Heimrecht: Entgelterhöhung; Heimvertrag; Pflegeversicherung; Normwiderspruch; Praktische Konkordanz
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine heimaufsichtsrechtliche Verfügung zur Frage der Wirksamkeit einer Entgelterhöhung.
Die Klägerin betreibt ein Seniorenheim in XXXXXXX. Mit einem an die Heimbewohner gerichteten Schreiben vom 14.05.2003 teilte
sie unter Hinweis auf die im Rahmen der Pflegesatzverhandlungen vom 07.05.2003 mit den Kostenträgern beschlossenen Vereinbarungen
mit, dass sich die Entgelte zum 01.06.2003 erhöhten.
Mit Bescheid vom 25.07.2003 ordnete die Beklagte gegenüber der Klägerin auf der Grundlage von §
17 Abs.
1 Satz 1
HeimG die Entgelterhöhung für den 01.07.2003 an. Zur Begründung wurde auf die Vierwochenfrist des § 7 Abs. 3
HeimG verwiesen.
Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein, mit dem sie auf §
85 Abs.
6 Satz 1 Hs. 2
SGB XI Bezug nahm, der für Leistungsempfänger der sozialen Pflegeversicherung vorrangig sei. Setzten die Pflegesatzvereinbarungen
einen Zeitraum fest, bei dem die Vierwochenfrist des § 7 Abs. 3 Satz 1
HeimG nicht eingehalten werden könne, so sei dies von den Regularien des
SGB XI gedeckt und könne zu keinem Gesetzesverstoß führen. Nicht selten werde im Rahmen von Pflegesatzverhandlungen keine Einigung
erzielt. In diesem Fall sehe §
85 Abs.
5 SGB XI die Festsetzung der Entgelte durch die Schiedsstelle vor. Obwohl §
85 Abs.
6 SGB XI rückwirkende Entgeltvereinbarungen verbiete, habe das Bundessozialgericht entschieden, dass die Schiedsstelle die Entgelte
rückwirkend ab Eingang des Antrags festsetzen könne. Insoweit sei über die Gerichte auch eine entsprechende Korrektur des
§ 7 Abs. 3
HeimG vorzunehmen. Aus gesetzgeberischer Unkenntnis oder aber "Schlamperei" seien die Regelungen des §
85 Abs.
6 SGB XI und des § 7 Abs. 3
HeimG nicht in Einklang gebracht worden. § 7 Abs. 3
HeimG sei verfassungswidrig.
Mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 26.07.2004 - zugestellt am 30.07.2004 - wurde der Ausgangsbescheid
dahingehend abgeändert, dass festgestellt wurde, dass die Entgelterhöhung zum 01.06.2003 unwirksam sei. Zur Begründung wurde
ausgeführt, dass die Vierwochenfrist des § 7 Abs. 3
HeimG, der für alle Heimbewohner gelte, nicht erfüllt sei und das Schreiben vom 14.05.2003 auch inhaltlich den dort gestellten
Anforderungen nicht genüge. Ein Normwiderspruch zwischen §
85 Abs.
6 SGB XI und § 7 Abs. 3
HeimG sei nicht gegeben. Die Pflegesatzvereinbarungen seien Vereinbarungen zwischen den Heimträgern und den Pflegekassen. Die Höhe
des Entgelts beruhe indes auf einem privatrechtlichen Heimvertrag zwischen Heimbewohner und Träger des Heimes. Der Gesetzgeber
habe vor dem Hintergrund des §
2 Abs.
1 Nr.
1 HeimG ganz bewusst Regelungen zur Wirksamkeit einer Entgelterhöhung getroffen und wolle sicherstellen, dass bestimmte Fristen einzuhalten
seien, damit die Betroffenen Gelegenheit hätten, die Berechtigung der Entgelterhöhung nachzuprüfen und ggf. den Heimvertrag
zu kündigen. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit sei nicht ersichtlich. § 7 Abs. 3
HeimG nenne lediglich Wirksamkeitsvoraussetzungen von Entgelterhöhungen. Die Besonderheiten des Schiedsverfahrens seien auf die
vorliegende Fragestellung nicht übertragbar. Die Verpflichtung der Vertragsparteien zu rechtzeitigen Verhandlungen eröffne
die Möglichkeit, die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Satz 1
HeimG einzuhalten. Der Ankündigung vom 14.05.2003 fehle außerdem eine ausreichende Begründung, weshalb die Entgelterhöhung auch
aus diesem Grund nicht wirksam sei. Da durch Verwaltungsakt nicht festgelegt werden könne, zu welchem Zeitpunkt eine privatrechtliche
Regelung wirksam werde, sei lediglich festzustellen, ob die Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 7 Abs. 3
HeimG erfüllt seien.
Die Klägerin hat am 25.08.2004 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben, mit der sie ausführt, dass sie den Heimbewohnern
bereits mit Schreiben vom 18.11.2002 vorab mitgeteilt habe, dass in den nächsten Wochen mit den Kostenträgern neue Pflegesatzverhandlungen
geführt würden. Der Heimbeirat sei ebenfalls informiert worden und habe der Erhöhung zugestimmt. Mit Schreiben vom 14.05.2003
seien die Heimbewohner über die mit Wirkung vom 01.06.2003 vereinbarten Entgelte in Form einer Gegenüberstellung der bisher
und der künftig geltenden Vergütungssätze informiert worden. Die zeitliche Verschiebung der eigentlich zum 01.01.2003 beabsichtigten
Vergütungsvereinbarung habe nicht in ihrer Hand gelegen. Die Anordnung der Beklagten differenziere unzulässigerweise nicht
zwischen Leistungsempfängern der gesetzlichen Pflegeversicherung und sonstigen Leistungsempfängern und sei nicht hinreichend
bestimmt. Die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass die der streitigen Anpassung zugrunde liegende Umsetzung der Personaleinsatzzahlen
des Rahmenvertrages Baden-Württemberg im Interesse der Bewohner liege und dass die Klägerin an die Vereinbarungen vom 15.05.2003
nach § 80a
SGB XI und §
85 SGB XI gebunden sei und die entsprechend festgesetzten Entgelte in den jeweiligen Pflegekassen umsetzen und gewährleisten müsse.
Bei Nichteinhaltung dieser Vereinbarungen müsse sie mit der Kündigung des Versorgungsvertrages rechnen, d. h. ihre Existenz
werde in Frage gestellt. Die Praxis müsse einen Weg finden, den gesetzlichen Widerspruch sach- und interessengerecht auszugleichen.
Für Bewohner, die Leistungen von Kostenträgern bezögen, sei eine vorrangige Anwendung des
SGB XI sach- und interessengerecht, weil dort die Beteiligungs- und Informationsrechte der Pflegeversicherten umfassend und erschöpfend
gewahrt seien. Im Übrigen werde auf § 7 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 5 Abs. 5 Satz 2
HeimG Bezug genommen, wonach ein Anspruch auf Vertragsanpassung (Entgelterhöhung) bestehe. Die Auffassung der Beklagten greife
in Art.
12 und Art.
14 GG ein. Das Übermaßverbot sei insoweit verletzt, als die Wirksamkeit der Entgelterhöhung jedenfalls nach Ablauf von vier Wochen
gegeben sei. Eine praxisnahe Lösung müsse auch für ein eventuelles Begründungserfordernis gelten. Das Pflegesatzverfahren
wahre die Rechte der Pflegeversicherten insoweit umfassend. Es stelle sich auch die Frage, ob überhaupt Entgelterhöhungen
im Sinne von § 7
HeimG vorlägen, da es sich um eine Entgeltanpassung aus dem Rahmenvertrag für Baden-Württemberg handele, an den sowohl die Klägerin
als auch die Kostenträger als auch die Beklagte gebunden seien. Das nach §
17 Abs.
2 und
3 HeimG erforderliche Einvernehmen sei nicht hergestellt worden und die angefochtene Anordnung auch deshalb unwirksam, da sich die
Pflegeentgelte aufgrund der verkürzten Restlaufzeit erhöhten. Die Voraussetzungen des §
17 Abs.
1 HeimG lägen nicht vor. Einen Ansatz zur Auflösung des Normwiderspruchs liefere das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 03.02.2005
(Az. III ZR 411/04, NJW-RR 2005, 777). Danach sei die Verweisung des § 7 Abs. 4
HeimG allein auf § 7 Abs. 3 Satz 3 und § 5 Abs. 5
HeimG und nicht auf § 7 Abs. 3 Satz 4
HeimG zu beziehen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zur Begründung ausgeführt, dass § 7 Abs. 3 Satz 1
HeimG aufgrund von § 7 Abs. 4 Satz 8
HeimG auch für die Entgelterhöhung bei Leistungsempfängern der Pflegeversicherung Anwendung finde. Eine Differenzierung sei daher
nicht erforderlich. Es sei eindeutig auf die zum 01.06.2003 beabsichtigte Entgelterhöhung Bezug genommen worden; die Verfügung
sei daher hinreichend bestimmt. Bei der zwischen der Klägerin und den Kostenträgern getroffenen Vereinbarung handele es sich
um ein Vertragsverhältnis. Dementsprechend liege eine Entscheidung über Anfangszeitpunkt und Laufzeit auch in der Hand der
Klägerin und der Kostenträger. Die Klägerin habe es insoweit selbst in der Hand, ihrer Verpflichtung nach § 7 Abs. 3 Satz 1
HeimG nachzukommen. Halte sie sich wie hier nicht an die Regeln des Heimgesetzes, müsse sie die Konsequenzen tragen. Bei einer
Bestimmung des Laufzeitbeginns vier Wochen nach Information der Heimbewohner entstehe auch kein Normwiderspruch. Ein Grundrechtseingriff
sei vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich. Aufgrund der nicht ausreichenden Begründung der Entgelterhöhung könne allein
der Zeitablauf den Mangel nicht heilen. §
17 Abs.
1 HeimG sei einschlägig und berechtige zur Feststellung der Unwirksamkeit der Entgelterhöhung. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
betreffe einen völlig anderen Sachverhalt. Durch eine spätere Erhöhung des Heimentgelts entstehe den Bewohnern kein Schaden.
Das
Heimgesetz sei eine Verbraucherschutzvorschrift.
Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 02.03.2005 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt,
dass § 7 Abs. 3
HeimG in unvereinbarem Widerspruch stehe zu §
85 Abs.
6 Satz 1 Hs. 2
SGB XI und dessen Reichweite sowie mit den Gleichbehandlungsgeboten der §
84 Abs.
3 SGB XI und § 5 Abs. 7 Satz 2 und 3
HeimG. Mit der in §
85 Abs.
6 Satz 1
SGB XI vorgesehenen unmittelbaren Geltung der Pflegesatz- und Entgeltvereinbarung seien die Frist und das Begründungserfordernis
des § 7 Abs. 3
HeimG nicht vereinbar. Den Vertragsparteien der Pflegesatzvereinbarung sei zwar die Möglichkeit eröffnet, den Zeitraum so zu bestimmen,
dass der Verpflichtung des an den Pflegesatzvereinbarungen beteiligten Heimträgers aus § 7 Abs. 3 Satz 1
HeimG Rechnung getragen werden könne, werde aber wie hier von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht und trete die Pflegesatzvereinbarung
so früh in Kraft, dass die Vierwochenfrist nicht eingehalten werden könne, so sei die fristgebundene Ankündigung der Entgelterhöhung
verzichtbar. Offen bleiben könne, ob dies auch gelte, wenn im Einzelfall nach Maßgabe des in der Vereinbarung bestimmten Gültigkeitszeitpunkts
die Vierwochenfrist gewahrt werden könne. Für die privat Pflegeversicherten folge die Verbindlichkeit der Vereinbarungen nach
den §§
85,
87 SGB XI aus den Gleichbehandlungsgeboten. Auch für diese könne aus Rechtsgründen die Vierwochenfrist daher nicht eingehalten werden.
Zwar habe der Gesetzgeber bei seiner Novellierung die Transparenz von Heimverträgen verbessern wollen, auch sei nicht recht
verständlich, warum Leistungsempfängern der sozialen Pflegeversicherung dieser Grad an Transparenz vorenthalten bleiben solle,
doch könne dem wegen der vom Gesetzgeber zwar beabsichtigten, aber nicht gelungenen Verzahnung des Heimgesetzes mit dem
SGB XI nicht weiter Rechnung getragen werden. Die sozial und privat Pflegeversicherten seien durch die Vorschriften des
SGB XI ausreichend geschützt, weshalb es hinnehmbar sei, auf die Vierwochenfrist zu verzichten, anstatt dem Heimträger in Fällen
der vorliegenden Art eine Ankündigung der Entgelterhöhung aufzubürden, die mit der unmittelbaren und mittelbaren Geltung der
Pflegesatz- und Entgeltvereinbarung und deren Bestandteilen nicht vereinbar sei. Die Begründung des Erhöhungsverlangens nach
§ 7 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 3 i.V.m. § 5 Abs. 3
HeimG sei ebenfalls entbehrlich. Eine in der Entscheidung des Heimträgers liegende Aufgliederung der Entgeltbestandteile stehe
im Grundsatz nicht im Einklang mit dem Prinzip, dass in der (sozialen) Pflegeversicherung die leistungsgerechte Vergütung
durch die Pflegesatzparteien im Wege eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, notfalls durch Verwaltungsakt der Schiedsstelle
geregelt werde und diese unmittelbar für die sozial Pflichtversicherten und mittelbar über die Gleichbehandlungsgebote für
die privat Pflichtversicherten gälten. Die Berufung wurde zugelassen, weil die Frage der Vereinbarkeit des § 7 Abs. 3
HeimG mit §
85 Abs.
6 Satz 1 Hs. 2
SGB XI grundsätzliche Bedeutung habe.
Mit ihrer fristgemäßen Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Die Auffassung
des Verwaltungsgerichts hätte zur Folge, dass sich die Vertragsparteien durch entsprechende Vereinbarungen über ordnungsrechtliche
Vorschriften hinwegsetzen könnten. Das Heimrecht als spezialgesetzliche Ausgestaltung des Schutzes der Menschenwürde könne
aber nicht zur Disposition der Vertragsparteien nach dem
SGB XI stehen. Die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts verkürze die Rechte der Heimbewohner, denen die Möglichkeit eingeräumt
werden sollte, noch vor Wirksamwerden der Entgelterhöhung zu kündigen und einen anderen zumutbaren Heimplatz zu suchen. Das
Verwaltungsgericht habe keine Verwerfungskompetenz dahingehend, § 7 Abs. 3
HeimG einfach für entbehrlich zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 02.03.2005 - 11 K 2313/04 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich ein Normwiderspruch bereits aus dem Wortlaut der Bestimmungen ergebe. Das
SGB XI trage den Interessen der Bewohner mehr Rechnung als die Bestimmungen des Heimgesetzes. Angesichts des den Heimbewohnern bereits
im November 2002 erteilten Informationsschreibens hätten diese mehr als vier Wochen Zeit gehabt, sich auf das neue Entgelt
einzustellen. Adressat des § 7 Abs. 3
HeimG sei der nicht durch die Kostenträger und die Bestimmungen des
SGB XI geschützte Bewohner, dessen Einrichtung sich nicht dem Entgeltsystem des
SGB XI unterworfen habe. Die Anwendung des § 7 Abs. 3
HeimG mache im Zusammenhang mit den durchgeführten Pflegesatzverhandlungen keinen Sinn. Die Begründungsobliegenheit setze voraus,
dass sich Kosten der Einrichtung erhöht hätten und diese auf die Bewohner umgelegt würden. § 7 Abs. 3
HeimG laufe dem gesetzlichen Differenzierungsverbot zuwider, weil er voraussetze, dass die Einrichtung zivilrechtliche Verträge
mit jedem einzelnen Bewohner schließe und der Träger berechtigt sei, das Entgelt einseitig zu verändern. Der Zugang der schriftlichen
Erklärung erfolge bei den einzelnen Bewohnern zu unterschiedlichen Zeitpunkten, was dazu führe, dass für dieselbe Pflege unterschiedliches
Entgelt geschuldet werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze,
die Verwaltungsakten (2 Bände) sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe - 11 K 2313/04 - Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Anders als das Verwaltungsgericht ist der Senat der Auffassung, dass die zulässig erhobene
Klage nicht begründet ist. Der Bescheid der Beklagten vom 25.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums
Karlsruhe vom 26.07.2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§
113 Abs.
1 Satz 1
VwGO).
1. Gegen den in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ergangenen feststellenden Verwaltungsakt, dass die Entgelterhöhung zum
01.06.2003 unwirksam ist, ist die Anfechtungsklage statthaft. Aufgrund der Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung
ist davon auszugehen, dass sich der Rechtsstreit nicht durch Wirksamwerden einer anderweitigen Entgelterhöhung (teilweise)
erledigt hat, sondern dass die angefochtene Verfügung in der Gestalt des Widerspruchsbescheids nach wie vor belastende Wirkung
gegenüber der Klägerin entfaltet. Dabei kann dahinstehen, ob sich die Klägerin auf etwaige Beteiligungsrechte der Kostenträger
nach §
17 Abs.
2 und
3 HeimG berufen kann (vgl. hierzu VG Freiburg, Urteil vom 15.12.2004 - 2 K 408/03).
2. Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung ist §
17 Abs.
1 Satz 1
HeimG. Danach kann die Heimaufsichtsbehörde, wenn festgestellte Mängel nicht abgestellt werden, gegenüber dem Heimträger Anordnungen
erlassen, die zur Beseitigung einer eingetretenen oder Abwendung einer drohenden Beeinträchtigung oder Gefährdung des Wohls
der Bewohnerinnen und Bewohner, zur Sicherung der Einhaltung der dem Träger gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern obliegenden
Pflichten oder zur Vermeidung einer Unangemessenheit zwischen dem Entgelt und der Leistung des Heims erforderlich sind.
Die vorliegende Verfügung ist in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zur Sicherstellung der Einhaltung der dem Träger gegenüber
den Bewohnern gem. § 7 Abs. 3
HeimG obliegenden Pflichten ergangen. Angesichts des in §
2 Abs.
1 Nr.
3 HeimG formulierten Gesetzeszwecks, die Einhaltung der dem Träger gegenüber den Bewohnern obliegenden Pflichten zu sichern, ist
die feststellende Verfügung, mit der der besonderen Schutzbestimmung des § 7 Abs. 3
HeimG im Interesse des schutzbedürftigen Personenkreises der Heimbewohner Geltung verschafft wird, grundsätzlich statthaft und
im konkreten Fall auch verhältnismäßig. Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, dass die Heimaufsicht bei unwirksamen Entgelterhöhungen
zugunsten der Heimbewohner eingreifen kann (vgl. BT-Drs. 14/6366, S. 33). Die hier ergangene Verfügung ermöglicht es der Klägerin,
die beabsichtigte Entgelterhöhung unter Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen ohne wesentliche Verzögerung zu realisieren.
Gleichzeitig wird dem Interesse der Heimbewohner Rechnung getragen, alsbald Klarheit über die Wirksamkeit der kurzfristig
erfolgten Entgelterhöhung zu erhalten. Die Maßnahme wurde erforderlich, nachdem die Klägerin trotz Beanstandungen der Beklagten
die gerügten Mängel nicht abgestellt hat. Sie ist auch hinreichend bestimmt. Die Feststellung der Unwirksamkeit der Entgelterhöhung
betrifft nur die bereits laufenden Verträge mit Heimbewohnern nach dem
Heimgesetz.
§ 7 Abs. 3
HeimG stellt gesetzliche Wirksamkeitsvoraussetzungen für das Erhöhungsverlangen auf (vgl. zur Vorgängerbestimmung in § 4c Abs. 3
HeimG a. F.: BGH, Urteil vom 22.06.1995 - III ZR 239/94 -, NJW 1995, 2923) und gilt für alle Bestandteile des Heimentgelts und für alle Heimbewohner, d. h. insbesondere auch für Versicherte bzw.
Leistungsempfänger der sozialen Pflegeversicherung und auch bei Erhöhungen im Zusammenhang mit Pflegesatzvereinbarungen. Dem
trägt die angefochtene Verfügung Rechnung, denn weder die allgemeine Information der Klägerin an die Heimbewohner vom 18.11.2002
über eine - nur erst - geplante Vergütungserhöhung zum 01.01.2003 und anstehende Pflegesatzverhandlungen mit den Kostenträgern,
noch das Informationsschreiben der Klägerin an die Heimbewohner vom 14.05.2003 genügen den Anforderungen des § 7 Abs. 3
HeimG, um ein Erhöhungsverlangen zum 01.06.2003 zu rechtfertigen. So lässt sich der Information vom 18.11.2002 nicht entnehmen,
ob und in welcher Höhe überhaupt Kostensteigerungen zu erwarten sind. Das Schreiben vom 14.05.2003 wiederum hält weder die
vierwöchige Ankündigungsfrist ein, noch genügt es den gesetzlichen Begründungserfordernissen, die sich am jeweiligen Heimvertrag
orientieren müssen.
Nach § 7 Abs. 3
HeimG in der ab 01.01.2002 gültigen Fassung vom 05.11.2001 (BGBl. I, 2970) wird die Erhöhung des Entgelts nur wirksam, wenn sie
vom Träger der Bewohnerin oder dem Bewohner gegenüber spätestens vier Wochen vor dem Zeitpunkt, an dem sie wirksam werden
soll, schriftlich geltend gemacht wurde und die Begründung anhand der Leistungsbeschreibung und der Entgeltbestandteile des
Heimvertrages unter Angabe des Umlagemaßstabs die Positionen beschreibt, für die sich nach Abschluss des Heimvertrages Kostensteigerungen
ergeben. Die Begründung muss die vorgesehenen Änderungen darstellen und sowohl die bisherigen Entgeltbestandteile als auch
die vorgesehenen neuen Entgeltbestandteile enthalten. § 5 Abs. 3 und 5 bis 9
HeimG gelten entsprechend. Die Bewohnerin oder der Bewohner sowie der Heimbeirat müssen Gelegenheit erhalten, die Angaben des Trägers
durch Einsichtnahme in die Kalkulationsunterlagen zu überprüfen. Bei Leistungsempfängern der Pflegeversicherung wird eine
Erhöhung des Entgelts nach § 7 Abs. 4 Satz 1
HeimG außerdem nur wirksam, soweit das erhöhte Entgelt den Regelungen der Pflegeversicherung entspricht. Nach § 7 Abs. 4 Satz 8
HeimG findet § 7 Abs. 3
HeimG ausdrücklich Anwendung, d. h. auch gegenüber Leistungsempfängern der Pflegeversicherung greifen seit dem 01.01.2002 bei der
Geltendmachung von Entgelterhöhungen nach dem insoweit eindeutigen Willen des Gesetzgebers - im Unterschied zur früheren Rechtslage
(§ 4e Abs. 2
HeimG a. F.; vgl. auch BT-Drs. 12/5262, S. 168) - die Ankündigungsfrist und das Begründungserfordernis. Die Bestimmungen des
SGB XI und des Heimgesetzes gelten in Fällen der Erhöhung des Heimentgelts nunmehr nebeneinander. Dementsprechend wurde im laufenden
Gesetzgebungsverfahren das "außerdem" in § 7 Abs. 4 Satz 1
HeimG eingefügt, das deutlich macht, dass bei Leistungsempfängern der Pflegeversicherung für eine Entgelterhöhung weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen
gelten (vgl. BT-Drs. 14/6366, S. 31; BT-Drs. 14/5399, S. 24; s. a. BGH, Urteil vom 03.02.2005, a.a.O.).
Mit der Bestimmung des § 7 Abs. 3
HeimG soll dem Heimbewohner die Möglichkeit gegeben werden, sich rechtzeitig auf das Erhöhungsverlangen einzustellen und dessen
Berechtigung zu überprüfen. Er soll vor willkürlichen und ungerechtfertigten Entgelterhöhungen geschützt und in die Lage versetzt
werden, als gleichberechtigter Partner durch Nachprüfung der Kalkulationsunterlagen des Heimträgers die Berechtigung des Erhöhungsverlangens
zu prüfen. Weiterhin soll ihm ermöglicht werden, sein Kündigungsrecht nach § 8 Abs. 2 Satz 2
HeimG zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Entgelterhöhung zu realisieren (vgl. zur Vorgängerbestimmung in § 4c Abs. 3 Satz 1
HeimG a. F. BT-Drs. 11/5120, S. 14 und BGH, Urteil vom 22.06.1995, a.a.O.; zu § 7 Abs. 3
HeimG n. F.: BT-Drs. 14/5399, S. 23 und 14/6366, S. 31; s. a. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.10.2005 - 2 LB 37/05 -, Juris >Rn. 31<). Diese Zielsetzungen werden auch gegenüber Leistungsempfängern der Pflegeversicherung nicht bereits dadurch
entbehrlich, dass die Interessen der Pflegebedürftigen bei der Festlegung des Pflegesatzes von den Pflegekassen treuhänderisch
mit wahrgenommen werden (vgl. m.w.N. BSG, Urteil vom 14.12.2000 - B 3 P 19/00 R - BSGE 87, 199). § 7 Abs. 3
HeimG läuft im Zusammenhang mit Pflegesatzvorgaben nicht leer, sondern erfüllt einen eigenständigen Regelungszweck, indem sichergestellt
wird, dass die Heimbewohner rechtzeitig "auf Augenhöhe" informiert werden.
Es besteht insoweit auch kein unauflösbarer Widerspruch zwischen § 7 Abs. 3
HeimG und §
85 Abs.
6 Satz 1
SGB XI (vgl. hierzu bereits VG Stuttgart, Beschluss vom 28.01.2004 - 10 K 4076/03 -, Juris; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 02.09.2004 - 6 S 468/04 - und vom 25.10.2004 - 6 S 467/04).
Nach §
85 Abs.
6 Satz 1
SGB XI in der ab 01.01.2002 gültigen Fassung vom 09.09.2001 (BGBl. I, 2320), die der bereits vorher gültigen Fassung aus dem Jahre
1996 entspricht, treten Pflegesatzvereinbarungen sowie Schiedsstellenentscheidungen nach §
85 Abs.
5 Satz 1 oder 2
SGB XI zu dem darin bestimmten Zeitpunkt in Kraft; sie sind für das Pflegeheim sowie für die in dem Heim versorgten Pflegebedürftigen
und deren Kostenträger unmittelbar verbindlich. Entsprechendes gilt für Unterkunft und Verpflegung nach §
87 Satz 3
SGB XI. Die Bestimmungen des § 7 Abs. 3 und 4
HeimG, die von einer einzelvertraglichen Umsetzung der Entgelterhöhung ausgehen, und des §
85 Abs.
6 Satz 1
SGB XI, der keinen Umsetzungsakt vorsieht, stehen damit in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander. Die anlässlich der Novellierung
des Jahres 2001 verfolgten Ziele einer Harmonisierung des Heimgesetzes und des Pflegeversicherungsrechts und der Verbesserung
der Transparenz von Heimverträgen (vgl. etwa BT-Drs. 14/5399, S. 1; 16; 21; 22; 23) haben sich in den hier streitgegenständlichen
Bestimmungen insoweit nicht niedergeschlagen. Indes handelt es sich nicht um einen unauflösbaren Normwiderspruch, der zur
Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen führen könnte (so die in den Akten befindliche gutachterliche Stellungnahme von Prof.
Dr. XXXXX vom Dezember 2002; so auch Kostorz, Harmonisierung von Pflegeversicherung und Heimrecht?, NZS 2003, 582 >585<). Auch ist die Bestimmung des §
85 Abs.
6 Satz 1
SGB XI weder eine die heimrechtlichen Vorgaben ausschließende lex specialis für pflegeversicherte Heimbewohner (so Richter, in:
Krahmer/Richter, LPK-
Heimgesetz, 2. Aufl. 2006, § 7 Rn. 20a f.), noch ist das
Heimgesetz - wie das Verwaltungsgericht formuliert - in einer Konstellation wie der vorliegenden "verzichtbar", vielmehr ist nach dem
Willen des Gesetzgebers zwischen den genannten Bestimmungen eine "praktische Konkordanz" herzustellen (s. hierzu auch §
11 Abs.
3 SGB XI).
Der Heimträger, der an den gem. §
85 Abs.
3 Satz 1
SGB XI für die Zukunft getroffenen Pflegesatzvereinbarungen unmittelbar beteiligt ist (§
85 Abs.
2 SGB XI), hat in eigener Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass er die (alle) Heimbewohner rechtzeitig, d. h. spätestens vier
Wochen vor Wirksamwerden der Entgelterhöhung schriftlich informiert. Die unmittelbare Wirksamkeit der Entgelterhöhung für
die pflegeversicherten Heimbewohner nach §
85 Abs.
6 Satz 1
SGB XI steht damit unter dem zusätzlichen Erfordernis, dass auch den Anforderungen des § 7 Abs. 3
HeimG Genüge getan wird (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1
HeimG). Dieses Regelungsgefüge mag gesetzessystematisch wenig befriedigend und in der bisher geübten Praxis nicht immer berücksichtigt
worden sein, entspricht aber dem gesetzlichen Regelungswillen und trägt letztlich auch den Gleichbehandlungsgeboten bzw. Differenzierungsverboten
des Heimgesetzes und des
SGB XI Rechnung. Trotz der Besonderheiten des Pflegesatzverfahrens ist es für den Heimträger nach der vom Senat geteilten Einschätzung
des Gesetzgebers weder unmöglich noch unzumutbar, daneben auch die Erfordernisse des § 7 Abs. 3
HeimG zu beachten. Dem hat auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nichts entgegenzusetzen vermocht. Nicht herangezogen
werden kann in diesem Zusammenhang das im Verfahren mehrfach angeführte Urteil des Bundessozialgerichts vom 14.12.2000 (a.a.O.),
das Besonderheiten des Schiedsstellenverfahrens betrifft und vor diesem Hintergrund eine teleologisch einschränkende Auslegung
des Rückwirkungsverbots des §
85 Abs.
6 Satz 2
SGB XI vornimmt. Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.
Soweit die Klägerin ausführt, dass die Verweisung des § 7 Abs. 4 Satz 8
HeimG allein auf § 7 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 5 Abs. 5
HeimG zu beziehen sei, kann dem nach dem eindeutig formulierten Willen des Gesetzgebers nicht gefolgt werden. Insbesondere ist
§ 5 Abs. 5 Satz 2
HeimG entgegen den Ausführungen der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung keine allgemeine "Transformationsbestimmung" für
das Inkrafttreten von Pflegesätzen, sondern regelt Vertragsanpassungspflichten im Einzelfall.
Tritt die Entgelterhöhung zu einem späteren Zeitpunkt als angekündigt in Kraft, belastet dies die Bewohner jedenfalls dann
nicht, solange ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Ankündigung und Inkrafttreten der Erhöhung noch erkennbar ist. § 7 Abs. 3 Satz 2
HeimG spricht im Hinblick auf das Begründungserfordernis ausdrücklich von den "vorgesehenen" Änderungen, d. h. der Heimbewohner
muss nur über Art und Höhe der voraussichtlichen Entgelterhöhung informiert werden. Das Begründungserfordernis muss zudem
im Zusammenhang mit den pauschalisierenden Pflegesatzverhandlungen und den nicht weiter aufgeschlüsselten Pflegesätzen, auch
vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der in Verträgen mit Leistungsempfängern der Pflegeversicherung
(§ 5 Abs. 5
HeimG) die allgemeine Vorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 3
HeimG nicht gilt (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2005 a.a.O.), systemkonform ausgelegt werden. Dementsprechend verweist § 7 Abs. 3 Satz 3
HeimG ausdrücklich auf § 5 Abs. 3 und 5 bis 9
HeimG. Die Begründungspflicht geht damit nicht weiter als der nach den gesetzlichen Vorgaben erforderliche Inhalt des jeweiligen
Heimvertrages, doch muss sich die Begründung nach der Zielsetzung des Heimgesetzes am jeweiligen Heimvertrag orientieren und
über die bloße Bezugnahme auf eine Pflegesatzvereinbarung hinausgehen. Ausgangspunkt der Erläuterung ist nach § 7 Abs. 3 Satz 1
HeimG die - jeweilige - vertragliche Leistungs- und Entgeltbeschreibung. Auf dieser Basis sind die vorgesehenen Änderungen darzustellen;
es ist eine Gegenüberstellung der bisherigen und der neuen Entgeltbestandteile vorzunehmen. Die Begründung muss aus sich heraus
hinreichend aussagekräftig sein.
An einer solchen Begründung fehlt es vorliegend. Das von der Klägerin in Bezug genommene Informationsschreiben vom 18.11.2002
enthält keinerlei Hinweise zum Umfang der anstehenden Entgelterhöhung, die Mitteilung vom 14.05.2003 über die anstehende Entgeltanpassung
zum 01.06.2003 geht nicht über eine bloße Bezifferung der kraft Pflegesatzvereinbarung erhöhten Entgeltsätze hinaus. Eine
am jeweiligen Heimvertrag orientierte Begründung zur Veränderung der Berechnungsgrundlagen fehlt. Vor diesem Hintergrund begegnet
die angefochtene Verfügung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
154 Abs.
1 VwGO.
Die Revision war nach §
132 Abs.
2 Nr.
1 VwGO zur Klärung der Frage zuzulassen, ob und inwieweit § 7 Abs. 3
HeimG auch gegenüber Leistungsempfängern der Pflegeversicherung Anwendung findet.