Kostenerstattung zwischen Sozialhilfeträgern bei Heimunterbringung
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Kostenerstattung für Sozialhilfeleistungen, die sie für die Heimunterbringung einer sozialhilfebedürftigen
Person für den Zeitraum von November 1991 bis Februar 1993 aufgewendet hat.
Die am 1. November 1902 geborene Frau M. D. wohnte bis zum 4. November 1990 in Z. Seit dem 5. November 1990 ist sie in einem
Seniorenheim in Suhl untergebracht.
Mit Datum vom 26. Januar 1991 beantragte Frau D. bei der Klägerin Sozialhilfe zur Bezahlung der Heimkosten.
Mit Bescheid vom 29. Juli 1991 gewährte die Klägerin Frau D. ab dem 1. Juli 1991 bis zum Wegfall der Hilfeberechtigung Hilfe
zum Lebensunterhalt durch Übernahme der Heimkosten zu den für Sozialhilfeträger maßgebenden Sätzen zuzüglich eines Barbetrages
zur persönlichen Verfügung von damals 164,-- DM monatlich.
Mit Bescheid vom 7. Februar 1992 wurde Frau D. in die Pflegestufe 2 (Heimbewohner, mit Pflegebedarf) eingestuft.
Mit Schreiben vom 29. April 1992 teilte die Klägerin der Kreisverwaltung des Landkreises Suhl mit, daß sie seit Juli 1991
die ungedeckten Heimkosten von Frau D. trage, und bat um Anerkennung der Erstattungspflicht gemäß § 103 BSHG, weil Frau D. vor der Aufnahme ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Z. gehabt habe.
Mit Schreiben vom 7. Mai 1992 antwortete die Kreisverwaltung Suhl der Klägerin dahin gehend, daß nach Aussage des Landessozialamtes
in Meiningen die neuen Bundesländer auf die Geltendmachung von solchen Ansprüchen verzichtet hätten. Auf ein nochmaliges Schreiben
der Klägerin, mit dem diese Kostenerstattungsansprüche für insgesamt 20 Personen geltend machte, erkannte die Kreisverwaltung
Suhl in einem Schreiben an die Klägerin vom 19. Juni 1992 deren Ansprüche vorbehaltlich einer Entscheidung durch den Thüringer
Landkreistag an.
Nach weiterer Korrespondenz zwischen den Beteiligten lehnte die Kreisverwaltung Suhl mit Schreiben an die Klägerin vom 19.
Februar 1993 die Kostenerstattung der Fälle ab, die vor dem Januar 1991 in das Heim in Suhl eingewiesen worden waren (sog.
Altfälle).
Mit amtsärztlichem Zeugnis vom 6. März 1993 stellte das Gesundheitsamt Suhl fest, daß Frau D. der Betreuung und Aufsicht rund
um die Uhr sowie infolge körperlicher Schwäche und Hilflosigkeit ständiger Pflege bedürfe. Mit Bescheid vom 15. April 1993
stufte die Klägerin Frau D. rückwirkend zum März 1993 in die Pflegestufe 4 ein.
Am 3. August 1993 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Meiningen Klage erhoben, mit der sie zunächst den Landkreis Suhl,
dessen Rechtsnachfolger der Beklagte ist, auf Zahlung von 19.397,18 DM für die von ihr für Frau D. vom 1. November 1991 bis
zum 28. Februar 1993 geleistete Sozialhilfe in Anspruch genommen hat.
Sie hat die Klage für zulässig gehalten. Der Verwaltungsrechtsweg sei eröffnet, weil die für § 113a BSHG n.F., der für solche Streitigkeiten ein schiedsgerichtliches Verfahren vorsah, erforderliche Ausführungsverordnung noch nicht
erlassen sei. Außerdem sei die allgemeine Leistungsklage die geeignete Klageart, für die auch ein Rechtsschutzinteresse bestehe,
weil eine anderweitige Durchsetzung ihrer Forderungen nicht möglich sei.
Die Klage sei auch begründet. Der Kostenerstattungsanspruch ergebe sich aus § 103 BSHG a.F., der nach dem Einigungsvertrag mangels entsprechender Sonderregelungen im Beitrittsgebiet zusammen mit den meisten anderen Vorschriften des BSHG zum 1. Januar 1991 in Kraft getreten sei. Diese Vorschrift gelte auch für Erstattungsansprüche von Sozialhilfeträgern in
den neuen Bundesländern untereinander. Ihre Schutzfunktion - die Sozialhilfeträger der Anstalten vor finanziellen Belastungen
zu schützen, die durch Gewährung entsprechender Hilfen an Personen entstehen, die zuvor ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich
eines anderen Sozialhilfeträgers hatten - sei in den neuen Bundesländern, wo zu DDR-Zeiten die Einrichtungen durch zentralistische
Festlegungen ehemaliger Regierungsorgane etabliert worden seien, noch viel mehr einschlägig als in den alten Bundesländern.
§ 103 BSHG a.F. sei auch für sog. Altfälle anwendbar, also für diejenigen Fälle, in denen die Heimunterbringung der Hilfebedürftigen
schon vor dem 1. Januar 1991 - dem Inkrafttreten des BSHG im Beitrittsgebiet - erfolgt sei; diese Anwendung stelle eine zulässige unechte Rückwirkung dar. Die Tatbestandsvoraussetzungen
des § 103 BSHG a.F. lägen vor, insbesondere habe die Hilfeempfängerin im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt
im Bereich des Beklagten gehabt; daß damals das BSHG im Beitrittsgebiet noch nicht in Kraft gewesen sei, sei unerheblich. Ohne Belang sei auch, daß sich die Hilfeempfängerin
vom Zeitpunkt ihrer Aufnahme in das Heim im November 1990 bis zum 1. Mai 1991 dort als Selbstzahlerin aufgehalten habe; die
Erstattungsregelung des § 103 BSHG a.F. knüpfe nämlich nicht an den Zeitpunkt der Entscheidung über die Gewährung der Sozialhilfe, sondern an den Zeitpunkt
des Eintritts in die Einrichtung an. Im Rahmen des § 103 BSHG a.F. sei eine Pflegebedürftigkeit des Hilfeempfängers nicht erforderlich; vielmehr genüge die Heimbetreuungsbedürftigkeit.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, die von ihr aufgewendeten Kosten der Sozialhilfe für einen Zeitraum vom 1. November 1991 bis
zum 28. Februar 1993 in Höhe von 19.397,18 DM zu erstatten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Klage bereits für unzulässig gehalten. Zum einen sei die von der Klägerin gewählte allgemeine Leistungsklage unstatthaft,
weil die Klägerin ihren Kostenerstattungsanspruch durch Verwaltungsakt hätte festsetzen müssen. Zum anderen fehle wegen dieser
Möglichkeit des Erlasses eines Leistungsbescheides auch das Rechtsschutzinteresse für seine, des Beklagten, gerichtliche Inanspruchnahme.
Die Klage sei auch unbegründet. Zwar sei § 103 BSHG a.F. seit dem 1. Januar 1991 im Beitrittsgebiet in Kraft gewesen, er könne aber nicht in den Fällen zur Anwendung kommen,
in denen die Aufnahme in die Einrichtung bereits vor Inkrafttreten dieser Vorschrift erfolgt sei. Dies ergebe sich daraus,
daß gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne dieser Vorschrift ein Aufenthalt im Geltungsbereich des BSHG sein müsse. Dieses wiederum folge aus § 106 BSHG in der damaligen Fassung, der von einem "gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes" spreche. Hinzu komme
im vorliegenden Fall, daß erst ab März 1991 Heimunterbringungskosten angefallen seien; zu diesem Zeitpunkt habe die Hilfeempfängerin
als Selbstzahlerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt schon länger als zwei Monate im Heim und damit im Gebiet der Klägerin gehabt.
Erst mit der Einführung der Pflegekostensätze in Thüringen im März 1991 sei die Hilfeempfängerin in eine Pflegestufe eingestuft
worden, wohingegen zuvor - insbesondere bei Aufnahme in das Heim - keine Pflegebedürftigkeit bestanden habe. Außerdem sei
die Hilfeempfängerin seinerzeit lediglich deshalb in das Heim aufgenommen worden, weil sie in der Nähe ihres Sohnes habe leben
wollen.
Mit dem Beklagten am 3. April 1995 zugestelltem Urteil vom 25. Januar 1995 hat das Verwaltungsgericht Meiningen - 8 K 347/93.Me - den Beklagten "verpflichtet", an die Klägerin 19.397,18 DM zu zahlen. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, daß der
Anspruch der Klägerin sich aus § 103 BSHG in den im Zeitpunkt der Leistungsgewährung in Kraft gewesenen Fassungen ergebe. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift für vor
Inkrafttreten des BSHG im Beitrittsgebiet gewährte Leistungen ergebe sich aus § 144 Abs. 1 Nr. 1 BSHG n.F. Die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 S. 1 BSHG a.F. lägen vor. Insoweit genüge eine Heimbetreuungsbedürftigkeit; eine Pflegebedürftigkeit sei nicht erforderlich. Heimbetreuungsbedürftigkeit
liege hier im Hinblick auf die Altersgebrechlichkeit der im Zeitpunkt der Aufnahme in das Heim 88 Jahre alten hilfebedürftigen
Frau und ihrer Einstufung in die Pflegestufe 2 im Februar 1992 vor. Die Hilfeempfängerin habe auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt
vor der Aufnahme in das Heim im Bereich des Beklagten gehabt. Ein gewöhnlicher Aufenthalt könne in den neuen Bundesländern
auch vor dem 1. Januar 1991 begründet worden sein. Dies stelle einen Fall unechter Rückwirkung dar, die im vorliegenden Fall
zulässig sei, weil Vertrauensschutzgesichtspunkte im Hinblick darauf nicht entgegenstünden, daß nach Abschluß des Einigungsvertrages
das Inkrafttreten dieser Vorschrift zum 1. Januar 1991 absehbar gewesen sei. Die Klägerin habe ihren hiernach gegebenen Erstattungsanspruch
auch ordnungsgemäß im Sinne des § 112 BSHG a.F. gegenüber dem Beklagten geltend gemacht. Schließlich sei der Beklagte als Gesamtrechtsnachfolger des inzwischen aufgelösten
Landkreises Suhl Schuldner des Erstattungsanspruches.
Am 2. Mai 1995 hat der Beklagte Berufung eingelegt, zu deren Begründung er unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen
Vorbringens außerdem vorträgt, daß § 144 BSHG so auszulegen sei, daß vor dem 1. Januar 1991 in den neuen Bundesländern gegebenenfalls existierende Kostenerstattungsregelungen
den §§ 103ff. BSHG a.F. vorgingen. Die Übergangsregelung des § 144 BSHG habe zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BSHG in den neuen Bundesländern neue Aktualität erhalten; vermutlich sei im Einigungsvertrag und seinen Anlagen keine Übergangsregelung getroffen worden, weil im BSHG mit § 144 eine solche Regelung bereits existiert habe. Im übrigen sei nach wie vor davon auszugehen, daß die Hilfeempfängerin im November
1990 aus rein persönlichen Gründen - also ohne daß eine Betreuungs- oder Pflegebedürftigkeit bestanden habe - in das Seniorenheim
gezogen sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 25. Januar 1995 - 8 K 347/93.Me - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend führt sie aus,
daß es unerheblich sei, daß sich die Hilfeempfängerin vom Zeitpunkt ihrer Heimaufnahme im November 1990 bis einschließlich
Februar 1991 als Selbstzahlerin in dem Heim aufgehalten habe. § 103 BSHG a.F. knüpfe nämlich nicht an die Entscheidung über die Gewährung von Sozialhilfe an, sondern ausschließlich an den Zeitpunkt
des Eintritts in die Einrichtung. Diese Vorschrift fordere nicht ausdrücklich einen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich
des BSHG, sondern stelle lediglich mit der Verwendung des Begriffes des "sachlich zuständigen Trägers" einen Bezug zwischen dem gewöhnlichen
Aufenthalt und dem Geltungsbereich des BSHG her, was nur bedeuten könne, daß der gewöhnliche Aufenthalt in einem Bereich gelegen haben müsse, in dem ab dem 1. Januar
1991 das BSHG Geltung habe. Insoweit sei die Rechtslage mit derjenigen bei Inkrafttreten des §
30 Abs.
3 S. 2
SGB I vergleichbar. § 144 BSHG sei nicht anwendbar, denn er beziehe sich ausschließlich auf Kostenerstattungsregelungen vor Inkrafttreten des BSHG am 1. Juni 1962.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten (2 Hefter)
sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 27. August 1996 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§
124,
125 VwGO zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Die Klage ist zulässig.
Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß §
40 Abs.
1 VwGO eröffnet. Zum einen lief die Zuweisung von Rechtsstreitigkeiten an die Schiedsgerichte wegen des Fehlens der von der Bundesregierung
gemäß § 113a Abs. 4 BSHG zu erlassenden und das Nähere regelnden Rechtsverordnung zunächst leer (vgl. BVerwG, U. v. 25. Februar 1996 - 5 C 29/95). Zum anderen ist § 113a BSHG durch Art. 1 Nr. 35 des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1088) mit Wirkung vom 1. August 1996 aufgehoben worden. Auch ein schiedsgerichtliches Verfahren nach der Fürsorgerechtsvereinbarung
- FRV - war hier nicht durchzuführen, weil die Klägerin - wie die anderen Sozialhilfeträger der neuen Bundesländer - der FRV nicht beigetreten ist.
Die Klage ist entgegen der Auffassung des Beklagten als allgemeine Leistungsklage statthaft, weil die Hauptbeteiligten gleichberechtigte
örtliche Träger der Sozialhilfe sind (vgl. § 1 S. 1 ThürAGBSHG). Ein Leistungsbescheid kam nicht in Betracht, weil er ein
Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen zwei Behörden voraussetzt. Die Klägerin hat aus diesem Grund auch das erforderliche
Rechtsschutzinteresse für die Durchführung dieses Verfahrens. Hinzu kommt, daß das Rechtsschutzinteresse auch deshalb zu bejahen
wäre, weil von vornherein damit zu rechnen war, daß der Beklagte die Erfüllung der Forderung verweigern würde.
Die Klage ist auch begründet, denn der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten zu.
Die Klägerin kann von dem beklagten Landkreis, der nach den einschlägigen Bestimmungen Rechtsnachfolger des Kreises Z. ist,
als Trägerin der Sozialhilfe die Erstattung der Kosten für den hier maßgeblichen Zeitraum von November 1991 bis einschließlich
März 1993 verlangen, die sie für Frau D. als Hilfeempfängerin in einem Heim, das in ihrem Stadtgebiet gelegen ist, aufgewendet
hat (§ 103 Abs. 1 S. 1 BSHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.1.1991 (BGBl. I S. 94) - BSHG a.F.). Diese Vorschrift ist hier einschlägig. Dies ergibt sich aus folgendem:
Im hier maßgeblichen Zeitraum war das BSHG in Thüringen geltendes Recht, soweit es um die Anwendung der hier maßgeblichen Rechtsprechung geht. Es ist in den neuen Bundesländern
und damit in Thüringen gemäß Art. 8 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889) i.V.m. Anl. I Kap. X Sachgeb. H Abschn. III Nr. 3 am 1. Januar 1991 in Kraft getreten.
Die sachliche Zuständigkeit der Klägerin als örtlicher Träger der Sozialhilfe ist gegeben (§§ 97 Abs. 1 S. 1, 96 Abs. 1, 99 BSHG a.F.). Eine anderweitige Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG a.F. ist nicht gegeben, weil die Hilfeempfängerin nicht Behinderte im Sinne des § 39 BSHG war.
Der Beklagte ist auch ein sachlich zuständiger Träger der Sozialhilfe im (§ 103 Abs. 1 S. 1 BSHG a.F.). Frau D. hatte als Hilfeempfängerin der gesetzlichen Bestimmung gemäß in seinem Bereich ihren gewöhnlichen Aufenthalt
im Zeitpunkt der Aufnahme in das Altenheim. Frau D. ist im November 1990 in dem Seniorenheim in Suhl untergebracht worden,
nachdem sie zuvor in Z., ihrem Wohnort, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte (vgl. §
30 Abs.
3 S. 2
SGB I, der im Rahmen des § 103 BSHG a.F. anwendbar ist; so auch BayVGH, Urteil vom 15. Juli 1991, FEVS 42, 64, 67 m.w.N.). Z. gehörte damals zum Landkreis Suhl,
dessen Gesamtrechtsnachfolger der Beklagte ist (§§ 10, 19 Nr. 31 Thüringer Neugliederungsgesetz - ThürNGG).
Entgegen der Ansicht des Beklagten steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen, daß Frau D. nicht schon im Zeitpunkt ihrer
Aufnahme in das Altenheim Sozialhilfeempfängerin war, sondern dies erst (wenige Monate) später geworden ist. Dies ergibt sich
aus der Auslegung des § 103 Abs. 1 S. 1 BSHG a.F. Zwar läßt der Wortlaut der Vorschrift beide Auslegungsvarianten zu, also sowohl, daß die Hilfebedürftigkeit bereits
bei der Heimaufnahme vorliegen muß - wie der Beklagte meint - als auch, daß es genügt, wenn die Hilfebedürftigkeit erst später
entsteht - wie die Klägerin annimmt. Auch ein systematischer Vergleich mit §§ 103 Abs. 1 S. 2, 103 Abs. 3, 108 und 97 BSHG, führt zu keinem eindeutigen Ergebnis.
Aber Sinn und Zweck der Vorschrift in Verbindung mit der Entstehungsgeschichte lassen nur den Schluß zu, daß die Hilfebedürftigkeit
nicht bereits bei der Heimaufnahme vorliegen muß.
Sinn und Zweck des § 103 BSHG a.F. ist der "Schutz der Anstaltsorte" (BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1992 - 5 C 23.89 - FEVS 43, 133, 137; Schellhorn, BSHG, § 103 Rdn. 15). Es soll im Interesse der Hilfesuchenden verhindert werden, daß die erforderlichen Einrichtungen nicht geschaffen
oder für Hilfesuchende aus anderen Bezirken nicht zur Verfügung gestellt werden oder daß der Hilfesuchende außerhalb des Ortes
seines gewöhnlichen Aufenthalts keine wirksame Hilfe erhält (vgl. die amtliche Begründung zum 9. Abschnitt des BSHG, zitiert nach Mergler/Zink, BSHG, Abschnitt 9 BSHG Rdn. 42). Ließe man die Kostenerstattung nur in den Fällen zu, in denen die Hilfebedürftigkeit bereits bei der Heimaufnahme
vorliegt, würde dieser Gesetzeszweck verfehlt. Denn daß Personen nicht schon bei ihrer Heimunterbringung hilfebedürftig sind,
dies aber - auf Grund der hohen Heimkosten - alsbald werden und dann gegebenenfalls viele Jahre in dem Heim leben, dürfte
häufig vorkommen, wenn nicht gar der Regelfall sein.
Dieses sich aus Sinn und Zweck des § 103 Abs. 1 S. 1 BSHG a.F. ergebende und mit dem Wortlaut der Vorschrift in Einklang stehende Auslegungsergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte
der Vorschrift bestätigt. Der Gesetzgeber des BSHG hat die Kostenerstattungsregelungen auf der Grundlage der von ihm vorgefundenen Rechtslage gestaltet. In der amtlichen Begründung
(BT-Drucks. 3/1799, zitiert nach Mergler/Zink, BSHG, Abschnitt 9 BSHG Rdn. 42, 43) zum Abschnitt 9 (Kostenerstattung zwischen Trägern der Sozialhilfe) heißt es u.a.:
"Die Gestaltung des Rechts der Kostenerstattung (vgl. §§ 103 bis 113) unter den Trägern der Sozialhilfe geht von den Grundsätzen
der Fürsorgerechtsvereinbarung aus, die sich im wesentlichen bewährt haben. ... Abschnitt 9 tritt an die Stelle der entsprechenden
Bestimmungen der FRV (§§ 7 bis 18 a). Er übernimmt weitgehend die fortschrittlichen Regelungen der Fürsorgerechtsvereinbarung (FRV)."
Damit ist der Gesetzgeber des BSHG davon ausgegangen, weitgehend die Regelungen der FRV übernommen zu haben. Nach der FRV war es aber für den Kostenerstattungsanspruch unerheblich, ob bereits bei der Heimaufnahme Hilfebedürftigkeit vorlag oder
nicht. Dies ergibt sich aus folgendem:
§ 7 der Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. Februar 1924 - RFV (RGBl. I S. 100) - unterschied zwischen vorläufiger
und endgültiger Fürsorgepflicht; die vorläufige Fürsorgepflicht knüpfte an den aktuellen tatsächlichen Aufenthalt des Bedürftigen
an, die endgültige Fürsorgepflicht an den gewöhnlichen Aufenthalt bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit. Danach gab es also
eine an den gewöhnlichen Aufenthalt bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit anknüpfende Kostenerstattungsregelung bezüglich aller
Fürsorgefälle, also nicht nur bei Anstaltsunterbringung. § 9 Abs. 2 RFV bestimmt darüber hinaus, daß bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit
während des Aufenthalts in einer Anstalt (wozu auch Alters- und Pflegeheime zählten) derjenige Fürsorgeverband endgültig verpflichtet
war, der es bei dem Eintritt oder der Einlieferung in die Anstalt gewesen wäre.
Die Fürsorgerechtsvereinbarung vom 18. September 1947 in der Neufassung vom 3. Mai 1949 (Text und Kommentierung bei Jehle,
Fürsorgerecht, 1958, S. 607ff.) modifizierte unter I. 1. den § 7 der RFV dahin gehend, daß nunmehr grundsätzlich auf den aktuellen
tatsächlichen Aufenthaltsort des Hilfebedürftigen abgestellt (und damit die Unterscheidung zwischen vorläufiger und endgültiger
Fürsorgepflicht aufgegeben) wurde. I. 2. in Verbindung mit I. 5. FRV sahen allerdings im Falle eines Anstaltsaufenthalts sogar noch eine gegenüber der RFV erweitere Kostenerstattungsregelung
vor. Nach I. 5. galt in Abänderung von § 9 Abs. 2 RFV u.a. folgendes:
"Ist die Hilfsbedürftigkeit vor der Aufnahme in eine ... Anstalt vorhanden oder tritt sie während des Aufenthalts in einer
derartigen Anstalt oder bei der Entlassung daraus ein, so ist der Bezirksfürsorgeverband bis zur Beendigung der Hilfsbedürftigkeit
zur Kostentragung oder Kostenerstattung verpflichtet, in dessen Bereich der Hilfebedürftige unmittelbar vor der Anstaltsaufnahme
seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte."
Damit ist klar, daß der Gesetzgeber des BSHG eine Rechtslage vorfand, die eine Kostenerstattung auch in den Fällen vorsah, in denen die Hilfebedürftigkeit erst während
des Heimaufenthalts entstanden war. Da er nach der amtlichen Begründung die Regelungen der FRV weitgehend übernahm, kann dies nur bedeuten, daß auch § 103 BSHG a.F. dahin verstanden werden sollte, daß auch eine nach Heimaufnahme entstehende Hilfebedürftigkeit die Kostenerstattungspflicht
auslöst (so wohl auch Schellhorn, BSHG, § 103 Rdnr. 79, 80, 89, und Knopp/Fichtner, BSHG § 103 Rdnr. 26).
Dem Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten steht auch nicht entgegen, daß im Zeitpunkt der Heimaufnahme
der Hilfeempfängerin das BSHG in den neuen Bundesländern noch nicht in Kraft war. Trotz dieses Umstandes konnte bereits damals ein "gewöhnlicher Aufenthalt"
im Sinne dieser Vorschrift begründet werden und ist der Beklagte ein "Träger der Sozialhilfe" in diesem Sinne.
Das BSHG ist gemäß Art. 8 i.V.m. Anl. I Kap. X Sachgeb. H Abschn. III Nr. 3 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889) im Beitrittsgebiet am 1. Januar 1991 - mit im vorliegenden Fall nicht einschlägigen Maßgaben - in Kraft getreten. Damit
können für den Zeitraum ab dem 1. Januar 1991 Kostenerstattungsansprüche gemäß § 103 BSHG a.F. auch gegenüber Trägern der Sozialhilfe im Beitrittsgebiet geltend gemacht werden. Insoweit konnte der gewöhnliche Aufenthalt
im Sinne des § 103 Abs. 1 S. 1 BSHG a.F. in den neuen Bundesländern auch schon vor dem Inkrafttreten des BSHG in diesem Gebiet begründet werden; sachlich zuständiger Träger der Sozialhilfe ist hierbei derjenige, der ab 1. Januar 1991
für den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Hilfebedürftigen im Sinne des § 103 Abs. 1 S. 1 BSHG a.F. zuständig wäre. Dies gilt jedenfalls für den Zeitraum ab dem Inkrafttreten des Einigungsantrages am 29. September 1990;
ob auch schon vor diesem Zeitpunkt im Beitrittsgebiet ein "gewöhnlicher Aufenthalt" in diesem Sinne begründet werden konnte,
bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
Die Auslegung des § 103 BSHG a.F. ergibt, daß der gewöhnliche Aufenthalt nicht nur im Geltungsbereich des BSHG begründet werden kann. Zwar wird der gewöhnliche Aufenthalt im Normalfall im Geltungsbereich des BSHG begründet. In der Regel macht auch nur dies Sinn, denn von einem Träger der Sozialhilfe außerhalb des Geltungsbereichs des
BSHG - also im Ausland bzw. vor der deutschen Einheit in der DDR - war natürlich auch kein finanzieller Ausgleich zu erwarten.
Es genügt jedoch auch, daß der Geltungsbereich des BSHG erst später auf den fraglichen Ort erstreckt wird und dadurch ein "zuständiger Träger der Sozialhilfe" entsteht. Der Wortlaut
des § 103 BSHG a.F. läßt eine solche Auslegung zu und Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten sie. Wie dargelegt, dient § 103 BSHG a.F. dem "Schutz der Anstaltsorte" und will im Interesse der Hilfesuchenden verhindern, daß Heime und ähnliche Einrichtungen
wegen der damit verbunden Kosten für die Sozialhilfeträger gar nicht erst entstehen oder nicht für auswärtige Hilfesuchende
zur Verfügung gestellt werden; er gewährt dem Träger der Sozialhilfe einen finanziellen Ausgleich dafür, daß er erhebliche
Sozialhilfeleistungen auch für an sich "auswärtige" Hilfebedürftige erbringt. Dagegen handelt es sich - anders als bei § 107 BSHG a.F. - nicht um eine Vorschrift, die ein mißbilligtes Verhalten des Sozialhilfeträgers des gewöhnlichen Aufenthalts des Hilfesuchenden
sanktioniert. Dieser Schutzzweck ist unabhängig davon einschlägig, ob der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts bereits vor dem
Inkrafttreten vom Geltungsbereich des BSHG erfaßt war oder erst später in diesen einbezogen wurde.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist auch aus § 144 BSHG nichts anderes herzuleiten. Hieraus ergibt sich vielmehr im Gegenteil ein wichtiges systematisches Argument für die hier
vorgenommene Auslegung. Nach dieser von Anfang an im BSHG enthaltenen Übergangsregelung sind auf die Kostenerstattung zwischen den Trägern der Sozialhilfe "die bei Inkrafttreten dieses
Gesetzes geltenden Regelungen" auf zuvor gewährte Leistungen weiter anzuwenden. § 144 BSHG betrifft unmittelbar zwar nur vor dem Inkrafttreten des BSHG insgesamt geltende Regelungen, regelt also nicht unmittelbar den Fall der Einführung des BSHG in den neuen Bundesländern. Er bestimmt aber die Fortgeltung des bisherigen Rechts nur für die vor Inkrafttreten des Gesetzes
gewährten Leistungen. Daraus ergibt sich im Umkehrschluß, daß für nach Inkrafttreten des Gesetzes gewährte Leistungen die
Kostenerstattung nach § 103 BSHG a.F. zu erfolgen hat. Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß § 103 BSHG a.F. nicht für vor dem Inkrafttreten des BSHG in den neuen Bundesländern - also vor dem 1. Januar 1991 - gewährte Leistungen, wohl aber - und zwar uneingeschränkt - für
nach dem Inkrafttreten des BSHG in den neuen Bundesländern gewährte Leistungen anwendbar ist. § 144 BSHG läßt nämlich sehr deutlich erkennen, daß ab Inkrafttreten des BSHG gewährte Leistungen § 103 BSHG a.F. unterfallen sollen; dies läßt sich aber - wie dargelegt - nur dadurch erreichen, daß der gewöhnliche Aufenthalt im Sinne
dieser Vorschrift auch schon vor Inkrafttreten des BSHG begründet werden kann.
Auch aus der Regelung des § 106 BSHG a.F. ergibt sich - entgegen der Auffassung des Beklagten - nichts anderes. Hiernach hatte der örtliche Träger der Sozialhilfe
einen Kostenerstattungsanspruch gegen den überörtlichen Träger, wenn in den Fällen der §§ 103ff. BSHG a.F. ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln war. Diese Vorschrift hatte erkennbar eine Auffangfunktion
und zielte nur auf die Fälle ab, in denen der örtliche Träger der Sozialhilfe mangels eines erstattungspflichtigen anderen
Trägers der Sozialhilfe sonst auf seinen Kosten "sitzenbleiben" würde. Gibt es aber einen erstattungspflichtigen Träger der
Sozialhilfe, besteht für die Anwendung des § 106 BSHG a.F. kein Bedürfnis. Mit anderen Worten: § 106 BSHG a.F. setzt erst dann ein, wenn ein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des § 103 BSHG a.F. nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist; darüber, wann ein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne dieser Vorschrift anzunehmen
ist, besagt er nichts.
Dementsprechend wird - soweit diese Frage erörtert wird - in Rechtsprechung und Literatur überwiegend davon ausgegangen, daß
Kostenerstattungsansprüche gegenüber Sozialhilfeträgern im Beitrittsgebiet ab dem 1. Januar 1991 bestehen können (vgl. Schellhorn,
BSHG, § 103 Rdn. 112; Knopp/Fichtner, BSHG, § 103 Rdn. 1) und dabei auch auf die Aufenthaltsverhältnisse vor dem 1. Januar 1991 zurückgegriffen werden kann (vgl. VG Leipzig,
Urteil vom 8. September 1994 - 2 K 1307/93 - S. 8; Gutachten des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 9. Dezember 1991, NDV 1992, 103; Schellhorn, BSHG, § 103 Rdn. 113; wohl auch: BayVGH, Urteil vom 26. April 1994 - 12 B 92.2393 - S. 8; unklar: Mergler/Zink, § 103 BSHG, § 103 Rdn. 43.2: Kein gewöhnlicher Aufenthalt bis zur Wiedervereinigung in der ehemaligen DDR).
Verfassungsrechtliche Bedenken - die gegebenenfalls zu einer anderen, verfassungskonformen Auslegung zwingen würden - ergeben
sich auch nicht daraus, daß damit auf Sachverhalte abgestellt wird, die zeitlich vor dem Inkrafttreten des BSHG im Beitrittsgebiet liegen. Solche Bedenken ergeben sich insbesondere nicht aus dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art.
20 Abs.
3 GG) abzuleitenden Rückwirkungsverbot.
Rückwirkende Gesetze können die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes tangieren und sind deshalb nicht
uneingeschränkt zulässig. Das BVerfG unterschied lange - und sein 1. Senat tut dies auch heute noch - bei der Prüfung der
Zulässigkeit rückwirkender Gesetze zwischen echter (retroaktiver) und unechter (retrospektiver) Rückwirkung. Eine echte Rückwirkung
liegt dann vor, wenn in bereits abgeschlossene Tatbestände eingegriffen wird, während bei unechter Rückwirkung auf noch nicht
abgewickelte Tatbestände mit Wirkung auf die Zukunft eingewirkt wird. Beide Arten der Rückwirkung sind an Art.
20 Abs.
3 GG zu messen, wobei eine echte Rückwirkung grundsätzlich unzulässig und eine unechte Rückwirkung grundsätzlich zulässig ist.
Die neuere Rechtsprechung des 2. Senats unterscheidet demgegenüber zwischen der Rückbewirkung von Rechtsfolgen und der tatbestandlichen
Rückanknüpfung. Eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen liegt vor, wenn der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm
auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent, d.h. gültig, geworden
ist; sonst - also dann, wenn künftig eintretende Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes
abhängig gemacht werden - liegt eine tatbestandliche Rückanknüpfung vor. Die Rückbewirkung von Rechtsfolgen ist am Rechtsstaatsprinzip
zu messen, die tatbestandliche Rückanknüpfung dagegen vorrangig an Grundrechten (vgl. hierzu BVerfG, U. v. 19. Dezember 1961
- 2 BvL 6/59 -, BVerfGE 13, 261; B. v. 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 -, BVerfGE 72, 200; Fiedler, NJW 1988, 1624ff.; Pieroth/Jarass-Jarass,
GG, 3. Aufl. 1995, Art.
20 Rdn. 47ff.; von Münch-Schnapp,
GG, 4. Aufl. 1990, Art.
20 Rdn. 27ff.).
Im vorliegenden Fall handelt es sich - verfassungsrechtlich unbedenklich - um eine tatbestandliche Rückanknüpfung bzw. eine
unechte Rückwirkung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Abgesehen davon, daß hier nicht grundrechtliche Positionen von
Bürgern tangiert sind, sondern ein Finanzausgleich zwischen Trägern öffentlicher Gewalt in Rede steht, sind Gesichtspunkte
des Vertrauensschutzes oder der Rechtssicherheit, die einem Rückgriff auf Verhältnisse vor dem Inkrafttreten des BSHG entgegenstehen könnten, nicht ersichtlich. Insbesondere war mit Inkrafttreten des Einigungsvertrages absehbar, daß eine solche
Regelung in Kraft treten würde.
Der Kostenerstattungsanspruch gemäß § 103 Abs. 1 S. 1 BSHG a.F. setzt gemäß § 111 BSHG weiter voraus, daß die gewährte Hilfe nach dem BSHG auch zu gewähren war. Dazu ist erforderlich, daß der Hilfeempfänger während des Heimaufenthalts heimbetreuungsbedürftig ist
(vgl. VGH BW, Urteil vom 1. Dezember 1995, FEVS 46, 296).
Heimbetreuungsbedürftigkeit liegt vor, wenn der Hilfeempfänger der Fürsorge durch andere bedarf und deshalb seine Aufnahme
in das Heim nützlich und zweckmäßig ist; erforderlich braucht sie nicht zu sein (vgl. VGH BW, Urteil vom 1. Dezember 1995, a.a.O.; Schellhorn, BSHG, § 103 Rdn. 25). Pflegebedürftigkeit ist insoweit nicht erforderlich (vgl. Schellhorn, BSHG, § 103 Rdn. 26). Bei alten Menschen ist Heimbetreuungsbedürftigkeit gegeben, wenn sie mit den Schwierigkeiten des Lebens nicht mehr
fertig werden, sich nicht mehr oder nur unter großen Schwierigkeiten selbst versorgen können oder ein Altersheim aufsuchen,
um in dessen Geborgenheit zu leben (vgl. Schellhorn, BSHG, § 103 Rdn. 26; Mergler/Zink, BSHG, § 103 Rdn. 28 m.w.N.). Hohes Alter allein begründet noch keine Heimbetreuungsbedürftigkeit, setzt jedoch eine - widerlegbare -
Vermutung hierfür (vgl. Mergler/Zink, BSHG, § 103 Rdn. 28 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Heimbetreuungsbedürftigkeit der Hilfeempfängerin. Frau D. war
im Zeitpunkt ihrer Aufnahme in das Heim bereits 88 Jahre alt. Die dadurch begründete Vermutung ihrer Heimbetreuungsbedürftigkeit
ist nicht widerlegt. Die insoweit vom Beklagten erhobenen Einwände sind nicht substantiiert. Ob man - wie die Vorinstanz dies
getan hat - aus der erst 15 Monate nach der Aufnahme in das Heim erfolgten Einstufung in die Pflegestufe 2 auf eine Heimbetreuungsbedürftigkeit
im Zeitpunkt der Aufnahme in das Heim schließen kann, bedarf deshalb keiner Entscheidung.
Der Kostenerstattungsanspruch scheitert im vorliegenden Fall auch nicht an § 112 BSHG a.F. Danach hat ein Träger der Sozialhilfe, der von einem anderen Träger Kostenerstattung verlangen will, ihm dies innerhalb
von 6 Monaten nach der Entscheidung über die Gewährung von Hilfe mitzuteilen; erfolgt die Mitteilung erst später, dann können
nur die Kosten verlangt werden, die in den 6 Monaten vor der Mitteilung entstanden sind oder nachher entstehen. Die Sechsmonatsfrist
des § 112 BSHG a.F. ist eine Ausschlußfrist (vgl. Schellhorn, BSHG, § 112 Rdn. 12). Im vorliegenden Fall ist die Mitteilung mit Schreiben vom 29. April 1992 erfolgt, so daß hinsichtlich des geltend
gemachten Erstattungszeitraums die Frist des § 112 BSHG a.F. gewahrt ist.
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
154 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß §
188 S. 2
VwGO nicht erhoben, weshalb es auch keiner von Amts wegen zu treffenden Streitwertfestsetzung bedarf.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §
167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11,
711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Revisionszulassungsgründe gem. §
132 Abs.
2 VwGO liegen nicht vor; insbesondere hat die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Dies gilt sowohl für die Frage,
ob der Hilfeempfänger im Sinne des § 103 BSHG a.F. bereits im Zeitpunkt der Aufnahme in das Heim hilfebedürftig gewesen sein muß, als auch für die Frage, ob bei der Anwendung
des § 103 BSHG a.F. auch auf einen vor dem Inkrafttreten des BSHG in den neuen Bundesländern am 1. Januar 1991 dort begründeten gewöhnlichen Aufenthalt zurückgegriffen werden kann. Beide
Fragen betreffen auslaufendes Recht - die zweite Frage darüber hinaus eine Übergangssituation - und sind letztlich ohne weiteres
aus dem Gesetz zu beantworten. Letzteres hat das Bundesverwaltungsgericht für eine der zweiten Frage vergleichbare Konstellation
in seinem Beschluß vom 29. Dezember 1995 - 5 B 31/95 - ausdrücklich angenommen.