Verwaltungsprozeßrecht: Vertretungszwang bei Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen die Versagung von Prozeßkostenhilfe
Gründe:
Mit Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 3.6.1997 - 4 K 66/95 - wurde der Klägerin Prozeßkostenhilfe für deren Klage auf Sozialhilfe zur Begleichung von Prozeßkosten in Höhe von 42,--
DM, die von der Klägerin an ihre Vermieterin aufgrund einer Nebenkostenstreitigkeit zu erstatten sind, mangels Erfolgsaussicht
der Klage versagt. Hiergegen beantragt die Klägerin mit einem fristgerecht eingereichten Anwaltsschriftsatz die Zulassung
der Beschwerde und die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe.
Zwar scheitert der Prozeßkostenhilfeantrag nicht schon daran, daß nach bisheriger Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts
nach dem Grundsatz, daß es keine Prozeßkostenhilfe für das Bewilligungsverfahren gibt, Prozeßkostenhilfe auch für die Beschwerde
gegen die Versagung von Prozeßkostenhilfe grundsätzlich ausschied.
- OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 22.6.1989 - 1 W 116/89 -, vom 8.5.1990 - 3 W 544/88 - und vom 27.1.1992 - 8 W 4/92 -
Diese Rechtsprechung fand ihre innere Rechtfertigung darin, daß der Rechtsuchende nach dem zivilprozessualen PKH-Verfahren,
das gemäß §
166 VwGO auch für den Verwaltungsprozeß gilt, nicht nur den Prozeßkostenhilfeantrag (§
117 I
ZPO), sondern auch die Beschwerde (§
569 II
ZPO) zu Protokoll der Geschäftsstelle einlegen und hierbei auch beraten werden kann, er also für die Beschwerde keine Anwaltskosten
aufbringen muß.
- vgl. eingehend zum Grundsatz: keine PKH für das Bewilligungsverfahren: OLG Nürnberg, NJW 1982, 288 -.
Dies hat sich seit dem 1.1.1997 durch das 6.
VwGO-Änderungsgesetz vom 1.11.1996 (BGBl. I S. 1626) für den Verwaltungsprozeß geändert. Nunmehr muß sich nach §
67 I 1
VwGO vor dem Oberverwaltungsgericht jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer
an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten vertreten lassen. Der Vertretungszwang gilt nach §
67 I 2
VwGO ausdrücklich auch für den Antrag auf Zulassung der Beschwerde. Nach §
146 IV
VwGO ist die Beschwerde gegen Beschlüsse im Verfahren der Prozeßkostenhilfe nur noch gegeben, wenn sie vom Oberverwaltungsgericht
in entsprechender Anwendung des § 124 II zugelassen wird. Diese ausdrückliche Einführung eines Zulassungsverfahrens für die
PKH-Beschwerde nebst dem dafür geltenden Vertretungszwang sind spezielle Regelungen, die der allgemeinen Verweisung des §
166 VwGO auf die
ZPO vorgehen. Anders als im zivilprozessualen Verfahren, das die PKH-Beschwerde vom Anwaltszwang ausnimmt (§§
569 II 2, 78 III
ZPO), bedarf es also nunmehr im verwaltungsgerichtlichen Verfahren für den Antrag auf Zulassung der Beschwerde wie auch für den
Beschwerdeantrag selbst anwaltlicher Vertretung.
- ebenso VGH Mannheim, B. v. 25.3.1997 - NVwZ 1997, 693 -
Da die anwaltliche Vertretung mit Kosten verbunden ist,
Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 10. Aufl. § 61 Rdnr. 11
gibt der Senat seine bisherige Rechtsprechung, daß es für die PKH-Beschwerde keine Prozeßkostenhilfe gibt, im Hinblick auf
die eingetretene Rechtsänderung ausdrücklich auf.
Klarstellend sei darauf hingewiesen, daß der Vertretungszwang nur für den Beschwerdezulassungsantrag und den Beschwerdeantrag
gilt, indessen der Antrag auf Prozeßkostenhilfe auch für die Beschwerdeinstanz nach wie vor ohne Anwalt gestellt werden kann.
Die arme Partei hat somit die Möglichkeit, über einen von ihr selbst binnen der Frist für den Beschwerdezulassungsantrag gestellten
PKH-Antrag eine Anwaltsbeiordnung zu erreichen und mittels Wiedereinsetzung nachträglich die Frist- und Formvoraussetzungen
für den Zulassungsantrag zu erfüllen.
Dem Prozeßkostenhilfeantrag der Klägerin kann jedoch in der Sache nicht entsprochen werden, denn es liegen keine Gründe für
eine Zulassung der Beschwerde vor; auch der Beschwerdezulassungsantrag bleibt deshalb erfolglos.
Von den Zulassungsgründen des gemäß §
146 IV
VwGO entsprechend anzuwendenden §
124 II
VwGO ist sinngemäß nur geltend gemacht der der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§
124 II Nr. 1
VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses bestehen aber nicht. Das Verwaltungsgericht
hat zu Recht eine Erfolgsaussicht der Klage und damit die Voraussetzung für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe verneint.
Die von der Klägerin eingeklagten 42,-- DM Prozeßkosten, die sie an ihre Vermieterin aufgrund eines Prozesses um Mietnebenkosten
zu erstatten hat, sind kein Bedarf, für den Sozialhilfe nach den Vorschriften des BSHG beansprucht werden kann. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die Prozeßkosten, auch wenn sie im Rahmen
einer Mietstreitigkeit angefallen sind, nicht zu den Kosten der Unterkunft i.S. des BSHG zu rechnen sind. Auf diese Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Entscheidend für die Versagung
der Übernahme von Prozeßkosten ist der Gesichtspunkt, daß es sich bei den mit dem Rechtsschutz verbundenen Kosten um einen
eigenständig und - nach allgemeiner Auffassung - zudem abschließend in den Vorschriften der Prozeßkostenhilfe geregelten Bedarf
handelt. Der Gesetzgeber hat im Institut der Prozeßkostenhilfe, die eine im Prozeßrecht geregelte Form der Hilfe in besonderen
Lebenslagen darstellt, die finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln zum Zwecke der Prozeßführung, sei es als Rechtsverfolgung
der Rechtsverteidigung, besonders geregelt. Die Prozeßkostenhilfe wird deshalb in der obergerichtlichen und höchstrichterlichen
Rechtsprechung als abschließende Sonderregelung sowohl im Verhältnis zu den §§ 11, 12 BSHG (Hilfe zum Lebensunterhalt) als auch gegenüber § 27 II BSHG (Hilfe in besonderen Lebenslagen) angesehen.
- BVerwG, B. v. 2.11.1992 - 5 B 135.92 - Buchholz §
166 VwGO, Nr. 32 unter Hinweis auf BVerfG, B. v. 16.3.1992 - 1 BvR 29/92 (soweit ersichtlich nicht veröffentlicht); OVG Münster NJW 1993, 482, VGH Bad.-Württ. FEVS Bd. 25, 151; OVG Hamb. FEVS 33, 475 und FEVS 39, 148 -
Allerdings schützt die Prozeßkostenhilfe den Rechtsuchenden, der im Prozeß nicht oder nur teilweise obsiegt, nicht vor der
Inanspruchnahme wegen der zu erstattenden Kosten des Gegners. Die diesbezügliche Regelung des §
123 ZPO liegt im Rahmen der von der Verfassung wegen eröffneten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.
- BVerwG B.v. 6.12.1991 - 5 B 127.90 - Buchholz, §
166 VwGO Nr. 24; B. v. 8.7.1992 - 5 B 111.92 - Buchholz §
166 VwGO Nr. 30 unter Hinweis auf den Nichtannahmebeschluß des BVerfG vom 16.3.1992 - 1 BvR 29.92 -; in diesem Sinne auch BVerfG,
B. v. 26.4.1988 - BVerfGE 78, 104, 118 ff -
Zu sehen ist dabei, daß der Kostenerstattungsanspruch des Gegners aufgrund der Pfändungsschutzvorschriften nicht zu einer
Gefährdung des Existenzminimums führt.
- vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfG B. v. 13.6.1979, BVerfGE 51, 295, 302 mit dem Hinweis, daß die arme Partei gegenüber einem Rückgriff jedenfalls insoweit geschützt wird, als die Pfändungsfreigrenze
nicht erreicht wird -
Nach allem kann der Klägerin wegen der geltend gemachten Prozeßkosten keine Sozialhilfe bewilligt werden.
Es besteht auch kein Anspruch unter dem von ihr geltend gemachten Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag. Der Aufwendungsersatz
für eine Geschäftsführung ohne Auftrag setzt voraus, daß das Geschäft eines anderen und kein eigenes Geschäft geführt wird
(vgl. §
677 BGB). Mit der Rechtsverteidigung gegenüber der Mietnebenkostenklage ihrer Vermieterin hat die Klägerin jedoch ein eigenes Geschäft
geführt und kein solches des Sozialamtes. Daß die Kosten der Unterkunft vom Sozialamt getragen werden, ändert nichts an dem
vertraglichen Mietverhältnis und daran, daß sich die Forderungen des Vermieters aus diesem Vertragsverhältnis gegen den Mieter
und nicht gegen das Sozialamt richten. Auch liegt es im eigenen Interesse des Mieters, ungerechtfertigte Forderungen abzuwenden,
da er gegenüber dem Sozialamt keinen Anspruch auf Übernahme ungerechtfertigter Mietnebenkosten hätte.
Das Verwaltungsgericht hat somit zu Recht eine mangelnde Erfolgsaussicht der Klage festgestellt und Prozeßkostenhilfe versagt.
Der Klägerin mag dieses Ergebnis vielleicht eher einleuchten am Beispiel eines Mieters mit geringem, nur knapp über den Sozialhilfesätze
liegendem Einkommen, der Rechtsschutz gegenüber einer Mietnebenkostenforderung oder einem Mieterhöhungsverlangen sucht und
hierfür Prozeßkostenhilfe erhält. Wenn er trotzdem im Prozeß ganz oder teilweise unterliegt, ist er dem Kostenerstattungsanspruch
des Vermieters ausgesetzt. An diesem Beispiel wird deutlich, daß es sich bei den vom Mieter zu tragenden Prozeßkosten um Schulden
handelt, die nicht zu Abdeckung direkter Unterkunftskosten entstanden sind und auch nicht aufgrund einer Geschäftsführung
für das Sozialamt, sondern allein aufgrund einer im eigenen Interesse liegenden Rechtsverteidigung. Diese Schulden stellen
keinen sozialhilferechtlich zu deckenden Bedarf dar.