Sozialhilferecht: Form der einmaliger Hilfen zum Lebensunterhalt, Beschaffung von Großgeräten
Gründe:
I.
Mit Bescheid vom 5.9.1995 bewilligte der Beklagte dem Kläger eine einmalige Beihilfe zum Lebensunterhalt zur Beschaffung eines
Kohleofens in Höhe von 500,-- DM. Die Beihilfe wurde in Form eines Gutscheins gewährt. Der hiergegen gerichtete Widerspruch
des Klägers vom 6.10.1995 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25.4.1996 zurückgewiesen. Die Gutscheingewährung sei nach pflichtgemäßem
Ermessen erfolgt, da der Verdacht bestanden habe, daß Sozialhilfemittel in der Vergangenheit mißbräuchlich eingesetzt worden
seien. Der Kläger habe bereits im Jahre 1994 eine Beihilfe zur Beschaffung eines Elektroherdes erhalten. Bereits im August
1995 sei erneut eine einmalige Beihilfe zur Beschaffung eines Elektroherdes beantragt worden, wobei der Kläger dieselben Mängel
geltend gemacht habe, die zur Bewilligung der ersten Beihilfe geführt hätten. Von daher liege der Verdacht nahe, daß nach
der ersten Bewilligung überhaupt kein neuer Elektroherd angeschafft worden sei. Zusätzlich falle auf, daß der Kläger den ihm
übersandten Gutschein über 500,-- DM nicht eingelöst habe, was zweifelhaft erscheinen lasse, ob insoweit überhaupt ein Bedarf
bestehe. Der Widerspruchsbescheid wurde der Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 29.4.1996 zugestellt.
Der Kläger hat am 21.5.1996 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben, mit der er sich unter anderem gegen die Gewährung
des Wertgutscheins in Höhe von 500,-- DM wandte. Er machte geltend, für 500,-- DM sei ein Kohleherd nicht zu beschaffen; Kohleherde
seien wesentlich teurer. Auch sei die Gewährung mittels eines Gutscheins rechtswidrig, weil er als mittellos stigmatisiert
werde. Der vom Beklagten geäußerte Verdacht entbehre der Grundlage.
Der Kläger hat insoweit beantragt, unter Aufhebung des Bescheides vom 5.9.1995 und des Widerspruchsbescheides vom 25.4.1996
den Beklagten zu verpflichten, ihm zur Anschaffung eines Kohleofens eine einmalige Beihilfe als Geldleistung in angemessener
Höhe zu gewähren.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat deren Abweisung beantragt.
Mit Urteil vom 24.6.1997 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter anderem dazu verpflichtet, dem Kläger für die Anschaffung
eines Kohleofens eine einmalige Beihilfe von 700,-- DM als Geldleistung zu gewähren. In den Entscheidungsgründen heißt es
u.a.: Der Kläger habe einen Anspruch auf Bewilligung einer Geldleistung. Zwar stehe die Gewährung der Hilfe nach § 4 Abs. 2 BSHG im Ermessen des Sozialhilfeträgers, nach den Besonderheiten des Einzelfalls und dem vom Kläger geäußerten Wunsch habe aber
eine Geldleistung bewilligt werden müssen. Der Wunsch des Klägers sei angemessen und verursache keine unvertretbaren Mehrkosten.
Aus § 1 Abs. 2 S. 1 BSHG folge zudem, daß dem Hilfeempfänger ermöglicht werden solle, im Rahmen der ihm nach dem Gesetz zustehenden Mittel seine Bedarfsdeckung
frei zu gestalten. Dem werde der Beklagte nur gerecht, wenn er grundsätzlich Geldleistungen gewähre. Nur beim Vorliegen besonderer
Umstände könne der Beklagte hiervon abweichen. Der vom Beklagten geltend gemachte Sachverhalt rechtfertige eine solche Abweichung
nicht. Es sei nicht ausgeschlossen, daß bei einem im Jahre 1994 angeschafften Elektroherd die gleichen Defekte auftreten,
wie bei dem zuvor vorhandenen Herd. Der Beklagte hätte weitere Ermittlungen anstellen müssen. Er hätte sich den Rechnungsbeleg
vorlegen lassen können oder den allgemeinen sozialen Dienst zu einer Begutachtung veranlassen können. Der Bewilligungsbetrag
sei auf 700,-- DM abzuändern gewesen. Der Kammer sei aus eigener Sachkunde bekannt, daß der Mindestpreis für den Kauf eines
Kohleofens bei 700,-- DM liege. Das Urteil wurde dem Beklagten am 19.8.1997 zugestellt.
Der Beklagte hat am 2.9.1997 die Zulassung der Berufung beantragt und sich auf §
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO berufen. Mit Beschluß vom 17.9.1997 (7 S 2200/97) hat der erkennende Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung zugelassen.
Wegen der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 17.10.1997 Bezug genommen. Der Beklagte beantragt
sachdienlich ausgelegt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24.6.1997 zu ändern
und die Klage abzuweisen, soweit der Kläger die Bewilligung einer
einmaligen Beihilfe zur Beschaffung eines Kohleofens als Geldleistung
begehrt.
Der Kläger hat sich nicht geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die in der Sache angefallenen Gerichtsakten sowie die dem Senat vorliegenden Behördenakten
Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluß, weil er diese einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung
für nicht erforderlich hält (§
130a VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht entsprochen, weil dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht.
Der Kläger kann vom Beklagten weder eine Geldleistung verlangen, noch kann er erfolgreich geltend machen, daß der bewilligte
Betrag von 500,-- DM nicht ausreiche.
Über Form und Maß der Hilfe entscheidet gemäß § 4 Abs. 2 BSHG der Sozialhilfeträger nach pflichtgemäßem Ermessen, soweit das BSHG das Ermessen nicht ausschließt. Bei seiner Ermessensentscheidung muß der Sozialhilfeträger den Besonderheiten des Einzelfalls
und angemessenen Wünschen des Hilfeempfängers Rechnung tragen (§ 3 Abs. 1 und 2 BSHG) sowie den in § 1 Abs. 2 BSHG festgelegten Grundsätzen der Hilfegewährung entsprechen. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (Urt. v. 16.1.1986 - 5 C 72.84 -, BVerwGE 72, 354 (357)), der der Senat folgt, ist bei der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt zu beachten, daß dem erwachsenen Menschen die
Möglichkeit gelassen wird, im Rahmen der ihm nach dem Gesetz zustehenden Mittel seine Bedarfsdeckung frei zu gestalten. Diesem
Erfordernis wird der Sozialhilfeträger nur gerecht, wenn er die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt grundsätzlich in Geld gewährt.
Will der Sozialhilfeträger die Hilfegewährung aber abweichend von diesem Grundsatz regeln, müssen besondere Umstände vorliegen,
die geeignet sind, zum Zwecke der Erfüllung der Aufgabe der Sozialhilfe im Einzelfall Abweichungen zu rechtfertigen (ebenda).
Das BVerwG hat aber auch klargestellt, daß diese Grundsätze nicht auf die Bewilligung von einmaligen Hilfen zum Lebensunterhalt
übertragen werden können (Urt. v. 14.3.1991 - 5 C 70.86 -, NDV 1991, 260 (261)). Hier gibt es keinen Vorrang der Geldleistung, vielmehr darf der Hilfeempfänger auch auf die grundsätzlich gleichrangige
Sachleistung verwiesen werden. Dem Sozialhilfeträger steht es bei der Bewilligung einmaliger Hilfen zum Lebensunterhalt damit
grundsätzlich frei, zwischen Geldleistung und Sachleistung oder anderen adäquaten Leistungsformen (wie z.B. Wertgutscheinen)
zu wählen. Von daher bedarf es auch keiner besonderen Rechtfertigung, wenn der Sozialhilfeträger von einer Geldleistung absieht
und andere Leistungsformen wählt. Insbesondere müssen nicht notwendigerweise Umstände vorliegen, die in der Person des Hilfeempfängers
liegen, wie beispielsweise die zweckwidrige Verwendung gewährter Sozialhilfeleistungen. Solche Umstände können zwar Anlaß
für die Versagung einer Geldleistung sein, der Sozialhilfeträger kann sich aber bei seiner Entscheidung auch auf andere Gesichtspunkte
stützen. So kann, insbesondere in Zeiten anhaltender Belastungen der kommunalen Haushalte, der sparsame Umgang mit Haushaltsmitteln
für die Wahl der Leistungsform ausschlaggebend sein. Führt eine bestimmte Ausgestaltung der Hilfe zu einem verringerten Mitteleinsatz,
kann allein dieser Umstand die getroffene Entscheidung rechtfertigen. Wünsche des Hilfeempfängers auf Gewährung einer Geldleistung
können dem grundsätzlich nicht entgegenstehen, weil § 3 Abs. 2 BSHG voraussetzt, daß nur Wünschen entsprochen werden soll, die angemessen sind und nicht zu unverhältnismäßigen Mehrkosten führen.
Entscheidend ist damit allein, ob dem Hilfeempfänger die konkrete Hilfeform zugemutet werden kann. Unzumutbar ist eine Ausgestaltung
der Hilfe aber nur dann, wenn dem Hilfeempfänger etwas zugemutet wird, was allgemein als unzumutbar angesehen wird. Was jedermann
als unzumutbar erscheint und was nach den allgemeinen Lebensgewohnheiten und Lebensumständen deshalb gemieden zu werden pflegt,
darf auch einem Sozialhilfeempfänger nicht zugemutet werden (BVerwG NDV 1991, 260 (261)). Bei Anlegung dieses Maßstabs kann keine Rede davon sein, daß die bewilligte Hilfe unzumutbar ist. Bei der Anschaffung
von Großgeräten ist die Ausgabe von Wertgutscheinen grundsätzlich zulässig (ebenso: OVG Lüneburg, Beschluß v. 22.4.1997 -
4 M 1686/97 -, FEVS 48, 121 (122)). Dies hat keinerlei diskriminierenden Charakter, zumal sich die Zahlungsgewohnheiten insgesamt grundlegend
gewandelt haben. Bei einem einmaligen Beschaffungsvorgang, wie dem Kauf eines Kohleofens, kann auch keineswegs von einer Diskriminierung
des Klägers gesprochen werden, wenn er unbar zahlt.
Im vorliegenden Fall kommt zusätzlich hinzu, daß der Beklagte gute Gründe angegeben hat, die eine Verweigerung der Geldleistung
stützen. Zu Recht ist der Beklagte davon ausgegangen, daß eine zweckwidrige Verwendung von Sozialhilfemitteln bei der früheren
Beschaffung eines Elektroherdes durch den Kläger naheliegt. Es widerspricht jeder Lebenserfahrung, daß ein soeben mit Sozialhilfemitteln
beschaffter Elektroherd alsbald gebrauchsunfähig wird und daß dieselben drei Kochplatten unbrauchbar geworden sein sollen,
wie bei dem ersten Elektroherd, der ersetzt worden ist. Der Senat teilt zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß der
Beklagte vom Kläger ohne weiteres die Vorlage von Verwendungsnachweisen für die gewährte Hilfe hätte verlangen können (vgl.
hierzu OVG Berlin FEVS 37, 109 sowie Nr. 21.07 der Sozialhilferichtlinien), er war hierzu aber nicht gezwungen. Er konnte
aufgrund seiner Erfahrungen mit der früheren Mittelverwendung durch den Kläger selbstredend auch von der Bewilligung einer
Barzuwendung absehen und einen Gutschein begeben.
Aus den vom BVerwG entwickelten Grundsätzen über die Bewilligung von einmaligen Beihilfen folgt auch, daß der Sozialhilfeträger
den Hilfeempfänger bei der Beschaffung von Großgeräten grundsätzlich auch auf funktionstüchtige gebrauchte Geräte verweisen
darf. Auch der Erwerb solcher gebrauchter Geräte wird in weiten Kreisen der Gesellschaft nicht als unzumutbar angesehen, sondern
in großem Umfang praktiziert und nicht nur von den Beziehern kleiner Einkommen. Die Beschaffung gebrauchter Geräte ist damit
als grundsätzlich gleichwertig und deshalb ermessensfehlerfrei einzustufen sein. Von daher ist auch der vom Beklagten bewilligte
Betrag von 500,-- DM nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
155 Abs.
1 S. 1, 188 Satz 2
VwGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
132 Abs.
2 VwGO nicht gegeben sind.