Sozialhilferecht: Rückzahlung von Darlehen mit Leistungsbescheid, Aufrechnung mit Amtshaftungsanspruch
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Rückforderungsbescheid (Leistungsbescheid) der Beklagten, mit dem sie aufgefordert wird,
darlehensweise erhaltene Sozialhilfeleistungen "zu ersetzen".
Die 1970 geborene Klägerin stand bis Ende Oktober 1991 in einem Arbeitsverhältnis. Nach dessen Beendigung meldete sie sich
beim Arbeitsamt K. zum 25.11.1991 arbeitslos und beantragte am 27.11.1991 bei der Beklagten die Gewährung von Sozialhilfe.
Bei der persönlichen Vorsprache an diesem Tage erklärte die Klägerin, wie aus einem Aktenvermerk der Beklagten vom 05.12.1991
(AS. 51) hervorgeht, daß sie zum 01.01.1992 eine neue Arbeitsstelle in Aussicht habe. Nach dem Inhalt des genannten Aktenvermerks
wurde die Klägerin darauf hingewiesen, daß sie als vorrangige Leistung beim Arbeitsamt Überbrückungsgeld beantragen müsse.
Aus einem von der Klägerin bei dieser Gelegenheit vorgelegten Bescheid des Arbeitsamts K. (AS. 35) ergibt sich, daß das Arbeitsamt
über den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Arbeitslosengeld nicht entscheiden konnte, da noch Unterlagen fehlten. Darauf
machte die Beklagte gegenüber dem Arbeitsamt mit Schreiben vom 02.12.1991 einen Erstattungsanspruch gemäß § 104 SGB X geltend und gewährte der Klägerin mit Bescheid vom gleichen Tage ab Dezember 1991 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt mit
dem Hinweis, die Hilfe werde gemäß § 15b BSHG als Darlehen gewährt; darüber ergehe noch besonderer Bescheid.
Dieser mit Rechtsmittelbelehrung versehene Bescheid erging mit Datum vom 06.12.1991 (AS. 53); den Empfang des Bescheids und
die zustimmende Kenntnisnahme von der darlehensweisen Hilfezahlung bestätigte die Klägerin am selben Tag durch ihre Unterschrift.
In dem Bescheid ist ausgeführt, die Hilfe sei voraussichtlich nur für kurze Zeit erforderlich; sie werde deshalb nach § 15b BSHG darlehensweise gewährt. Zu den laufenden Leistungen im Sinne des § 15b BSHG gehörten auch die während des Hilfebezugs gleichzeitig gewährten einmaligen Hilfen, z.B. für Bekleidung, Heizung und dergleichen.
Das Darlehen sei nach Ablauf von zwei Monaten nach Beendigung der Hilfe in Höhe des Gesamtbetrags zur Rückzahlung fällig.
Ersatzleistungen Dritter (Arbeitsamt, AOK usw.) würden angerechnet. Die Klägerin wurde ferner darauf aufmerksam gemacht, daß
sie verpflichtet sei, sich regelmäßig beim Arbeitsamt zur Arbeitsvermittlung zu melden.
Am 02.01.1992 trat die Klägerin ihre neue Arbeitsstelle an und erhielt mit Bescheid vom 08.01.1992 letztmals Sozialhilfe.
In einem Aktenvermerk der Beklagten vom 08.01.1992 (AS. 58) ist festgehalten, die Klägerin könne vom Arbeitsamt kein Überbrückungsgeld
erhalten, da die neue Arbeitsstelle nicht durch das Arbeitsamt vermittelt worden sei; der Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld
sei inzwischen aber "vollständig abgegeben".
Mit Schreiben vom 21.02.1992 (AS. 69) teilte das Arbeitsamt der Beklagten mit, deren Erstattungsanspruch könne nicht berücksichtigt
werden, da ein Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld nicht vorliege.
Darauf forderte die Beklagte mit Schreiben vom 31.03.1992 die erhaltenen Sozialhilfeleistungen in der Gesamthöhe von 1.992,--
DM von der Klägerin zurück und erließ, nachdem die Klägerin sich gegen das Rückforderungsverlangen gewehrt hatte, am 22.04.1992
einen entsprechenden Leistungsbescheid.
Den am 25.05.1992 eingegangenen Widerspruch der Klägerin, mit dem diese geltend machte, die Beklagte habe es unterlassen,
sie darauf hinzuweisen, daß es bei selbstgesuchter Arbeit keine Unterstützung gebe, und habe sich deshalb schadensersatzpflichtig
gemacht, wies das Landratsamt K. mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.1993 zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, Rechtsgrundlage
für den Leistungsbescheid vom 22.04.1992 sei der Darlehensbescheid vom 06.12.1991; dieser sei bestandskräftig. Fälligkeit
des Darlehens sei mit dem Leistungsbescheid eingetreten.
Gegen den am 17.08.1993 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 08.09.1993 beim Verwaltungsgericht Freiburg
Klage erhoben mit dem Antrag, die angefochtenen Bescheide aufzuheben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie sei beim Sozialamt
der Beklagten grob fahrlässig falsch beraten worden, weshalb ihr der sozialhilferechtliche Herstellungsanspruch zur Seite
stehe. Hilfsweise rechne sie mit einem Schadensersatzanspruch auf, gestützt auf die Rechtsinstitute der Amtshaftung und des
enteignungsgleichen Eingriffs. Für die Prüfung dieses Schadensersatzanspruchs seien die Verwaltungsgerichte auch zuständig.
Jedenfalls aber sei die Schadensersatzforderung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (dolo agit qui petit quod statim
redditurus est) mittelbar zu prüfen. Die Rückforderung dürfe ferner nicht durch Leistungsbescheid, sondern müsse durch Leistungsklage
geltend gemacht werden. Da dies nicht geschehen sei, seien die angefochtenen Bescheide nichtig. Da die Behörde (zwischen Erstbescheid
und Widerspruchsbescheid) 1 1/2 Jahre nichts von sich habe hören lassen, sei auch der Tatbestand der Verwirkung erfüllt. Schließlich
enthalte der Widerspruchsbescheid keine Zweckmäßigkeitserwägungen und sei daher rechtswidrig. Im übrigen solle das Gericht
auch einmal den Mut haben, contra legem zu judizieren.
Mit Bescheid vom 01.10.1993 hat die Beklagte den Rückforderungsbetrag auf 1.750,-- DM ermäßigt; die Beteiligten haben insoweit
den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.08.1995 hat das Verwaltungsgericht entsprechend dem Antrag der Beklagten die Klage abgewiesen
und zur Begründung ausgeführt, Rechtsgrund für das Zahlungsverlangen sei § 15b BSHG in Verbindung mit den Bescheiden der Beklagten vom 02. und vom 06.12.1991. Da diese Bescheide bestandskräftig seien, stehe
die Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin damit fest. Die Beklagte sei auch berechtigt gewesen, das Rückzahlungsverlangen
durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Ob das Arbeitsamt Leistungen an die Klägerin zu Unrecht versagt hat, könne die Beklagte
nicht beantworten. Dementsprechend seien die Ausführungen der Klägerin zur Höhe eines etwaigen Anspruchs gegen die Arbeitsverwaltung
und zum sozialhilferechtlichen Herstellungsanspruch ohne Bedeutung. Die von der Klägerin behaupteten Versäumnisse der Beklagten
ließen sich nicht feststellen. Auch von Verwirkung könne keine Rede sein.
Gegen den ihr am 16.08.1995 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11.09.1995 Berufung eingelegt, zu deren Begründung
sie unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens noch geltend macht, der "unsinnigen" und "katastrophalen" Vorschrift des
§ 15b BSHG sei "ein willkürlicher Verstoß gegen Art.
3 GG immanent". Es erscheine eine Vorlage gemäß Art.
100 GG indiziert. Einmalige Leistungen, wie sie sie erhalten habe, könnten nicht in die Regelung des § 15b BSHG einbezogen werden. Sie sei auf absehbare Zeit auch nicht in der Lage, das Darlehen zurückzuzahlen, da sie zum damaligen Zeitpunkt
über 10.000,-- DM Schulden gehabt habe, worauf sie die Sachbearbeiterin auch hingewiesen habe. Bei einer solchen Sachlage
hätte das Darlehen überhaupt nicht gewährt werden dürfen. Die Anwendung von § 15b BSHG durch das Sozialamt sei daher willkürlich, der Bescheid nichtig.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 08.08.1995 zu ändern und die Bescheide der Beklagten vom 22.04.1992
und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts K. vom 05.08.1993 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Dem Senat liegen die zur Sache gehörenden Akten der Beklagten und des Landratsamts K. vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Leistungsbescheid
der Beklagten vom 22.04.1992 (i.V.m. dem Ermäßigungsbescheid vom 01.10.1993) und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts
K. vom 05.08.1993 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§
113 Abs.
1 S. 1
VwGO).
Rechtsgrundlage des Leistungsbescheids ist der Bescheid der Beklagten vom 06.12.1991. Dieser, ohne jeden Zweifel ein Verwaltungsakt,
regelt, daß die Sozialhilfe der Klägerin gemäß § 15b BSHG nur darlehensweise gewährt werde, weil sie voraussichtlich nur für kurze Zeit erforderlich sei, und daß das Darlehen nach
Ablauf von zwei Monaten nach Beendigung der Hilfe fällig werde. Diesen mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenen
Bescheid, dessen Empfang sie am 06.12.1991 mit ihrer Unterschrift bestätigt hat, hat die Klägerin nicht mit dem Widerspruch
angefochten. Der Bescheid ist mithin bestandskräftig.
Daß dieser Bescheid deshalb keinen Bestand haben könnte, weil er, wie die Klägerin meint, nichtig wäre, kann nicht angenommen
werden. Die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 SGB X sind offensichtlich nicht einmal ansatzweise gegeben. Dies, insbesondere, daß die angeblichen Schulden der Klägerin nicht
zur Nichtigkeit des Bescheids vom 06.12.1991 (Berufungsbegründung S. 2/3) führen können, bedarf keiner weiteren Begründung.
Wegen der Bestandskraft des Bescheids vom 06.12.1991 kommt es auch nicht mehr darauf an, ob er auf § 15b BSHG gestützt werden konnte oder ob, wie die Klägerin meint, diese Vorschrift verfassungswidrig wäre. Deshalb kommt auch eine
von der Klägerin angeregte Vorlage nach Art.
100 Abs.
1 GG nicht in Betracht. Abgesehen davon ist für den Senat aber auch nicht erkennbar, inwiefern § 15b BSHG gegen Art.
3 GG verstoßen sollte. Tatsächlich wird derartiges, außer im Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 06.09.1995,
auch sonst nirgends behauptet.
Unerheblich ist ferner, daß die Klägerin "zum damaligen Zeitpunkt" Schulden "von über 10.000,-- DM" hatte und angeblich damals
nicht in der Lage war und heute nicht in der Lage ist, das Darlehen zurückzuzahlen (so daß "ein Darlehen nicht" hätte "gewährt
werden" dürfen, S. 2 der Berufungsbegründung). Da Bestandskraft eingetreten ist, kann die Klägerin damit nicht mehr gehört
werden, ganz abgesehen davon, daß darlehensweise Hilfegewährung nicht schon deshalb ausgeschlossen wäre, weil der Hilfeempfänger
einstweilen tatsächlich nicht zur Rückzahlung des Darlehens in der Lage ist (vgl. Beschluß d. Senats v. 18.07.1990 - 6 S 1054/90 -). Im übrigen lassen sich den Akten auch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß Schulden in der geltend gemachten Höhe
tatsächlich bestanden und "die zuständige Sachbearbeiterin dies ganz genau wußte". Die vorgelegten Kontoauszüge weisen zum
11.11.1991 ein Minus von lediglich 2.755,-- DM aus.
Unerheblich ist schließlich, ob die darlehensweise Gewährung der Sozialhilfe allein durch Verwaltungsakt rechtmäßig war, oder
ob ein Darlehensvertrag hätte abgeschlossen werden müssen, was auch dann noch nötig sein kann, wenn, wie hier, die Hilfe dem
Grunde nach schon durch Verwaltungsakt bewilligt worden ist. Denn infolge der Bestandskraft des Bescheids vom 06.12.1991 steht
zwischen den Beteiligten fest, daß die Hilfe auch ohne zusätzlichen Vertrag als Darlehen gewährt werden durfte. Damit wird
gleichzeitig auch die Rückzahlungsverpflichtung, die ihren Rechtsgrund im entsprechend anwendbaren §
607 BGB hat, und die Fälligkeit des Darlehens (§
609 BGB) durch Verwaltungsakt, also durch eine einseitige hoheitliche Regelung konkretisiert. In einem solchen Fall bestehen keine
Bedenken dagegen, daß die Beklagte die Rückzahlungspflicht der Klägerin ebenfalls durch eine hoheitliche Maßnahme, nämlich
durch Leistungsbescheid geltend gemacht hat und nicht im Wege der Leistungsklage vorgegangen ist, wie dies notwendig gewesen
wäre, wenn ein (öffentlich-rechtlicher) Darlehensvertrag bestanden hätte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urt. v.
24.08.1988 - 6 S 1798/88 - sowie Beschluß v. 07.12.1994 - 6 S 2430/94 -).
Der angefochtene Leistungsbescheid kann auch der Höhe nach nicht beanstandet werden. Entgegen der Ansicht der Klägerin begegnet
es keinen Bedenken, daß die Beklagte den am 18.12.1991 (AS. 61) ausgezahlten Betrag von 270,-- DM ebenfalls nur darlehensweise
gewährt hat. Bei diesem Betrag handelte es sich um einmalige Leistungen, nämlich um 150,-- DM Bekleidungshilfe und um 120,--
DM Weihnachtsbeihilfe. Zwar könnte der Wortlaut des § 15b BSHG darauf hindeuten, daß solche Leistungen möglicherweise nicht auf der Grundlage jener Vorschrift als Darlehen gewährt werden
können. Doch wäre damit deren darlehensweise Gewährung nicht generell ausgeschlossen. Das ergibt sich schon aus § 4 Abs. 2 BSHG. Auch aus den in einzelnen Vorschriften des BSHG getroffenen Darlehensregelungen (§ 15 a, § 15 b, § 27 Abs. 2 S. 2, § 30 Abs. 3, § 89) kann nicht geschlossen werden, daß in anderen Fällen eine darlehensweise Hilfegewährung unzulässig
wäre (vgl. BVerwG, Beschluß v. 12.04.1989, Buchholz 436.0 § 26 BSHG Nr. 4). Tatsächlich ist kein Grund ersichtlich, bei hier gegebener vorübergehender Notlage ("kurze Dauer" in § 15b BSHG deckt einen Zeitraum von bis zu 6 Monaten ab, vgl. Urt. d. Senats v. 22.01.1992 - 6 S 3004/90 -, FEVS 42, 248 = VBlBW 1992, 269 sowie Beschluß v. 06.03.1995 - 6 S 271/95 -), auch einmalige Leistungen nur als Darlehen zu gewähren. Dafür spricht auch § 21 Abs. 2 S. 2 BSHG, auf den die Beklagte zu Recht hinweist.
Der sie danach treffenden Rückzahlungsverpflichtung kann die Klägerin keine eigenen Ansprüche gegen die Beklagte entgegensetzen,
mit denen sie aufrechnen könnte. Unbestritten ist, daß das Rechtsinstitut der Aufrechnung auch im öffentlichen Recht Anwendung
findet und daß der Zulässigkeit der Aufrechnung nicht entgegensteht, wenn gegen einen öffentlich-rechtlichen Anspruch mit
Gegenforderungen aufgerechnet wird, für die der Rechtsweg zu den Zivilgerichten gegeben ist, wobei nach bisheriger Rechtslage
deren Geltendmachung im Verwaltungsgerichtsprozeß allerdings nur dann möglich war, wenn die Gegenforderung rechtskräftig oder
bestandskräftig festgestellt oder unbestritten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.02.1987, BVerwGE 77, 19, 21 ff.). Ob und in welchem Umfang §
17 Abs.
2 GVG in der am 01.01.1991 in Kraft getretenen Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung der
Verwaltungsgerichtsordnung vom 17.12.1990 (BGBl., 2809) abweichend von der bisherigen Rechtslage den Verwaltungsgerichten die Entscheidung über das
Bestehen oder Nichtbestehen eines zur Aufrechnung gestellten rechtswegfremden Gegenforderung nunmehr einschränkungslos gestattet,
hat das Bundesverwaltungsgericht bisher offengelassen (vgl. Urt. v. 19.05.1994, BVerwGE 96, 71, 73). Der Hessische Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, durch §
17 Abs.
2 GVG n.F. werde, abgesehen von den in §
17 Abs.
2 S. 2
GVG in Verbindung mit Art.
14 Abs.
3 S. 4 und Art.
34 S. 3
GG erfaßten Forderungen, die Entscheidungskompetenz des Gerichts des zulässigen Rechtswegs über eine zur Aufrechnung gestellte
rechtswegfremde Gegenforderung begründet (Beschluß v. 28.01.1994, DVBl. 1994, 806 = NJW 1995, 1107). Der Senat entscheidet diese Frage ebenfalls nicht.
Ob der von der Klägerin zur Aufrechnung gestellte Herstellungsanspruch auch im Sozialhilferecht Geltung beanspruchen kann
(verneinend OVG Koblenz, Urt. v. 21.02.1985, NVwZ 1985, 509; für das allgemeine Verwaltungsrecht verneinend BVerwG, Urt. v. 24.03.1988, BVerwGE 79, 192, 194, und Beschluß v. 16.06.1986, Buchholz 310 §
113 VwGO Nr. 160), kann offenbleiben. Jedenfalls wäre für dessen Geltendmachung zwar der Verwaltungsrechtsweg gegeben, doch steht
ein solcher Anspruch der Klägerin aber offensichtlich nicht zu. Die vom Bundessozialgericht entwickelte Rechtsfigur des Herstellungsanspruchs
setzt pflichtwidriges Handeln des Sozialhilfeträgers, nämlich eine rechtswidrige Verletzung der Informationspflicht und Beratungspflicht
und einen dadurch beim Sozialhilfeempfänger verursachten Schaden voraus (vgl. Möhle, ZfSH/SGB 1990, 522 ff., Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 14. Aufl., 1993, § 8 RdNr. 46). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Zweifelhaft ist schon, ob das Sozialamt der Beklagten überhaupt eine
Informationspflicht und Beratungspflicht über die für den Fall der Arbeitslosigkeit eines Hilfesuchenden bestehenden Rechte
trifft. Denn schon nach Aktenlage ist eindeutig, daß die Klägerin der entsprechenden Beratung nicht bedurfte. Aus der von
der Klägerin vorgelegten Bescheinigung des Arbeitsamts vom 27.11.1991 geht hervor, daß sie dort vorgesprochen hatte, daß ihr
Antrag aber wegen fehlender Unterlagen nicht angenommen worden ist. Die Klägerin wußte also, was zu tun war. Außerdem wurde
sie bei ihrer Rücksprache am 27.11.1991 von der Sachbearbeiterin des Sozialamts der Beklagten darauf hingewiesen, daß sie
vor Beginn des in Aussicht stehenden neuen Arbeitsverhältnisses als vorrangige Leistung beim Arbeitsamt Überbrückungsgeld
beantragen müsse (AS. 51). Die Klägerin hat sich dann aber offensichtlich um diese Dinge nicht mehr gekümmert. Irgendein Fehlverhalten
der Beklagten ist bei dieser Sachlage nicht zu erkennen.
Für den von der Klägerin auch zur Aufrechnung gestellten Amtshaftungsanspruch dürfte es auch nach §
17 Abs.
2 GVG n.F. beim Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten bleiben (§
17 Abs.
2 S. 2
GVG u. Art.
34 S. 3
GG). Das hätte grundsätzlich zur Folge, daß die Klage in entsprechender Anwendung des §
302 ZPO lediglich unter dem Vorbehalt abgewiesen werden könnte, daß die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht besteht und
daß außerdem der Klägerin entsprechend §
94 VwGO eine Frist für die Erhebung einer Amtshaftungsklage zu setzen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.02.1987 a.a.O.).
Diese Verfahrensweise ist aber ausnahmsweise dann nicht erforderlich, wenn der zur Aufrechnung gestellte Amtshaftungsanspruch
offensichtlich nicht besteht. Für die Fortsetzungsfeststellungsklage ist allgemein anerkannt, daß das auf einen behaupteten
Amtshaftungsanspruch gestützte berechtigte Interesse im Sinne des §
113 Abs.
1 S. 4
VwGO verneint werden kann, wenn eine Amtshaftungsklage offensichtlich aussichtslos ist. Dieser Rechtsgedanke läßt sich auch auf
den Fall der Aufrechnung mit einem offensichtlich nicht bestehenden Amtshaftungsanspruch übertragen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.12.1989, NVwZ 1990, 684). So liegen, wie oben ausgeführt, die Dinge hier.
Schließlich greift auch die Einwendung der Klägerin, die Beklagte habe den Rückzahlungsanspruch verwirkt, nicht durch. Verwirkung
tritt nicht schon durch bloßen Zeitablauf ein, wobei die hier zwischen Einlegung des Widerspruchs (25.05.1992) und Erlaß des
Widerspruchsbescheids (05.08.1993) abgelaufenen 14 Monate und 10 Tage schon gar nicht genügen (vgl. dazu Urt. d. Senats v.
13.09.1995 - 6 S 1611/93 -). Es muß vielmehr hinzukommen, daß Tatsachen und Umstände vorhanden sind, die die Annahme des Verpflichteten (der Klägerin)
rechtfertigen, der Berechtigte (die Beklagte) werde von seinem Recht keinen Gebrauch mehr machen. Daran fehlt es offenkundig.
Die Behörde hat in der Zwischenzeit lediglich geschwiegen. Daraus kann die Klägerin nichts zu ihren Gunsten herleiten.