nicht mit der bloßen Behauptung des Empfängers der Nothilfe, nach seinen
Einkommens- und Vermögensverhältnissen hilfebedürftig gewesen zu sein, zufriedengeben darf, wenn Anhaltspunkte für Zweifel
an der Wahrhaftigkeit dieser Behauptung bestehen. Führt jedoch das sorgfältige Bemühen um Aufklärung letztlich auch für das
Gericht zu keiner eindeutigen Feststellung der Hilfebedürftigkeit für den Zeitraum, für den die Nothilfe geleistet wurde,
bleibt es also bei einem "non-liquet", dann beantwortet sich die Frage, wer die Folgen dieser Unaufklärbarkeit zu tragen hat,
nach dem materiellen Recht. Danach gilt: Wer einen Anspruch geltend macht, zu dessen Lasten geht die Nichtaufklärbarkeit der
diesen Anspruch begründenden Tatsachen, es sei denn, daß das materielle Recht eine besondere Verteilung der Beweislast regelt.
Letzteres ist nach § 121 Satz 1 BSHG indes nicht der Fall.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.1.1971 - BVerwG V C 74.70 -, FEVS 18, 121 (124); Urteil vom 28.3.1974, a.a.O., S. 302 f..
Vorliegend kann nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Beweismittel nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden
Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, daß dem in den Einrichtungen des Klägers im hier maßgeblichen Zeitraum behandelten
Patienten M. und seinen nach § 28 Abs. 1 BSHG ggf. zu berücksichtigenden Angehörigen die Aufbringung der Mittel für den Krankenhausaufenthalt aus dem Einkommen und Vermögen
nicht zuzumuten war (wird ausgeführt).
Auch soweit der Kläger seinen gegen die Beklagte gerichteten Anspruch auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 37 BSHG und § 29 Satz 1 BSHG stützt, hat die Klage keinen Erfolg. Zwar ist grundsätzlich die sog. erweiterte Hilfe nach § 29 Satz 1 BSHG im Sinne des § 121 Satz 1 BSHG eine Hilfe "nach diesem Gesetz". Dementsprechend ist auch zu prüfen, ob der Sozialhilfeträger aufgrund des § 29 Satz 1 BSHG bei rechtzeitiger Kenntnis des Falles für die Kosten der stationären Behandlung (vorerst) aufgekommen wäre.
Vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 28.3.1974, a.a.O., S. 304.
Nach § 29 Satz 1 BSHG kann der Sozialhilfeträger in begründeten Fällen Hilfe über § 28 BSHG hinaus auch insoweit gewähren, als den dort genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen oder Vermögen
zuzumuten ist. Diese erweiterte Hilfe nach § 29 Satz 1 BSHG kommt auch dann in Betracht, wenn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Hilfesuchenden noch ungeklärt sind.
Vgl. dazu u.a. OVG NW, Urteil vom 5.12.1985 - 8 A 269/84 -, FEVS 35, 457 (460).
Die Beklagte hätte jedoch im vorliegenden Falle bei rechtzeitiger Kenntnis auch nach § 29 Satz 1 BSHG dem Patienten M. keine Hilfe gewährt haben müssen.
Es fehlt bereits an einem "begründeten Fall" im Sinne des § 29 Satz 1 BSHG.
Die Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist vornehmlich daran auszurichten, daß auch die "erweiterte Hilfe" eine
Hilfe im Interesse einer für hilfebedürftig gehaltenen Person ist. Entscheidend ist, ob ohne das Eintreten der Sozialhilfe
in Gestalt des "Verauslagens" die notwendige Hilfe an der Kostenfrage zu scheitern droht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.1979 - 5 C 39.78 -, FEVS 28, 13 (16) m.w.N.; OVG NW, Urteil vom 13.6.1985 - 8 A 2514/83 -; Urteil vom 5.12.1985 - 8 A 269/84 -, FEVS 35, 457 (459).
Das wäre hier nicht der Fall gewesen. Denn die dem Patienten M. durch den "Nothelfer" in den Krankenanstalten (des Klägers)
gewährte Hilfe wurde weder am Aufnahmetag noch während des hier maßgeblichen Zeitraums von der Klärung der Kostenfrage abhängig
gemacht. (wird ausgeführt)
Selbst wenn aber im hier maßgeblichen Zeitraum ein "begründeter Fall" im Sinne des § 29 Satz 1 BSHG vorgelegen hätte, ergäbe sich daraus noch nicht, daß die Beklagte im Sinne des § 121 Satz 1 BSHG bei rechtzeitiger Kenntnis gemäß § 29 Satz 1 BSHG Hilfe gewährt haben würde. Denn die Gewährung der "erweiterten Hilfe" nach § 29 Satz 1 BSHG steht nach der insoweit eindeutigen gesetzlichen Regelung ("kann") im Ermessen des Sozialhilfeträgers. Hätte die Beklagte
im Sinne des § 121 Satz 1 BSHG von dem Hilfefall rechtzeitig Kenntnis erhalten, wäre es angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalles nicht ermessensfehlerhaft
gewesen, wenn er angesichts der ungeklärten Vermögensverhältnisse des Hilfesuchenden eine Hilfeleistung nach § 29 Satz 1 BSHG abgelehnt hätte. (wird ausgeführt)