Sozialhilferecht: Übernahme freiwilliger Krankenversicherungsbeiträge, Einkommensberechnung bei eheähnlicher Gemeinschaft
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Übernahme eines Monatsbeitrags zur freiwilligen Krankenversicherung.
Die 1958 geborene Klägerin ist Mutter dreier Kinder. Die 1985 geborenen Zwillinge x und x sind Kinder aus einer früheren Verbindung
der Klägerin. 1991 wurde der Sohn x geboren. Dessen Vater ist Herr x x, der zum damaligen Zeitpunkt noch in P. wohnhaft war.
Bis zum 31.08.1992 bezog die Klägerin mit ihren drei Kindern Hilfe zum Lebensunterhalt. Am 01.09.1992 zog die Klägerin zusammen
mit Herrn x in eine Wohnung in K. Vom 01.09.1992 bis 28.02.1993 wurde die Hilfe zum Lebensunterhalt nur noch den beiden älteren
Kindern x und x, nicht mehr jedoch der Klägerin und dem gemeinsamen Kind x gewährt. Die Klägerin war spätestens ab November
1992 freiwillig in der DAK krankenversichert und zahlte hierfür einen monatlichen Beitrag von 149,-- DM.
Mit am 13.11.1992 beim Landratsamt Esslingen eingegangenem und von dort zuständigkeitshalber an die Beklagte am 15.01.1993
weitergeleitetem Schreiben beantragte die Klägerin die Übernahme ihrer Krankenkassenbeiträge. Aufgrund einer Aushilfstätigkeit
erzielte die Klägerin ab Januar 1993 ein eigenes Einkommen. Seither beschränkte sich ihr Begehren auf die Monate November
und Dezember 1992.
Ihr Partner, Herr x x, war zu diesem Zeitpunkt bei der AOK E. freiwillig krankenversichert; der Beitrag belief sich für 1992
auf 571,20 DM monatlich. Für sich und ihren Partner gab die Klägerin für Dezember 1992 Einnahmen in Höhe von 4.534,15 DM und
Ausgaben von 2.866,78 DM an.
Mit Bescheid vom 08.09.1993 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus: Nach der Sozialhilfeberechnung
ergebe sich ein monatlicher Bedarf von 2.412,44 DM. Dem stehe als Einkommen ein monatlicher Betrag von 3.629,86 DM gegenüber,
so daß ein Einkommensüberschuß von 1.217,42 DM vorliege. Dabei sei der Krankenkassenbeitrag bereits berücksichtigt worden.
Im Rahmen der Ermessensentscheidung sei es mit dem Zweck des § 122 BSHG vereinbar, dem Partner der Klägerin bei diesen Einkommensverhältnissen die Mehrbelastung des Krankenversicherungsbeitrages
zuzumuten. Zudem sei der Antrag erst am 13.11.1992 beim Landratsamt Esslingen eingegangen. Da aber die Beiträge zum Ersten
eines jeden Monats eingezogen würden und der Betrag daher bei der Antragstellung bereits bezahlt gewesen sei, habe für den
Monat November 1992 kein Bedarf mehr bestanden. Auch der Beitrag für Dezember 1992 sei inzwischen bezahlt worden und begründe
ebenfalls keinen Bedarf mehr.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 14.09.1993 Widerspruch ein. Zur Begründung gab sie an: Der Bescheid stelle eine
Benachteiligung der eheähnlichen Gemeinschaft gegenüber Ehegatten dar, weil letztere gemeinsam versichert werden könnten,
was in einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht möglich sei. Ihr Partner würde für die Krankenversicherungsbeiträge doppelt herangezogen
werden, nämlich für die eigenen in der AOK, für ihre in der DAK. Zu berücksichtigen sei außerdem, daß in ihrer freiwilligen
Versicherung ihre Kinder x und x mitversichert worden seien, so daß dem Sozialhilfeträger insoweit zweimal 149,-- DM erspart
geblieben seien. Des weiteren sei in ihrem Fall die Hilfe nur für kurze Dauer zu gewähren gewesen, weshalb eine Übernahmepflicht
nach § 13 Abs. 2 S. 1 2. Hs. BSHG bestehe. Auch § 5 BSHG stehe einer Übernahme nicht entgegen. Stichtag sei der 13.11.1992. Die Monatsbeiträge bei der DAK würden rückwirkend abgebucht,
normalerweise am Monatsletzten für den laufenden Monat. Schließlich sei die Bedarfs- und Einkommensberechnung fehlerhaft.
Die Klägerin legte außerdem ein Schreiben von Prof. Dr. x vom 29.09.1993 vor, in dem dieser Ausführungen zur Rechtslage gemacht
hatte.
Im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens kam es zur Trennung der Klägerin und ihres Partners.
Mit Bescheid vom 23.10.1995, der Klägerin zugestellt am 26.10.1995, wies das Landratsamt den Widerspruch der Klägerin gegen
den Bescheid vom 08.09.1993 als unbegründet zurück. Hierzu wurde ausgeführt: Der im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt maßgebliche
Bedarf für die Klägerin, deren Lebensgefährten und das gemeinsame Kind x in Höhe von 2.667,44 DM (einschließlich des Krankenkassenbeitrages
bei der DAK in Höhe von 149,-- DM und unter Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Erwerbstätigkeit in Höhe von 255,-- DM) sei
vom Einkommen der Klägerin und ihres Lebensgefährten selbst dann noch erheblich überschritten worden, wenn, wie von der Klägerin
angeführt, die Mietnebenkosten um 100,-- DM höher und das Kindergeld für x wegen der Berücksichtigung des Kindergeldvorteils
bei der Hilfe zum Lebensunterhalt für x und x niedriger anzusetzen seien. Wesentlich sei, daß hier vorrangig der Partner der
Klägerin die Beiträge zur DAK aus seinem Einkommen bestreiten könne. § 122 BSHG solle eine sozialhilferechtliche Besserstellung eheähnlicher Gemeinschaften verhindern, sie aber nicht davor bewahren, daß
der andere Partner Leistungen erbringen müsse, die ein Ehegatte wegen der Familienversicherung nicht zu erbringen habe. Die
Sozialhilfe sei nicht dafür gedacht, derartige Belastungen, die auf der Lebensentscheidung zur eheähnlichen Gemeinschaft beruhten,
auszugleichen.
Am 24.11.1995 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben.
Sie hat sinngemäß beantragt, die ergangenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Krankenkassenbeiträge
bei der DAK für die Monate November und Dezember 1992 in Höhe von jeweils 149,-- DM zu übernehmen.
Zur Begründung hat sie sich auf die Rechtsprechung des Senats berufen und im übrigen auf ihr Vorbringen Bezug genommen. Ergänzend
hat sie ausgeführt: Sie habe die Kostenübernahme beantragt, da sich ihr Partner geweigert habe, für die Krankenversicherungsbeiträge
bei der DAK aufzukommen. Auch sei bei der Berechnung nicht berücksichtigt worden, daß ihr Partner ihr Fernstudium, welches
sie und ihre drei Kinder heute ernähre, voll bezahlt habe.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
Sie hat sich zur Stützung ihres Rechtsstandpunktes auf Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Hamburg und Münster berufen.
Hilfsweise hat sie die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung beantragt.
Mit Urteil vom 26.01.1996 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Beklagte verpflichtet, die Krankenversicherungsbeiträge
bei der DAK für Dezember 1992 in Höhe von 149,-- DM zu übernehmen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung
wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Hinsichtlich des Monats
November 1992 fehle es an einem zum Zeitpunkt der behördlichen Kenntniserlangung noch bestehenden Bedarf. Denn am 13.11.1992,
dem Eingangsdatum des Antrages beim Landratsamt Esslingen, sei die Notlage bereits behoben gewesen. Aus den vorgelegten Kontoauszügen
sei ersichtlich, daß die Beiträge von der DAK bereits zu Beginn eines jeden Monats per Lastschrift eingezogen würden. Für
den Dezember 1992 sei dies durch einen Kontoauszug belegt; es sei weder vorgetragen noch sonst erkennbar, daß sich dies im
November 1992 anders verhalten haben könnte. Auch eine eventuelle Schuldenaufnahme zur Zahlung des Novemberbeitrages ändere
daran nichts, denn die Übernahme von Schulden sei regelmäßig nicht Aufgabe der Sozialhilfe. Hinsichtlich des Dezemberbeitrages
habe die Klage jedoch Erfolg. Insoweit werde auf den Beschluß des Senats vom 08.01.1987 - 6 S 3125/86 - verwiesen. Es bestehe keine Veranlassung, hiervon abzuweichen und der von der Beklagten herangezogenen Rechtsprechung zu
folgen.
Mit Schreiben vom 08.02.1996 erbat die Klägerin "Aufklärung", warum sich die im Urteil entschiedene Kostenübernahme nur auf
den Monat Dezember 1992 beziehe.
Gegen das ihr am 12.02.1996 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.03.1996 Berufung eingelegt. Zur Begründung stützt sie
sich auf die einschlägigen Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Hamburg und Münster und führt ergänzend aus: Nach dem
klaren Wortlaut des § 122 BSHG beinhalte dieser ein Besserstellungsverbot ausschließlich in sozialhilferechtlicher Hinsicht, nicht aber ein Gleichstellungsgebot
in allgemein finanzieller Hinsicht. Die Bestimmung ermächtige daher nicht zur Korrektur der gesetzgeberischen Entscheidung
in §
10 SGB V hinsichtlich der in der gesetzlichen Krankenversicherung mitversicherten Personen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26.01.1996 - 8 K 4873/95 - zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie gibt an, von August 1992 bis Anfang 1994 mit Herrn x in einer Haushaltsgemeinschaft gelebt zu haben. Im übrigen verweist
sie erneut auf die Rechtsausführungen von Prof. Dr. x.
Dem Senat haben neben den Akten des Verwaltungsgerichts die Behördenakten vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§
101 Abs.
2 VwGO).
Gegenstand der Berufung ist die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme des freiwilligen Krankenversicherungsbeitrags der
Klägerin für den Monat Dezember 1992. Dagegen ist die Übernahme des Beitrags für den Monat November 1992 nicht mehr im Streit,
nachdem das Verwaltungsgericht die Klage insoweit abgewiesen und die Klägerin hiergegen keine Berufung eingelegt hat. Soweit
die Klägerin mit dem am 12.02.1996 eingegangenen Schreiben vom 08.02.1996 das Verwaltungsgericht um "Aufklärung" hinsichtlich
der Klagabweisung für den Monat November 1992 gebeten hatte, ist darin keine Berufungseinlegung, sondern nur eine unverbindliche
Bitte um Erläuterung des ergangenen Urteils enthalten gewesen.
Mit dem vorstehenden Inhalt ist die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung zulässig und begründet, denn die Klägerin
wurde durch die Ablehnung der Übernahme des freiwilligen Krankenversicherungsbeitrages für Dezember 1992 nicht in ihren Rechten
verletzt (§
113 Abs.
5 S. 1
VwGO). Die dem entgegenstehende Rechtsauffassung hält der Senat nicht mehr aufrecht.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Übernahme des freiwilligen Krankenversicherungsbeitrages für Dezember
1992 ist § 13 Abs. 2 BSHG. Danach können in sonstigen (nicht von Abs. 1 der Vorschrift erfaßten) Fällen Beiträge für eine freiwillige Krankenversicherung
übernommen werden, wenn sie angemessen sind. Nach S. 2 der Vorschrift sind solche Kosten zur Aufrechterhaltung für eine freiwillige
Krankenversicherung zu übernehmen, wenn laufende Hilfe zum Lebensunterhalt voraussichtlich nur für kurze Dauer zu gewähren
ist.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme des freiwilligen Krankenversicherungsbeitrags für Dezember 1992. Allerdings
folgt dies nicht bereits aus der Vorschrift des § 5 BSHG, wonach die Sozialhilfe erst dann einsetzt, wenn dem Träger der Sozialhilfe die Voraussetzungen für die Gewährung bekannt
werden. Zwar ist der Beklagten als der zuständigen Trägerin der Sozialhilfe der Bedarf der Klägerin hinsichtlich des Krankenversicherungsbeitrages
für Dezember 1992 erst mit einem bei ihr am 15.01.1993, also nach Ablauf des Bedarfszeitraums eingegangenen Schreiben zur
Kenntnis gebracht worden. Daraus folgt jedoch nicht, daß § 5 BSHG den Klaganspruch ausschließt. Vielmehr kommt §
16 Abs.
2 S. 2
SGB I zur Anwendung, wonach in Fällen, in denen die Sozialleistung von einem Antrag abhängig ist, der Antrag als in dem Zeitpunkt
gestellt ist, in dem er bei dem unzuständigen Leistungsträger eingegangen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.05.1995, BVerwGE 98,
248 unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung). Bei der nur im weiteren Sinne (BVerwG, a.a.O.) antragsabhängigen Sozialhilfe
genügt für die Anwendbarkeit der Vorschrift, daß der Antrag als schon in dem Zeitpunkt bei der zuständigen Behörde gestellt
gilt, in welchem er bei der unzuständigen Behörde eingegangen ist. Für § 5 BSHG folgt daraus, daß der Hilfeempfänger zwar erst vom Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch den zuständigen Sozialhilfeträger
Hilfe verlangen kann. Doch bleibt ihm sein Sozialhilfeanspruch in dem Sinne ab Antragstellung erhalten, als die Sozialhilfe,
vom Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch den zuständigen Sozialhilfeträger aus gesehen, "rückwirkend" für die Zeit ab Antragstellung
bei der unzuständigen Stelle bewilligt werden kann (BVerwG a.a.O.) bzw. muß. Da aber vorliegend der Sozialhilfeantrag der
Klägerin bereits am 13.11.1992, also vor Ablauf des Monats Dezember 1992, für den die Übernahme des Krankenversicherungsbeitrages
beantragt wurde, beim Landratsamt Esslingen eingegangen war, bestehen danach unter dem Gesichtspunkt des § 5 BSHG keine Bedenken.
Ob die Klägerin allerdings ihren Antrag so rechtzeitig gestellt hatte, daß die Hilfe vom zuständigen Sozialhilfeträger rechtzeitig
gewährt werden konnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.1992, BVerwGE 90, 154), könnte zweifelhaft sein, braucht jedoch nicht entschieden zu werden, da der geltend gemachte Anspruch auf Übernahme des
Versicherungsbeitrags aus einem anderen Grund nicht besteht. Dieser Grund ist darin zu erblicken, daß die Klägerin im Dezember
1992 nicht sozialhilferechtlich im Sinne des § 11 Abs. 1 BSHG bedürftig gewesen war.
Voraussetzung für einen Anspruch nach § 13 Abs. 2 BSHG ist das Bestehen einer Bedarfslage nach § 11 Abs. 1 BSHG. Danach muß der Hilfesuchende seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln,
vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen können. Dabei werden bei nicht getrennt lebenden Verheirateten nach
§ 11 Abs. 1 S. 2 BSHG Einkommen und Vermögen beider Ehegatten im Rahmen einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt. Entsprechendes hat
aber nach dem Besserstellungsverbot des § 122 S. 1 BSHG, wonach Personen, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen und des Umfangs der Sozialhilfe
nicht besser gestellt werden dürfen als Ehegatten, für die Klägerin und den mit ihr seinerzeit in eheähnlicher Gemeinschaft
lebenden Partner zu gelten (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.5.1995, BVerwGE 98, 195/197; Beschluß des Senats v. 23.8.1978 - VI 1826/78 -, v. 13.12.1993 - 6 S 2480/93 - und vom 05.10.1995 - 6 S 2359/95; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 14. Aufl., § 122 RdNr. 8). In diesem Sinne ist § 122 S. 1 BSHG auf die Klägerin anwendbar.
Zunächst hatte die Klägerin im Dezember 1992 mit ihrem damaligen Partner in einer eheähnlichen Gemeinschaft gelebt. Eine solche
Gemeinschaft liegt vor, wenn sie als auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau über eine reine
Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht und sich - im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft - durch
innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen (vgl. BVerfG, Urt. v. 17.11.1992,
BVerfGE 87, 234/264f.; BVerwG, Urt. v. 17.05.1995, BVerwGE 98, 195 sowie Beschluß d. Senats v. 14.03.1995 - 6 S 37/95 -, 06.06.1995 - 6 S 1168/95 -, 05.10.1995 - 6 S 2359/95 -, vom 16.11.1995 - 6 S 3171/94 -, NJW 1996, 150). Abgesehen davon, daß die Klägerin zu keinem Zeitpunkt das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen ihr und Herrn
x x im maßgeblichen Zeitpunkt bestritten sondern vielmehr durchgehend in diesem Verfahren und zuletzt mit Schreiben vom 09.09.1996
gegenüber dem Berichterstatter ausdrücklich bejaht hat, liegen die Voraussetzungen für eine eheähnliche Gemeinschaft hier
auch vor. Die Klägerin und ihr Partner wohnten seit 01.09.1992 in einer Wohnung zusammen. Sie bestritten den täglichen Unterhalt
gemeinsam und aus den Einkommen beider Partner (vor allem aus dem wesentlich höheren des Herrn x). Ihre inneren Bindungen
fanden ihren Ausdruck in einem auf Dauer angelegten Zusammenleben und in der gemeinschaftlichen Erziehung des gemeinsamen
Kindes x sowie der älteren Zwillinge x und x. Schließlich hat der Partner der Klägerin dieser ein Fernstudium finanziert.
Insgesamt hat das Zusammenleben bis Anfang 1994 bestanden und damit die erforderliche Dauerhaftigkeit erlangt. Zumindest war
das Zusammenleben seinerzeit im fraglichen Zeitraum (Dezember 1992) auf Dauer angelegt gewesen, denn nach den zutagegetretenen
Umständen war eine nur vorübergehende Beziehung nicht beabsichtigt gewesen. Daß sich der Partner der Klägerin weigerte, die
streitgegenständlichen Krankenkassenbeiträge der Klägerin zu übernehmen, vermag diese Indizien für das Bestehen einer eheähnlichen
Gemeinschaft (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 265 und BVerwG a.a.O.) nicht zu entkräften. Zwar besteht eine eheähnliche Gemeinschaft
noch nicht oder nicht mehr, wenn der vermögende Partner nicht auch - über eine darlehensweise Überbrückungshilfe hinaus -
aufgrund innerer Bindungen wie selbstverständlich für den Lebensunterhalt auch des anderen Partners aufkommt (vgl. BVerwG
a.a.O.). Die Weigerung des Herrn x ist jedoch hier vor dem Hintergrund seines ansonsten ungeschmälerten Aufkommens für den
Lebensunterhalt der Klägerin zu sehen und nur im Hinblick auf die begehrte Kostenübernahme durch die Beklagte zu verstehen,
so daß hieraus auf ein Fehlen hinreichender innerer Bindungen nicht geschlossen werden kann.
Lag somit eine eheähnliche Gemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrem damaligen Partner im Dezember 1992 vor, so hatte dies
nach dem im § 122 S. 1 BSHG statuierten Besserstellungsverbot zur Folge, daß die Regelung des § 11 Abs. 1 S. 2 BSHG entsprechend zur Anwendung kommt, wonach auch das Einkommen des anderen Partners der eheähnlichen Gemeinschaft bei der Feststellung
der Bedarfslage mit zu berücksichtigen ist. Dies ergibt sich daraus, daß in eheähnlichen Gemeinschaften lebende Personen "hinsichtlich
der Voraussetzungen sowie des Umfangs der Sozialhilfe" nicht besser gestellt werden dürfen als Ehegatten. Da aber § 11 Abs. 1 S. 2 BSHG die Voraussetzungen für die Sozialhilfe regelt, kommt diese Vorschrift auf eheähnliche Gemeinschaften ebenfalls zur Anwendung.
Anderenfalls wären die in eheähnlichen Gemeinschaften lebenden Personen bessergestellt als Ehegatten. Während nämlich bezüglich
der Ehegatten in § 11 Abs. 1 S. 2 BSHG eine Bedarfsgemeinschaft statuiert ist, bei der Einkommen und Vermögen beider Ehegatten zu berücksichtigen sind, läge eine
Besserstellung der in eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Personen vor, wenn bezüglich dieser nicht auch eine Bedarfsgemeinschaft
im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 2 BSHG angenommen würde.
Die somit nach § 122 S. 1 BSHG vorgeschriebene Berücksichtigung des Einkommens des Partners der Klägerin erfährt aber auch nicht eine Ausnahme für den vorliegenden
Fall einer Übernahme der aufgewendeten Krankenversicherungsbeiträge. Zwar bestehen zwischen Ehegatten einerseits und den in
eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Personen andererseits in bezug auf den Krankenversicherungsschutz insofern erhebliche Unterschiede,
als der Ehegatte nach §
10 SGB V im Rahmen der Familienversicherung ohne weitere Beitragspflicht in den gesetzlichen Versicherungsschutz des anderen Ehegatten
mit einbezogen wird, während diese Regelung bei in eheähnlichen Gemeinschaften lebenden Personen nicht gilt. Daraus folgt
aber nicht, daß die Regelung des § 11 Abs. 1 S. 2 BSHG in Fällen vorliegender Art unanwendbar ist.
Allerdings hat der Senat in seinem Urteil vom 11.09.1985 - 6 S 1510/85 -, FEVS 35, 108/113 die Auffassung vertreten, daß der andere Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht solche Leistungen
erbringen müsse, die ein Ehegatte wegen des Familienversicherungsschutzes nicht zu leisten hätte. In einem solchen Fall stelle
die Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen jedenfalls dann keine Besserstellung des in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden
Hilfesuchenden dar, wenn der andere Teil Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sei und als solches bei bestehender
Ehe Anspruch auf Familienhilfe hätte. In seinem Beschluß vom 08.01.1987 - 6 S 3125/86 -, ZfF 1987, 87 hat der erkennende Senat für den Fall einer Krankenhilfe nach § 37 BSHG dargelegt: Eine Besserstellung gegenüber Ehegatten sei hier nicht gegeben, denn der Partner der Antragstellerin müsse sein
Einkommen auch dann, wenn er mit dieser verheiratet wäre, nur zur Finanzierung des auch dann gleichhohen Arbeitnehmeranteils
an den Versicherungsbeiträgen für krankheitsbedingte Aufwendungen der Antragstellerin einsetzen. Mehr als von einem Ehegatten
verlange aber das Gesetz von Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht.
An dieser Auffassung hält jedoch der Senat aus folgenden Gründen nicht mehr fest:
§ 122 S. 1 BSHG verbietet eine sozialhilferechtliche Besserstellung eheähnlicher Gemeinschaften im Verhältnis zur Ehe. Nicht dagegen beinhaltet
diese Bestimmung ein Gebot der Gleichstellung bzw. ein Verbot der Benachteiligung von Personen eheähnlicher Gemeinschaften
(vgl. OVG Schleswig, Beschluß v. 12.04.1995, FEVS 46, 213; Schellhorn/Jirasek/Seipp, § 122 RdNr. 7; a.A. LPK BSHG, 4. Aufl., § 122 RdNr. 14). § 122 S. 1 BSHG dient vor allem nicht dem Zweck, die aus den unterschiedlichen Krankenversicherungsregelungen für Ehegatten einerseits und
Partnern eheähnlicher Gemeinschaften andererseits folgenden Unterschiede mittels Sozialhilferechts auszugleichen. Sozialhilfe
hat nicht den Sinn, den Personen eheähnlicher Gemeinschaften das Risiko ihrer Lebensgemeinschaft und die aus ihrem insoweit
gefällten Lebensentschluß verbundenen Konsequenzen abzunehmen und sie den Ehegatten gleichzustellen (vgl. OVG Münster, Beschluß
v. 14.11.1991, FEVS 42, 160; OVG Hamburg, Beschluß v. 22.03.1990, FEVS 41, 21). Es würde im Gegenteil dem Sinn und Zweck des
§ 122 S. 1 BSHG widersprechen, wollte man die gesetzgeberische Entscheidung des §
10 SGB V mittels der Sozialhilfe korrigieren. Eine solche Auslegung würde dem § 122 BSHG einen vom Gesetzgeber gerade nicht gewollten Inhalt geben (vgl. OVG Schleswig a.a.O.). Sollte die Ungleichbehandlung von
Ehegatten einerseits und von Personen eheähnlicher Gemeinschaften andererseits bei der Familienversicherung nicht als sozial
befriedigend angesehen werden, wäre es nicht Sache der Sozialhilfe, sondern des Gesetzgebers, insoweit für eine rechtliche
Abhilfe zu sorgen (vgl. OVG Münster, a.a.O.; siehe auch Rundschreiben des Landkreistages Bad.-Württ., Nr. 293/192 v. 25.08.1992,
Ziff. 3.3).
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 17.11.1992, BVerfGE 87, 234/264f. Aus dieser Entscheidung folgt nicht etwa die verfassungsrechtliche Pflicht, Ehegatten
und in eheähnlicher Gemeinschaft lebende Personen gleich zu behandeln. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich
erklärt, daß angesichts der Unterschiede zwischen Ehegatten und Partnern eheähnlicher Lebensgemeinschaften es nicht von Verfassungs
wegen geboten ist, eine generelle Gleichstellung von eheähnlichen Gemeinschaften mit Ehegatten vorzunehmen (vgl. BVerfG, a.a.O.,
S. 264f.). Kern der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war, daß eine sich zu Lasten bestimmter Ehegatten auswirkende
Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 138 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 9 AFG auch Partner eheähnlicher Gemeinschaften deshalb erfaßt, weil diese aufgrund einer entsprechenden gesetzgeberischen Entscheidung
in § 137 Abs. 2a AFG den nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten gleichgestellt worden sind. Das Bundesverfassungsgericht hatte also nicht eine
solche Gleichstellung vorgeschrieben, sondern vielmehr diese als Teil einer bestehenden gesetzlichen Regelung seiner Entscheidung
zugrunde gelegt. Die zu § 138 AFG ergangene Entscheidung ist aber auf den vorliegenden Fall deshalb nicht übertragbar, weil im Gegensatz zu dieser Bestimmung
§ 122 S. 1 BSHG keine verfassungswidrige Regelung beinhaltet (vgl. BVerwG, Beschluß v. 14.08.1995, Buchholz 436.0 § 122 BSHG Nr. 6; vgl. auch BVerfG, a.a.O., S. 264f. zu § 137 Abs. 2a AFG). Unabhängig davon würde sich eine Verfassungswidrigkeit nur auf die Gültigkeit der Regelung des auf Ehegatten beschränkten
§
10 SGB V auswirken, nicht dagegen wäre es Aufgabe des Sozialhilferechts, eine solche Verfassungswidrigkeit in ihren Wirkungen auszugleichen.
Nach alledem folgt aus § 122 S. 1 BSHG im vorliegenden Fall nicht, daß der Klägerin ein Anspruch auf Übernahme des freiwilligen Krankenversicherungsbeitrages für
Dezember 1992 zusteht. Anderenfalls würde in unzulässiger Weise versucht werden, die aus der Regelung des §
10 SGB V für die Partner eheähnlicher Gemeinschaften folgenden Nachteile mittels der Sozialhilfe zu korrigieren, wofür aus den dargelegten
Gründen § 122 S. 1 BSHG aber gerade keine Handhabe bietet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Gewährung des Krankenversicherungsbeitrags den
damaligen Partner der Klägerin bessergestellt hätte oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr, ob der allgemeine bzw. abstrakte
Maßstab für die Sozialhilfegewährung eine Besserstellung für Partner eheähnlicher Gemeinschaften im Verhältnis zu Ehegatten
beinhaltet oder nicht. Dagegen kommt es nicht auf eine Gegenüberstellung der im konkreten Fall zu gewährenden Hilfeleistungen
an. Denn derartige Hilfeleistungen hängen von den unterschiedlichsten persönlichen und finanziellen Verhältnissen des Hilfebedürftigen
und der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ab; sie können demzufolge erheblich voneinander differieren,
ohne daß insoweit eine Pflicht zur Gleichbehandlung bestünde. Demgemäß besteht im vorliegenden Fall eine Pflicht zur Übernahme
des strittigen Krankenversicherungsbeitrages nicht aufgrund der Erwägung, daß hierdurch eine Gleichstellung von Ehegatten
und Personen eheähnlicher Gemeinschaften erreicht würde. Denn eine solche Pflicht zur Gleichbehandlung gebietet, wie oben
im einzelnen dargelegt wurde, § 122 S. 1 BSHG gerade nicht. Im übrigen müßte man, falls man doch die konkret zu gewährenden Hilfeleistungen einander gegenüberstellte,
dies lediglich hinsichtlich solcher Sachverhalte tun, die miteinander in tatsächlicher Hinsicht auch übereinstimmen. Täte
man aber dies, so müßte man den Fall, daß ein Ehegatte nicht den nach §
10 SGB V geregelten Familienversicherungsschutz des anderen Ehegatten erhielte (etwa weil dieser selbständig oder Beamter ist), mit
dem vorliegenden Fall vergleichen, in dem ein Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft keinen Versicherungsschutz des anderen
Partners erlangte. Bei einer solchen Gegenüberstellung würde aber das Besserstellungsverbot des § 122 S. 1 BSHG bei eheähnlichen Gemeinschaften gerade die Anwendbarkeit des § 11 Abs. 1 S. 2 BSHG gebieten, da diese Vorschrift unter den dargelegten Voraussetzungen auch in Fällen einer bestehenden Ehe zur Anwendung käme.
Kommt somit im vorliegenden Fall § 11 Abs. 1 S. 2 BSHG zur Anwendung, so sind Einkommen und Vermögen des damaligen Partners der Klägerin bei der Bedarfsberechnung mit zu berücksichtigen.
Danach aber lag bei der Klägerin für den Monat Dezember 1992 ein sozialhilferechtlicher Bedarf nicht vor. Von dem in diesem
Monat erzielten Einkommen der Klägerin und ihres damaligen Partners in Höhe von 3.629,86 DM (3.389,79 DM Nettoeinkommen P.
plus 172,33 DM Kindergeld und 67,74 DM Wohngeld) sind nach § 76 Abs. 2 BSHG in der im Dezember 1992 gültigen Fassung 31,89 DM für Lebensversicherung, 149,-- DM für Krankenversicherung, 28,84 DM für
Unfallversicherung sowie 255,-- DM für die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Angaben abzuziehen. Dies
ergibt einen Endbetrag von 3.165,13 DM, dem ein sozialhilferechtlicher Bedarf in Höhe von nur 2.667,44 DM (siehe AS. 14 unter
Berücksichtigung auch der Bleistifteintragungen) gegenübersteht. Ein sozialhilferechtlicher Bedarf war mithin für die Klägerin
im Dezember 1992 nicht gegeben, und zwar auch dann nicht, wenn die im Widerspruchsbescheid der Beklagten angesprochenen Punkte
hinsichtlich der Mietnebenkosten und des Kindergeldes zugunsten der Klägerin zu entscheiden wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
154 Abs.
1 u. 188 S. 2
VwGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
132 Abs.
2 VwGO nicht vorliegen.