Sozialhilfe: Angemessenheit der Unterkunftskosten, Angemessene Wohnungsgröße
Tatbestand:
Die am 7.2.1962 geborene Klägerin zu 1 beantragte am 4.10.1995 erstmals für sich und ihre in den Jahren 1988 bzw. 1994 geborenen
Kinder (Kläger zu 2 und 3) Hilfe zum Lebensunterhalt.
Mit Bescheid vom 8.11.1995, geändert am 11.12.1995, bewilligte das Sozialamt der Beklagten die beantragte Hilfe ab Oktober
1995 in Höhe von monatlich 623,80 DM, wegen einer Kindergelderhöhung mit Wirkung vom 1.1.1996 in Höhe von 450,60 DM. Hierbei
blieben die Kosten der Unterkunft unberücksichtigt, weil sowohl die Größe der von der Klägerin am 28.9.1995 in Rauenberg angemieteten
Dreizimmerwohnung (68 qm) als auch die Höhe des Mietzinses (780,-- DM Kaltmiete) sozialhilferechtlich unangemessen sei.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 11.3.1996 zurück.
Am 12.4.1996 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben, zu deren Begründung die Klägerin zu 1 geltend
gemacht hat: Sie sei Ende September 1995 dringend auf die Anmietung der Rauenberger Wohnung angewiesen gewesen, nachdem Herr
H., der Vater ihrer beiden Kinder, sie Mitte 1995 aus der in Wiesloch gemeinsam bewohnten Wohnung hinausgeworfen habe. Sie
sei zunächst mit den Kindern zu ihren Eltern nach Rauenberg gezogen. Da diese jedoch selbst in beengten Verhältnissen
lebten, hätten sie ständig auf ihren Wiederauszug gedrängt. Sie habe auch ständig versucht, eine billige Wohnung zu finden.
Ihre Bemühungen seien jedoch ohne Erfolg geblieben. Sie habe sich dann im Juli 1995 an Herrn S. von der Gemeindeverwaltung
Rauenberg gewandt, der sie schließlich an einen Herrn M. vermittelt habe, welcher Sozialwohnungen vermiete und der auch ihr
jetziger Vermieter sei. Da sie zuvor - gleichfalls von der Stadt Rauenberg - einen Wohnungsberechtigungsschein erhalten habe,
wonach sie sogar zur Anmietung einer 75 qm großen Wohnung als berechtigt ausgewiesen sei, habe sie geglaubt, die dann von
Herrn M. angemietete Wohnung sei mit 68 qm sozialhilferechtlich angemessen. Bevor sie den Mietvertrag unterschrieben habe,
sei sie im September 1995 anlässlich ihrer Beantragung von Sozialhilfe bei Herrn S. von der Stadtverwaltung Rauenberg gewesen
und habe vom geplanten Einzugstermin vom 15.10.1995 in die von Herrn M. vermietete Wohnung berichtet. Dabei sei ihr gesagt
worden, die Wohnung sei nicht zu teuer. Später habe das Kreissozialamt ihr dann vorgeworfen, vor dem Einzug nicht das Sozialamt
gefragt zu haben. Sie habe aber immer gedacht gehabt, dass die Gemeinde eine Art Außenstelle des Sozialamts sei. Sie sei auf
die Berücksichtigung der Unterkunftskosten dringend angewiesen. Zusammen mit ihren übrigen Einkünften (Kindergeld, Bundeserziehungsgeld,
Unterhalt für die Tochter Viola sowie mit der Hilfe zum Lebensunterhalt) werde sie die Wohnung unterhalten können.
Die Kläger haben beantragt,
den am 11.12.1995 geänderten Bescheid des Beklagten vom 8.11.1995 und dessen Widerspruchsbescheid vom 11.3.1996 aufzuheben
sowie den Beklagten zu verpflichten, für den Zeitraum vom 1.10.1995 bis 29.2.1996 den Klägern Hilfe zum Lebensunterhalt in
gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten in Höhe von 780,-- DM monatlich (Kaltmiete) zu gewähren.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und sich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts berufen, wonach ein
Hilfesuchender, der ohne Notwendigkeit in eine sozialhilferechtlich unangemessen teure Wohnung umgezogen sei, die Übernahme
der Unterkunftskosten weder in voller Höhe noch teilweise in Höhe solcher Aufwendungen verlangen könne, die für eine angemessen
teure Wohnung aufzubringen wären.
Durch Urteil vom 22.4.1997 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten zur Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher
Höhe unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten mit einer Kaltmiete von 610,-- DM zuzüglich angemessener Nebenkosten für
die Zeit vom 1.10.1995 bis 29.2.1996 verpflichtet und im Übrigen die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt:
Eine Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der vollen - tatsächlichen - Unterkunftskosten sei nicht gegeben. Aber
auch soweit es um die Miete für die sonstige reine Wohnfläche gehe, könne der Beklagte nicht zur Übernahme der gesamten Unterkunftskosten
verpflichtet werden. Zwar sei die Klägerin zu 1 gezwungen gewesen, ihre bisherige Unterkunft bei ihren Eltern aufzugeben und
für sich und ihre Kinder eine neue Bleibe zu suchen. Sie habe glaubhaft geschildert, dass sie, nachdem ihr Lebensgefährte
und Vater der Kinder sie nach ständigen Streitereien und Handgreiflichkeiten im April 1995 aus seiner Wieslocher Wohnung geworfen
gehabt habe, zur Vermeidung von Obdachlosigkeit zunächst notdürftig bei ihren Eltern in einem kleinen Zimmer untergebracht
gewesen seien, wobei die Eltern dies allerdings nur unter dem Vorbehalt geduldet hätten, dass sie sich schleunigst nach einer
anderen Wohnung umsehen möge. Bereits hieraus folge, dass die Klägerin sich nicht wie ein sonstiger Mietinteressent "in aller
Ruhe" nach einer neuen Bleibe habe umsehen können. Hinzu komme, dass die Klägerin zu 1 als alleinerziehende Sozialhilfeempfängerin
mit zwei kleinen Kindern - gerichtsbekannt - auf dem Wohnungsmarkt gegenüber den Mitbewerbern ohnehin
benachteiligt gewesen sei. Unter Würdigung dieser Gesamtumstände könne es aus sozialhilferechtlicher Sicht nicht beanstandet
werden, dass sie dann am 23.9.1995 ihre jetzige Wohnung angemietet habe, nachdem sie von dem zuständigen Bediensteten der
Gemeindeverwaltung Rauenberg mit ihrem jetzigen Vermieter bekannt gemacht worden sei. Dass sie sich bei der Wohnungssuche
auf den Raum Rauenberg konzentriert habe, könne ihr im Übrigen gleichfalls nicht angelastet werden. Die Klägerin habe glaubhaft
geschildert, dass sie deshalb gezielt in Rauenberg auf Wohnungssuche gegangen sei, weil sie wieder arbeiten wolle, wenn ihr
Sohn Daniel am 19.11.1997 drei Jahre alt werde. Hierzu werde sie aber nur in der Lage sein, wenn sie ihren Sohn bei ihren
in Rauenberg lebenden Verwandten unterbringen könne. Jedoch könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin gezwungen
gewesen sei, im September 1995 ihre jetzige Wohnung anzumieten, dass dies mithin die einzige Möglichkeit der Bedarfsdeckung
dargestellt habe mit der Folge, dass der Beklagte gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO a.F. zur Übernahme der gesamten Unterkunftskosten
verpflichtet gewesen wäre. Vielmehr sei die Kammer davon überzeugt, dass die Klägerin zu 1 im zweiten Halbjahr 1995 in Rauenberg
eine billigere Wohnung hätte finden können. Deshalb könne der Beklagte nicht zur Übernahme der gesamten, sondern lediglich
der sozialhilferechtlich angemessenen Unterkunftskosten verpflichtet werden. Der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts,
wonach ein Sozialhilfeempfänger, der ohne Notwendigkeit in eine sozialhilferechtlich zu große und zu teure Wohnung umziehe,
nicht die Übernahme der für eine angemessene Unterkunft aufzubringenden Kosten verlangen könne, folge die Kammer nicht. Vielmehr
sei sie im Anschluss an den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14.6.1994 der Ansicht, dass ein Hilfebedürftiger,
der ohne Notwendigkeit in eine sozialhilferechtlich unangemessen große und teure Wohnung umziehe, die Übernahme der Unterkunftskosten
in der Höhe verlangen könne, die für eine angemessene Unterkunft aufzubringen wären. Die gegenteilige Ansicht führe wegen
ihrer rigiden Absolutheit in der Praxis zu vom Gesetzgeber mit Sicherheit nicht gewollten Härten. Hier sei insbesondere zu
berücksichtigen, dass die Klägerin zu 1 durch Einsparungen an anderer Stelle alles daran setzen könne, um die nach vielen
Mühen endlich gefundene Wohnung unter allen Umständen zu halten und die "Durststrecke" zu überwinden, bis die Klägerin im
November 1997 ihre Arbeit wieder aufnehmen könne. Während dieser Übergangsfrist sei den Klägern ein erneuter Wohnungswechsel
nicht zuzumuten. Die Höhe der angemessenen Unterkunftskosten ergebe sich aus einer Kombination der angemessenen Wohnungsgröße
und des angemessenen Quadratmeterpreises. Anhaltspunkte für die als sozialhilferechtlicher Bedarf anzuerkennende Wohnfläche
bildeten die den sozialen Wohnungsbau betreffenden Vorschriften, wenngleich sie nicht undifferenziert herangezogen werden
dürften. In Nr. 6.6.1 der Verwaltungsvorschriften des Innenministeriums zur Durchführung des Wohnungsbindungsgesetzes sei
etwa für einen Haushalt mit zwei Familienmitgliedern eine Wohnfläche bis zu 60 qm vorgesehen. Diese Flächen seien allerdings
an Haushaltsgemeinschaften mit erwachsenen Personen oder mit Kindern, die bereits eines eigenen Zimmers bedürften, ausgerichtet,
nicht dagegen an Familien mit Kleinkindern und/oder Kleinstkindern. Unter diesen Umständen könne nicht beanstandet werden,
dass der Beklagte für die Klägerin zu 1 von einem Wohnbedarf von 45 qm und für die beiden Kinder von je 8 qm ausgegangen sei.
Was die Höhe des Mietzinses anbelange, sei der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden für die Gemeinde Rauenberg von einem
sozialhilferechtlich angemessenen Betrag von 10 DM je qm ausgegangen. Dies könne seitens des Gerichts, welches seit Jahren
mit Sozialhilfesachen befasst sei, und welchem der Wohnungsmarkt im Rhein-Neckar-Kreis bestens vertraut sei, nicht beanstandet
werden. Daraus ergebe sich im vorliegenden Fall eine sozialhilferechtlich angemessene Kaltmiete von insgesamt 610,- DM monatlich,
zu deren Zahlung der Beklagte nach alledem zu verpflichten sei. Der diese Kaltmiete übersteigende und damit sozialhilferechtlich
unangemessene Mehrbetrag von 170,-- DM könne von den Klägern aus den ihnen frei zur Verfügung stehenden Mitteln, insbesondere
aus dem Bundeserziehungsgeld in Höhe von 600,- DM, ohne weiteres abgedeckt werden, zumal da nur ein relativ kurzer Zeitraum
bis zur Möglichkeit der Arbeitsaufnahme durch die Klägerin zu 1 zu überbrücken sei.
Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung des Beklagten trägt dieser vor, unangemessen hohe Mietkosten könnten nur
im Falle des § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO a.F. übernommen werden. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor. Der Anwendungsbereich
dieser Vorschrift sei auf Fälle beschränkt, in denen der Hilfesuchende eine sozialhilferechtlich unangemessene Wohnung bei
Eintritt der Hilfebedürftigkeit bereits bewohnt habe. Das sei hier nicht der Fall gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
könne deshalb hier keine Hilfe für die Kosten der Unterkunft gewährt werden. Die Klägerin hätte sich bei ihrer Wohnungssuche
im Jahre 1995 nicht nur auf den Bereich der Gemeinde Rauenberg und nähere Umgebung beschränken dürfen, vielmehr sei es ihr
zuzumuten gewesen, sich in den ländlichen Gebieten des Rhein-Neckar-Kreises nach einer geeigneten Wohnung umzusehen. Im fraglichen
Zeitraum seien in der Rhein-Neckar-Zeitung in anderen Gemeinden sehr wohl Wohnungen zu einem Mietpreis von bis zu 10,- je
qm angeboten worden. Im Übrigen werde bestritten, dass von Seiten der Stadtverwaltung Rauenberg der Klägerin eine Wohnung
vermittelt worden sei. Herr S. von der Stadtverwaltung habe mitgeteilt, dass lediglich eine Liste freistehender Wohnungen
verwaltet werde, wobei die Inhaber eines Wohnberechtigungsscheines darauf aufmerksam gemacht würden, dass sie sich auf diese
Wohnungen bewerben könnten. Die Klägerin sei lediglich auf die Möglichkeit der Beantragung eines Wohnberechtigungsscheines
und später auf eine freistehende Wohnung hingewiesen worden. Herr S. von der Stadtverwaltung Rauenberg habe es sich seit vielen
Jahren zur Gewohnheit gemacht, automatisch darauf hinzuweisen, dass die im Wohnberechtigungsschein enthaltenen Zahlen sozialhilferechtlich
nicht relevant seien und dass die Frage der Angemessenheit und Kostenübernahme mit dem Kreissozialamt abzuklären sei. Herr
S. könne sich allerdings nicht mehr daran erinnern, ob dieser Hinweis auch an die Klägerin ergangen sei. Von all dem abgesehen
seien die dem sozialen Wohnungsbau und der Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zugrundeliegenden Kriterien nicht identisch
mit den Kriterien für die Sozialhilfegewährung. Auch komme es nicht darauf an, was sich die Klägerin subjektiv vorgestellt
habe. Entscheidend sei allein, ob es sich um eine objektiv unangemessene Wohnung handele. Die Klägerin habe auch wissen müssen,
dass Bewilligungsbehörde nicht die Gemeinde, sondern das Landratsamt sei, und dass alle wesentlichen Fragen mit dem Landratsamt
zu klären seien.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 22.4.1997 - 2 K 1249/96 - zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend und weisen ergänzend darauf hin, dass die Anmietung einer Dreizimmerwohnung
durch eine alleinstehende Frau mit zwei minderjährigen Kindern zusätzlich Schwierigkeiten bereite. Richtig sei, dass von Seiten
des Herrn S. von der Stadtverwaltung Rauenberg keine direkte Vermittlung einer Wohnung stattgefunden habe. Sie, die Klägerin
zu 1, habe in der Zeitung das Inserat über die jetzige Wohnung entdeckt und sei aufgrund des ihr erteilten Wohnberechtigungsscheines
davon ausgegangen, dass diese Wohnung mit 68 qm nicht unangemessen für ihre Verhältnisse sei. Sie sei dann zu Herrn S. von
der Stadtverwaltung Rauenberg gegangen, dem der Vermieter dieser Wohnung bekannt gewesen sei. Auf ausdrückliche Frage habe
Herr S. erklärt, dass die Anmietung dieser Wohnung in Ordnung gehen würde. Für sie, die Klägerin zu 1, sei es schwierig gewesen
zu unterscheiden, ob die Sozialbehörde in Form der Gemeinde Rauenberg oder in Form des Rhein-Neckar-Kreises handele. Sie sei
nicht darauf hingewiesen worden, dass die in dem Wohnberechtigungsschein enthaltenen Zahlen sozialhilferechtlich nicht relevant
sein sollten. Im Übrigen entspreche eine Kaltmiete von 780,- DM einer Quadratmetermiete von 11,47 DM, was im September 1995
der durchschnittliche Mietzins bei Neuvermietungen von Wohnungen gewesen sei.
Dem Senat liegen die Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten
und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung vom 4.12.2000 hat der
Senat Herrn S. als Zeugen vernommen; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift hierüber Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne (weitere) mündliche Verhandlung (§
101 Abs.
2 VwGO).
Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben, weil
den Klägern Anspruch darauf zusteht, dass der Beklagte bei der sozialhilferechtlichen Bedarfsberechnung für den streitgegenständlichen
Zeitraum Unterkunftskosten in sozialhilferechtlich angemessenem Umfang zugrundelegt.
Dies folgt allerdings nicht daraus, dass bei der Anmietung unangemessenen Wohnraums jedenfalls die angemessenen Kosten der
Unterkunft vom Sozialhilfeträger zu übernehmen sind, wie das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung
des erkennenden Senats entschieden hat. Denn diese Rechtsprechung hat der erkennende Senat zwischenzeitlich aufgegeben und
sich der gegenteiligen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen. Vielmehr sind hier gemäß §§ 11, 12 BSHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.1.1991 (BGBl. I S. 94, berichtigt S. 808) und § 3 Abs. 1 RegelsatzVO vom 20.7.1962 (BGBl. I S. 515) - a.F. - die laufenden Kosten der Unterkunft bei der sozialhilferechtlich gebotenen Bedarfsberechnung nach Maßgabe ihrer
tatsächlichen Höhe zu berücksichtigen, weil sie entgegen der Auffassung des Beklagten und ihr folgend des Verwaltungsgerichts
im Sinne des sozialhilferechtlich Notwendigen angemessen sind.
Die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft ist nach dem Bedarf des (der) Hilfebedürftigen zu bestimmen. Hierfür kommt es
auf die Besonderheiten des Einzelfalles, vor allem auf die Person des Hilfebedürftigen, die Art seines Bedarfes und die örtlichen
Verhältnisse an (§ 3 Abs. 1 BSHG). Geht es um den Bedarf von mehreren Personen (Bedarfsgemeinschaft), so kommt es auch auf deren Zahl und Alter an (vgl. BVerwG,
Urt. v. 17.11.1994, BVerwGE 97, 110 = FEVS 45, 363 = NVwZ 1995, 1104). Anhaltspunkte für die als sozialhilferechtlicher Bedarf anzuerkennende Wohnfläche bieten nach der ständigen Rechtsprechung
des Senats die den sozialen Wohnungsbau betreffenden Vorschriften (so auch BVerwG, Urteile vom 1.10.1992, NJW 1993, 1024 = FEVS 44, 141, und vom 17.11.1994, aaO; vgl. ferner OVG NW, Urt. v. 12.3.1997, info also 1998, 135; Bay.VGH, Beschl. v. 2.7.1993 - 12 C 93, 573 -). Nach den Durchführungsbestimmungen der Länder ist für drei Personen eine Gesamtwohnfläche
von 75 qm überwiegend als angemessen festgelegt (vgl. LPK-BSHG, 5. Aufl., RdNr. 29 zu § 12). In Nr. 6.6.1 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Wohnungsbindungsgesetzes vom 30.10.1991
(GABl S. 1145) ist für einen Haushalt mit drei Familienmitgliedern ebenfalls eine Wohnfläche bis zu 75 qm vorgesehen. In seinem
Urteil vom 17.11.1994 hat das Bundesverwaltungsgericht (aaO) ausgeführt, es entspreche der Rechtsprechung des Senats, wenn
das Verwaltungsgericht für einen Haushalt mit drei Familienmitgliedern (Mutter mit zwei bei Abschluss des Mietvertrages 6
und 2 Jahre alten Kindern) drei Wohnräume oder bis zu 75 qm Wohnfläche für angemessen erachtet habe, weil die Frage
nach der sozialhilferechtlich angemessenen Wohnfläche anhand der Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau
nach den hierfür geltenden Vorschriften beantwortet werden könne. Die von der Klägerin zu 1 angemietete Dreizimmerwohnung
hat eine Wohnfläche von 68 qm und liegt damit noch unterhalb der als Obergrenze anzusehenden angemessenen Wohnfläche. Das
Verwaltungsgericht hat demgegenüber für die Kläger eine Gesamtwohnfläche von nur 61 qm (45 qm für die Klägerin zu 1 und je
8 qm für die beiden Kinder) als angemessen erachtet und deshalb die tatsächlich angemietete Wohnfläche von 68 qm als zu groß
bewertet. Dem vermag der erkennende Senat nicht zu folgen, weil ein solcher offenbar grundsätzlich für erforderlich gehaltener
Flächenabzug für Kinder zur Folge hätte, dass ein großer Teil der im sozialen Wohnungsbau mit öffentlichen Mitteln hergestellten
Wohnungen für Familien wie die Kläger (alleinerziehende Mutter mit Kindern) schon wegen der Wohnungsgröße von vornherein nicht
in Anspruch genommen werden könnte, obwohl diese Familien Anspruch auf Ausstellung eines Wohnberechtigungsscheins hätten.
Richtig ist zwar, dass in der Rechtsprechung des Senats und des zuvor für Sozialhilferecht zuständig gewesenen 6. Senats teilweise
die Auffassung vertreten worden ist, dass die in den Verwaltungsvorschriften der Länder zur Durchführung des Wohnungsbindungsgesetzes
genannten Obergrenzen für Wohnflächen nur an Haushaltsgemeinschaften mit erwachsenen Personen und Kindern, die bereits ein
eigenes Zimmer bräuchten, ausgerichtet seien, nicht dagegen an Familien mit Kleinkindern und/oder Kleinstkindern (vgl. Senatsurteil
vom 7.12.1998 - 7 S 1239/98 -; Urteile des 6. Senats vom 19.4.1989, FEVS 39, 388, und vom 29.11.1990 - 6 S 2391/88 -). Soweit dieser Rechtsprechung entnommen werden kann, dass grundsätzlich für Kinder (bis zum Einschulungsalter) bei der
Ermittlung der sozialhilferechtlich angemessenen Wohnfläche ein Flächenabzug bei den im sozialen Wohnungsbau als angemessen
anerkannten Wohnungsgrößen vorzunehmen ist, hält der erkennende Senat eine solche Auffassung jedenfalls in ihrer Grundsätzlichkeit
nicht mehr aufrecht. Damit wird allerdings nicht ausgeschlossen, dass es im Einzelfall bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen
gerechtfertigt sein kann, von den in den genannten Verwaltungsvorschriften zu § 5 Abs. 2 des Wohnungsbindungsgesetzes genannten
Wohnflächen nach unten (oder auch nach oben) abzuweichen. Was die Situation der Kläger anbelangt, besteht hierfür aber kein
Anlass, denn das ältere Kind, die Klägerin zu 2, war bei Abschluss des Mietvertrags bereits 7 Jahre alt, somit im schulpflichtigen
Alter, so dass es zumindest tagsüber bereits auf ein eigenes Zimmer angewiesen war. Für ein Abweichen von den im sozialen
Wohnungsbau für angemessen anerkannten Wohnungsgrößen durch eine grundsätzliche Flächenreduzierung bei Kindern auf 8 qm sieht
der erkennende Senat keine rechtfertigenden Gründe.
Unter Zugrundelegung des vom Verwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise als sozialhilferechtlich angemessen ermittelten
Quadratmeterpreises von 10,-- DM und bei Berücksichtigung einer angemessenen Wohnfläche bis 75 qm errechnet sich insgesamt
eine sozialhilferechtlich angemessene Miete von 750,-- DM. Die von der Klägerin zu 1 im fraglichen Zeitraum zu entrichtende
Miete von 780,-- DM überschreitet diesen Rahmen aber nur geringfügig um 4 %, so dass es gerechtfertigt erscheint, noch von
einer sozialhilferechtlich angemessenen Miete auszugehen, zumal da der als sozialhilferechtlich angemessen ermittelte Quadratmeterpreis
von 10,-- DM nur einen Durchschnittswert darstellt, so dass jedenfalls eine geringfügige Überschreitung (hier: 10,40 DM je
qm) noch zu tolerieren ist. Da nur der Beklagte, nicht aber auch die Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berufung
eingelegt haben, musste es indessen bei dem teilweise die Klage abweisenden Urteil des Verwaltungsgerichts verbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
154 Abs.
2,
188 Satz 2
VwGO.
Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen. Grundsätzlicher Klärung bedarf die Frage, ob und unter welchen
Voraussetzungen Abschläge von den in den Verwaltungsvorschriften der Länder zu § 5 Abs. 2 des Wohnungsbindungsgesetzes genannten
Werten hinsichtlich der Zimmerzahl bzw. Quadratmetergröße der Wohnfläche bei noch nicht schulpflichtigen Kindern gemacht werden
müssen.