Sozialhilferecht: Begriff des einsetzbaren Vermögens, Rückforderung von Leistungen
Tatbestand:
Die Kläger wehren sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem der Beklagte verschiedene sozialhilferechtliche Bewilligungsbescheide
aufgehoben hat und mit dem sie zur Erstattung erbrachter Sozialhilfeleistungen verpflichtet werden. Sie sind die Eltern des
am 25.12.1954 geborenen Ludwig P. Dieser hatte vorher im Landkreis Straubing-Bogen in Bayern bei seinen Eltern gelebt und
war 1988 in den Bereich des Beklagten umgezogen.
Am 26.10.1988 stellte er beim Beklagten Antrag auf Gewährung von Pflegegeld. Im Antragsvordruck ist unter H 3 nach ''Vermögensverhältnissen,
Liegenschaftsvermögen'' gefragt. Dazu machte P. zunächst keine Angaben (AS. 4) und strich später auf Rückfrage des Landratsamts
vom 03.11.1988 die Rubrik ''Liegenschaftsvermögen'' mit Grünstift durch (AS. 21/23). Darauf gewährte der Beklagte mit Bescheid
vom 24.01.1989 zunächst für den Zeitraum vom 15.10.1988 bis zum 30.06.1989 das beantragte Pflegegeld, das jeweils mit Bescheiden
vom 06.07.1989 (01.07.1989 bis 30.06.1990), vom 09.07.1990 (01.07.1990 bis 30.09.1990), vom 10.09.1990 (01.10.1990 bis 31.12.1990),
vom 04.06.1991 (01.01.1991 bis 30.06.1991), vom 26.07.1991 (01.07.1991 bis 30.06.1992), vom 06.07.1992 (01.07.1992 bis 30.09.1992)
und vom 19.08.1992 (ab 01.10.1992) in unterschiedlicher Höhe weitergewährt wurde. Im Mai 1990 und mit Schreiben des Beklagten
vom 07.08.1992 wurde P. erneut über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse befragt; die von ihm am 09.05.1990
(AS. 137) und am 12.08.1992 (AS. 319) ausgefüllten Fragebögen enthalten wiederum zum Punkt ''Grundvermögen'' keinen Eintrag.
Am 16.10.1992 verstarb P.
Mit Schreiben vom 16.04.1993 teilte das Amtsgericht Straubing dem Beklagten mit, P. sei von den Klägern beerbt worden; der
Nachlaß bestehe unter anderem auch aus einer Eigentumswohnung.
Das Landratsamt traf die Feststellung, daß die dem Sohn der Kläger gewährte Sozialhilfe sich insgesamt auf 67.735,-- DM belaufe
- diese Summe, die nirgends aufgeschlüsselt ist, war den Klägern bereits mit Schreiben vom 29.06.1993 mitgeteilt worden -,
ermittelte einen Wert der Eigentumswohnung von 160.000,-- DM und eine Belastung von 101.312,-- DM und hob mit Bescheid vom
11.04.1994 die acht Bescheide vom 24.01., 06.07.1989, 09.07., 10.09.1990, 04.06., 26.07.1991, 06.07. und 19.08.1992 rückwirkend
zum 15.10.1988 auf und verpflichtete die Kläger, 59.000,-- DM zu erstatten. Zur Begründung war ausgeführt, Rechtsgrundlage
seien die §§ 45 und 50 SGB X. Der zu erstattende Betrag stelle eine Erblasserschuld dar, für die gemäß den §§
1967 ff.
BGB die Erben hafteten. Der Sohn der Kläger, der geschäftsfähig gewesen sei, habe vorsätzlich nicht über seine Eigentumswohnung
informiert. Die Ermessensabwägung ergebe, daß das öffentliche Interesse an der Durchsetzung dieses Bescheids größer sei, als
das Interesse der Erben am Bestand der bisherigen Entscheidungen.
Dagegen legten die Kläger am 05.05.1994 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie geltend machten, eine auf die Eigentumswohnung
bezogene verständliche Frage sei im Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe nicht enthalten gewesen. Von dem Begriff Liegenschaftsvermögen
habe der Sohn der Kläger sich wegen seiner ''bereits fortgeschrittenen physischen und psychischen Verhältnisse'' keine konkrete
Vorstellung machen können. Er sei auch vom Sozialamt nie nach Besitz oder Vermögen befragt worden. Von einer vorsätzlichen
oder grob fahrlässigen Handlung könne daher nicht gesprochen werden. Das Landratsamt hätte früher reagieren und entsprechende
Anfragen im Wege der Amtshilfe an die vorher zuständige Stelle in Bayern richten können. Im übrigen seien Sozialhilfeleistungen
nur in Ausnahmefällen vererblich und verjährten nach vier Jahren. Kostenersatz könne ferner nicht geltend gemacht werden,
soweit der Wert des Nachlasses unter 30.000,-- DM liege. Das sei hier der Fall, da bei einem Vermögen von 59.000,--
DM beide Kläger je zur Hälfte erbberechtigt seien.
Mit Bescheid vom 13.07.1994 wies das Landratsamt den Widerspruch zurück mit der Begründung, Pflegegeld sei einkommens- und
vermögensabhängig. Die Eigentumswohnung sei einsetzbares, nicht geschütztes Vermögen, eine Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG sei nicht erkennbar. Hätte man von Beginn an von der Eigentumswohnung gewußt, wäre das Pflegegeld abgelehnt oder nur als
Darlehen gewährt worden. Nach § 45 SGB X hätten daher die rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakte zurückgenommen werden dürfen, die erbrachten Leistungen seien
zu erstatten. Der entsprechende Bescheid sei an die Kläger zu richten gewesen, da ihr Sohn verstorben sei und die Kläger im
Rahmen des Nachlasses für die Erblasserschulden hafteten. Beim Rückforderungsermessen habe man sich von dem Gebot leiten lassen,
den ursprünglichen Zustand herzustellen. § 92 c BSHG sei nicht einschlägig.
Am 02.08.1994 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben mit dem Antrag, die ergangenen Bescheide aufzuheben.
Zur Begründung haben sie noch vorgetragen, die Angabe des im Fragebogen erwähnten Liegenschaftsvermögens sei nicht grob fahrlässig
unterblieben, vielmehr sei ihr Sohn zur ordnungsgemäßen Führung seiner Rechtsgeschäfte nicht mehr in der Lage gewesen. Sie,
die Kläger, seien Kleinrentner und empfänden die Rückforderung eines so hohen Betrags als besondere Härte. - Der Beklagte
hat Klagabweisung beantragt.
Am 24.10.1995 hat der Beklagte den Rückforderungsbetrag auf 56.086,94 DM ermäßigt. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit
insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Mit Gerichtsbescheid vom 21.03.1996 hat das Verwaltungsgericht die noch anhängige Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt,
da die Kläger als Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten hafteten, hätten sie vom Beklagten auch zur Erstattung der gewährten
Sozialhilfe herangezogen werden können. Die aufgehobenen Bescheide seien rechtswidrig gewesen. Die Eigentumswohnung sei verwertbares
Vermögen, das jeden Monat aufs Neue zur Bedarfsdeckung zur Verfügung gestanden habe. Deshalb sei unerheblich, ob nach Abzug
der Verbindlichkeiten vom Verkehrswert ein Erlös verbleiben würde, der zur Deckung des gesamten im Zeitraum vom 15.10.1988
bis 16.10.1992 gewährten Pflegegelds ausreichte. Auf Vertrauensschutz könnten sich die Kläger nicht berufen. Ihr Sohn habe
zumindest grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht. Es könne nicht angenommen werden, er habe nicht
erkannt, daß die Gewährung von Pflegegeld von seinem Vermögen abhängig gewesen sei. Ermessensfehler lägen nicht vor.
Am 09.04.1996 haben die Kläger Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie noch geltend machen, die zurückgenommenen Bescheide
seien nicht rechtswidrig gewesen. Die Wohnung sei mit 129.500,-- DM fremdfinanziert worden. Im Zeitpunkt der Antragstellung
seien davon 5.840,-- DM getilgt gewesen, ein Betrag, der weit unter dem nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG geschützten Vermögen liege. Bis zu seinem Tod habe ihr Sohn 18.899,-- DM Tilgungsleistungen erbracht. Der Einsatz des über
dem Schonvermögen liegenden Teils dieses Betrags wäre jedoch eine Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG, weil er einer Verschleuderung von Vermögen gleichgekommen wäre, weil die Familie Eigenleistungen im Wert von 52.514,--
DM erbracht habe und weil die Wohnung dem Sohn als Alterssicherung habe dienen sollen, insbesondere mietfreies Wohnen habe
ermöglichen sollen. Hinzuweisen sei auch darauf, daß dem Gesamtwert der Wohnung von 160.000,-- DM im Zeitpunkt des Todes
ihres Sohnes nicht 101.000,-- DM, sondern 114.497,-- DM an Schulden gegenübergestanden hätten. Schlußendlich solle auf die
Rückforderung unter dem Aspekt verzichtet werden, daß die Eigenleistungen 52.514,-- DM betragen hätten und ein ebenso großer
Betrag von ihnen zurückgefordert werde. Das sei grob unbillig und widerspreche Treu und Glauben. Die Differenz des Werts der
Wohnung zum Schuldenstand im Jahre 1993 sei ausschließlich auf die erbrachten Eigenleistungen zurückzuführen. Möglicherweise
seien die Eigenleistungen aber auch zu hoch bewertet worden.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 21.03.1996 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 11.04.1994
sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 13.07.1994 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Dem Senat liegen neben den Akten des Verwaltungsgerichts die zur Sache gehörenden Akten des Beklagten vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet, im übrigen unbegründet. Mit den angefochtenen
Bescheiden durfte der Bescheid vom 24.01.1989, weil er nicht rechtswidrig war, nicht zurückgenommen werden, die anderen Bescheide
nur teilweise; in vollem Umfang rechtswidrig war lediglich der Bescheid vom 10.09.1990. Insoweit hat das Verwaltungsgericht
die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Beklagte hat seinen Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 11.04.1994 auf die §§ 45 u. 50 SGB X gestützt. Das Recht zur Rücknahme rechtswidriger Bewilligungsbescheide nach § 45 SGB X und zur Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nach § 50 SGB X steht dem Träger der Sozialhilfe auch gegenüber den Erben eines Hilfeempfängers zu (vgl. Urt. d. Senats v. 26.04.1990 - 6 S 1903/88 -, FEVS 41, 392 = VBlBW 1990, 467 = BWVPr. 1991, 18).
Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt unter bestimmten Voraussetzungen zurückgenommen werden, nach § 50 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.
Mit diesen Vorschriften stehen der angefochtene Bescheid vom 11.04.1994 und der Widerspruchsbescheid vom 13.07.1994 insoweit
nicht in Einklang und waren deshalb insoweit aufzuheben, als sie ihrerseits den Bescheid vom 24.01.1989 vollständig und die
Bescheide vom 06.07.1989, vom 09.07.1990, vom 04.06.1991, vom 26.07.1991, vom 06.07.1992 und vom 19.08.1992 jedenfalls teilweise
zurücknehmen. Der Sozialhilfe vom 15.10.1988 bis zum 31.12.1988 und vom 01.01.1989 bis zum 30.06.1989 gewährende Bescheid
vom 24.01.1989 war nicht rechtswidrig, der Bescheid vom 06.07.1989 war rechtswidrig nur insoweit, als er 690,-- DM gewährte
und der Bescheid vom 09.07.1990 nur insoweit, als er ab 01.07.1990 mehr als 974,-- DM gewährte. Insgesamt rechtswidrig war
der Bescheid vom 10.09.1990; formal rechtswidrig waren auch die die Jahre 1991 und 1992 abdeckenden Bescheide vom 04.06.1991,
vom 26.07.1991, vom 06.07.1992 und vom 19.08.1992; doch durften sie nicht vollständig zurückgenommen werden.
Die Frage, ob die mit den angefochtenen Bescheiden zurückgenommenen Bewilligungsbescheide rechtswidrig waren, kann nicht,
wie der Beklagte dies tut, aus der Sicht des zum Zeitpunkt des Rücknahme- und Rückforderungsbescheids bestehenden Sachverhalts,
sondern muß jeweils zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide beurteilt werden. Folglich ist auch nicht die Vermögenslage des
Sohns der Kläger zum Zeitpunkt von dessen Tod maßgeblich, sondern diejenige im Zeitpunkt des Erlasses bzw. im Zeitraum der
Geltungsdauer der jeweils zurückgenommenen Bescheide. Sie unterliegt der Natur der Sache entsprechend laufender Änderung und
ist deshalb für den Zeitraum, den die angefochtenen Bescheide abdecken, nämlich für denjenigen vom 15.10.1988 (Bescheid vom
24.01.1989) bis zum Tod des Sohns der Kläger am 16.10.1992 (Bescheid vom 19.08.1992, Gewährung ab 01.10.1992) Jahr für Jahr
gesondert zu ermitteln. Maßstab dafür sind die Verkehrswertgutachten vom 29.07.1997 und vom 29.08.1993, die den Wert der Wohnung
des Sohns der Kläger zu den Stichtagen Oktober 1988 und August 1993 beurteilen.
Bei Zugrundelegung des Verkehrswertgutachtens vom 29.07.1997 ergibt sich zum Stichtag Oktober 1988 ein Verkehrswert - ohne
Bodenwert, ohne den Wert der Außenanlagen und den des Zubehörs - von 110.000,-- DM. Das Gutachten vom 29.08.1993 geht zum
Stichtag August 1993 von einem - geschätzten - Verkehrswert von 160.000,-- DM aus, umfaßt aber den Bodenwert von 19.000,--
DM und den Wert der Außenanlagen mit 5.000,-- DM. Der reine Bauwert wird mit 133.000,-- DM angegeben, so daß von einem Verkehrswert
(Sachwert plus 2 %, vgl. S. 12 des Gutachtens vom 29.07.1997) von ca. 135.500,-- DM auszugehen ist. Das bedeutet eine Steigerung
um real 25.000,-- DM in ca. 5 Jahren, also um ca. 25 %. Das sind 5.000,-- DM pro Jahr. Entsprechendes gilt für den Bodenwert
und den Wert der Außenanlagen. Der Bodenwert betrug 1993 19.000,-- DM; 25 % davon sind 4.800,-- DM, so daß er 1988 14.200,--
DM betrug. Die Steigerung pro Jahr beträgt 950,-- DM. Auch beim Wert der Außenanlagen ist davon auszugehen, daß sie 1988 25
% weniger wert waren, als 1993, also 5.000,-- ./. 1.250,-- = 3.750,-- DM. Der Steigerungsbetrag pro Jahr beträgt somit 250,--
DM. Dies ergibt folgende Werte:
1988: 110.000,-- + 14.200,-- + 3.750,-- = 127.950,-- DM
1989: 115.000,-- + 15.150,-- + 4.000,-- = 134.150,-- DM
1990: 120.000,-- + 16.100,-- + 4.250,-- = 140.350,-- DM
1991: 125.000,-- + 17.050,-- + 4.500,-- = 146.550,-- DM
1992: 130.000,-- + 18.000,-- + 4.750,-- = 152.750,-- DM
1993: 135.000,-- + 19.000,-- + 5.000,-- = 159.000,-- DM
Diesen Werten sind die Schulden des Sohns der Kläger zu den jeweiligen Zeitpunkten gegenüberzustellen. Die Schulden betrugen,
wie die Kläger im einzelnen nachgewiesen haben (AS. 45 ff. d. VGH-Akte), zu Baubeginn 1984 129.500,-- DM, unter Berücksichtigung des im Dezember 1987 erhaltenen Verwandtendarlehens von 12.500,--
DM (AS. 67) 142.000,-- DM. Davon waren 1988, wie die Kläger ebenfalls im einzelnen nachgewiesen haben (S. 3-5 u. S. 6 des
Schriftsatzes vom 11.07.1996, AS. 29 ff. d. VGH-Akte) 6.575,-- DM (die von den Klägern angegebene Zahl von 5.840,78 DM kann nicht stimmen) und bis 1992 insgesamt 18.899,--
DM getilgt, nach 1988 bis 1992 (= 4 Jahre) pro Jahr also ca. 3.000,-- DM. Das ergibt einen Schuldenstand für
1988 von 142.000,-- ./. 6.575,-- = 135.425,-- DM
1989 von 136.460,-- ./. 3.000,-- = 133.460,-- DM
1990 von 133.460,-- ./. 3.000,-- = 130.460,-- DM
1991 von 130.460,-- ./. 3.000,-- = 127.460,-- DM
1992 von 127.460,-- ./. 3.000,-- = 124.460,-- DM
Daraus wird zunächst deutlich, daß im Jahre 1988 vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zum 31.12.1988 die Schulden den Vermögenswert
überstiegen, in diesem Zeitraum einsetzbares, einen Sozialhilfeanspruch ausschließendes Vermögen des Sohns der Kläger also
nicht vorhanden war. Die Sozialhilfegewährung für das Jahr 1988 war somit rechtmäßig, der Bescheid vom 24.01.1989 war insoweit
nicht rechtswidrig.
Für den Zeitraum vom 01.01.1989 bis 31.12.1989 ist (gegen Schluß des Jahres) ein minimaler Überschuß des Vermögenswerts über
die Schulden in Höhe von 690,-- DM festzustellen. Insoweit war der die zweite Hälfte des Jahres 1989 abdeckende Bescheid vom
06.07.1989 rechtswidrig, dagegen der die erste Hälfte abdeckende Bescheid vom 24.01.1989 insgesamt nicht rechtswidrig.
1990 wurden dem verstorbenen Sohn der Kläger insgesamt 17.994,-- DM an Sozialhilfe gewährt. Dem steht ein Vermögensnettowert
von (140.350,-- ./. 130.460,-- =) 9.980,-- DM gegenüber. Die den Zeitraum vom 01.01. bis zum 31.12.1990 abdeckenden Bescheide
vom 06.07.1989, vom 09.07.1990 und vom 10.09.1990 waren deshalb nur insoweit rechtswidrig, als sie zusammen mehr als 9.890,--
DM gewährten. Der Bescheid vom 06.07.1989 deckt mit seiner zweiten Hälfte das erste halbe Jahr 1990 mit insgesamt 8.916,--
DM ab; dieser Bescheid behält deshalb jedenfalls mit diesem Teil Bestand. Es bleibt ein Rest von 974,-- DM. Die Bescheide
vom 09.07. und vom 10.09.1990 gewährten für das zweite Halbjahr 1990 je dreimal 1.513,-- DM monatlich, also im Vierteljahr
4.539,-- DM. Danach war der Bescheid vom 09.07.1990 rechtswidrig, als er mehr als 974,-- DM gewährte, der Bescheid vom 10.09.1990
war insgesamt rechtswidrig. Alles in allem geht es hier also um eine Summe von zweimal 4.539,-- DM abzüglich 974,-- DM. Das
ergibt einen rechtswidrig geleisteten Betrag von insgesamt 8.104,-- DM.
Für das Jahr 1991 ergibt sich rein rechnerisch eine Differenz zwischen Wert und Schulden von (146.550,-- ./. 127.460,-- =)
19.090,-- DM. Die Sozialhilfezahlungen an den Sohn der Kläger betrugen im Jahr 1991 9.078,-- DM mit Bescheid vom 04.06.1991
und 9.348,-- DM mit der ersten Hälfte des Bescheids vom 26.07.1991, zusammen also 18.426,-- DM. Das liegt unter dem für das
Jahr 1991 maßgebenden Vermögen. Sozialhilfe hätte an sich nicht gewährt werden können; die entsprechenden Bescheide vom 04.06.1991
und vom 26.07.1991 wren rein formal ganz bzw. teilweise (der Bescheid vom 26.07.1991 deckt auch noch das erste Halbjahr 1992
ab) rechtswidrig.
Dasselbe gilt für das Jahr 1992. Hier ergibt sich eine Differenz zwischen Vermögenswert und Schulden von (152.750,-- ./. 124,460,--
=) 28.290,-- DM. Die Sozialhilfezahlungen betrugen 9.348,-- DM (zweite Hälfte des Bescheids vom 26.07.1991) und ab Juli 1992
bis zum Tod des Sohns der Kläger am 16.10.1992 (3 1/2 mal 1.583,-- =) 5.531,-- DM, zusammen also 14.879,-- DM. Auch das liegt
erheblich unter dem für das Jahr 1992 maßgebenden Vermögen. Auch die Bescheide vom 06.07.1992 und vom 19.08.1992 waren daher
rechtswidrig.
§ 88 BSHG steht der Annahme der Rechtswidrigkeit jener Bescheide nicht entgegen. Abs. 2 Nr. 1 dieser Vorschrift findet keine Anwendung,
da es hier nicht um öffentliche Mittel zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstands geht. Im übrigen
wäre der mit solchen Mitteln geschaffene Vermögenswert auch nicht nach § 88 Abs. 2 Nr. 1 BSHG geschützt (vgl. LPK-BSHG, 4. Aufl. 1994, § 88 RdNr. 17). Auch Abs. 2 Nr. 2 schützt nur das für den dort genannten Zweck vorgesehene Vermögen (Bauspar-, Lebensversicherungs- oder
Sparvermögen, LPK-BSHG a.a.O. RdNr. 20), um das es hier aber ebenfalls nicht geht. Da der Sohn der Kläger ab 1988 die Wohnung nicht mehr bewohnte,
ist auch Abs. 2 Nr. 7 der Vorschrift nicht einschlägig. Ebensowenig findet entgegen der Ansicht der Kläger § 88 Abs. 2 Nr.
8 Anwendung. Der Wert einer Immobilie ist weder ein kleiner Barbetrag noch ein sonstiger Geldwert im Sinne der Vorschrift
(vgl. dazu LPK-BSHG a.a.O., RdNr. 47). Deshalb kommt es auch auf die Freibeträge der Verordnung zu § 88 BSHG nicht an. Schließlich ist auch eine Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG nicht erkennbar. Ziel aller Regelungen des § 88 BSHG ist es zu verhindern, daß die Sozialhilfe zu einem wirtschaftlichen Ausverkauf führt, den Willen zur Selbsthilfe lähmt und
damit zu einer nachhaltigen sozialen Herabstufung führt. Ziel der Härtevorschrift des § 88 Abs. 3 BSHG kann kein anderes sein. Ihr Sinn liegt deshalb ausschließlich darin, über die den Regelvorschriften zugrundeliegenden typischen
Sachverhalte hinaus atypische Sachverhalte zu erfassen, nicht jedoch ein Ergebnis zu gestatten, das vom Regelergebnis, nämlich
von den Grundvorstellungen über den Zweck des Schonvermögens abweicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.01.1966, BVerwGE 23, 149, 158).
Ein solcher atypischer Sachverhalt ist hier nicht gegeben. Der Sohn der Kläger bewohnte die Wohnung im maßgeblichen Zeitraum
nicht selbst. Es war auch nicht erkennbar, daß sein Umzug aus Bayern in den Bereich des Beklagten nur vorübergehender Natur
gewesen wäre und die Wohnung ihm hätte erhalten bleiben müssen. Deshalb kann auch eine Erschwerung angemessener Lebensführung
oder angemessener Alterssicherung (vgl. § 88 Abs. 3 S. 2 BSHG) nicht angenommen werden. Vielmehr handelt es sich hier um einen Fall von Vermögenseinsatz ohne atypische Abweichungen. Daran
ändert auch nichts, daß die Kläger und deren Familie beträchtliche Eigenleistungen bei der Herstellung der Wohnung erbracht
haben (S. 7 d. Schriftsatzes vom 11.07.1996). Hinzu kommt, daß es nach Sachlage wohl auch nur um den E i n s a t z des
Vermögens, nicht um dessen Verwertung gegangen wäre. Die Härte, die darin gelegen haben könnte, daß das Vermögen des Sohns
der Kläger durch Verkauf der Wohnung hätte realisiert werden, daß also das Vermögen tatsächlich hätte verwertet werden müssen,
hätte - allerdings nur für den Zeitraum, in dem überhaupt Vermögen vorhanden war, also allenfalls ab Mitte des Jahres 1990
- durch eine darlehensweise Gewährung der Hilfe ausgeglichen werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.1974, BVerwGE 47, 103; ständ. Rechtspr. des Senats, vgl. zuletzt Beschluß v. 16.07.1997 - 6 S 500/97 - m.w.N.). Wie im einzelnen verfahren worden wäre, läßt sich jetzt nicht mehr sagen; sicher dürfte aber sein, daß die Hilfe
jedenfalls nicht in vollem Umfang als nicht rückzahlbarer Zuschuß gewährt worden wäre, wenn der Beklagte rechtzeitig Kenntnis
vom Vermögen des Sohns der Kläger gehabt hätte.
Gemäß § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen werden, es sei denn, der Begünstigte hat auf den Bestand
des Verwaltungsakts vertraut und sein Vertrauen ist unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig.
Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder
grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Danach können sich der Sohn der Kläger - und damit auch die Kläger selbst - auf Vertrauensschutz nicht berufen. Denn die
begünstigenden Verwaltungsakte wären in ihrer Mehrzahl so nicht erlassen worden, wenn der Sohn der Kläger Angaben zu seiner
Eigentumswohnung und deren Wert gemacht hätte. Im Antrag hatte der Sohn der Kläger die Rubrik ''Liegenschaftsvermögen'' zunächst
offengelassen, dann durchgestrichen. Im Mai 1990 und im August 1992 hatte er einen ''Fragebogen zur Nachprüfung der Verhältnisse
von Hilfeempfängern'' ausgefüllt und die Rubrik ''Grundvermögen'' jeweils offen gelassen. Daß er, wie die Kläger geltend machen,
aufgrund seiner physischen und psychischen Situation nicht fähig gewesen wäre, sich von dem abgefragten Begriff zutreffende
Vorstellungen zu machen und zur ordnungsgemäßen Erledigung seiner Angelegenheiten nicht (mehr) in der Lage gewesen wäre, kann
der Senat nicht annehmen. Wie die Akten ergeben, hat der Sohn der Kläger alle Anträge - möglicherweise mit fremder Hilfe -
ausgefüllt, jedenfalls aber selbst unterschrieben (AS. 1, 21, 137, 319); außerdem hat er auch kurze Schreiben selbst verfaßt
(AS. 29, 167, 321). An keiner Stelle der Akten ergibt sich ein Hinweis dafür, daß der Sohn der Kläger nicht hätte erkennen
können, daß seine Wohnung unter Liegenschaftsvermögen (AS. 4, 23) bzw. Grundvermögen (AS. 137, 319) fällt und anzugeben ist.
Der Senat kann aus den gesamten Umständen daher nur den Schluß ziehen, daß der Sohn der Kläger zumindest grob fahrlässig in
wesentlicher Beziehung unrichtige oder doch unvollständige Angaben gemacht hat (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X). Deshalb durfte der Beklagte die in der Vergangenheit erlassenen Bewilligungsbescheide, soweit sie rechtswidrig waren, grundsätzlich
zurücknehmen und die bereits erbrachten Leistungen zurückfordern.
Die Prüfung dieser Voraussetzungen führt bei den einzelnen Bescheiden zu unterschiedlichen Ergebnissen:
Der Bescheid vom 24.01.1989, der den Zeitraum vom 15.10.1988 bis zum 30.06.1989 abdeckt, durfte unabhängig von den übrigen
Voraussetzungen des § 45 SGB X schon deshalb nicht vollständig zurückgenommen werden, weil, wie oben bereits dargelegt, für den Zeitraum bis zum 31.12.1988
Vermögen nicht vorhanden, der Bescheid jedenfalls insoweit nicht rechtswidrig war.
Für den Zeitraum vom 01.01.1989 bis zum 31.12.1989 besteht ein Überschuß des Vermögenswerts über die Sozialhilfeleistungen
in Höhe von 690,-- DM. Demnach war der auch die erste Hälfte des Jahres 1989 abdeckende Bescheid vom 24.01.1989 insgesamt
rechtmäßig. Der Bescheid vom 06.07.1989 war demgegenüber insoweit rechtswidrig, als er 690,-- DM gewährt hatte, denn insoweit
war einsetzbares Vermögen vorhanden. Diese Sachlage rechtfertigte aber nicht die vollständige Zurücknahme des Bescheids vom
06.07.1989. Die Entscheidung über die Rücknahme eines Verwaltungsakts steht selbst dann noch im pflichtgemäßen Ermessen des
Trägers der Sozialhilfe, wenn bei der zunächst im Rechtsbereich zu treffenden Abwägung von öffentlichen und privaten Interessen
dem Begünstigten Vertrauensschutz zu versagen ist (vgl. Urt. d. Senats v. 31.07.1990 - 6 S 2062/88 -, v. 23.03.1994 - 6 S 1576/93 -). Zwar läßt sich den angefochtenen Bescheiden entnehmen, daß der Beklagte das ihm zustehende Ermessen betätigt hat, doch
sind die dort dargelegten Erwägungen nicht geeignet, für den Zeitraum des Jahres 1989 die Entscheidung des Beklagten zu tragen.
Zwar steht nach einhelliger Rechtsprechung der überschießende Betrag von 690,-- DM, da er nicht eingesetzt worden ist, jeden
Monat aufs Neue - hier jedenfalls teilweise - der Bewilligung von Sozialhilfe entgegen. Diese Erwägung beruht aber darauf,
daß Sozialhilfe keine rentenähnliche Leistung ist, ihre Voraussetzungen vielmehr ständig zu überprüfen sind, der Hilfefall
also aus gegenwärtiger Sicht unter Kontrolle zu halten ist. Bei der Rückforderung von Sozialhilfe geht es aber um die Rückabwicklung
eines Hilfefalls aus der Sicht ex post, aus nachträglicher Sicht. Unter diesem Aspekt kann nicht unberücksichtigt bleiben,
daß der Sohn der Kläger, hätte er den Betrag von 690,-- DM angegeben, allenfalls für einen halben Monat des gesamten Jahres
1989 kein Pflegegeld erhalten hätte. Dieses betrug nämlich bis zum 30.06.1989 1.486,-- DM und bis zum 31.12.1989 1.513,--
DM im Monat. Es ist aber offenkundig sachwidrig, dem im Jahr 1989 geleisteten Pflegegeld im Gesamtbetrag von 17.712,-- DM
wegen eines nicht angegebenen Vermögens von nur 690,-- DM die rechtliche Grundlage vollständig zu entziehen (vgl. dazu Urt.
d. Senats v. 17.06.1992 - 6 S 3157/91 -). Mithin durfte der Bescheid vom 24.01.1989 überhaupt nicht und derjenige vom 06.07.1989 nur insoweit zurückgenommen werden,
als mit ihm der Betrag von 690,-- DM gewährt wurde.
Zurücknehmen durfte der Beklagte mit Blick auf das Jahr 1990 dagegen den Bescheid vom 10.09.1990 vollständig und denjenigen
vom 09.07.1990 insoweit, als er mehr als 974,-- DM gewährt. Diese Bescheide waren, wie oben dargelegt, rechtswidrig. Ermessensfehler
sind nicht erkennbar. Die entsprechenden Erwägungen in den angefochtenen Bescheiden genügen den Anforderungen.
Für 1991 ist nach den eben dargelegten, für das Jahr 1989 geltenden Grundsätzen aber die vollständige Zurücknahme der Bescheide
vom 04.06.1991, vom 26.07.1991, vom 06.07.1992 und vom 19.08.1992 wiederum ermessensfehlerhaft. Bei der auch hier notwendigen
Sicht ex post kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß der für das Jahr 1990 ermittelte Wert des Grundvermögens wiederum in
dem für 1991 anzusetzenden Wert enthalten und daß die Substanz des Werts des Vermögens des Sohns der Kläger bereits mit der
Rückforderung des Betrags für das Jahr 1990 ''abgeschöpft'' worden ist. Würde man für das Jahr 1991 den gesamten sich aus
der Differenz zwischen Verkehrswert und Schuldenstand ergebenden Wert zugrundelegen, würde derselbe Wert den Klägern zweimal
zugerechnet. Bei dieser Sicht der Dinge kann der Berechnung des einzusetzenden Vermögens deshalb nur der Wertz u w a c h s
für das Jahr 1991 zugrundegelegt werden. Dieser beträgt (146.550,-- ./. 140.350,-- =) 6.200,-- DM. Entsprechendes gilt für
1992. Hier ist von einem Wertzuwachs von (152.750,-- ./. 146.550,-- =) ebenfalls 6.200,-- DM - allerdings für das ganze Jahr
- auszugehen. Da der Sohn der Kläger am 16.10.1992 verstarb, vermindert sich der Wertzuwachs um ein Viertel, beträgt also
nur 4.650,-- DM. Die Bescheide vom 04.06.1991, vom 26.07.1991, vom 06.07.1992 und vom 19.08.1992 waren deshalb nur insoweit
rechtswidrig, als die mit ihnen in den Jahren 1991 und 1992 gewährte Gesamthilfe diese Beträge umfaßte. Den darüber hinausgehenden
Betrag hat der Sohn der Kläger für die Jahre 1991 und 1992 dagegen zu Recht erhalten. Der Beklagte durfte die genannten Bescheide
daher insoweit zurücknehmen, als mit ihnen der den Wertzuwächsen entsprechende Betrag gewährt wurde. Ermessensfehler sind
auch hier nicht erkennbar.
Aufgrund der zurückgenommenen Bescheide bereits erbrachte Leistungen sind zu erstatten (§ 50 Abs. 1 SGB X); ein Ermessensspielraum besteht hier nicht. Im Jahre 1989 wurden, wie oben ausgeführt, 690,-- DM rechtswidrig gezahlt, für
das Jahr 1990 beläuft sich der mit den Bescheiden vom 10.09.1990 und vom 09.07.1990 rechtswidrig gezahlte Betrag, wie ebenfalls
oben ausgeführt, auf 8.104,-- DM und der 1991 und 1992 zuviel gezahlte Betrag auf (6.200,-- + 4.650,-- =) 10.850,-- DM. Insgesamt
fordert also der Beklagte von den Klägern 19.644,-- DM zu Recht. Auf diese Summe war daher der Rückforderungsbetrag
in den angefochtenen Bescheiden zu kürzen; die Kläger haften insoweit als Gesamtschuldner (§
2058 BGB)!
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
155 Abs.
1 S. 1, 188 S. 2
VwGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des §
132 Abs.
2 VwGO gegeben ist.