Sozialhilferecht - Sozialhilfe, Klagerecht der Verbände, Antragsbefugnis
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt anstelle des Beigeladenen die Verpflichtung des Antragsgegners, dem Beigeladenen die Wiederaufnahme
in die Wertachtal-Werkstätten GmbH vorläufig zu bewilligen und die durch die Aufnahme entstehenden Kosten zu übernehmen.
Der 1963 geborene Beigeladene ist seit Geburt geistig behindert und leidet an einer rechtsseitigen Hemiparese. Er besitzt
einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen G und B. Vom 1. September 1980 bis
31. Oktober 2000 besuchte er die Wertachtal-Werkstätten GmbH in Marktoberdorf. Die Kosten hierfür hatte der Antragsgegner
im Rahmen der Eingliederungshilfe übernommen. Aufgrund seiner Tätigkeit in der Werkstatt erhält der Beigeladene seit dem 1.
September 2001 eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Zum 1. November 2000 verließ er die Werkstatt und arbeitete seitdem auf dem
Bauernhof seines Stiefvaters. Nach dessen Ableben wurde der Hof im Oktober 2003 aufgegeben.
Unter dem 15. Februar 2004 beantragte der Beigeladene die Wiederaufnahme in die Wertachtal-Werkstätten GmbH und die entsprechende
Kostenübernahme, was der Antragsgegner mit Schreiben vom 3. März 2004 mit der Begründung ablehnte, durch die Kündigung der
Werkstattbeschäftigung im Jahr 2000 und wegen des Bezuges der EU-Rente habe der Beigeladene sein Erwerbsleben beendet.
2. Am 29. April 2004 erhob der Antragsteller Verbandsklage mit dem Ziel, den Beklagten, den Antragsgegner, unter Aufhebung
seines Bescheides vom 3. März 2004 zu verpflichten, ihn in die Wertachtal-Werkstätten wiederaufzunehmen und die entsprechenden
Kosten zu tragen. Über die Klage ist noch nicht entschieden.
3. Den gleichzeitig gestellten Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des oben genannten Inhalts
lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. Mai 2004 als unzulässig ab. Der Antragsteller sei nicht befugt, den Anspruch
des Beigeladenen im Wege einer Verbandsklage nach §
63 SGB IX geltend zu machen. Er sei zwar ein Verband im Sinne dieser Vorschrift. Er sei jedoch selbst am Prozess beteiligt. Ausweislich
der Gesetzgebungsmaterialien sei durch die Regelung bezweckt worden, eine Interessenkollision in den Fällen zu verhindern,
in denen Verbänden eine Doppelrolle zufallen könne. Ein Klagerecht eines Verbandes sei demnach immer dann auszuschließen,
wenn eine Interessenkollision möglich sei, weil der betreffende Verband durch die begehrte gerichtliche Entscheidung selbst
einen Vorteil erlangen könnte. Die Werkstatt, in der der Beigeladene aufgenommen werden solle, sei Mitglied des Antragstellers.
Unbeschadet der eigenen Rechtspersönlichkeit der Trägergesellschaft werde durch diese Verflechtung klar, dass der Antragsteller
einen unmittelbaren Vorteil aus der begehrten Entscheidung haben könnte, weil er bei einer Stattgabe vom Beigeladenen die
entsprechenden Kosten für den Werkstattbesuch verlangen könnte. Unabhängig davon sei auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes
zweifelhaft. Es sei vorgetragen worden, dass dem Beigeladenen eine Tagesstruktur fehle und er deshalb in erheblichem Umfang
Alkohol konsumiere. Der Antragsgegner habe angeboten, für Maßnahmen aufzukommen, die dem Beigeladenen helfen sollten, seinen
Tag sinnvoll zu gestalten. Was den zunehmenden Alkoholkonsum des Beigeladenen angehe, stehe es diesem offen, selbst darüber
zu entscheiden, welche Waren er mit seinem Geld erwerbe. Um eine Selbstschädigung auszuschließen, müsse gegebenenfalls eine
Betreuung angeordnet werden. Eine Werkstatt für Behinderte sei im Übrigen kein Therapieplatz für Alkoholgefährdete. Auch das
Vorliegen eines Anordnungsanspruches sei zweifelhaft. Da der Beigeladene eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehe, aus der er
seinen Lebensunterhalt bestreiten könne, sei fraglich, ob er daneben vollschichtig in einer Werkstatt beschäftigt werden müsse.
Allein der Wunsch, arbeiten zu wollen, sei dafür nicht ausreichend. Vielmehr müsse gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren Beweis
erhoben werden, ob die Voraussetzungen des §
39 SGB IX beim Beigeladenen vorliegen. Daraus resultiere eine offene Hauptsacheprognose. Es sei daher eine Interessenabwägung vorzunehmen,
was passiere, wenn die einstweilige Anordnung unterbliebe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Beschäftigung in einer Werkstatt
für behinderte Menschen nicht unbeträchtliche Kosten auslösen würde, die unwiederbringlich verloren seien, sollte sich herausstellen,
dass der Beigeladene keinen Anspruch auf Werkstattaufnahme habe. Dem gegenüber sei zu berücksichtigen, dass der Beigeladene
derzeit mehr oder weniger beschäftigungslos vor sich hinlebe und möglicherweise psychisch und physisch zu verwahrlosen drohe.
Weil aber auch andere tagesstrukturierende Maßnahmen in Betracht kämen, um eine Verbesserung der Lebenssituation des Beigeladenen
zu erreichen, ginge die allgemeine Interessenabwägung letztlich zu Lasten des Beigeladenen.
4. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 26. Mai 2004 zu verpflichten, dem
Beigeladenen die Wiederaufnahme in die Wertachtal-Werkstätten GmbH, hilfsweise in eine Werkstatt für behinderte Menschen,
vorläufig zu bewilligen und die entsprechenden Kosten bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu übernehmen.
Zur Begründung trägt er vor, die vom Verwaltungsgericht angenommene Interessenkollision bestehe nicht, weil er und der Beigeladene
das gleiche Ziel, die Aufnahme in die Werkstatt verfolgten. Im Übrigen sei die Wertachtal-Werkstätten GmbH rechtlich selbständig
und auch finanziell gänzlich unabhängig vom Landesverband, so dass er, der Antragsteller, aus der begehrten Entscheidung auch
keine unmittelbaren Vorteile ziehen könne. Zu Unrecht gehe das Verwaltungsgericht von einer offenen Hauptsacheprognose aus.
Beim Beigeladenen lägen die Voraussetzungen nach §§ 39, 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BSHG vor und er habe einen Anspruch auf Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen nach §
137 Abs.
1 Satz 1, §
136 Abs.
2 SGB IX und auf Kostenübernahme im Rahmen der Eingliederungshilfe. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe
seien schon beim erstmaligen Eintritt des Beigeladenen in die Werkstatt am 1. September 1980 zweifelsfrei festgestellt worden.
Die ununterbrochene Beschäftigung des Beigeladenen über einen Zeitraum von 20 Jahren bis Oktober 2000 belege, dass die Aufgabe
der Eingliederungshilfe erfüllt werden könne. Das Leistungsvermögen des Beigeladenen habe sich deutlich gesteigert und die
Aufgabe der Eingliederungshilfe habe erfüllt werden können. An dieser Eignung habe sich auch nach dem Ausscheiden des Beigeladenen
aus der Werkstatt bis zum jetzigen Zeitpunkt nichts geändert. Jedenfalls aber könne seine Aufnahme die Beschäftigung des Beigeladenen
im Sinne des §
41 SGB IX ermöglichen oder sichern. Der Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente stehe dem Aufnahmeanspruch des Beigeladenen nicht entgegen.
Auch ein Anordnungsgrund sei gegeben. Die Tätigkeit in der Werkstatt und danach auf dem Bauernhof habe dem Beigeladenen Selbstbestätigung
und Selbstvertrauen gegeben. Die nunmehr fehlende Beschäftigung wirke sich sehr negativ auf die Persönlichkeit und psychische
Stabilität des Beigeladenen aus. Vor allem leide sein Selbstwertgefühl. Ihm fehle eine Tagesstruktur, was seine Alkoholprobleme
noch verstärke. Der Besuch einer Tagesstätte für psychisch kranke Menschen komme, weil nicht bedarfsgerecht, nicht in Betracht.
Die Eilbedürftigkeit belege das vorgelegte psychiatrische Gutachten über den Beigeladenen vom 26. August 2004.
Der Antragsgegner ist der Beschwerde im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung entgegengetreten.
Der Beigeladene hat sich in der Sitzung des Fachausschusses in den Wertachtal-Werkstätten am 20. Oktober 2004 vorgestellt.
Der Fachausschuss hat der Aufnahme des Beigeladenen in die Werkstatt nicht zugestimmt. Der Bezirk Schwaben hat die Unterbringung
des Beigeladenen in einer Tagesstätte des Diakonischen Werkes Augsburg für psychisch Kranke in Kaufbeuren vorgeschlagen.
5. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Unterlagen verwiesen.
II.
A) Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der vom Antragsteller
gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig und für das vom Antragsteller anstelle des Beigeladenen
erhobene Begehren sind ein Anordnungsgrund und teilweise auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Im Übrigen ist die
Beschwerde unbegründet.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Nach §
63 Satz 1
SGB IX können, werden behinderte Menschen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis
Verbände klagen, die nach ihrer Satzung behinderte Menschen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess
beteiligt sind. Der Antragsteller ist unstreitig ein Verband im Sinne dieser Vorschrift. Er hat anstelle und mit schriftlichem
Einverständnis des Beigeladenen Klage nach §
63 SGB IX erhoben. Zur Regelung eines vorläufigen Zustands (§
123 Abs.
1 Satz 2
VwGO) hat er den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Hierfür ist er in entsprechender Anwendung des §
63 Satz 1
SGB IX auch antragsbefugt. Er ist nicht selbst am Prozess beteiligt im Sinne dieser Vorschrift. Vor allem könnte er durch die begehrte
gerichtliche Entscheidung selbst keinen Vorteil erlangen.
Das Klagerecht der Verbände nach §
63 SGB IX ist als gesetzliche Prozessstandschaft ausgekleidet. Der Verband klagt somit anstelle des behinderten Menschen. Dabei müssen
alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den behinderten Menschen selbst vorliegen (§
63 Satz 2
SGB IX). Die Regelung in §
63 Satz 1
SGB IX "nicht selbst am Prozess beteiligt sind" stellt klar, dass die Klagebefugnis aus §
63 SGB IX neben einer Prozessvertretung oder einer anderen Beteiligtenstellung im identischen Prozess ausgeschlossen ist. Damit wollte
der Gesetzgeber Interessenkollisionen verhindern, die auftreten können, wenn ein Behindertenverband neben der Prozessvertretung
Prozessziele verfolgt, die vom Kläger selbst nicht geteilt werden (vgl. Masuch in Hauck/Noftz,
SGB IX, Stand: Oktober 2004, RdNr. 4 zu §
63). Es sollen Interessenkollisionen in den Fällen verhindert werden, in denen Verbänden eine Doppelrolle zufallen könnte (BT-Drs.
14/5074, S. 111; Haines in LPK-
SGB IX, 1. Aufl. 2002, RdNr. 11 zu §
63). Bei der Prüfung der Frage, ob eine Interessenkollision gegeben sein könnte, ist somit auf die Interessen des Verbandes
und die des behinderten Menschen abzustellen. Eine Beteiligung des Verbandes am Prozess im Sinne des §
63 Satz 1
SGB IX ist nur dann gegeben, wenn die Interessen des klagenden Verbandes und die des behinderten Menschen kollidieren. Entgegen
der Auffassung des Verwaltungsgerichts liegt eine solche Interessenkollision nicht schon dann vor, wenn der klagende Verband
durch die begehrte gerichtliche Entscheidung selbst einen Vorteil erlangen könnte. Er darf nur keine vom Interesse des behinderten
Menschen abweichende Prozessziele verfolgen. Eine andere Auslegung würde der Zielsetzung der Vorschrift des §
63 Satz 1
SGB IX zuwiderlaufen, die gerichtliche Geltendmachung von Rechten behinderter Menschen an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis
zu erleichtern. Das gerade im Interesse des behinderten Menschen aufgenommene Klagerecht der Verbände liefe weitgehend leer,
weil vor allem mitgliederstarke und bundes- bzw. landesweit organisierte Behindertenverbände, würde man der Auffassung des
Verwaltungsgerichts folgen, häufig vom Klagerecht ausgeschlossen wären. Die Vorschrift lässt es deshalb auch genügen, dass
der klagende Verband eine Einverständniserklärung des behinderten Menschen vorweisen kann.
Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, inwieweit der Antragsteller durch die anstelle des Beigeladenen begehrte Aufnahme und
Kostenübernahme einen (wirtschaftlichen) Vorteil erlangen könnte. Der Antragsteller und die Wertachtal-Werkstätten GmbH sind
unbestritten sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich völlig unabhängig voneinander. Letztere ist lediglich Mitglied des Antragstellers.
Wirtschaftliche Verflechtungen gibt es nicht.
2. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund für die begehrte Aufnahme des Beigeladenen und die Übernahme der dann anfallenden
Kosten glaubhaft gemacht. Die einstweilige Anordnung ist erforderlich, um wesentliche Nachteile im Sinne von §
123 Abs.
1 Satz 2
VwGO für den Beigeladenen abzuwenden. Es ist jedenfalls glaubhaft gemacht, dass der Beigeladene ohne die begehrte Aufnahme in
die Wertachtal-Werkstätten GmbH zum frühest möglichen Zeitpunkt in seiner psychischen Gesundheit erheblich beeinträchtigt
wird. Nach der psychiatrischen Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren vom 26. August 2004 ist die erneute Einstellung
in die Wertachtal-Werkstätten aus psychiatrischer Sicht dringend erforderlich. Die zu erwartenden Beeinträchtigungen der psychischen
Gesundheit des Beigeladenen könnten durch eine stattgebende (rechtskräftige) Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr
ausgeglichen werden.
3. Der Antragsteller hat für das Begehren des Beigeladenen auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, für die begehrte
Kostenübernahme allerdings nur für den Zeitraum der vom Senat ausgesprochenen Verpflichtung. Für die Zeit vom 1. Januar 2005
bis zur Entscheidung in der Hauptsache ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Mit der Hilfe soll eine gegenwärtige
Notlage beseitigt werden. Hierfür reicht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschluss vom 25.10.2004
12 CE 04.2408) eine Verpflichtung für den Monat seiner Entscheidung und den Folgemonat aus. Für den darüber hinausgehenden
Zeitraum besteht keine gegenwärtige Notlage des Beigeladenen und damit derzeit kein Anordnungsanspruch.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Beigeladene zum Personenkreis des § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG, §
68 Abs.
1, §
2 Abs.
2 SGB IX gehört. Das Verwaltungsgericht geht aber von einer offenen Hauptsacheprognose aus, weil es - und mit ihm auch der Beklagte
- das Vorliegen der Voraussetzungen des §
39 SGB IX beim Beigeladenen bezweifelt. Es stellt in Frage, ob bei dem Beigeladenen nach § 39 Abs. 3, § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BSHG i.V.m. §
39 SGB IX die Aussicht besteht, dass mit seiner Aufnahme in die Wertachtal-Werkstätten GmbH die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt
und die Zielsetzung einer Werkstattbeschäftigung erreicht werden kann. Das Verwaltungsgericht erweitert damit zwar nicht,
wie der Antragsteller meint, die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Eingliederungshilfe gemäß §§ 39, 40 BSHG um die in §
39 SGB IX enthaltenen Zielsetzungen. Es zieht diese nur für die Prüfung der Frage heran, ob bei der Aufnahme des Beigeladenen in die
Werkstätte die in § 39 Abs. 3 BSHG festgelegte Aufgabe der Eingliederungshilfe erreicht werden kann. Der Senat hält das aber für überwiegend wahrscheinlich
und damit für glaubhaft gemacht (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X). In §
39 SGB IX wird die Aufgabe der Werkstatt für behinderte Menschen einmal im Hinblick auf die Erhaltung und Förderung der Erwerbs- und
Leistungsfähigkeit festgelegt. Zum anderen kommt der Werkstatt die Aufgabe zu, die Persönlichkeit des behinderten Menschen
weiterzuentwickeln. Schließlich wird auch die Beschäftigung des behinderten Menschen als solche genannt. Es mag offen und
gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob die beiden ersten Zielsetzungen durch die begehrte Wiederaufnahme
erreicht werden können. Es besteht jedenfalls die hinreichende Aussicht, dass die Wiederaufnahme in die Wertachtal-Werkstätten
GmbH die Beschäftigung des erst 41 Jahre alten Beigeladenen in Zukunft ermöglichen oder sichern kann (§ 39 Abs. 3 BSHG, §§
39,
41 SGB IX). In diesem Zusammenhang kann es jedenfalls nicht ausschließlich - wie das Verwaltungsgericht meint - darauf ankommen, dass
der Beigeladene über eine Erwerbsunfähigkeitsrente verfügt und sein überwiegender Lebensunterhalt gesichert ist. Denn die
vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Notwendigkeit der Deckung des Lebensunterhaltes des Beigeladenen ist gerade nicht
Aufgabe der Eingliederungshilfe, sondern sie fällt in den Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Werkstatt für behinderte
Menschen ist eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben,
und zwar unter anderem solcher, die - wie der Beigeladene - wegen Art und Schwere ihrer Behinderung nicht auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt beschäftigt werden können (§
136 Abs.
1 SGB IX). Der Zweck der Werkstatt liegt in der Eingliederung behinderter Menschen in das Arbeitsleben mittels pädagogisch und auf
andere fachliche Weise betreuter, nicht nur auf Erwerb ausgerichteter, Arbeit (Cramer, Schwerbehindertengesetz, 5. Aufl. 1998,
RdNr. 17 zu § 54). Die Werkstatt für behinderte Menschen hat damit neben der reinen Beschäftigung auch gerade sozialpädagogische
Aufgaben. Der Beigeladene kann unstreitig keiner Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen. Seine aufgrund der
Betreuung und Anleitung durch den Stiefvater zeitweilig mögliche Mitarbeit auf dem Bauernhof ist mit dessen Tod und der Aufgabe
des Bauernhofes weggefallen. Für die Realisierung seines Rechts auf Teilhabe ist der Beigeladene für die Ausübung einer angemessenen
Tätigkeit im Sinne des § 39 Abs. 3 Satz 2 BSHG auf die Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen angewiesen. Dass der Beigeladene die institutionellen Aufnahmevoraussetzungen
nach §
136 Abs.
2, §
137 Abs.
1 SGB IX erfüllt und damit nach Abs.
2 der letztgenannten Vorschrift seine Aufnahme verlangen kann, ist wohl nicht streitig. Jedenfalls ergibt sich das aber aus
der vom Antragsteller vorgelegten Kurzmitteilung der LVA Schwaben vom 1. Oktober 2004 und dem Schreiben der Wertachtal-Werkstätten
GmbH vom 11.10.2004, aber auch aus dem Protokoll über die Fachausschusssitzung am 20. Oktober 2004, wonach der Beigeladene
gemeinschaftsfähig, am "Arbeitsplatz" weitgehend unabhängig von Pflege und voraussichtlich in der Lage ist, ein Mindestmaß
wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Die Werkstatt ist auch bereit ihn aufzunehmen.
Der Beigeladene hat auch einen Anspruch auf Aufnahme gerade in die Wertachtal-Werkstätten GmbH. Diese Werkstatt ist nach dem
vom Antragsgegner unwidersprochenen Vorbringen des Antragstellers die einzige im Einzugsbereich des Wohnorts des Beigeladenen
zugelassene Anbieterin von Werkstattplätzen. Eine Aufnahmeverpflichtung besteht nach §
137 Abs.
1 Satz 1
SGB IX nur gegenüber denjenigen behinderten Menschen, die im Einzugsgebiet wohnen.
Auch der Vorschlag des Antragsgegners in der Sitzung des Fachausschusses am 20. Oktober 2004, den Beigeladenen in einer Tagesstätte
für psychisch Kranke unterzubringen, ändert hieran nichts. Der Beigeladene ist geistig behindert und nicht psychisch krank.
Ärztliche Atteste oder entsprechende Gutachten, die eine Aufnahme in eine Einrichtung für psychisch Kranke für geeignet erachten
bzw. befürworten würden, liegen nicht vor. Vielmehr ist nach dem Gutachten des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren vom 26. August
2004 eine erneute Einstellung des Beigeladenen in den Wertachtal-Werkstätten aus ärztlich-psychiatrischer Sicht dringend erforderlich.
B) Die Kostenentscheidung stützt sich auf §
155 Abs.
1 Satz 1, §
188 Satz 2 Halbsatz 1
VwGO.
C) Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
152 Abs.
1 VwGO).