Kein Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen bei Ausbildungsförderung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen - Anspruch auf Sozialgeld
zugunsten minderjähriger Kinder auch ohne eigenen Leistungsanspruch
Gründe:
Die im Jahre 1975 geborene Antragstellerin befindet sich seit dem 01. September 2003 in einem Berufsausbildungsverhältnis
als Bürokauffrau. Die Ausbildung findet in Zusammenarbeit mit dem Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft statt und
soll am 31. Juli 2006 beendet sein. Die Antragstellerin ist alleinerziehende Mutter der Kinder C., geboren am 10. Dezember
1993, und D., geboren am 08. November 1994.
Die Antragstellerin bezieht zur Zeit eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 739,00 Ç brutto pro Monat. Außerdem erhält sie
Berufsausbildungsbeihilfe nach den Bestimmungen des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB III). Bis zum 31. Dezember 2004 bezog sie Mehrbedarfsleistungen gemäß § 23 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Die Kinder bezogen bis Ende 2004 Hilfe zum Lebensunterhalt ebenfalls nach den Bestimmungen des BSHG.
Im Hinblick auf die zu erwartenden Gesetzesänderung beantragte die Antragstellerin am 29. September 2004 Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Mit Bescheid vom 20. Dezember 2004 lehnte die
Antragsgegnerin den Antrag ab mit der Begründung, eine Gewährung von Leistungen nach dem SGB II komme gemäß § 7 Abs. 5 SGB
II nicht in Betracht, da die Klägerin eine Ausbildung absolviere, die gemäß §§
60 bis
62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig sei und eine Härte im Sinne des §
7 Abs. 5 Satz 2 SGB II nicht vorliege. Daher bestehe auch kein Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen, auch wenn diese der Antragstellerin
bislang gewährt worden seien.
Am 03. Januar 2005 wandte sich die Antragstellerin an das Sozialgericht mit dem Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen
Anordnung zu verpflichten, die bisher gezahlten Mehrbedarfszuschläge auch weiterhin zu zahlen. Dieser Antrag ist im Interesse
der Antragstellerin umfassend auszulegen. Das Gericht geht daher davon aus, dass sich der Antrag auf alle Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht. Von dem Antrag ist daher auch die Gewährung von Sozialgeld für die Kinder umfasst.
Die Antragstellerin trägt vor, ihr Lebensunterhalt und der ihrer Kinder sei zur Zeit nicht gesichert. Bei einem Wegfall der
Leistungen wäre sie gezwungen, ihre Ausbildung abzubrechen, um Arbeitslosengeld II erhalten zu können.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Die Antragstellerin sei Auszubildende
und gehöre damit zum ausgeschlossenen Personenkreis nach § 7 Abs. 5 SGB II. Demzufolge sei auch ein Anspruch auf Sozialgeld
für die minderjährigen Kinder der Antragstellerin nicht gegeben.
Gemäß §
86 b Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf
ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint Der
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist schon vor Klageerhebung zulässig (§
86 b Abs.
3 SGG).
Der Antrag ist zulässig. Die Antragstellerin macht geltend, ihr Lebensunterhalt und der ihrer Kinder sei nicht mehr sichergestellt.
Im Hinblick darauf, dass die Familie bis zum 31. Dezember 2004 Leistungen nach dem BSHG bezogen hat, bestehen an diesem Vorbringen und damit an der Eilbedürftigkeit einer Entscheidung des Gerichts keine Zweifel.
Ein Zuwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache ist der Antragstellerin nicht zuzumuten.
Der Antrag ist jedoch nur teilweise begründet. Nach summarischer Prüfung geht das Gericht davon aus, dass die Antragstellerin
keinen Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen gemäß § 21 SGB II hat. Diese Vorschrift regelt den Mehrbedarf für werdende Mütter,
für alleinerziehende Personen, für behinderte Hilfebedürftige und für Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen eine
kostenaufwendige Ernährung benötigen. Voraussetzung für einen Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen nach § 21 SGB II ist jedoch,
dass die betreffende Person leistungsberechtigt nach § 7 SGB II ist (Linhart/Adolph/Gröschel-Gundermann,SGB II, § 21 Rdn.
12; vgl. auch Hauck/Noftz, SGB II, § 21 Rdn. 2 und 3). Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen,
die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwebsfähig sind, hilfebedürftig sind
und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Diese Voraussetzung
erfüllt zwar auch die Antragstellerin. Da sie sich jedoch in Ausbildung befindet und Leistungen nach den Bestimmungen des
SGB III erhält, hat sie keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dies folgt aus der Ausnahmevorschrift
des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II, wonach Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen der §§
60 bis
62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Leistungsanspruch haben. Damit entfällt auch ein eventueller Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen
nach § 21 SGB II. Auf die Tatsache, dass sich der Mehrbedarf aus der Alleinerziehung und nicht aufgrund der Ausbildung ergibt,
kommt es dabei nicht an.
Auch eine besondere Härte im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II liegt nicht vor. Gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 können in besonderen
Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen geleistet werden. Derartige besondere Umstände sind
im vorliegenden Fall jedoch nicht ersichtlich und werden von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen.
Nach alledem ist in Bezug auf die geltend gemachten Mehrbedarfsleistungen gemäß § 21 SGB II eine Anordnungsanspruch nicht
gegeben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist daher insoweit zurückzuweisen.
Begründet ist der Antrag hingegen in Bezug auf den Anspruch auf Sozialgeld für die zwei minderjährigen Kinder der Antragstellerin.
Die Antragstellerin ist nicht gehindert, derartige Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen. Dies folgt aus § 38 SGB II,
wonach vermutet wird, soweit Anhaltspunkte nicht entgegenstehen, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige bevollmächtigt ist,
Leistungen nach diesem Buch auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegen
zu nehmen. Diese aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und Verwaltungsökonomie in das Gesetz aufgenommene Vorschrift
ist auch im gerichtlichen Verfahren anwendbar.
Der Anspruch auf Sozialgeld ergibt sich aus § 7 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II.
Die Antragstellerin ist eine erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Demzufolge sind gemäß §
7 Abs. 2 Satz 1 die Kinder der Antragstellerin anspruchsberechtigt, denn nach dieser Vorschrift erhalten auch Personen Leistungen,
die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören u.a. der erwerbsfähige
Hilfebedürftige selbst (§ 7 Abs. 3 Nr. 1) und die dem Haushalt angehörenden minderjährigen, unverheirateten Kinder des erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen, soweit sie nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts
beschaffen können (§ 7 Abs. 3 Nr. 4). Danach bilden die Antragstellerin und ihre zwei minderjährigen Kinder eine Bedarfsgemeinschaft
im Sinne des Gesetzes. Der Umstand, dass die Antragstellerin selbst aufgrund der Sondervorschrift des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB
II keinen Leistungsanspruch hat, steht dem nicht entgegen. Die Bedarfsgemeinschaft als solche bleibt hiervon unberührt. Damit
haben die Kinder der Antragstellerin Anspruch auf Sozialgeld gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II.
Das Sozialgeld umfasst die sich aus § 19 Satz 1 Nr. 1 ergebenden Leistungen (§ 28 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Dies sind die Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Die Regelleistung zur
Sicherung des Lebensunterhalts beträgt im Rahmen des Sozialgeldes im vorliegenden Fall 60 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2
maßgebenden Regelleistungen, hier für jedes Kind 207,00 Ç pro Monat, wobei Einkommen, insbesondere Kindergeld, nach Maßgabe
des § 11 SGB II zu berücksichtigen ist Ferner sind als Sozialgeld die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zu zahlen.
Dabei sind die Unterkunftskosten nach der Anzahl der Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft aufzuteilen (Hauck/Noftz, SGB II,
§ 22 Rdn. 5). Da im vorliegenden Fall drei Personen in der Haushaltsgemeinschaft (Bedarfsgemeinschaft) leben, erhält jedes
Kind im Rahmen des Sozialgeldes ein Drittel der angemessenen Unterkunftskosten.
Die Kostenentscheidung folgt aus der analogen Anwendung des §
193 SGG.